Die Inschriften des Landkreises Jena

2. Historischer Kontext

Der vorliegende Band umfaßt die Inschriften der Orte im heutigen Lkrs. Jena sowie im Stadtkreis Jena außerhalb der Grenzen der mittelalterlichen Stadt.2) Der Lkrs. Jena, der sich zu beiden Seiten der mittleren Saale zwischen den Städten Orlamünde im Süden und Camburg im Norden erstreckt, wo er an den bereits früher im Rahmen der “Deutschen Inschriften” bearbeiteten Krs. Naumburg an der Saale anschließt,3) nimmt in seiner jetzigen [Druckseite XIII] Gestalt nur wenig Rücksicht auf die historisch gewachsenen Strukturen des Territoriums, für das die Saalelinie von entscheidender Bedeutung war.4)

Bis an die Saale erstreckte sich das Frankenreich in karolingischer Zeit; für Einhard ist sie ein Fluß, “der Thüringer und Sorben trennt“. Die Grenze freilich war durchlässig. Slawische Bodenfunde westlich des Flusses bis hin zur Ilm und die historischen Ortsnamen erweisen den Raum um Jena und Kahla als dicht von Slawen besiedelt. Die Christianisierung des Gebietes wurde entschieden von Erfurt aus vorangetrieben, wo Bonifatius im Jahre 743 ein kurzlebiges Bistum gegründet hatte, das nach seiner Ernennung zum Bischof von Mainz5) im Jahre 746 mit der Mainzer Diözese vereinigt wurde. Der Einfluß des Mainzer Erzbistums auf Thüringen stand aber zunächst dem Wirken der beiden Reichsklöster Fulda und Hersfeld nach.

Bei der Missionierung Thüringens stützte sich Bonifatius hauptsächlich auf den einheimischen Stammesadel. Diesen versuchten die karolingischen Herrscher in das Reich zu integrieren, indem sie im Jahre 782 die Grafschaftsverfassung einführten. Das Königsgut wurde mit einem System von Burgbezirken überzogen; Dornburg und Kirchberg (Hausbergburgen) könnten Mittelpunkte solcher karolingischen Burgbezirke gewesen sein. Das 9. Jh. wird vom Kampf der Franken gegen die Slawen bestimmt. Mit dem Verfall des Frankenreiches nahm die Macht der sich auf den militärischen Oberbefehl in diesem Grenzgebiet stützenden Markenherzöge (duces) zu, deren Eigenbesitz dem Krongut und dem Besitz der Reichsklöster gegenüberstand. Es ist kaum wahrscheinlich, daß es damals bereits zur Ausprägung größerer zusammenhängender Territorien gekommen ist. Doch eine ganze Anzahl von Orten im Lkrs. Jena erscheint in den frühen Hersfelder Zehntverzeichnissen (9. Jh.) als im Besitz des Kaisers befindlich (in potestate Cesaris).

Eine Veränderung dieses Kräfteverhältnisses brachte die Wahl Heinrichs I. zum deutschen König (919). Diese hatte bereits in den ersten Jahrzehnten des 10. Jh. Gebiete im nördlichen Thüringen unter seine Herrschaft gebracht, während das Thüringer Becken und die südlichen Gebiete in den Händen der einheimischen Adligen verblieben. Mit seiner Wahl trat Heinrich zugleich in den Besitz des Reichsgutes ein, das er weiter zu mehren suchte. Die Pfalzen Dornburg und Kirchberg wurden von den ottonischen Herrschern oft besucht. Eine Kette von Burgwarden zog sich an der mittleren Saale entlang, die bis in die Stauferzeit hinein zu Reichsburgen ausgebaut und Ministerialen, wie etwa den Burggrafen von Kirchberg, zur Verwaltung anvertraut wurden. Doch zu einem geschlossenen, der Krone gehörigen Gebiet führte diese Entwicklung nicht, und alle Versuche der Kaiser, sich Teile des Besitzes der thüringischen Grafen zusprechen zu lassen, scheiterten an den partikularen Gewalten. So endet im Jahre 1324 die Geschichte des Reichsgutes in Thüringen kläglich; an seine Stelle war die Hausmacht der großen Grafengeschlechter getreten, die untereinander um die Vormacht rangen.

Aufstieg und Niedergang der Ludowinger, die auf dem Reichstag zu Goslar 1131 die Würde eines Landgrafen von Thüringen erhielten, braucht in unserem Rahmen nicht weiter verfolgt zu werden. Keine der Inschriften des Bearbeitungsgebietes berührt jenes Geschlecht, das vor seinem Ende mit Heinrich Raspe für eine kurze Zeit sogar nach der Königskrone gegriffen hatte. Dessen Tod (Februar 1247) führte das Land in einen Erbfolgekrieg, den [Druckseite XIV] bereits 1249 Markgraf Heinrich von Meißen (1221–1288) für sich entscheiden konnte. Nach einem halben Jahrhundert wurden in der Schlacht bei Lucka (1307) die Ansprüche der königlichen Zentralgewalt endgültig zurückgewiesen. Die Thüringer Landgrafschaft verblieb in der Hand der Wettiner, die nun zielstrebig darangingen, ihren Grundbesitz abzurunden, die Adelsgeschlechter in ihrer Macht einzuschränken und in ein Lehnsverhältnis zu bringen. Von der Grafschaft Camburg aus galten ihre Bemühungen zunächst dem nach Süden anschließenden Gebiet der Herren von Lobdeburg-Leuchtenburg, die im 13. Jh. mit dem Aufbau eines eigenen Territoriums begonnen und durch die Gründung zahlreicher Städte – darunter Jena (um 1230) und Kahla – und Klöster den Ausbau zu einer Landesherrschaft versucht hatten. Vom Verfall des Lobdeburgischen Besitzes profitierten aber zunächst vor allem die Grafen von Schwarzburg. Diese hatten ihre Macht von Süden aus über Kahla, die 1333 gekaufte Leuchtenburg, Roda und die 1331 von der verwitweten Burggräfin von Kirchberg, einer gebornen Schwarzburgerin, erworbene Burg Windberg auf dem Hausberg bis hinauf nach Jena ausgedehnt. Damit bildete ihr Gebiet einen Riegel zwischen den thüringischen und den osterländischen Besitzungen der Wettiner. Im Gebiet um Jena stießen beide Mächte aufeinander; den Besitz der Stadt hatten sie sich zunächst noch zu teilen.6)

Gegen die Grafen gelang Markgraf Friedrich II. (1323–1349) in der sogenannten “Thüringer Grafenfehde” (1342–1345)7) mit Unterstützung der Stadt Erfurt ein entscheidender Schlag. Der Friedensvertrag von Weißenfels (28. Juli 1345) drängte die Schwarzburger aus dem Saaletal zurück. Sie verloren Kahla und mußten nicht nur Dornburg, das ihnen 1344 von den Schenken zu Tautenburg als Lehnherren aufgetragen worden war (s. Nr. 2), nun von dem Markgrafen zu Lehen nehmen, sondern auch Windberg und die Herrschaft Leuchtenburg mit Roda, die sie schließlich 1358 endgültig aufgaben. Der Burggraf von Kirchberg hatte die Burg Greifberg abzutreten. Auch die Grafen von Orlamünde trugen Friedrich II. ihre Herrschaft zu Lehen auf, nachdem ihm die Grafschaft und die Stadt selbst bereits 1344 durch den Grafen Heinrich IV. von Weimar-Orlamünde aus Geldmangel verkauft worden war. Im “Vogtländischen Krieg” (1354–1359) brachte Markgraf Friedrich III. (1349–1381) auch Teile des Gebietes der Vögte von Weida, Gera und Plauen an sich. Nur die Schenken zu Tautenburg, die in der Mitte des 13. Jh. altes Reichsgebiet erworben hatten (s. Nr. 1), blieben bis zu ihrem Aussterben im Jahre 16408) reichsunmittelbare Dynasten, wenngleich die Vielzahl der von ihnen überkommenen Inschriften in Tautenburg und Frauenprießnitz nicht vergessen machen darf, daß ihr Besitz sich äußerst bescheiden ausnahm und auf einige wenige Dörfer begrenzt war.

Ansonsten war das mittlere Saaletal, gegliedert in die Ämter Camburg, Dornburg, Windberg, Jena, Burgau, Lobeda, Kahla und Orlamünde, nun fest in wettinischer Hand und damit gebunden an das weitere Schicksal dieses Fürstengeschlechtes und insbesondere an seine verschiedenen Teilungen. Die Chemnitzer Teilung von 1382 endete im Jahre 1440 ohne größere Folgen. Die Altenburger Teilung von 1445 zwischen Kurfürst Friedrich II. (1428–1464) und Herzog Wilhelm III. (1445–1482), die maßgeblich von den adligen Räten Wilhelms, Busso und Apel Vitzthum, betrieben wurde, führte in den sogenannten “Sächsischen Bruderkrieg” (1445–1451),9) in dessen Verlauf zunehmend die thüringischen Besitzungen [Druckseite XV] der Vitzthume heimgesucht wurden. So wurden die Ämter Burgau und Lobeda verwüstet, Reinstädt zerstört (s. Nr. 36), Dornburg, Isserstedt und andere feste Plätze geschleift. Nach dem Naumburger Frieden von 1451, der im wesentlichen den früheren Zustand bestätigte, stifteten die fürstlichen Brüder als Zeichen der Sühne die Wallfahrtskirche in Vierzehnheiligen (Nr. 46). Mit dem Tode Wilhelms III. fiel Thüringen zurück an die wettinische Hauptlinie; aber als kurz darauf die Brüder Ernst (1464–1486) und Albrecht (1485–1500) sich erneut zu einer Landesteilung entschlossen, war es dem Hause Wettin nicht ein drittes Mal beschieden, daß die Gnade eines kinderlosen Todes die Spaltung nach einiger Zeit wieder aufhob. Die Leipziger Teilung von 1485 war dergestalt geplant, daß die beiden Hälften auf komplizierte Weise miteinander verzahnt bleiben und zu dem jeweiligen Hauptteil (Meißen bzw. Thüringen) auch kleinere Teile im Gebiet des anderen gehören sollten. Die Grenze verlief durch das Bearbeitungsgebiet. Die Ämter Camburg (mit der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen), Dornburg und Jena, die Propstei, das Zisterzienser-Nonnenkloster und das Brückenamt zu Jena sowie der Hof des Deutschritter-Ordens zu Zwätzen gehörten zum meißnischen Teil,10) den Albrecht sich wählte, wobei Amt und Stadt Jena noch 1485 an Ernst gingen,11) weil Albrecht die 100 000 Gulden Ausgleich für das als wertvoller geltende meißnische Gebiet nicht aufbringen konnte und diese Summe durch die Zugabe einiger Ämter, darunter Jena, halbierte.

Am Ausgang des Mittelalters hatten die ehemals so wichtigen Burgen12) ihre militärische und politische Bedeutung weitgehend verloren. Die wenigsten von ihnen spielen daher in der epigraphischen Überlieferung eine Rolle. Camburg im Norden wurde 1451 im “Sächsischen Bruderkrieg” zerstört. Die alte Kaiserpfalz Dornburg, seit 1358 wettinisch, wurde ebenfalls 1451 bis auf den Bergfried geschleift, aber bis zum Beginn des 16. Jh. (s. Nr. 130) das Schloß für die Bedürfnisse der ernestinischen Kurfürsten wieder hergerichtet. Die Tautenburg, seit dem 13. Jh. im Besitz der nach ihr benannten Schenken (s. Nr. 1), mußten diese im Jahre 1345 den Wettinern zu Lehen auftragen; die Albertiner nahmen sie nach dem Aussterben des Geschlechtes (s. Nr. 328) im Jahre 1640 als erledigtes Lehen in ihren Besitz und richteten ein Amt ein. Von der alten Wasserburg Lehesten, die im Jahre 1304 zusammen mit anderen festen Plätzen der Burggrafen von Kirchberg (s. Nr. 79) zerstört wurde und in den Besitz der Wettiner, von diesen aber 1507 an den Deutschen Orden in Zwätzen kam, steht heute nur noch der um 1550 (s. Nr. 145) umgebaute Turm. Die Kunitzburg, einst Reichslehen und von dem Ministerialengeschlecht der Gleisberger verwaltet, dann an die Reussen abgegeben, hatten sich die Wettiner bereits 1398 gegen die Ansprüche des Königs erfolgreich aneignen können. 1450 wurden die berüchtigten Gebrüder Vitzthum mit dem Schloß und der zugehörigen Pflege belehnt, aber schon ein Jahr später sah sich der Herzog genötigt, die Burg seiner unbotmäßigen Räte zu erobern und den Turm zu brechen. Auf dem sich nach Süden anschließenden Hausberg standen drei Burgen: Windberg, Kirchberg, Greifberg, deren Aussehen ein bemerkenswertes Wandgemälde aus dem 15. Jh. in der Wallfahrtskirche zu Ziegenhain (Nr. 79) überliefert. Hier saßen die an der mittleren Saale einst bedeutenden Burggrafen von Kirchberg, deren Burgen die Wettiner in einer spektakulären Aktion im Jahre 1304 unter dem Vorwand des Landfriedensbruches von einem Aufgebot der Städte Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen erobern und zum Teil schleifen ließen. Die Kirchberger verkauften schließlich Greifberg im Jahre 1345 an die Landgrafen; der Griff der Schwarzburger Grafen nach der Burg Windberg (1331) blieb Episode.

[Druckseite XVI]

Südlich von Jena lagen die Lobdeburgen; von der oberen sind Reste erhalten. Ihre Besitzer haben zu den mittelalterlichen Inschriften des Lkrs. Jena nichts beigesteuert.13) Das Dynastengeschlecht der Lobdeburger, das sich im 13. Jh. in mehrere Linien (Burgau, Leuchtenburg, Arnshaugk, Elsterberg) gespalten hatte, war im 14. Jh. in wachsende wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, die die Wettiner für sich ausnutzen konnten; sie erscheinen 1344 als Besitzer der oberen und 1358 auch der unteren Lobdeburg. Die Gebäude dienten in nachfolgender Zeit als Steinbruch, so etwa beim Bau der Saalebrücke in Burgau (s. Nr. 142) und der Peterskirche von Lobeda (s. Nr. 60). Die im Bruderkrieg 1450 zerstörte Burg in Altenberga, nach der sich ein Zweig der Burggrafen von Orlamünde nannte (ihr Wappen begegnet überraschend noch um 1500 auf dem Altar in Großlöbichau, Nr. 69), war bereits im Grafenkrieg in wettinischen Besitz übergegangen. Nach Süden zu folgt die imposante Leuchtenburg14) auf einem Bergkegel am Ostufer der Saale; im dritten Viertel des 13. Jh. von den Herren von Lobdeburg erbaut, wurde sie 1333 an die Grafen von Schwarzburg verkauft. Freilich hatten die Wettiner zu diesem Zeitpunkt bereits die Lehnshoheit an sich gebracht, und sie setzten sich schließlich im Jahre 1396 in den direkten Besitz dieser wichtigen Bastion, die später zum Mittelpunkt eines Amtes wurde. Von der Leuchtenburg aus kann man in einem Nebental der Saale die Kemenate von Reinstädt, im Jahre 1083 als Sitz eines Rittergeschlechtes erwähnt, sehen. Die Burg, von der nur noch diese Kemenate aus dem 15. Jh. steht (s. Nr. 28), war schon früh in wettinischer Hand. Herzog Wilhelm III. gab sie 1448 seinem Kriegshauptmann Heinrich von der Pforten (s. Nr. 58), der in den folgenden Jahren das Rittergut im Ort erwarb. Die Kirche war die Grablege dieses Geschlechtes, von dem sich eine größere Anzahl von Denkmälern aus dem 16. und 17. Jh. erhalten hat (s. Nr. 175). Schließlich thront an der Südgrenze des Lkrs. Jena die Burg von Orlamünde hoch über der Saale.15) Die erhaltene Kemenate gehört zu den ältesten Bauwerken in der Gegend. Erstmalig wird die Burg im Jahre 1071 erwähnt. Besitzer waren die Grafen von Weimar, die sie 1344 aus Geldnot an die Wettiner verkauften.

Die in ungewöhnlicher Dichte entlang der mittleren Saale gelegenen Burgen kamen fast alle im 14. und im frühen 15. Jh. in landgräflichen Besitz. Ihre militärische Bedeutung sank, je mehr sich der wettinische Ständestaat in den größeren Territorialstrukturen formierte. Die meisten von ihnen verfielen im späten Mittelalter, als eben die epigraphischen Quellen reicher zu fließen beginnen.

Ein viel weniger einheitliches Bild gewinnt man bei der Betrachtung der kirchlichen Verhältnisse in jener Epoche. Die Pfarrorganisation in Ostthüringen geht noch auf ottonische Zeit zurück. Die ersten Pfarrkirchen entstanden in der Nähe von Burgen oder gingen aus den Burgkapellen hervor, und der Umfang der Sprengel orientierte sich in der Regel an dem der Burgbezirke. Diese Burgbezirks- oder Urpfarreien nahmen in einigen Fällen – wie etwa Lobeda – keine Rücksicht auf die Saalelinie. Sie dürften also noch vor 968 eingerichtet sein. In diesem Jahr wurde nämlich der Fluß zur Grenze zwischen den Diözesen Mainz und dem neu gegründeten Suffraganbistum Zeitz (das nach 1028 nach Naumburg zurückverlegt wurde) innerhalb des Erzbistums Magdeburg. Die Missionierung des Slawengebietes rechts der Saale ging im 10. und 11. Jh. nur zögernd vor sich. Die Organisation der Verwaltung [Druckseite XVII] des Mainzer Erzbistums kam erst unter Erzbischof Adalbert I. (1111–1137) mit der Einrichtung von Archidiakonatssprengeln zum Abschluß. Die linkssaalischen Orte im Bearbeitungsgebiet gehörten nun zum Archidiakonat Beatae Mariae Virginis in Erfurt und dort zur Sedes (Erzpriestersprengel) Oberweimar bzw. (im Norden) zur Sedes Utenbach, die rechtssaalischen zum Bistum Naumburg.16) Diese Gliederung wie überhaupt die Bistumsgrenze spielt nur am Rande in die überlieferten Inschriften des Lkrs. Jena hinein (s. Nr. 36); sie wurde in den folgenden Jahrhunderten durch die politische Neuordnung des Gebietes bei der Herausbildung der Landesherrschaft immer bedeutungsloser und endlich mit der Reformation aufgehoben.17)

Über das Gebiet der mittleren Saale war im Mittelalter ferner eine Anzahl von Klöstern und Stiften verteilt. Allein in der Stadt Jena gab es drei nicht unbedeutende Institutionen: das im Jahre 128618) gegründete Dominikanerkloster, das von Roda aus im Jahre 1301 mit Zisterzienser-Nonnen besetzte Michaeliskloster und das erst spät (1415) gegründete Karmeliterkloster.19) Das vor 1195 von Markgraf Dietrich von Meißen in Camburg eingerichtete Augustiner-Chorherrenstift wurde bereits 1219 nach Eisenberg verlegt. Ein ebensolches Stift war im frühen 13. Jh. im nur wenige Kilometer entfernten Porstendorf von Bischof Bruno II. von Meißen (1209–1228) gegründet worden. Sein Bruder Konrad von Porstendorf stiftete dort eine Kommende des Deutschritterordens, und um 1221 wurde das Stift dem Deutschmeister des Ordens übertragen. Daneben gab es im Ort einen Klosterhof der Zisterzienser in Pforte (Schulpforta, Krs. Naumburg). Im benachbarten Dorf Zwätzen wird ebenfalls 1221 eine weitere Niederlassung des Deutschen Ordens erwähnt, offenbar eine Gründung der ludowingischen Landgrafen gegen die von Norden her drängenden Wettiner. Das Haus Zwätzen ist Sitz des Landkomturs der Ballei Thüringen gewesen. Daneben gab es in Zwätzen einen Hauskomtur. Der Orden hatte in Thüringen wichtige Patronatsrechte und im Gebiet der mittleren Saale – freilich eher bescheidenen – Landbesitz: einzelne Dörfer, wie z.B. Nerkewitz, und seit 1502 die aus den Dörfern Altengönna, Rödigen und Lehesten gebildete Kommende Lehesten. In Altengönna, Nerkewitz, vor allem aber in Zwätzen selbst haben sich einige Grabmale für Mitglieder des Ordens, vornehmlich Land- und Hauskomture des frühen 16. Jh. (Nrr. 107, 108, 144, 165, 195) und aus späterer Zeit eine Wappentafel des Statthalters Bernhard von Anhalt (Nr. 237) erhalten. Während der Reformation wurden die meisten Güter des Ordens sequestriert, während die Ballei Thüringen mit der Komturei Zwätzen weiter bestand. Das Haus Zwätzen selbst war in der Leipziger Teilung von 1485 an das albertinische Sachsen gekommen, wo es – zusammen mit einigen Dörfern der Umgebung – als eigenes Amt bis zu seiner Auflösung im Jahre 1809 blieb und durch einen Schösser (vgl. Nr. 292) verwaltet wurde. Im ehemaligen Komtureigebäude (jetzt Versuchsgut der Universität Jena) befinden sich einige Tafeln mit den Intialen von Landkomturen und Statthaltern des 17. und 18. Jh. (vgl. Nr. 324).20)

Von dem im späten 13. Jh. durch die Schenken von Tautenburg gegründeten Zisterzienser- [Druckseite XVIII] Nonnenkloster Frauenprießnitz ist wenig bekannt. Es wurde 1525 im Bauernkrieg zerstört, und aus den Trümmern der Klosterkirche ging die heutige Dorfkirche St. Mauritii hervor. Um 1512 hatten die Schenken darin ihr Erbbegräbnis eingerichtet (s. zu Nr. 112), das bis zum Aussterben des Geschlechtes (1640) benutzt wurde. Von dem Kloster selbst gibt es – mit Ausnahme einer Spolie (Nr. 5) – keine epigraphische Überlieferung.

Ein Schattendasein fristete ebenfalls das durch eine Schenkung des Grafen Heinrich IV. (gest. nach 1354) im Jahre 1331 ins Leben gerufene Wilhelmiten-Kloster in Orlamünde,21) das, bereits Ende des 15. Jh. zerrüttet und verkommen, durch einen Brand im Jahre 1521 zugrundegegangen ist (s. zu Nr. 162). Auch hier sind keine Inschriften überliefert.

 

Die Reformation veränderte das Gebiet an der mittleren Saale nachhaltig. Nach dem Tode Kurfürst Friedrichs des Weisen (reg. 1486–1525) hat sein Nachfolger Johann der Beständige (reg. 1525–1532) nicht nur die aufständischen Bauern niedergeworfen und blutig Strafgericht gehalten,22) sondern sogleich den Aufbau der neuen Kirchenorganisation durch Visitationen (die erste bereits 1525 unter Mitwirkung von Melanchthon23) und Sequestrierung vorangetrieben. Die Aufhebung des reichen Jenaer Zisterzienser-Nonnenklosters brachte dem Amt Jena den Zugewinn der Klosterdörfer Cospeda, Löbstedt, Closewitz, Nerkewitz, Hainichen und Lützeroda.

Die albertinischen Gebiete in Thüringen, d. h. die Ämter Camburg und Dornburg, blieben bis zum Tode des Herzogs Georg (reg. 1500–1539) nicht nur der Reformation verschlossen, sondern wurden in ihrem katholischen Glauben noch bestärkt. Ein bemerkenswertes Zeugnis des Bemühens, den alten Glauben durch neue Formen auch humanistisch gebildeten Kreisen attraktiv zu machen, ist der spärliche Rest eines großangelegten Bildprogramms in der Wallfahrtskirche zu Vierzehnheiligen, ein lateinisches Distichon auf den hl. Blasius (Nr. 139). Georgs Nachfolger Heinrich der Fromme (reg. 1539–1541) führte schließlich die Reformation auch in seinem Gebiet ein. Im albertinischen Thüringen wurden durch Visitationen – im August 1539 der Städte, zwischen August und Oktober 1540 des flachen Landes – die Ämter Camburg, Dornburg und die albertinischen Dörfer um Jena sowie unter Hans Schenk (gest. 1551, s. Nr. 149) die Herrschaft Tautenburg der lutherischen Lehre zugeführt. Die neue Kirche erhielt ihre Strukturen. Neben Jena, wo bereits 1527 eine Superintendentur eingerichtet worden war,24) wurde selbiges nun auch für Frauenprießnitz (s. Nr. 285) und Camburg angeordnet; 1556 kam Orlamünde hinzu (s. Nr. 166).

Die folgenden Jahrhunderte sind politisch von der Zersplitterung der ernestinischen Territorien,25) von Absolutismus und Kleinstaaterei, bestimmt, ein oft beklagter, oft auch belächelter Zustand, von dem das Wort Treitschkes geht: “Unsere Cultur verdankt ihm unsäglich viel, unser Staat nichts“. Bei näherer Betrachtung, wozu die Inschriften als ein wichtiger Ausfluß dieser “Cultur” anregen, muß man doch deutlich relativieren. Nicht nur die politischen und wirtschaftlichen, auch die kulturellen Kräfte konzentrierten sich zunehmend [Druckseite XIX] und tendenziell fast ausschließlich an den Fürstenhöfen. Dorthin orientierten sich auch die neuen Führungsschichten der ernestinischen Staaten, die vom Landesherrn abhängigen, teils dem Adel, teils dem Bürgertum entstammenden Beamten der Regierungen und die evangelische Geistlichkeit. Den kleinstaatlichen Interessen mußte sich immer stärker auch die Kaufmannschaft in den Städten unterordnen, während die Bedeutung und der Einfluß des landständischen Adels mehr und mehr sank.

Ein Abbild dieser sozialen Entwicklung auf dem flachen Lande, fern der Residenzen, vermögen die Inschriften aus dem Lkrs. Jena zu geben. Nur wenige stammen aus den vier Städten (Camburg, Lobeda, Kahla, Orlamünde) und dokumentieren kommunale oder private Bauaktivitäten (Nrr. 154 und 280 auf Kanzeln; Nr. 293 Umbauten an der Kirche; Nrr. 170 und 179 an Privathäusern). Von den zahlreichen Adelsfamilien auf den Rittergütern in den Dörfern ist nur eine, die von der Pforten auf Reinstädt und Gumperda, mit zahlreichen Grabmalen hervorgetreten (Nrr. 58, 143, 175, 214, 228, 246, 278, 279, 286, 290, 291). Andere werden nur vereinzelt genannt, die von Thüna (Nr. 171), von Kessel (Nr. 215), von Watzdorf (Nr. 236), oder eine von Dolzig (Nr. 221), von Ende (Nr. 199) und von Posseck (Nr. 240). Von den meisten der im Umkreis Jenas begüterten Familien fehlen inschriftliche Nachrichten. Die zuletzt genannte Sibylla von Posseck läßt dagegen bereits den Prozeß der Übernahme von Rittergütern durch Bürgerliche erkennen, die sich an der Spitze der Verwaltung Vermögen, Einfluß und landesherrschaftliche Gunst erworben hatten. Sie war die Gattin des Philipp Brück, Enkels des kursächsischen Kanzlers Gregor Brück. Ferner finden wir den altenburgischen Amtschösser Wolfgang Zetzsching auf Dornburg (Nr. 140), den altenburgischen Konsistorialpräsidenten Sebastian Beer auf Drackendorf (Nr. 134), den Sohn des Kanzlers Christian Brück als Gerichtsherrn in Großkröbitz (Nr. 178) und den Prof. iur. und Sächsischen Rat Peter Theodoricus auf Großlöbichau (Nrr. 299, 306).

Die wettinische Landesherrschaft hat in den Inschriften nur dürftigen Niederschlag gefunden. Die Residenzstädte – Weimar, seit 1603 auch Altenburg26) – lagen weit entfernt. Nördlich von Jena verlief die Grenze der beiden Herzogtümer, die sich auch politisch entgegenstanden. So weisen nur wenige Inschriften auf die regierenden Wettiner: Stiftungen von Altargerät durch Herzog Bernhard im Jahre 1634 (Nrr. 311-315); das Gemälde einer Jagd Herzog Johann Casimirs (Nr. 277), die Initialen Herzog Albrechts von Sachsen (Weimar-Eisenach) als Statthalter der Ballei Thüringen, und ein in Serie hergestelltes Porträt von dem unglücklichen Kurfürsten Johann Friedrich I. (Nr. 156), verklärend zum Märtyrer des Protestantismus erhoben.

Diese geringe Präsenz des Hochadels wird nur dadurch ausgeglichen, daß die freiherrlichen Schenken zu Tautenburg in Frauenprießnitz ihr Erbbegräbnis hatten und dieses zwischen 1512 und 1640, als der letzte des Geschlechts in Armut starb, mit einer Reihe von Grabmalen ausstatteten.

Außer den Beamten der fürstlichen Regierungen, zu denen – neben den bereits genannten Bürgerlichen27) – auch einige Adlige wie der Sächsische Hofrat Heinrich von Thüna (Nr. 171) und der Kursächsische Geheimrat Burkhard Schenk zu Tautenburg (Nrr. 262, 264, 269) gehörten, waren die evangelischen Geistlichen zu einer führenden Schicht innerhalb [Druckseite XX] der thüringischen Territorien geworden.28) Ein Großteil der Grabmale zwischen 1550 und 1650 gilt Dienern der lutherischen Kirche (Nrr. 166, 168, 190, 249, 272, 285, 300, 310, 325, 329, 330). Die Pastoren werden auf Kanzeln (Nrr. 154, 280), Taufsteinen (Nrr. 244, 267) oder unter den Honoratioren auf Glocken genannt (Nrr. 208, 219, 299, 318, 319, 326). Keine Inschrift verrät freilich, in welch enger, oft auch verderblicher Weise das Schicksal dieses Standes mit der Politik und der Gesinnung seiner Landesherren verbunden war; zumal in der Zeit nach Luthers Tod, bis mit der in den Visitationen der Jahre 1586 und 1589/94 durchgesetzten “Konkordienformel” (1580) nach heftigen Auseinandersetzungen endlich eine relative Ruhe eintrat.

Die große Politik hatte für Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554), der 1532 seinem Vater Johann dem Beständigen in der Regierung gefolgt war, tragische Folgen. In der für den Schmalkaldischen Bund und die Lutherischen verlorenen Schlacht bei Mühlberg (1547) zum Gefangenen Kaiser Karls V. geworden, mußte er Kurwürde und Kurkreis (Wittenberg) sowie mehrere der 53 Ämter des ernestinischen Staates, darunter Eisenberg und Altenburg, an seinen mit dem Habsburger verbündeten Vetter Moritz I. (reg. 1541–1553) abtreten; ein Verlust, der durch die ersatzweise Überlassung der albertinischen Ämter in Thüringen (Camburg und Dornburg) nur noch schmerzlicher fühlbar wurde. Aus der Haft betrieb er die Gründung einer Universität in Jena (1548), um so dem Verlust der Wittenberger Leucorea zu begegnen,29) und von ihren Studenten wurde er im Herbst 1552, als er nach Hause zurückkehren durfte, am “Fürstenbrunnen” begrüßt (Nr. 53). Denn inzwischen hatte sich die politische Lage erneut gewandelt, stand Moritz nun an der Spitze einer Fürstenopposition gegen den zu mächtig werdenden Kaiser. Um Annäherung bemüht, überließen die Albertiner im Naumburger Vertrag von 1554 den herzoglichen Vettern weitere Ämter, darunter Eisenberg und das so wichtige Altenburg.

Die Chancen einer Entwicklung zu einem geschlossenen ernestinischen Staatsgebilde wurden durch die törichte Politik der Söhne Johann Friedrichs I. zunichte gemacht. Johann Friedrich II. (reg. 1554–1567) verstrickte sich in die Machenschaften des Ritters Wilhelm von Grumbach und rückte auch dann nicht von ihm ab, als dieser, in die Reichsacht getan, von der Exekutionsarmee unter Führung des albertinischen Kurfürsten August (reg. 1553–1586) in Gotha belagert und 1567 zusammen mit dem Kanzler Christian Brück (s. Nr. 178) hingerichtet wurde. Der Herzog wurde als Gefangener abgeführt und sah bis zu seinem Tode 1595 die Freiheit nicht wieder.

Sein Bruder Johann Wilhelm (reg. 1554–1573) hatte noch rechtzeitig die Seiten gewechselt und mußte “nur” für die Exekutionskosten in Höhe von fast 1 Mio. Gulden aufkommen, wobei für den Fall von Zahlungsunfähigkeit vier sog. “assekurierte” Ämter an Kursachsen fallen sollten. Allerdings verstand auch er es nicht, den Konflikt mit dem Reich zu entschärfen, so daß im Jahre 1570 der Kaiser die Söhne Johann Friedrichs II. wieder in den Landesteil ihres Vaters einsetzte. So kam es 1572 zu einer ersten Teilung des ernestinischen Gebietes30) in das Herzogtum Sachsen-Weimar ältere Linie, das u.a. die an der Saale gelegenen Ämter Heusdorf, Dornburg, Camburg, Jena-Burgau, Leuchtenburg-Orlamünde sowie Eisenberg, Bürgel und Roda umfaßte und unter Herzog Johann Wilhelm (gest. 1573) und seinem Sohn Friedrich Wilhelm I. (bis 1582 unter Vormundschaft des Kurfürsten August, dann aber selbst ab 1591 Administrator des sächsischen Kurstaates) bis zu dessen [Druckseite XXI] Tod 1602 bestand; und in das Herzogtum Sachsen-Coburg-Eisenach unter Johann Casimir (reg. 1572–1633) und Johann Ernst (reg. 1572–1638), den damals noch minderjährigen Brüdern.

Die Teilung des Jahres 1603 zwischen Friedrich Wilhelms Bruder Johann (gest. 1605) einerseits und seinen unmündigen Söhnen (von denen Johann Philipp von 1603–1639, Friedrich Wilhelm II. von 1639–1669 das Herzogtum regierten) andererseits – diese standen bis 1618 unter albertinischer Vormundschaft – ging mitten durch das Bearbeitungsgebiet: An das Herzogtum Sachsen-Weimar jüngere Linie (bis 1640) kamen u.a. die Ämter Kapellendorf und Jena, an das Herzogtum Sachsen-Altenburg (erloschen 1672), das die beiden Kinder erhalten hatten, u.a. die Ämter Heusdorf, Camburg, Dornburg, Eisenberg, Bürgel, Roda und Leuchtenburg-Orlamünde. Gemeinsam blieben u.a. der Weinbau bei Jena, die Flößerei auf der Saale, die Universität Jena, das dortige Hofgericht und der Schöppenstuhl. In Altenburg wurde unter tätigem Wirken des Kanzlers Marcus Gerstenberg (s. Nr. 134) eine Verwaltung aufgebaut, 1612 ein eigenes Konsistorium gegründet. In diesem Jahr nahm Anna Maria (1575–1643), die Mutter der beiden altenburgischen Herzöge, ihren Witwensitz in Dornburg. Diesem Umstand ist die Existenz zweier ausgezeichneter Prunkwerke süddeutscher Goldschmiedekunst (Nrr. 181, 194) unter den liturgischen Geräten der Dornburger Kirche zu verdanken.

Im Jahre 1633 war das Herzogtum Sachsen-Coburg an Eisenach gefallen, fünf Jahre später auch dieses erloschen; es kam im Altenburger Rezeß (1640) zu zwei Drittel an Sachsen-Weimar, der Coburger Teil aber an Sachsen-Altenburg, was dessen Umfang nahezu verdoppelte. So bestanden im Jahre 1640 nur noch zwei Fürstentümer auf ernestinischem Gebiet. Aber bereits 1641 wurde Sachsen-Weimar erneut geteilt und die Herzogtümer Sachsen-Eisenach, Sachsen-Gotha und Sachsen-Weimar, bei dem das Amt Jena verblieb, gebildet. Acht Söhne hatte Johann im Jahre 1605 bei seinem Tod hinterlassen: Johann Ernst I. (1594–1626), Friedrich (1596–1622), Wilhelm (1598–1662), Albrecht (1599–1644), Johann Friedrich (1600–1628), Ernst (1601–1675), Friedrich Wilhelm (1603–1619) und Bernhard (1604–1639). Von ihnen führte nach zehnjähriger Vormundschaft Johann Ernst I. die Regierung in Weimar. Aber als der Krieg ausbrach, gingen die meisten auf Seiten der Protestanten in die Armee: Bernhard (s. Nrr. 311-315), der später den Beinamen “der Große” erhält,31) war einer der besten Feldherren auf schwedischer Seite, Wilhelm wurde schwedischer Statthalter in Thüringen im Rang eines Generalleutnants (1631–1635), Johann Ernst diente als Feldmarschall im dänischen Heer und starb im Felde, Friedrich fiel 1622 bei Fleury, Johann Friedrich kam unter mysteriösen Umständen in kaiserlicher Haft zu Tode.

1641 waren nur noch drei Brüder am Leben, die sich im Gothaer Rezeß auf eine Teilung einigten. Nur zwei, Wilhelm und Ernst, erlebten das Ende des Krieges. Das Herzogtum Sachsen-Eisenach war mit Albrechts Tod (1644) bereits wieder zwischen den Brüdern aufgeteilt worden.

So bot das Gebiet um Jena im Jahre 1650 ein Bild politischer Zersplitterung, deren ärgste Form freilich noch immer nicht erreicht war.32) Im Norden gehörten die Ämter Camburg und Dornburg zum Herzogtum Sachsen-Altenburg. Die im Nordosten bis fast an die Saale reichende Herrschaft Tautenburg war nach dem Aussterben der Schenken (s. Nr. 328) als kursächsisches Lehen eingezogen, 1656 dem neu geschaffenen Sekundogenitur-Herzogtum [Druckseite XXII] Sachsen-Zeitz eingegliedert und in drei Ämter (Tautenburg, Frauenprießnitz, Niedertrebra) geteilt worden; diese kamen 1815 (außer einigen an Preußen gefallenen Dörfern) an das Großherzogtum Sachsen-Weimar. Südlich davon gehörten einige Dörfer um Nerkewitz dem Deutschen Orden in Zwätzen; sie standen ebenfalls unter kursächsischer Oberhoheit und wurden 1815 an Sachsen-Weimar übergeben. In dem sich anschließenden, dem Herzogtum Sachsen-Weimar gehörenden Amt Jena lagen mehrere Enklaven, von denen z.B. Lichtenhain nach Camburg gehörte. Ebenso gab es im altenburgischen Amt Orlamünde-Leuchtenburg Gebiete, die zum Amt Jena zählten oder unter gemeinsamer Landeshoheit standen (Teile der Herrschaft Remda, die im Jahre 1631 der gemeinsamen ernestinischen Universität Jena überlassen wurde).

Dieser unübersichtliche Zustand änderte sich bis 1918 prinzipiell nicht. Als 1672 das Herzogtum Sachsen-Altenburg erlosch, wurde es im Verhältnis 1 : 3 zwischen Weimar und Gotha aufgeteilt. Weimar erhielt u.a. die Ämter Bürgel und Dornburg, woraus 1672 zusammen mit Jena, Kapellendorf und Heusdorf das kaum lebensfähige, bereits 1690 wieder erloschene Herzogtum Sachsen-Jena geformt wurde.33) Aber auch in Gotha wurde 1680/81 wieder geteilt: die Ämter Camburg und Roda kamen an die Herzöge von Sachsen-Eisenberg und nach deren Aussterben 1707 zurück an das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg, bei dem die Ämter Kahla und Orlamünde verblieben waren. Eine letzte größere Veränderung vor dem Zusammenschluß der thüringischen Staaten zum Land Thüringen (1. Mai 1920)34) betraf den nicht zum Großherzogtum Sachsen-Weimar gehörenden Teil des Bearbeitungsgebietes. Aus dem Altenburger Teil des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg, das 1825 mit Friedrich IV. ausgestorben war, wurde das Herzogtum Sachsen-Altenburg gebildet, zu dessen Westkreis die Ämter Kahla (mit Orlamünde), Roda und Eisenberg zählten. Das Amt Camburg dagegen wurde mit einigen zu Eisenberg gehörenden Dörfern sowie den Exklaven Lichtenhain und Vierzehnheiligen dem Herzogtum Sachsen-Meiningen zugeschlagen.

Die politische Zerrissenheit wurde im Jahre 1650 noch überschattet von der Not, die der 30jährige Krieg über Städte und Dörfer gebracht hat. Sachsen-Altenburg hatte die traditionelle Bindung an Kursachsen gesucht, das sich zunächst um Neutralität bemühte, Ende 1631 freilich auf schwedische Seite gedrängt wurde. Die Herzöge von Sachsen-Weimar dagegen hatten sich sogleich bei Kriegsausbruch militärisch auf Seiten der Protestanten betätigt. Seit 1626 war das Saaletal Durchzugsgebiet von Nachschub für die kaiserlichen Armeen Tillys und Wallensteins, nach der Schlacht von Breitenfeld (1631) hatte es ständig schwedische Einquartierungen zu ertragen. Die ehemaligen Verbündeten, nach dem Frieden von Prag (1635) zu Feinden geworden, hausten nicht nur bis zum Friedensschluß von Münster und Osnabrück im Lande; erst zwei Jahre später, nachdem allein vom Herzogtum Sachsen-Altenburg 45000 Taler an Entschädigung aufgebracht werden mußten, rückten die Schweden ab, und am 19. August 1650 (s. Nr. 341) konnte das ersehnte Friedensfest in Thüringen gefeiert werden.

Aufgrund seiner geographischen Lage war das Land von der Kriegsnot besonders stark betroffen. Dornburg und Kahla waren mehrfach geplündert worden, Orlamünde im Jahre 1640 so verwüstet, daß es zeitweilig von allen Bewohnern verlassen war; “welches elend kein Demosthenes bei den Griechen, kein Cicero bei den Römern, kein Lutherus bei den Deuttschen kan aussprechen“.35) Um so bemerkenswerter ist der Eifer, mit dem die [Druckseite XXIII] Gemeinden sogleich an die Beiseitigung von Kriegszerstörungen in ihren Kirchen gegangen sind. Nur ein Jahr nach dem Brand der Kirche wurden in Winzerla die Glocken neu gegossen (Nrr. 323, 327), ebenso in Frauenprießnitz (Nr. 326) und in Maua (Nr. 331). Geplündertes liturgisches Gerät ersetzte man durch Gefäße aus Zinn (Nrr. 332, 333), und Herzog Bernhard stiftete eine ganze Serie von Kelchen und Patenen in Gotteshäuser des Amtes Jena (Nrr. 311-315). So läßt die absolute Zahl der aus diesen Jahren überlieferten Inschriften, wie übrigens auch in der Stadt Jena, keinen Rückgang erkennen. Bei aller der Gattung eigenen Zurückhaltung sprechen sie jedoch ungewöhnlich deutlich von den Nöten der Zeit. “Gott, gib Friede in Deinen Landen”, schrieb im Jahre 1648 Philipp Tonndorf an sein Haus in Kunitz (Nr. 335).

Zitationshinweis:

DI 39, Landkreis Jena, Einleitung, 2. Historischer Kontext (Luise und Klaus Hallof), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006e001.

  1. Diese sind gesammelt in DI 33 (Jena). »
  2. DI 9 (Krs. Naumburg), Berlin 1965. »
  3. Grundlegend: Geschichte Thüringens, hrsg. von H. Patze und W. Schlesinger, 6 Bde., Köln 1968–1982 (Mitteldeutsche Forschungen, Bd.48/I-48/VI). Die neue Literatur (bis 1987) in: Thüringen, hrsg. von H. Patze und P. Aufgebauer, ²1989 (Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 9), 533–548. Im Überblick: Thüringen. Historische Landeskunde Mitteldeutschlands, hrsg. von H. Heckmann, Würzburg 31991. »
  4. Vgl. DI 2 (Mainz), Nr. 41»
  5. Vgl. DI 33, Einleitung, S. XIV-XVI»
  6. W. Füsslein, Die Thüringer Grafenfehde 1342–1346, in: Beiträge zur thüringischen und sächsischen Geschichte. Festschrift Otto Dobenecker, Jena 1929, 111–138. »
  7. Zur Genealogie dieses Geschlechtes, vgl. Nr. 112»
  8. H. Koch, Der sächsische Bruderkrieg (1445–1451), Erfurt 1910 (Jahrbücher der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N.F. 35). »
  9. UB Jena III, S. 143, Nr. 283 (26. August 1485) »
  10. UB Jena II, Nr. 745 (4. Oktober 1485). »
  11. Vgl. Platen/Schäfer 1979. »
  12. Die Lobdeburger hatten vor 1247 in Roda (Stadtroda) ein Zisterzienser-Nonnenkloster gegründet; dort richteten sie ihre Grablege ein. Mehrere Kreuzgrabsteine, darunter zwei mit Inschriften, haben sich erhalten; vgl. F.K. Azzola, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik Worms 1986 (Abh. Ak. Mainz, Geistes- und sozialwiss. Klasse 12/1987), 37 Abb. 55–57. »
  13. Haufschild 1983. »
  14. Vgl. O. Mühlmann, Burg Orlamünde an der thüringischen Saale, in: Burgen und Schlösser 20, 1979, 22–25. »
  15. M. Hannappel, Das Gebiet des Archidiakonates Beatae Mariae Virginis Erfurt am Ausgang des Mittelalters, Jena 1941 (Arbeiten zur Landes- und Volksforschung, 10); R. Herrmann, Die Dekanatsgrenzen im Naumburger Bistumssprengel Thüringer Anteil, in: ZVThGA 39, N.F. 31, 1935, 243–284. »
  16. F. Koerner, Die kirchliche Verwaltungsgliederung Mitteldeutschlands im Mittelalter und ihre Auswertung für die Geschichte der Kulturlandschaft, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 98, 1954, 17–23. »
  17. Vgl. DI 19 (Göttingen), Nr. 63»
  18. Vgl. DI 33, Einleitung, S. XXXI»
  19. Vgl. zusammenfassend Boehm 1992. Die Ballei wurde nach der Reformation zu einer Versorgungsanstalt für die Söhne des thüringisch-sächsischen Adels und zu einer Pfründe für die Fürsten der albertinischen Nebenlinien. Die Liste der Landkomture bei Boehm 14. »
  20. Zu dieser Kongregation vgl. K. Elm, Beiträge zur Geschichte des Wilhelmiten-Ordens, Köln – Graz 1962 (Münstersche Forschungen, 14); W. Rein, Der Wilhelmiterorden in den sächsischen Ländern, in: Archiv für die sächs. Geschichte 3, 1865, 187–202. »
  21. Vgl. W. Kopitzsch, Martin Luther und Jena, Jena 1983, 47–56. »
  22. C. A. H. Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen 1524–1545, Leipzig 1879; R. Herrmann, Die Kirchenvisitationen im Ernestinischen Thüringen vor 1528, in: Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte 1, 1929–1931, 167–230. 3, 1933–1935, 1–69; E. Löbe, Die Kirchenvisitation im Westkreise unseres Herzogthums im Jahre 1529, in: Mitt.Osterl. 8, 1882, 422–448. »
  23. Vgl. DI 33, Nr. 76 (Epitaph des Antonius Musa, des ersten Superintendenten von Jena). »
  24. W. Flach, Die staatliche Entwicklung Thüringens in der Neuzeit, in: ZVThGA 43, N.F. 35, 1941, 6–48; H. Herz, Zu einigen Problemen der Landesteilungen in Thüringen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: ZVThGA 46, 1992, 147–159. »
  25. Nach 1650 u.a. auch Jena. Das kurzlebige Hzgm. Sachsen-Jena (1672–1690), aus den Ämtern Jena, Kapellendorf, Heusdorf, Dornburg und Bürgel bestehend, hat aber keine tiefen politischen und kulturellen Spuren hinterlassen (vgl. P. Eckold, Das Herzogtum Sachsen-Jena (1672–1690), Jena 1940 (Jena in Vergangenheit und Gegenwart, 5); Huschke (s. unten Anm. 30), 353–360). Inschriftlich ist es nur durch vier Särge in der Gruft der Jenaer Michaeliskirche und ein (inzwischen völlig verfallenes) Epitaph bezeugt, s. L. und K. Hallof, Die Inschriften der Stadt Jena bis zum Jahre 1700, Dipl.-Arbeit Jena 1983, Nrr. 305, 336, 337, 345, 356. »
  26. Hierzu noch Nr. 292 für Romanus Hillard, Amtschösser zu Zwätzen und Lehesten. »
  27. Zur Rolle des Thüringer Pfarrerstandes in Politik und Kultur an Einzelbeispielen vgl. Bedeutende Männer aus Thüringer Pfarrhäusern, bearb. von W. Quandt, Berlin 1956. »
  28. Vgl. ausführlich DI 33, Einleitung, S. XXI-XXVI»
  29. Zusammenfassend hierzu W. Huschke, Politische Geschichte von 1572 bis 1775, in: Geschichte Thüringens (s. Anm. 4), V 1,1 (1982), 1–551. »
  30. G. Droysen, Bernhard von Weimar, Leipzig 1885. »
  31. Zwischen 1680 und 1700 bestanden in Thüringen zehn ernestinische Herzogtümer, vier Schwarzburgische Grafschaften, zehn Reußische Herrschaften, zwei Reichsstädte, zwei kleinere Herrschaften und zehn Gebietsanteile außerthüringischer Staaten; vgl. die Kartendarstellungen in: Geschichte Thüringens (s. Anm. 4), V 1,2 (1982), Beilagen. »
  32. Teile dieses nur 515 km² umfassenden Zwergfürstentums kamen an Sachsen-Eisenach, nach dessen Erlöschen (1741) an Sachsen-Weimar, dem 1691 bereits das übrige Gebiet zugefallen war. »
  33. Zur weiteren territorialen Entwicklung des Landes Thüringen vgl. V. Wahl, Thüringens territoriale Neuordnung 1945, in: ZVThGA 46, 1992, 215–254. »
  34. Beier, Chronika sub a. 1640. »