Die Inschriften der Stadt Jena bis 1650

3. Überlieferung und Paläographie

Die Jenaer Inschriften sind nur zu einem geringen Teil direkt überliefert: Von 265 dem Wortlaut nach bekannten Inschriften bis 1650 existieren jetzt noch 50 (= 19%). In der Geschichte der Kirchen, des Alten Friedhofs sowie profaner Bauten der Stadt, die die meisten Inschriften trugen, liegen hierfür die Gründe. Die handschriftliche bzw. gedruckte Überlieferung84) der heute nicht mehr vorhandenen epigraphischen Zeugnisse beruht im wesentlichen auf einer Quelle des 17. Jh., auf den Aufzeichnungen des Archidiakons Adrian Beier (1600–1678).

Die Inschriften verteilen sich auf die Dezennien wie folgt:

Gebäude-
inschr.

Grab-
inschr.

Glocken-
inschr.

Gemälde-
beischr.

sonstige
Inschr.

a b a b a b a b a b
1214 - 1 - - - - - - - - 1
1304 - 1 - - - - - - - - 1
1325 - - - - - 1 - - - - 1
1382 - - 1 - - - - - - - 1
1400/09 - 1 - - - - - - - - 1
1410/19 - - - - - 2 - - - - 2
1420/29 - - - - - - - - - - -
1430/39 1 1 - - - - - - - - 2
1440/49 - 1 - - - 1 - - - - 2
1450/59 - - - - - - - - - - -
1460/69 - - - - - - - - - 1 1
1470/79 1 1 - - - - - - - - 2
1480/89 1 2 3 2 - - - - 3 - 11
1490/99 1 1 - 1 - - - - - - 3
1500/09 - 2 1 2 - - - - 1 - 6
1510/19 - - - 2 - 1 - 1 - - 4
1520/29 - - 2 4 - - - 2 - - 8
1530/39 - 1 - - - - - - - - 1

(Fortset-
zung)

Gebäude-
inschr.

Grab-
inschr.

Glocken-
inschr.

Gemälde-
beischr.

sonstige
Inschr.

a b a b a b a b a b
1540/49 1 - 1 1 - 1 - 1 - - 5
1550/59 1 2 3 - - - - 2 1 - 9
1560/69 1 1 3 6 - - - 1 - - 12
1570/79 2 5 1 7 - - - - - - 17
1580/89 1 1 - 7 - - - - 1 - 10
1590/99 2 4 2 18 - - - 2 - - 28
1600/09 2 4 1 17 - - - 1 - 1 26
1610/19 1 2 1 29 - - - - 1 2 36
1620/29 - 2 1 19 - - - - - - 22
1630/39 - 3 2 16 - - - 1 - - 22
1640/50 1 - 1 12 - - - - - 1 15
14. Jh. - - - - 1 - - - - - 1
15. Jh. 1 - - 3 - - - 1 - - 5
15./16. Jh. - - - 3 - - - - 3 2 8
16. Jh. - 1 - 1 - - - - - - 2
-- 17 37 23 150 - 7 - 12 10 9 265

a = erhalten     b = nicht erhalten

3. 1. Die originale Überlieferung

Stadtkirche St. Michaelis85)

Fundamentgrabungen in den Jahren 1953/5586) erwiesen, daß sich an der Stelle der heutigen spätgotischen Hallenkirche schon früh ein Sakralbau befand, der im ersten Drittel des 13. Jh. durch eine Saalkirche mit quadratischem Chorraum und Apsis im Osten und quadratischem Turm im Westen ersetzt wurde. Die älteste Jenaer Glocke (Nr. 4 aus der ersten Hälfte des 14. Jh.) und die Holzplastik des Erzengels Michael87) müssen zum Inventar dieser Kirche gehört haben.

Bereits 1382 aber wird die Arbeit an einem Neubau belegt.88) Die Beendigung des ersten Bauabschnittes mit Einwölbung bis zum dritten Joch bezeichnete eine Inschrift von 1442 (Nr. 12). 1481 waren die Arbeiten nach kurzer Unterbrechung bis zum fünften Joch vorangeschritten (Schlußsteininschriften Nr. 18 und 19), doch erst zu Beginn des nächsten Jahrhunderts ist mit einer Inschrift im sechsten Joch (Nr. 44) die Fertigstellung des Langhauses angezeigt worden.

Einen bald wieder aufgegebenen Plan, den Turm der Mittelachse der Kirche an der Westseite vorzulagern, manifestiert die älteste Turminschrift von 1474 (Nr. 16). Zwölf Jahre später wurde der Turm in die Südfront der Kirche gestellt und eine großzügige Inschrifttafel angebracht (Nr. 25). Die Schaufassade zum Markt hin wurde zur Dominante des ganzen Baues. Inschriften belegen auch die [Druckseite XXVIII] weiteren Bauetappen: die Jahreszahl 1487 auf dem Kreuzigungsrelief von Peter Heierliß an der Turmwestseite (Nr. 26), die Inschrift am Schlußstein des Turmuntergeschosses, der sog. Wolfgangskapelle (Nr. 29), und die nicht erhaltene Inschrift im obersten steinernen Stockwerk (Nr. 68), die die Vollendung des Kirchturmes angab.

Südlich vor dem Kirchgebäude befand sich seit der ältesten Zeit eine Begräbnisstätte.89) Mittelalterliche Grabsteine haben sich jedoch nicht erhalten; schon Beier hat im 17. Jh. den Verlust mancher Steine bedauert. In nachreformatorischer Zeit war die Kirche Begräbnisstätte der Jenaer Bürger. Für die vier Sarkophage der Familie des Herzogs Bernhard von Sachsen-Jena (1638–1678) wurde um 1667/68 im nördlichen Kryptaraum unter dem Chor eine Gruft eingerichtet.

Im 17. Jh. bedeckten zahllose Grabplatten den Fußboden der Kirche, während sich Wände und Pfeiler mit einer Vielzahl von Gedächtnismonumenten füllten.90) Im Zuge des neugotischen Umbaus der Stadtkirche in den Jahren 1871/75 beseitigte man mit allen barocken Einbauten auch die Mehrzahl der Grabmale bis auf wenige, unter denen der Grabplatte Martin Luthers (Nr. 61 und 87) ein besonderer Platz eingeräumt wurde. Die teilweise Zerstörung des Gebäudes im Jahre 1945 brachte den vollständigen Verlust aller Glocken91) und fast aller vasa sacra. Neben den heute in der Michaeliskirche befindlichen Inschriftträgern blieben weiterhin aus ihrem Besitz erhalten: das 1975 von der Friedrich-Schiller-Universität erworbene Epitaph für Johann Stigel (Nr. 78), das Epitaph für Anton Musa (Nr. 76) und ein weiteres ohne Inschrift, derzeit im Depot für kirchliches Kunstgut Apolda (vgl. Nr. 91). Das 1983 restaurierte Epitaph für Johann Gisenz (Nr. 22) hängt jetzt im Landeskirchenamt Eisenach. Zurückgekommen ist 1983 die Grabplatte Erhard Schnepfs (Nr. 71) vom Alten Friedhof. Ein Kelch von 1581 (Nr. 102) befindet sich z. Zt. leihweise im Pfarramt Jena-Burgau.

Die verlorengegangenen Grabinschriften der Michaeliskirche sind ihrem Text nach in Beiers handschriftlichen Aufzeichnungen überliefert, die bis zum Jahre 1666 reichen.92)

Kollegienkirche93)

Im Jahre 128694) gründete der Dominikanerorden in Jena eine Niederlassung. Der Bau der repräsentativen Klosterkirche vollzog sich in einer ersten Phase, die noch Ende des 13. Jh. begonnen haben dürfte, deren Abschluß aber nicht feststeht.95) Am Ende des 15. Jh. machten sich größere Instandsetzungen notwendig, die vor allem das Langhaus betrafen und mit der Einwölbung des Schiffes verbunden waren (Bauinschrift von 1498, Nr. 30).96)

[Druckseite XXIX]

Das Kloster, an der Südwestecke des mittelalterlichen Stadtkerns gelegen, besaß seit seiner Gründung das Begräbnisrecht auf dem östlich der Kirche befindlichen Platz, dem “Nonnenplan”. Daß in der Klosterzeit auch Bestattungen in ihrem Innern vorgenommen wurden, ist urkundlich nachgewiesen. 18 mit Kelch und Oblate gekennzeichnete Mönchsgrabsteine aus den Jahren zwischen 1481/1523 sind bei den Ausgrabungsarbeiten 1936/37 und früher unter der Verdielung gefunden und aufgestellt worden. Nur noch sieben von ihnen sind heute als Original oder im Photo erhalten. 1525 fielen infolge der Reformation die Besitzungen und Wertsachen der Sequestrierung durch die Landesregierung anheim. Die Klostergebäude kamen in Verwaltung der Stadt und wurden zum Teil dem Gemeinen Kasten der neuen Landeskirche zur Verfügung gestellt. Über die Mönchsgrabsteine schreibt Beier in der Mitte des 17. Jh., daß sie teilweise in den Wasserwehren an der Saale verbaut und noch zu seiner Zeit zu sehen gewesen seien.97)

Als es 1548 zur Errichtung der Jenaer Hohen Schule kam, blieb die ehemalige Klosterkirche zunächst außerhalb einer für Zwecke der neuen Lehreinrichtung bestimmten Nutzung. Das Gebäude wurde erst 1556/58 unter Oberaufsicht des ernestinischen Landesbaumeisters Nikolaus Grohmann zu einem Studentenkonvikt umgebaut, das Schiff in vier Stockwerke unterteilt und gleichzeitig ein die Etagen verbindender Wendelstein errichtet.98) Im Zusammenhang damit brachte man das große ernestinische Staatswappen mit den Stigelschen Versen (Nr. 69) an der Nordwestseite an.

Mit dem raschen Aufblühen der jungen Universität besonders als Zentrum der strengen lutherischen Theologie wurde das Fehlen einer eigenen Kirche für akademische Belange immer unangenehmer, hatte man doch sogar die 1571 geschenkte Grabplatte des Reformators selbst in die Stadtkirche geben müssen, in der alle Universitätsfeierlichkeiten abgehalten wurden (Nr. 87). In den Jahren 1592/95 erfolgte deshalb die Wiederherstellung der Kirche als templum academicum.99) Die Kirche war den cives academici vorbehalten. Damit wurde die Kollegienkirche auch zur Begräbnisstätte der Universitätsangehörigen. Die erste Bestattung war die des Grafen Christoph von Solms im Jahre 1597, worauf auch dessen Epitaphinschrift eingeht (Nr. 132): Jenae ... primus in renovata aede Collegii honorifice sepultus est. Im Laufe des 17. und 18. Jh. wurden Fußboden, Wände und Chor der Kirche mit prachtvollen und aufwendigen Grabmonumenten ausgeschmückt, deren Zahl immer mehr zunahm. Erst 1817 untersagte die Weimarer Regierung weitere Bestattungen im templum academicum. Die Grüfte der Kirche sind nach 1945 untersucht worden.

Die Universität verfügte nun über eine eigene Kirche, die in den folgenden Jahrhunderten mehrfach restauriert,100) jedoch nie wesentlich verändert wurde. Zwar verschwanden einige Wandgemälde (Nr. 162), verdeckten Gestühl und Verdielung die Grabsteine; aber der Bestand an Monumenten, besonders an den großen Epitaphen, wie ihn die älteste erhaltene Photographie des Kircheninneren (Zustand von 1885) zeigt,101) ist noch der des späten 18. Jh. und blieb bis zur Zerstörung der Kirche erhalten.

Bei der Vernichtung der Jenaer Innenstadt im Frühjahr 1945 erlitt die Kollegienkirche so große Schäden, daß sie Ende 1947 endgültig abgerissen wurde.102) Dabei kam das Epitaph des Grafen von Solms (Nr. 132) in das Stadtmuseum. 1956 erfolgte die Neubebauung der Ostseite des Collegium Jenense einschließlich des Platzes der ehemaligen Kirche mit Institutsgebäuden. Damals ist für die wenigen verbliebenen Steine eine “Memorialhalle” (die westliche Vorhalle der früheren [Druckseite XXX] Kirche) eingerichtet worden. In ihr sind die einzig erhaltenen zwölf Grabmonumente103) des alten Bestandes aufgestellt. 1976 wurde eine umfassende Rekonstruktion des gesamten Collegienkomplexes abgeschlossen.

Die Grabinschriften der Kollegienkirche sind bis 1640 in der Handschrift Adrian Beiers überliefert,104) die für die Denkmale von 1596 bis 1684 durch die Monographie des Caspar Sagittarius ergänzt und erweitert wird. Die Inschriften auf den nach 1684 entstandenen und sämtlich 1945 vernichteten Epitaphen überliefert H. Koch.105) Von besonderer Bedeutung sind außerdem die Ausgrabungsberichte von 1936/37 und 1947 des früheren Landesdenkmalpflegers W. Wennig.

Übrige sakrale Einrichtungen

Unmittelbar vor dem Westtor der Stadt, dem Johannistor, ist der älteste Sakralbau Jenas und seines Suburbiums gelegen: die Johannes dem Täufer geweihte heutige Katholische Kirche.106) Als Dorfkirche des Ortes Leutra entstanden, war sie bereits im 13./14. Jh. in das kirchliche Leben der Stadt Jena einbezogen, wie zahlreiche Stiftungen Jenaer Bürger beweisen. Mit dem Bau der spätgotischen Stadtkirche St. Michaelis und endgültig nach der Reformation verlor das Gotteshaus seine Bedeutung. Es diente nach einer umfangreichen Restaurierung im Jahre 1597 (vgl. Nr. 134 und 135) seiner Lage auf dem Alten Friedhof wegen als Begräbniskirche, war aber zu Ende des 17. Jh. in solchem Maße vom Verfall betroffen, daß man auf seine Sanierung verzichtete und sich zu einem Neubau in Gestalt der heutigen Friedenskirche in unmittelbarer Nachbarschaft entschloß (1686/93). Erst im Jahre 1822 wurde es als Kirche der katholischen Gemeinde von Jena wiedergeweiht, hat aber im Jahre 1903 durch eine einschneidende Umgestaltung sein ursprüngliches Äußeres fast gänzlich verloren. Bei dem nahezu vollständigen Verlust der inschriftlichen Zeugnisse der Kirche107) gewinnt sie dennoch als Trägerin der ältesten erhaltenen Inschrift in Jena (Nr. 5) besondere Bedeutung.

Als Ersatz für die verfallene Johanniskirche und als Repräsentationsstätte des neuen Herzogtums Sachsen-Jena, deren Bau dann allerdings länger dauerte, als das Herzogtum existierte, wurde nördlich der Katholischen Kirche in den Jahren 1686/93 auf dem Gelände des Alten Friedhofs ein Neubau errichtet, die heutige Friedenskirche.108) Der Bestand an inschriftlichen Denkmalen setzt daher erst mit dem letzten Jahrzehnt des 17. Jh. ein.

Im Mittelalter lagen unmittelbar vor den Toren der Städte die meist mit eigenen Kapellen ausgestatteten Spitäler. Von den sechs Kapellen Jenas waren vier mit einem Spital verbunden. Nördlich der Stadt lag vor dem Zwätzener Tor das Spital zu St. Jakob mit der gleichnamigen Jakobskapelle oder Spitalkirche, 1472 zum ersten Mal urkundlich genannt.109) Die Priesterstelle wurde durch die Jakobsbrüderschaft besetzt, der Rat war der Vormund des Siechenspitals. Nach wechselvollem Schicksal wurde die Kapelle 1908 abgerissen. Die einzige bezeugte Inschrift, das Gedächtnismal des Stifters der Kapelle (Nr. 21) von 1482, ist verlorengegangen. Eine Glocke aus dem 15. Jh. gelangte 1908 in das Stadtmuseum Jena, wo sie 1945 zusammen mit dem Großteil der Sammlungen vernichtet wurde; ihre Inschrift ist nicht überliefert.110)

Im Osten Jenas, in der Saalevorstadt, bei der Tonnenmühle an der Mühllache, lag die Maria-Magdalena-Kapelle,111) angeschlossen an das gleichnamige Spital. Eine Inschrifttafel von 1504 [Druckseite XXXI] (Nr. 42) dokumentierte die Stiftung dreier Messen und die Dotierung der Kapelle und des Hospitals durch Dr. iur. Konrad Stein aus Erfurt.

Im Jahre 1354 wurde das Hospital vor dem Johannistor wegen seiner ungünstigen Lage aus der Johannisvorstadt an das Saaltor verlegt und mit einer Nikolauskapelle verbunden.112) Das Gebäude wurde nach einem Neuaufbau 1779 im Jahre 1927 abgerissen. Beier beschreibt eine Wappentafel mit Inschrift von 1400 (Nr. 7), von der sich eine späte Replik heute am Haus Am Anger 15 befindet.

Südlich der Stadt schließlich wurde 1414 das Karmeliterkloster gegründet,113) wo bereits seit 1408 eine Heilig-Kreuz-Kapelle stand. Zu Beginn des 17. Jh. kam bei Umbauarbeiten ein Stein mit Inschrift von 1214 oder 1217 (Nr. 1) zum Vorschein, der vermutlich beim Abbruch weiterer Teile des Klostergebäudes verlorenging. Die Jahreszahl dieser ältesten Inschrift Jenas ist nicht eindeutig tradiert und die dreifache Überlieferung durchaus nicht unabhängig voneinander, so daß dieses frühe Datum Zweifel erregen muß. Beier erwähnt ferner Wandmalereien aus dem 16. Jh., die er kurz vor ihrer Vernichtung noch besichtigt und beschrieben hat (Nr. 52).

Alter Friedhof114)

Der heutige Alte Friedhof ist aus dem Johannisfriedhof, dem cimiterium sancti Johannis, hervorgegangen, der 1307 erstmalig urkundlich erwähnt wird. Es war die Begräbnisstätte des Dorfes Leutra und der Johanniskirche, doch weisen vorgeschichtliche Funde auf eine Belegung schon vor der Zeit der Stadtgründung hin. Das Kernareal unmittelbar um die Johanniskirche herum erfuhr im Jahre 1578, veranlaßt durch die in Jena wütende Pest, eine erste Erweiterung nach Norden zu (Nr. 99). Für 1594 und 1665 sind Restaurierungsarbeiten an der Umfassungsmauer des Friedhofs bezeugt (Nr. 122). Im Jahre 1831 wurde das Gelände wiederum nach Norden zu erweitert, bis dann 1889 der neuangelegte Nordfriedhof die Funktion des städtischen Friedhofs übernahm und der alte nicht mehr belegt wurde. Im Jahre 1938 führte man die Fernverkehrsstraße nach Weimar durch die Fläche des Alten Friedhofs; zahlreiche Grabmale mußten aus dem Südteil versetzt werden und erlitten durch den Transport und die Witterungseinflüsse ihres neuen Standortes Schaden, so vor allem das Grabmal für Günther Heerwagen von 1556 (Nr. 67). In den letzten Jahren ist der verbliebene Teil des Friedhofs zu einer parkähnlichen Anlage gestaltet worden.

Aus der katholischen Zeit hat sich ein einziges Denkmal, die Doppelstationstafel von 1484 (Nr. 24), erhalten. Sie war wohl Teil eines mittelalterlichen Kreuzweges und stammt von Peter Heierliß, der als Steinmetz und Baumeister maßgeblich am Bau der Michaeliskirche beteiligt war.

Adrian Beiers Aufzeichnungen der Grab- und Epitaphinschriften reichen nur bis zum Jahre 1647. Von großem Wert für die exakte Aufnahme der Inschriften des Alten Friedhofs sind Photographien (im Besitz des Stadtmuseums Jena), die vor den Veränderungen des Jahres 1938 angefertigt worden sind.

Stadtbefestigung

Die Jenaer Stadtbefestigung115) entstand im 13. Jh. nach der Erhebung Jenas zur Stadt. Zu Beginn des 14. Jh. wurde sie verstärkt. Die rechteckige Gesamtanlage besaß vier Rundtürme und drei Stadttore. Ältestes inschriftliches Zeugnis soll ein Stein mit der Jahreszahl 1304 (Nr. 2) gewesen sein, der sich am Johannistor befand. Auch die anderen Tore der Befestigungsanlage werden zu [Druckseite XXXII] Beginn des 14. Jh. erstmalig urkundlich genannt: das Löbdertor 1319 und das Saaltor 1354.116) Um 1430 wurde die Stadtbefestigung erneut überholt und verstärkt. Eine Inschrift am Südostturrn der Stadt, dem heutigen Roten Turm (Nr. 10), legt von den Arbeiten Zeugnis ab. Das benachbarte Löbdertor erhielt durch ein inschriftlich auf 1431 datiertes (Nr. 11) äußeres Vortor Verstärkung. Auch die gewaltigen Bastionen um den Pulverturm im Nordwesten scheinen in dieser Zeit angelegt worden zu sein, ebenso Rondelle, die der Stadtmauer vorgeblendet wurden, und die vier Tore in den Vorstädten (Erfurter, Neu-, Brücken- und Hammerstor). Von neuerlichen Arbeiten an der Befestigung im 16. Jh. kündet eine Inschrift, die bei der Erhöhung des Turmes über dem inneren Löbdertor 1551 angebracht wurde (Nr. 64).

Die Stadtmauer umgrenzte ein nur enges Areal von ca. 400 x 500 m. Damit setzte sie der Entwicklung der Stadt Schranken; vor allem die Tore störten in den folgenden Jahrhunderten den reger werdenden Verkehr. So fielen 1668 das Erfurter Tor vor dem Johannistor, 1819 das Löbdertor (vgl. Nr. 11), 1844 das Saaltor und mit ihnen die Inschriften.

3. 2. Die nichtoriginale Überlieferung

Den Kern der nichtoriginalen Überlieferung bilden die Inschriftensammlungen von Adrian Beier und Caspar Sagittarius (für die Kollegienkirche). Ergänzend treten hinzu Chroniken, Urkundensammlungen, Leichenpredigten sowie ortsgeschichtliche Monographien, Inventare und Ausgrabungsberichte aus jüngerer Zeit.

Friedrich Hortleder (1579–1640)117) wirkte seit 1609 als Prinzenerzieher und später (1616) als Herzoglich-Sächsischer Rat am Hof in Weimar, wobei seine Verpflichtungen sich auch auf die Verwaltung des Amtes Jena und der Universität erstreckten. Seine handschriftlichen Kollektaneen118) sind für die Aufgaben seines Hofdienstes zusammengestellte, im wesentlichen zwischen 1620 und 1635 angefertigte Abschriften von Urkunden meist des 16. Jh.; Inschriften sind dabei nur beiläufig aufgenommen worden. Von den Jenaer Inschriften erscheinen gelegentlich der Aufzählung kirchlicher Einrichtungen der Stadt und der Umgebung die Bauinschriften am Karmeliterkloster (Nr. 1) und an der Maria-Magdalena-Kapelle (Nr. 42). Hortleders Abschriften sind gut, wenn auch nicht ganz vollständig, und – wie der Vergleich mit den Urkunden zeigt – besonders bei den Zahlen verläßlich. Sie sind früher, aber nicht unbedingt unabhängig von Beier entstanden.

In den gedruckten Leichenpredigten119) des 17./18. Jh. ist an die Predigt und das curriculum vitae mitunter eine Abschrift des Grabsteines bzw. des Epitaphs des Verstorbenen angefügt. Trotz der Fülle der verfaßten Predigten120) betrifft das in Jena nur die Inschrift des Magisters Adam Blüth von 1624 (Nr. 220).

Adrian Beier (1600–1678) wurde im Dezember 1626 als Diakon der Jenaer Michaeliskirchgemeinde in sein Amt eingeführt. Die Stadt, der er bis zu seinem Tod verbunden blieb, hatte er bereits 1618 als Student kennengelernt.121) Beiers Stadtchroniken und historische Abhandlungen sind ein Musterbeispiel der Geschichtsschreibung jener Zeit; sie zeigen den Polyhistor, der mit unendlicher Liebe zum Detail und einer oft auswuchernden Gelehrsamkeit die Geschichte seiner Stadt der [Druckseite XXXIII] Historie der großen Welt an die Seite zu stellen suchte. Für die frühe Stadtgeschichte sind seine Werke sehr wertvolle Quellen, auf denen die folgenden zwei Jahrhunderte hindurch alle weiteren Arbeiten über Jena fußen bzw. auf die sie fortwährend Bezug nehmen.

“Athenae Salanae” nannte Beier sein lateinisches Manuskript. Im dritten Band (Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Jena, Ms. prov. q. 15) gibt er im Rahmen einer Beschreibung der Stadt Jena122) auch alle ihm bekanntgewordenen Inschriften wieder. Sein Manuskript wollte Beier stets auf dem laufenden halten. Daher hat er jede Seite in zwei Kolumnen unterteilt, von denen er die innere dem fortlaufenden Text, die äußere Ergänzungen und Querverweisungen vorbehielt. Auf dem Titelblatt des tomus III. der “Athenae Salanae” findet sich das Datum 10. Mai 1641. Am Ende des 3. Buches (S. 338) vermerkt Beier den 4. September 1641, am Ende des 5. Buches (S. 589) schreibt er: finis 1. (Novem)br(is) 1641. Weitere Datierungen fehlen. Dieser Band wurde demnach im Jahre 1641 niedergeschrieben, und in der Tat stehen im fortlaufenden Text keine Inschriften, die jünger als 1640 sind. Die Inschriften ordnete Beier nach ihrem Standort. Mit den Nachträgen ist er sehr unterschiedlich verfahren. Während sie bei der Kollegienkirche gänzlich fehlen, datiert der jüngste Eintrag bei der Johanniskirche von 1645 (Nr. 255). In den Kapiteln über die Michaeliskirche vervollständigte Beier die Inschriften bis 1666, die Hausinschriften ergänzte er sogar bis zum Jahre 1670.

Beier hat offenbar unter Autopsie die Inschriften notiert. Diese (verlorengegangenen) Notizen übertrug er dann in die entsprechenden Kapitel seiner “Athenae Salanae”, wobei er die Inschriften vereinheitlichend wiedergab. Beier schreibt eine zierliche Kurrentschrift des 17. Jh. mit relativ wenigen Abbreviaturen (für per, prae, -que, -m, -us). Die Nachträge sind flüchtiger geschrieben als der fortlaufende Text. Wenig Wert legte Beier auf die originale äußere Form der Inschrift. Er folgte dem Schriftgebrauch seiner Zeit, verwendete die typischen Kürzel, verzichtete auf die Kennzeichnung von Majuskeln in den Inschriften und vernachlässigte die originale Zeilenlänge. Mitunter hat er Worte oder ganze Verse ausgelassen. Besonders störend sind jene Fehler, die Beier bei der Wiedergabe der Jahreszahlen unterliefen und die z. T. auf willkürliches Umschreiben arabischer in römische Zahlen zurückgehen.123) Unzuverlässig ist er bei der Abschrift vorreformatorischer Inschriften.

Als Theologe interessierte sich Beier lebhaft für den Grabtexten beigegebene biblische Devisen und bringt immer den entsprechenden Zitatnachweis. Auch die Darstellungen biblischer Szenen sowie die Wappen suchte er zu beschreiben. Wo bei den erhaltenen Inschriften der Vergleich mit Beiers Aufzeichnungen möglich ist, wird seiner Texttreue ein gutes Zeugnis ausgestellt.

In den Jahren nach 1659 erschienen einige Werke Beiers im Druck, von denen für die Überlieferungsgeschichte der Jenaer Inschriften der “Architectus Jenensis” (1672)124) besonders wichtig ist. Dieses Buch enthält eine deutsche Ausgabe des 3. Bandes der “Athenae Salanae” und folgt in seiner Gliederung ganz der Handschrift. So erklärt es sich, daß es ihr gegenüber trotz des späteren Erscheinungsjahres keine epigraphischen Zusätze bringt. Von den Grabinschriften schreibt Beier nur die deutschen aus, von den lateinischen bringt er eine Art Regest (Name, Lebensdaten, Titel). Die Hausinschriften gibt er ihrer Kürze wegen vollständig wieder, wobei er die lateinischen mitunter frei übersetzt.

[Druckseite XXXIV]

Unter den zahlreichen Spezialabhandlungen des Jenaer Prof. hist. Caspar Sagittarius (1643–1694)125) zur Thüringer Geschichte befindet sich eine knappe Monographie über die Kollegienkirche, “Momenta historica et monumenta templi Jenensis academici, quod vulgo vocant Die Collegienkirche …”, Jena 1685 (unveränderter Nachdruck Jena 1720). Ihr liegt eine akademische Festrede zugrunde. Sie reiht sich ein in die Forschungen des Gelehrten zur vaterländischen Geschichte. In einem Anhang126) accedunt epitaphia et inscriptiones sepulchrales huius templi. Sagittarius stellt darin die Texte der Grabsteine und Epitaphe bis zum Erscheinungsjahr der Monographie in chronologischer Reihenfolge vor, insgesamt 28 Epitaphe und 43 Grabinschriften. Er sieht hierin in erster Linie historische Zeugnisse für die Geschichte der Salana und ihrer Professoren. Daher ist er zwar bemüht, die äußere Gestalt der Texte, z. B. Schriftform, Zeileneinteilung, Ziffern usw. adäquat wiederzugeben, enthält sich aber jeglicher Beschreibung des Inschriftträgers und verzichtet auf Nebentexte (Bibelzitate und Devisen), die gerade das Interesse des Theologen Beier gefunden hatten. Er zitiert nur die Texte auf Grabmalen von Angehörigen der Universität; die älteste Grabinschrift ist die des Grafen von Solms (Nr. 129).

Beier zeichnete die Inschriften in der Kollegienkirche bis zum Jahre 1640 auf (die jüngste ist Nr. 252), Sagittarius von 1596 bis 1684. Für einen Zeitraum von 44 Jahren sind die Texte somit doppelt überliefert. Daß dabei Beier fünf Inschriften mehr kennt als Sagittarius (Nr. 139, 171, 201, 227 und 234) und daß bei Ausgrabungen 1937 drei weitere Steine gehoben wurden, die Sagittarius ebenfalls nicht hat (Nr. 155, 259 und 265), ist 1673 vorgenommenen Umbauten in der Kirche geschuldet, bei denen eine Reihe von Grabplatten offenbar durch die Verdielung dem Blick entzogen wurde.

Der Vergleich beider Überlieferungen mit den wenigen erhaltenen Originalen läßt erkennen, daß Beier die Inschriften textlich sorgfältiger und vollständiger, Sagittarius dagegen formgetreuer, aber insgesamt großzügiger wiedergab. Bei Sagittarius kommen einige störende Druckfehler hinzu. Dies ist bei der Bewertung von Varianten im kritischen Apparat berücksichtigt.

 

Die Überlieferung der Jenaer Inschriften steht bis in das 20. Jh. hinein in fast ausschließlicher Abhängigkeit von den Sammlungen Beiers. Die 1785 erschienene “Beschreibung der Stadt Jena nach ihrer Topographisch-Politisch- und Academischen Verfassung” von J. E. B. Wiedeburg (1733–1789) verweist in allen epigraphischen Belangen auf Beier; der Entdeckerfreude des Autors bereitet es jedoch Genugtuung, zwei Beier unbekannt gebliebene Inschriften an der Stadtbefestigung (Nr. 10 und 159) weitschweifig zu erklären. Die Stadtbeschreibungen des 18. und 19. Jh. verstanden sich als praktische Reiseführer,127) sie erhoben keinen Anspruch auf wissenschaftliche Originalität und nennen als Gewährsmänner die älteren Chronisten, denen sie an epigraphischen Fakten nichts hinzuzusetzen haben. Sie können daher für diese Sammlung weitgehend außer Betracht bleiben.

Unbefriedigend sind die Inschriften in dem Inventarverzeichnis der “Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens” (BuKTh) durch P. Lehfeldt behandelt worden. Ohne Kenntnis der “Athenae Salanae” werden nur einige wenige, in der Regel die älteren, Inschriften ausgeschrieben, doch von einer epigraphischen Bearbeitung kann keine Rede sein. Bergners kritische Nachprüfung (1897) weist ihm hieran die gravierendsten Versehen nach; leider hat Bergner für Jena nur die Glocken revidiert. Erstrangigen Quellenwert haben dagegen die ungedruckt gebliebenen Berichte des ehemaligen Landeskonservators W. Wennig (1910–1984) über die Ausgrabungen in der Kollegienkirche von [Druckseite XXXV] 1936/37 und 1947. Bei Arbeiten für den Einbau einer Heizungsanlage wurden 1936/37 im Schiff 48 Grabsteine freigelegt, der älteste von 1599 (Nr. 139). Wennig leitete die Ausgrabungen. Im Archiv des Instituts für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Erfurt, befinden sich sein “Verzeichnis der im Jahre 1937 in der Kollegienkirche zu Jena freigelegten und zum Teil aufgestellten Grabsteine” und zwei Mappen mit Photographien. Zu diesen 48 kamen zwei weitere hinzu, die zu Beginn der Ausgrabungen bereits an den Wänden der Kirche standen. Sieben von den Inschriften waren bislang aus Beier und Sagittarius nicht bekannt.

Wennig leitete auch zehn Jahre später im Auftrag des Universitätsbauamtes vom 22. Juni 1947 an die Bergungs- und Forschungsarbeiten in der Ruine der Kollegienkirche. Dabei waren “zahlreiche Bruchstücke der Wandepitaphe sichergestellt und die Inschriften der noch mehr oder weniger erhalten gebliebenen Grabplatten abgeschrieben worden. Die Grabplatten ... wurden photographisch aufgenommen”.128) Das von Wennig angelegte “Verzeichnis der im Jahre 1947 gefundenen Inschriften” enthält neben 18 noch erhaltenen bzw. dem Text nach bereits bekannten Inschriften sechs völlig neue. Besonders wertvoll sind die ca. 25 Photographien der Steine, darunter zehn von verlorenen Grabplatten und vier von Mönchsgrabsteinen.

Der Wert der beiden Ausgrabungsberichte ist nicht zu überschätzen. Wennig gibt zu jedem Stein Maße, Material und Erhaltungszustand, eine ausführliche Beschreibung, den Text unter Berücksichtigung von Zeileneinteilung, Schriftart und Abbreviaturen im Vergleich mit Sagittarius und eine Blasonierung der Wappen. Erst seine ausführlichen kunsthistorischen Informationen erlauben es, bestimmte Grabsteine einer Werkstatt zuzuschreiben und Qualitätsunterschiede differenziert zu betrachten. Ein dahingehender Vortrag Wennigs von 1948 ist leider erst 1987 durch V. Wahl veröffentlicht worden.

3. 3. Künstler und Werkstätten

Nur wenige bildende Künstler sind für Jena inschriftlich überliefert. Die Namen der Glockengießer Hans Langsfeld (Nr. 49) und Hermann Bergfred (Nr. 8 und 9) stehen ganz isoliert und finden sich nur auf den genannten Jenaer Glocken. Unter den Malern ist vor allem der Weimarer Peter Roddelstedt zu nennen, ein Schüler Lucas Cranach d. J., der den von seinem Lehrer geprägten Stil des evangelischen Gedächtnisbildes auf drei Epitaphen von 1564 variierte (Nr. 76, 77 und 78).129) Unter den einheimischen Malern begegnet schließlich noch der ansonsten völlig unbekannte Anton Ahammer (Nr. 135).

Nach der Gründung der Universität wird die Kunstlandschaft farbiger. In den Grabsteinen und Epitaphen der hier verstorbenen cives academici spiegelt sich das Ansehen und der Einflußbereich der Saale-Universität wieder, da die Nichtthüringer mitunter ihr Grabmal aus der Heimat gestiftet und geliefert bekamen. Leider fehlen auch hier weitgehend die Namen der Künstler. 1620 malt der Freiberger Bernhard Dittrich das Epitaph für Prof. Oswald Hilliger und seine Frau Margaretha (Nr. 207), die beide aus Freiberger Patriziergeschlechtern stammten; 1632 der Altenburger Christian Richter das für den Stadthauptmann Friedrich von Kospoth (Nr. 232). Noch unbekannt ist die Herkunft eines so hervorragenden Einzelstückes wie des Messingepitaphs für den Grafen von Solms (Nr. 132).

Die Klassifizierung der anonym im Photo oder original überlieferten Grabmonumente ist nur dank der ausführlichen Beschreibungen möglich, die Wennig in seinen Verzeichnissen gegeben hat. Dabei ist wohl davon auszugehen, daß die in einheimischem Material, Kalkstein oder sog. “Thüringer [Druckseite XXXVI] Marmor”,130) gearbeiteten Monumente in Jena gefertigt worden sind, wenngleich die Steinmetzwerkstätten noch nicht namhaft gemacht werden konnten. Bei den mittelalterlichen Grabmalen sind zu unterscheiden:

  1. der Typ der “älteren Mönchsgrabsteine” (Nr. 20, 23, 41): Hochrechteckige Kalksteinplatte, die Inschrift tief eingegraben am Rand herumgeführt, im Bildfeld Kelch mit Oblate (zwischen 1481/1500).
  2. Typ der “jüngeren Mönchsgrabsteine” (Nr. 50, 53, 56, 57): Fast quadratische Kalksteinplatte; Inschrift im Block über einem Kelch mit Sechspaßfuß und Oblate; langgestreckte Buchstaben (zwischen 1520/23).

Die frühneuzeitlichen Grabsteine sind nach Wennig einzuteilen in:

  1. Typ der “Wappengrabsteine” (Nr. 156, 166, 171): Rechteckige Alabasterplatte mit starken Porphyreinschlüssen; auf der Randleiste die 16 Ahnenwappen, sehr qualitätsvoll und fein ausgehauen; Inschrift in einem Mittelfeld, axial ausgerichtet, z. T. schwarz ausgelegt (zwischen 1605/10; nicht hierzu gehören die Kospoth-Grabsteine, Nr. 233 und 260).
  2. Typ der älteren Professorengrabmale (Nr. 147, 163, wohl auch 148): Rechteckige Alabasterplatte, oben und unten ein Streifen mit jeweils zwei Wappen und einem Medaillon; die Inschrift ist nach dem linken Rand ausgerichtet, golden ausgelegt, der Untergrund z.T. bemalt (zwischen 1602/07).
  3. Typ der älteren (Nr. 234, 242) und jüngeren Fomanngräber (Nr. 235, 239, 244(?), 250, 251, 252, 265): Rechteckige Alabasterplatte mit Umschrift auf dem Rahmen; in der Mitte flache Inschrifttafel mit gekehlt abfallendem Rahmen; darüber in rundem, von Schnörkeln gerahmten Feld ein Wappen. Beim jüngeren Typ ist die Inschrifttafel oval, in Nr. 265 unten. Alle Steine sind bemalt, die Inschrift eingetieft, golden auf schwarzem Grund (zwischen 1634/50). Zum selben Typ gehört ein Grabstein in Großlöbichau / Ldkr. Jena (vgl. Nr. 194).130a)
  4. Typ der Chytraeus-Grabsteine131) (Nr. 259, 264): Sandsteinplatte mit (rechteckiger) Inschrifttafel, von feinem Knorpelwerk umrahmt, darüber die Wappen; Kapitalis neben Fraktur (Nr. 264) und humanistischer Minuskel (zwischen 1648/57).

3. 4. Schriftformen

Die älteste erhaltene Inschrift Jenas (Nr. 5) ist in einer späten gotischen Majuskel geschrieben: A als pseudounziales A mit schräger Querhaste und verbreitertem Deckstrich; geschlossenes C, E, M, kapitales H, V und T; S und Z spiegelverkehrt; Buchstaben stark ausgebaucht und tief eingeschlagen mit breiten Sporen, hochrechteckig (Höhe : Breite ca. 1,5 : 1). Der Geschlossenheit halber ist das obere Ende des G bis auf drei Viertel der Buchstabenhöhe herabgezogen. Die Inschrift ist ein später Beleg für die gotische Majuskel, die in den letzten zwei Jahrzehnten des 14. Jh. rasch verdrängt wird.132) Die Inschriften auf den Jenaer Glocken folgen dieser Entwicklung retardierend: Noch auf der Wetterglocke von 1415 (Nr. 9) sind Majuskeln neben Minuskeln verwendet; dies ist wohl auf den Gebrauch tradierter Modeln zurückzuführen. Der späteste Beleg im Landkreis Jena findet sich auf einer datierten Glocke von 1450 in Leutra.

[Druckseite XXXVII]

Der Anfang der gotischen Minuskel läßt sich in Jena nicht datieren: Die Minuskel auf dem Selber-Epitaph von 1382 (Nr. 5) könnte späterer Nachtrag sein. Die älteren Minuskelinschriften (Nr. 10 und besonders Nr. 16 und 17, zwischen 1430/80) sind in ein Zweilinienschema eingebunden, durch Rahmung der Zeilen noch zusätzlich verstärkt. Auf Ober- und vor allem Unterlängen wird weitgehend verzichtet. Mitunter finden sich Versalien (in Nr. 10, 22, 25, 30, 41, 57), doch nimmt ihre Zahl im späten 15. Jh. nicht auffällig zu. Sie gehören keinem bestimmten Schrifttyp an und weisen Verzierungen durch Haarstriche und geschwungene Schaft- und Balkenlinien auf (besonders Nr. 25). Auch bestimmte Minuskeln erfahren eine aufwendigere Gestaltung (cauda-förmige Abstriche an e, r, t in Nr. 25 und 31). Bemerkenswert sind spätere Tendenzen, die Minuskeln einem Drei- und Vierlinienschema anzupassen: Die Ober- und Unterlängen werden wieder ausgeprägt (Nr. 56) und sogar gegabelt (Nr. 37, um 1500). Bei den späten Minuskelinschliften (Nr. 56 und 57, 1522/23) wird die Strichstärke der Buchstaben auffällig verringert.

Diese jüngsten Mönchsgrabsteine bedienten sich noch einer in ihrer Zeit schon von der Renaissance-Kapitalis zurückgedrängten Schriftart. Die Minuskel hört in Jena mit dem Jahre 1523 auf; für die folgenden beiden Jahrzehnte fehlen die Inschriften. Der früheste Beleg für die Kapitalis ist neben der in Erfurt gegossenen Lutherplatte von 1548/49 (Nr. 61) eine Hausmarke von 1554 (Nr. 65) mit einer anspruchslosen und grobhandwerklichen Majuskel und das hervorragend gearbeitete Heerwagen-Epitaph von 1556 (Nr. 67). Für die frühhumanistische Kapitalis findet sich in Jena ein einziges fragmentarisches Beispiel (Nr. 140; vgl. Nr. 59).

Die Inschriften Jenas bis 1650 bevorzugen die Kapitalis, deren konkrete Form vielfach variiert wird. Es war die dem akademischen Latein adäquate Schrift. Eine ins einzelne gehende phänomenologische Beschreibung erscheint wenig sinnvoll, da sich kaum eine stilistische Reihe finden ließe. Vielfache Anregungen aus Buchschriften, kalligraphischen Musteralphabeten und antiken Monumentalinschriften haben, beeinflußt von kunsthandwerklichen Gegebenheiten und vom finanziellen Vermögen der Auftraggeber, die formale Gestaltung der Schrift bestimmt. Annäherung an das klassische Schriftbild ist selten erreicht, am ehesten in den Wappengrabsteinen Nr. 156, 166, 171 und in Nr. 185. Generell ist zu beobachten, daß sich die Inschriften aus dem späten 17. Jh. von der Strenge der Antiqua wieder entfernen. Die Buchstaben werden gestreckt (hochrechteckig), einzelne Striche (Cauda des R, Aufstriche bei C und V) sind geschweift, U und V werden unterschieden. Die Entwicklung geht hin zu einer “barocken” Kursive mit ausgesprochenem Ziercharakter. Gleichzeitig tritt eine Teilung nach den Sprachen ein: den lateinischen Texten bleibt die Kapitalis, seltener die humanistische Minuskel (Nr. 132, 259) vorbehalten, während deutschsprachige Inschriften vor allem in Fraktur geschrieben werden. Mitunter wechselt die Schrift auf einem Denkmal (z. B. Nr. 254).

Zitationshinweis:

DI 33, Stadt Jena, Einleitung, 3. Überlieferung und Paläographie (Luise und Klaus Hallof), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005e002.

  1. 84. Allgemein ist zu beobachten, daß in Gebieten, die keine historischen Zentren einschließen, die Zahl der kopial überlieferten Inschriften gering ist und die in handschriftlichen oder gedruckten historisch-genealogischen Abhandlungen verstreuten Nachrichten über verlorene Inschriften als Zufallsfunde anzusehen sind (vgl. zur Problematik A. Seeliger-Zeiss, DI XX, S. XVII-XVIII). »
  2. 85. Baugeschichte und kunsthistorische Würdigung der Stadtkirche St. Michaelis bei Möbius 1961; 1963; 1973. »
  3. 86. Ausgrabungsbericht bei Neumann (s. Anm. 11); vgl. den bei Möbius 1963, 238 Zeichnung 1 gegebenen Grundriß. »
  4. 87. Vgl. E. Lehmann, Der Jenaer Michael. Ein Bildwerk des 13. Jh., Jena 1956 (Schriften des Stadtmuseums Jena). »
  5. 88. UB I, Nr. 425. »
  6. 89. In UB I, Nr. 299, vom 3. Dezember 1360, ist von einem cymiterium pre foribus ecclesie Jhenensis die Rede. Bei Nachbestattungen überführte man die gehobenen und gereinigten Gebeine in das “Totengewölbe” unter dem nördlichen Seitenschiff der Michaeliskirche. Dieses Beinhaus wurde 1839 durch Zufall wiederentdeckt und geleert. »
  7. 90. Beier 1681, 269–279, zählte um 1672: 71 Grabsteine, Epitaphe und Porträtgemälde. »
  8. 91. Bericht über die Zerstörung der Glocken bei F. Schilling, Unsere Glocken, Jena-Berlin 1953, 46. »
  9. 92. Beier, q. 15, 534–590; aus der Handschrift wurde ein Teil der Inschriften durch Koch 1931a, 78–87 und 267–276 ediert, allerdings völlig unzureichend. »
  10. 93. Eine zusammenfassende Untersuchung zur Baugeschichte der Klosterkirche steht noch aus; Überblick bei Scheerer 1910, 123–129, nach den Ergebnissen der Ausgrabungen von 1936/37 verbessert von Rahaus 1936a, 337–338. Zur Baugeschichte des Collegium Jenense im 16. Jh. vgl. Wahl 1985, 635–666 und Wahl/Wennig 1987, 217–226. »
  11. 94. Am Stuhl des Priors der Jenaer Dominikaner im Capitulum generale in der Dominikanerkirche zu Göttingen soll das Stiftungsjahr des Jenaer Klosters mit IENENSIS 1286 angegeben gewesen sein (DI XIX, Nr. 63). Die weiteren Gründungen in Thüringen sind: Erfurt (1228), Eisenach (1235), Nordhausen (1285), Jena (1286), Mühlhausen (1289), auf dem Leuteberg bei Saalfeld (Ende des 14. Jh.). »
  12. 95. In seinem Testament bestimmt 1382 Mag. Johann Aurifaber eine Summe Geldes den Predigermönchen, bei denen er begraben sein will, ad fabricam, d. h. zum (Kirchen)Bau (UB I, Nr. 425). Bei Wahl/Wennig 1987, 219 wird ein Abschluß “mit Sicherheit vor 1350” angenommen. »
  13. 96. Vgl. Wahl/Wennig 1987, 220. Auf die Vollendung des Gesamtbaus bezieht die Is. Rahaus 1936a, 338, gegen Scheerer 1910, 124–125 (mit falschen Folgerungen von E. Devrient, UB II, Nr. 927); vgl. auch Koch 1966, 65. »
  14. 97. Vgl. Beier 1681, 286–287. »
  15. 98. Vgl. Wahl 1985, 642–656; Wahl/Wennig 1987, 220–222. »
  16. 99. Vgl. Wahl 1985, 657–661; Wahl/Wennig 1987, 222–224. Die Umbauten geschahen auf Veranlassung von Prof. theol. Georg Mylius (vgl. Nr. 242, 243). »
  17. 100. Bezeugt sind Restaurierungsarbeiten und Umgestaltungen in den Jahren 1557/59, 1594/96, 1673, 1782, 1812, 1838, 1923 und 1937. »
  18. 101. Abgebildet in BuKTh Jena, Tafel nach S. 104; vgl. Abb. 1. »
  19. 102. Vgl. Nachlaß Wennig 1947, 1. Zwischenbericht. »
  20. 103. Dazu ausführlich Hallof 1986a. »
  21. 104. Beier, q. 15, liber VI, pp. 606–629. »
  22. 105. Sagittarius 1720, Anhang; Koch 1977, 298–305. »
  23. 106. Zur Baugeschichte vgl. Koch 1936a, 1–16. »
  24. 107. Beier sah im Jahre 1640/41: 13 Grabsteine und Epitaphe (Beier, q. 15, liber VII, pp. 643–650). »
  25. 108. Zur Baugeschichte vgl. BuKTh Jena, 110–120 und Koch 1911. »
  26. 109. UB II, Nr. 591 und Nr. 1061. »
  27. 110. Weber 1929, 27 (Katalog des Stadtmuseums). »
  28. 111. Zur Baugeschichte vgl. Beier 1681, 198–200. »
  29. 112. UB I, Nr. 248 und Nr. 254; zur Baugeschichte: Das Hospital zu St. Nikolai, in: AuN 1/2,1909–1920 (1939²), 66–67. »
  30. 113. UB III, S. 288 Anm. 1; zur Baugeschichte des Karmeliterklosters vgl. A. Hartung – H. Koch, Das Karmeliterkloster in Jena, in: Thüringer Fähnlein 4, 1935, 721–726, und Schulze 1951, 140–150. »
  31. 114. Zur Geschichte des Alten Friedhofs vgl. Koch 1911, 7–9; Beier 1681, 300–308; Traeger 1984, 9–11. »
  32. 115. Zur Jenaer Stadtbefestigung vgl. Platen/Bauer 1985; Platen 1986, 16–23. »
  33. 116. UB I, Nr. 97 und Nr. 256. »
  34. 117. Zu Hortleder, vgl. ADB 13, 165–169. »
  35. 118. Der handschriftliche Nachlaß (Hortlederiana) befand sich bis 1983 in der Zentralbibliothek der Deutschen Klassik und liegt jetzt im Goethe-Schiller-Archiv Weimar. »
  36. 119. Um die Anführung der barocken Titel zu vermeiden, werden diese nach der Katalog-Nr. im Katalog der Fürstlich Stolberg-Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung, Leipzig 1927–1935, zitiert. »
  37. 120. Vgl. H. Koch, Die Leichenreden der Universitätsbibliothek Jena, in: Mitteldeutsche Familienkunde 1, 1963, 121–123; vgl. Koch 1941. »
  38. 121. Nach der Martrikel Jena, 1, 20, ist Beier bereits 1614 vorimmatrikuliert worden; Zusatz von zweiter Hand: nunc eccl(esiae) Jenen(sis) diaconus et facultatis phil(osophicae) adiunctus.  »
  39. 122. Titel: Jova, iuva! 10. Maii 1641. / Tomus III: / de situ Jenae interno / eiusque Partibus: moenibus, fossis / lacunis, piscinis, pomoeriis, / portis, turribus, campanis, horologiis / suburbiis, plateis, Areis / Foro; / Aedibus: / privatis, publicis, / politicis / Arce, curia, molis, pistrinis, cellis, po/pinis, latrinis, pluveis / Apothecis, carceribus; / Ecclesiasticis / Terminariis, Hospitalibus: Sacel/lis, monasteriis, templis / eorumque Epitaphiis, Coe/meterio; Scholasticis: / ludo librario et Collegio Academico / Musaeis, Auditoriis, Consisto/rio, Bibliotheca, Convic/torio»
  40. 123. Vgl. Nr. 62, 81, 82, 98, 118, 199»
  41. 124. Hier benutzt in der 2. Auflage von 1681, neu herausgegeben von H. Koch, Jena 1936. »
  42. 125. Kurzer Lebensabriß in: Geschichte der Universität Jena, 1, 153–156. »
  43. 126. Der Anhang beginnt in der Zählung nochmals von vorn bei Seite 1; Zitate beziehen sich, sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, auf diesen Anhang. »
  44. 127. Die wichtigeren unter ihnen sind Wette 1756, Faselius 1793 und 1805, sowie Schreiber/Färber 1858. »
  45. 128. Vgl. Nachlaß Wennig 1947, 1. Zwischenbericht. »
  46. 129. Ihm wird auch das Porträt von Johann Stigel in der Jenaer Sammlung von Professorenbildnissen zugeschrieben (Inv.-Nr. GP 1), vgl. Oehme 1983, 40–41. »
  47. 130. Mit Sicherheit sind in Jena oder näherer Umgebung die Denkmale angefertigt worden, die aus einem von mehr oder weniger zahlreichen dunklen Porphyreinschlüssen durchsetzten Alabaster bestehen, der, auch als “Thüringer Marmor” bekannt, in Jena-Ost, Wogau und Drackendorf/Ldkr. Jena anstand. Von einer Werkstatt in Jena erfahren wir im Zusammenhang mit den beiden Tannenberger-Epitaphen von 1715 in der Friedenskirche (vgl. H. Koch, Barocke Grabmalsplastik aus Drackendorf bei Jena, in: ZVThGA 45 (N.F. 37), 1943, 218–224). »
  48. 130a. Hallof 1990, 25 und Abb. 2. Vgl. zur Typologie Wahl/Wennig 1987, 223–225. »
  49. 131. Hierzu auch die Grabsteine für stud. Friedrich Gloxin (1654) und für den Adiunkt fac. phil. Samuel Chytraeus (1657) in der Kollegienkirche. »
  50. 132. Vgl. Kloos 1980, 132. »