1. Vorwort, Vorbemerkung und Benutzungshinweise
1.1 Vorwort
Der vorliegende Band wurde, mit großen Unterbrechungen, in den Jahren 2004 bis 2013 im Auftrag der Inschriftenkommission der Göttinger Akademie der Wissenschaften erarbeitet. Die Aufnahme der original erhaltenen Objekte erfolgte im Wesentlichen in den Jahren 2005 bis 2007.
Im Laufe der Arbeiten an diesem Band habe ich von vielen Seiten Unterstützung erfahren, für die ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Die Pastorinnen und Pastoren der evangelischen sowie die Pfarrer der katholischen Kirchengemeinden haben mir zusammen mit den Pfarrsekretärinnen, Küsterinnen und Küstern immer wieder geduldig das genaue Studium der Objekte ermöglicht, mir die Pfarrarchive geöffnet und mit technischen Mitteln vielfältige Hilfestellung gegeben.
Neben der Aufnahme der Objekte waren für diesen Band umfangreiche Bibliotheks- und Archivrecherchen notwendig. Für das Auffinden der Objekte und ihre kunsthistorische Einordnung boten die Kunstgutkartei der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und die vom Amt für Kirchliche Denkmalpflege im Bistum Hildesheim erstellten Kunstinventare eine wertvolle Grundlage. Benutzt wurden weiterhin die Bestände des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs Hannover, des Staatsarchivs Wolfenbüttel, des Diözesanarchivs Hildesheim und des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege Hannover. Die wichtigsten für diesen Band auszuwertenden Bestände konnte ich im Stadtarchiv Hildesheim und in der Dombibliothek bearbeiten. Im Stadtarchiv hat Herr Dr. Michael Schütz meine Arbeit betreut und mir bei der Auffindung von Archivalien hilfreich zur Seite gestanden. Frau Claudia Gassmann und Herr Harald Braem haben mir immer wieder große Mengen an Archivalien vorgelegt. Der Leiter des Archivs, Herr Professor Dr. Herbert Reyer, hat dieses Editionsprojekt stets mit förderndem Interesse begleitet. In der Dombibliothek Hildesheim haben mir Herr Dombibliothekar Jochen Bepler und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Frau Anna Eunike Röhrig, Frau Karin Bury-Grimm, Herr Christoph Koschinsky und Herr Christoph Schreckenberg, über den langen Zeitraum viele regionalhistorische Publikationen und Archivalien zugänglich gemacht.
Eine sehr persönliche und engagierte Förderung hat das Projekt durch die vielen im Landkreis Hildesheim tätigen Ortsheimatpflegerinnen und Ortsheimatpfleger erfahren. Sie haben mir den Weg zu einzelnen Objekten gezeigt, Fotos von verborgenen oder verlorenen Objekten zur Verfügung gestellt und mich durch ihre Anfragen immer wieder auf unbekannte Inschriften aufmerksam gemacht. Stellvertretend nenne ich Frau Heike Klapprott in Schellerten, Herrn Gerhard Kraus in Alfeld, Herrn Hermann Weinhold in Gronau und Herrn Joachim Werner in Rheden.
Für die freundlich gewährte Unterstützung bei der Lösung fachspezifischer Fragen danke ich den Kollegen aus den anderen Arbeitsstellen des Akademienvorhabens „Deutsche Inschriften“, Herrn Dr. Hans Fuhrmann (Halle), Herrn Dr. Rüdiger Fuchs (Mainz) und Herrn Dr. Harald Drös (Heidelberg), die mir insbesondere bei schwierigen Lesungen wichtige Ratgeber waren. Herr Drös hat mir darüber hinaus vielfältige Auskünfte in heraldischen Fragen erteilt.
Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und die Bibliothek des Instituts für Historische Landesforschung haben mit ihren reichen Buch- und Zeitschriftenbeständen meine Arbeit sehr erleichtert. In der Göttinger Akademie der Wissenschaften habe ich immer wieder die Fachkompetenz der Kollegen aus den benachbarten Forschungsvorhaben in Anspruch nehmen können: Wertvolle Auskünfte gewährten Frau Dr. Nathalie Kruppa und Herr Dr. Christian Popp (Germania Sacra); Herr Dr. Christian Schäfer (Septuaginta-Institut) hat mich bei der Edition einer [Druckseite 8] hebräischen Inschrift unterstützt. Der Glockensachverständige der Ev.-lutherischen Landeskirche Hannovers, Herr Andreas Philipp, hat mich in vielen die Glocken betreffenden Fragen beraten.
Der Dr. Ludwig-Reichert-Verlag und das Memminger Medienzentrum haben in bewährter Zuverlässigkeit auch dieses Buch hergestellt. Mein ausdrücklicher Dank gilt Frau Ursula Reichert für ihre vertrauensvolle Geduld in der Schlussphase des Drucks. Dem Landschaftsverband Hildesheim e.V. und der VGH-Stiftung ist für einen namhaften Beitrag zur Finanzierung der Druckkosten zu danken.
Der ehemalige Vorsitzende der Göttinger Inschriftenkommission, Herr Professor Dr. Ulrich Schindel, hat die Anfänge der Arbeit mit großem Einsatz gefördert. Sein Nachfolger, Herr Professor Dr. Nikolaus Henkel, hat den Katalog durchgesehen und viele wertvolle Hinweise beigesteuert. Der seit dem 1. Oktober 2013 amtierende Vorsitzende der Kommission, Herr Professor Dr. Arnd Reitemeier, hat die Schlussphase mit anregender Gesprächsbereitschaft begleitet.
Dieses Buch hat in ganz besonderem Maße von der konstruktiven Arbeitsatmosphäre in der Göttinger Arbeitsstelle profitiert. Die lange, immer wieder unterbrochene Arbeit zu Ende zu bringen, wäre ohne die „alltägliche“ engagierte Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen, Frau Hannah Boehlke M.A., Frau Inga Finck M.A., Herrn Dr. Jörg H. Lampe, Frau Lara-Sophie Räuschel, Frau Kläre Seemann, Frau Dr. Meike Willing und Frau Julia Zech M.A. kaum möglich gewesen. Frau Zech hat auch die Marken gezeichnet und die Vorbereitung des Abbildungsteils übernommen. Herr Lampe hat mich an seiner großen landeshistorischen Erfahrung teilhaben lassen und bis hin zum letzten Korrekturgang die Arbeit mit vielen Anregungen und Hinweisen tatkräftig und kritisch unterstützt. In der redaktionellen Schlussphase habe ich von meinen erfahrenen Kolleginnen Frau Dr. Christine Magin (Arbeitsstelle Greifswald) und besonders von Frau Dr. Sabine Wehking zusätzlich wertvolle Hilfe bekommen. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.
Leider hat der Begründer der Göttinger Inschriftenkommission, Herr Professor Dr. Dr. h. c. Karl Stackmann, mein Lehrer und Doktorvater, das Erscheinen dieses Bandes nicht mehr erlebt. Er ist am 4. November 2013 gestorben. Seinem Andenken sei dieser Band gewidmet.
Göttingen, Weihnachten 2013|Christine Wulf
1.2 Vorbemerkung und Benutzungshinweise
Der vorliegende Band enthält die Inschriften des Landkreises Hildesheim bis zum Jahr 1650 in den Kreisgrenzen von 1981.1) Die Inschriften der Stadt Hildesheim (in den Grenzen von 1650) sind in einem eigenen, 2003 erschienenen Band ediert.2) Folglich haben die Inschriften der nach 1650 in die Stadt Hildesheim eingemeindeten Orte, wie z. B. Hildesheim-Moritzberg, erst hier Berücksichtigung gefunden. Aufgenommen wurden sowohl die erhaltenen als auch die nur noch in Abschriften oder Fotografien überlieferten Texte. Dabei wurde Vollständigkeit angestrebt, doch ist angesichts der Vielfalt des Bestands nicht ausgeschlossen, dass nach Abschluss der Sammlung weitere Inschriften bekannt werden. Derartige Neufunde werden in regelmäßigen Abständen auf der Plattform „Deutsche Inschriften Online“ veröffentlicht.3)
Als Kriterium für die Aufnahme in diesen Band gilt – wie für die Reihe „Die Deutschen Inschriften“ generell – das Provenienzprinzip, d. h. es werden nur solche Stücke berücksichtigt, für die einigermaßen sicher nachweisbar ist, dass sie sich vor 1651 im Bearbeitungsgebiet befunden haben. Im Fall des vorliegenden Landkreisbestands schien es allerdings geboten, diese Regel nicht strikt anzuwenden, da für die mobilen Objekte der Kirchenausstattung wie Kelche, Patenen, Leuchter oder Glocken trotz detaillierter Recherche oft nicht erweisbar war, ob sie bereits vor 1650 am heutigen Standort waren. Bei unsicherer Provenienz steht am Anfang des Artikels ein entsprechender Hinweis.
Die Anordnung der Inschriften und die Einrichtung der einzelnen Artikel folgen den Richtlinien der Reihe „Die Deutschen Inschriften“.4) Dementsprechend werden nur diejenigen Schriftzeugnisse erfasst, die ursprünglich mittels verschiedener handwerklicher Techniken auf dauerhaften Materialien angebracht und nicht mit einer Feder auf Papier oder Pergament geschrieben worden sind. Ausgeklammert bleiben ferner Inschriften auf Siegeln, Münzen und Medaillen, die größtenteils aus serieller Produktion stammen und Gegenstand von Spezialdisziplinen sind. Isoliert stehende Jahreszahlen und Initialen sind chronologisch im Anhang 1 (A1) nach Nr. 462 aufgeführt. Haus- und Meistermarken werden nur dann berücksichtigt, wenn sie in Verbindung mit Inschriften erscheinen. In diesem Fall sind sie in Nachzeichnungen unter der Registerkarte Materialen wiedergegeben. Auf die Marken wird durch Signaturen (H1, M1) in den Beschreibungen verwiesen.
Die Inschriften sind chronologisch angeordnet. Für undatierte Inschriften wurde eine möglichst enge Eingrenzung ihres Entstehungszeitraums vorgenommen. Sie sind jeweils an das Ende des ermittelten Zeitraums gestellt. Konnte ein terminus post oder ante quem ermittelt werden, ist der Artikel vor bzw. nach der Inschrift, deren Datum am nächsten liegt, eingeordnet.
1.3 Der Aufbau der Katalogartikel
Jeder Katalogartikel fasst die Inschriften eines Objekts zusammen. Die Katalogartikel sind untergliedert in Kopfzeile, Beschreibung, Wiedergabe des Inschriftentextes, Kommentar und Apparat.
Die Kopfzeile enthält die laufende Nummer, die Bezeichnung des Standortes und die Datie- [Druckseite 10] rung(en) der Inschrift(en). Bei erhaltenen Inschriften ist der aktuelle, bei verlorenen der letzte nachweisbare Standort genannt.
† | Ein Kreuz neben der laufenden Nummer kennzeichnet Inschriften, deren Original verloren ist. |
(†) | Ein Kreuz in Klammern steht 1. wenn der Inschriftenträger zwar vorhanden, die Inschrift als ganze jedoch nicht original überliefert ist, 2. wenn der Träger eines Inschriftenensembles verloren, aber ein Teil der Inschrift(en) im Original vorhanden ist, oder 3. wenn ein erheblicher Teil der Inschriften eines erhaltenen Trägers nur kopial überliefert ist. |
†? | Ein Kreuz mit Fragezeichen steht bei fotografisch oder kopial überlieferten Inschriften, deren Original möglicherweise noch erhalten ist, aber nicht zugänglich war und folglich nicht nach Autopsie wiedergegeben werden kann. |
1465? | Ein Fragezeichen bezeichnet eine zweifelhafte Datierung. |
Die Beschreibung enthält Angaben zur Ausführung des Inschriftenträgers und der Inschrift(en), zu ihren früheren Standorten und gegebenenfalls zu den Verlustumständen. Alle Richtungsangaben verstehen sich vom Blickpunkt des Betrachters aus, nur für die Wappenbeschreibungen wird entsprechend den Regeln der heraldischen Fachsprache umgekehrt verfahren. Mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger werden mit A, B, C etc. bezeichnet. Werden zwei verschiedene, zusammengehörige Inschriftenträger in einem Artikel zusammengefasst, sind die Inschriften mit I und II bezeichnet. Für original überlieferte Inschriften werden die Maße des Inschriftenträgers, die Buchstabenhöhe und die Schriftart angegeben. Bei kopial überlieferten Inschriften ist die für die Edition maßgebliche Quelle genannt. Entsprechendes gilt für fotografisch oder zeichnerisch überlieferte Inschriften. Soweit aus der kopialen Überlieferung Maße und Schriftart bekannt sind, werden diese mit einem entsprechenden Verweis übernommen.
Die Inschriftentexte sind eingerückt und werden fortlaufend wiedergegeben. Texte in gebundener Sprache sind versweise abgesetzt, auch wenn die Inschrift im Original fortlaufend erscheint. Für die Edition nach der kopialen Überlieferung gilt, dass die vom Kopisten gewählte Wiedergabe in Groß- oder Kleinbuchstaben beibehalten wird. Die Interpunktion der kopialen Überlieferung wird getilgt.
[ ] | Eckige Klammern markieren bei einer original überlieferten Inschrift Textverlust und schließen die Ergänzungen der Bearbeiterin und aus der kopialen Überlieferung ein. |
[. . .] | Punkte in eckigen Klammern bezeichnen Textverlust, der nicht ergänzt werden kann. Lässt sich die Länge des verlorenen Textes feststellen, markiert ein Punkt jeweils einen ausgefallenen Buchstaben. |
[- - -] | Lässt sich die Länge des verlorenen Textes nicht feststellen, stehen drei durch Spatien getrennte Striche. |
( ) | Runde Klammern schließen aufgelöste Abkürzungen ein. Bei der Auflösung der Abkürzungen ist AE- oder E-Schreibung je nach Usus der Inschrift eingesetzt, ebenso U und V. Wenn die Inschrift keinen Anhaltspunkt gibt, wird nach klassischem Gebrauch verfahren. Punkte auf der Grundlinie oder hochgestellte Punkte nach Abkürzungen werden nur dann beibehalten, wenn die Inschrift durchgehend mit Worttrennern versehen ist. Abkürzungen von Bibelstellenangaben innerhalb einer Inschrift werden nicht aufgelöst. S für S(ANCTUS), S(ANCTA), S(ANKT), S(UNTE) etc. wird beibehalten, wenn keine sprachlich eindeutige Auflösung möglich ist. |
< > | Spitze Klammern bezeichnen spätere Nachträge auf einem Inschriftenträger oder schließen für Nachträge freigelassene Stellen ein. In Einzelfällen, auf die besonders hingewiesen wird, weisen spitze Klammern auch die Textpassagen aus, die bei Restaurierungen ergänzt worden sind. [Druckseite 11] |
/ | Ein Schrägstrich markiert das Zeilenende. |
// | Doppelte Schrägstriche markieren den Wechsel des Inschriftenfeldes. |
AE | Ein unter mehrere Buchstaben gesetzter Strich bezeichnet eine Ligatur dieser Buchstaben. |
Lateinischen, griechischen und hebräischen Inschriften werden Übersetzungen beigegeben. Niederdeutsche Inschriften werden übersetzt, wenn sich ihr Verständnis nicht von selbst erschließt. Runde Klammern schließen in den Übersetzungen Zusätze ein, die dem Textverständnis dienen, aber keine wörtliche Entsprechung im Ausgangstext haben. Im Anschluss an die Übersetzung wird bei metrischen Inschriften das Versmaß und gegebenenfalls die Reimform genannt.
Die Wappenzeile verzeichnet die im Zusammenhang mit den Inschriften überlieferten Wappen. Bei Ahnenproben gibt das Druckbild die Anordnung der Wappen wieder. Die Wappen werden in den zugehörigen Ziffernfußnoten beschrieben. Häufig vorkommende Wappenbeschreibungen – gekennzeichnet durch * – sind im Register 3a. Wappenbeschreibungen zusammengefasst.
Der Kommentarteil enthält Erläuterungen zu verschiedenen mit der Inschrift oder dem Inschriftenträger zusammenhängenden Fragen. Sie können sich beispielsweise auf Besonderheiten der Schrift,5) der Sprache oder des Inhalts einer Inschrift beziehen, historische bzw. biografische Angaben enthalten oder der Erklärung ikonografischer Zusammenhänge dienen.
Der Apparat besteht aus Buchstaben- und Ziffernanmerkungen sowie Nachweisen der kopialen Überlieferung.
Die Buchstabenanmerkungen beziehen sich auf textkritische Probleme der Inschrift. Sie enthalten abweichende Lesarten der kopialen Überlieferung, soweit diese relevant sind, und weisen auf orthografische Besonderheiten oder fehlerhafte Stellen in der Inschrift hin.
Die Ziffernanmerkungen enthalten Erläuterungen und Literaturnachweise.
Die am Schluss des Artikels aufgeführten Literaturangaben stellen in chronologischer Folge die wichtigsten kopialen Überlieferungen sowie ältere Editionen und Abbildungen der Inschrift zusammen. Vollständigkeit ist hier nicht angestrebt. Ist die Inschrift lediglich abschriftlich, zeichnerisch oder fotografisch überliefert, steht an erster Stelle die Quelle, nach der die Inschrift ediert wird.
2. Der Landkreis Hildesheim – Territoriale Gestalt und historische Voraussetzungen der Inschriftenproduktion6)
Der Landkreis Hildesheim liegt im südlichen Niedersachsen, am Übergang vom Mittelgebirge zur norddeutschen Tiefebene. Er grenzt im Westen an den Landkreis Hameln-Pyrmont, im Norden an die Region Hannover, im Osten an den Landkreis Wolfenbüttel und im Süden an die Landkreise Goslar, Northeim und Holzminden.
Historisch entspricht das Bearbeitungsgebiet etwa dem Kern des weltlichen Herrschaftsbereichs des Bischofs von Hildesheim, dem Hochstift Hildesheim, dessen Existenz als Reichsfürstentum seit [Druckseite 12] 1235 gesichert ist.7) Das Hochstift, dessen Gebiet wesentlich kleiner war als das der Diözese, lag inmitten der welfischen Stammlande, woraus sich ein ständiges Konfliktpotential mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg ergab.
Das einschneidendste Ereignis in diesem Dauerkonflikt war die Hildesheimer Stiftsfehde in den Jahren 1519 bis 1523.8) Anlass war das Bemühen Bischof Johanns IV. (1504–1527), verpfändete Rechte, Stiftsburgen und -güter einzulösen und dadurch seine wirtschaftliche Macht zu sichern. Er geriet dabei in Konflikt mit einigen Angehörigen des Stiftsadels, die sich durch die Wiederinanspruchnahme der ihnen seit Generationen überlassenen Besitzungen und Rechte in ihrer Existenzgrundlage bedroht sahen. Der Adel suchte Hilfe bei Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel, und die anfängliche Fehde weitete sich in eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den beiden konkurrierenden Parteien aus. Auf der einen Seite stand der Bischof im Bund mit der Stadt Hildesheim und Herzog Heinrich dem Mittleren von Lüneburg, auf der anderen Seite standen neben den Pfandinhabern aus dem hildesheimischen Stiftsadel die Herzöge Heinrich der Jüngere und Erich I. von Calenberg sowie der Bischof Franz von Minden, ein Bruder Heinrichs des Jüngeren. Obwohl der Bischof und seine Verbündeten militärisch erfolgreich waren (Schlacht bei Soltau 1519), errang die Gegenpartei mit Hilfe des neuen Kaisers Karl V. politisch den Sieg. Beendet wurde die Hildesheimer Stiftsfehde im Jahr 1523 durch den Quedlinburger Rezess, der eine territoriale Neuordnung der Region zur Folge hatte.9) Dem Bischof blieb ein erheblich verkleinertes Territorium, das Kleine Stift, das nur noch aus den Ämtern Steuerwald, Marienburg und Peine mit den Städten Hildesheim und Peine sowie der Dompropstei bestand. Hingegen fiel der die übrigen zwölf Ämter umfassende Hauptteil des Hochstifts, das Große Stift, an die Welfenherzöge der Linien Calenberg und Wolfenbüttel, die diese Gebiete jeweils in ihre Herrschaftsbereiche integrierten. Zum Fürstentum Calenberg gehörten die im Bearbeitungsgebiet gelegenen Ämter Calenberg, Gronau, Lauenstein, Poppenburg und Lauenburg; zum Fürstentum Wolfenbüttel die Ämter Bilderlahe, Wohldenberg, Steinbrück, Seesen, Wispenstein, Winzenburg und die Städte Alfeld und Bockenem.10)
Folge der neuen territorialen Gliederung war, dass die einzelnen Teile des ehemaligen Hochstifts unterschiedlichen Anteil an den konfessionellen Entwicklungen der Reformationszeit hatten, da die Konfession jeweils vom neuen Landesherrn bestimmt wurde. In Calenberg trat Herzogin Elisabeth, die Witwe des zeitlebens katholisch gesonnenen Herzogs Erich I., nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1540 die Vormundschaftsregierung für ihren Sohn Erich II. an und führte mit Unterstützung Philipps von Hessen in ihrem Herzogtum die Reformation ein. Im Jahr 1542 erließ sie eine evangelische Kirchenordnung. In demselben Jahr nahmen Truppen des Schmalkaldischen Bundes den wolfenbüttelschen Teil ein und etablierten gegen den Widerstand des altgläubigen Herzogs Heinrich des Jüngeren auch dort das evangelische Bekenntnis. Heinrich der Jüngere wurde vertrieben, kehrte aber 1547 nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes in der Schlacht bei Mühlberg in sein Herzogtum zurück und verfolgte nun eine Rekatholisierung des Fürstentums. Im Herzogtum Wolfenbüttel wurde die Reformation dann nach dem Regierungsantritt von Herzog Julius im Jahr 1568 durchgesetzt. Nach dem Tod Erichs II. von Calenberg fiel im Jahr 1584 sein Herzogtum an Wolfenbüttel. Damit kam es zu einer konfessionellen Trennung zwischen dem katholischen Kleinen Stift unter dem Bischof von Hildesheim und den umliegenden evangelischen welfischen Territorien. Dagegen blieb die Stadt Hildesheim, obwohl im Kleinen Stift gelegen, seit 1542 bei der [Druckseite 13] lutherischen Konfession, und auch der Adel des Kleinen Stifts bekannte sich fast ausschließlich zum Luthertum.11)
Das zweite das Land um Hildesheim entscheidend verändernde historische Ereignis war der Dreißigjährige Krieg, der die Region vor allem in den Jahren zwischen 1623 und 1635 betroffen hat.12) 1623 hatte Tilly, Feldherr der katholischen Liga, die Truppen des „tollen“ Christian von Halberstadt besiegt. Zwei Jahre später griff der dänische König Christian IV. in Norddeutschland in den Krieg ein und versuchte, die Truppen der kaiserlichen Liga zurückzudrängen. Er wurde 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge, das etwa 10 km östlich der Stadt Bockenem liegt, von Tilly geschlagen. Vom Verlauf des Kriegs sicherlich nicht ganz unbeeinflusst, entschied 1629 das Reichskammergericht die Rückgabe des Großen Stifts an den Bischof von Hildesheim. Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. aus demselben Jahr verfügte zudem, dass alle seit 1552 von den Protestanten beanspruchten Kirchengüter wieder an die katholische Kirche zurückzugeben seien. Binnen Kurzem nahmen daher die Beauftragten des Hildesheimer Bischofs Ferdinand von Bayern (1612–1650), in Personalunion auch Erzbischof von Köln sowie Bischof von Münster, Lüttich und Paderborn, die früher hildesheimischen Gebiete des Großen Stifts wieder in Besitz. In einigen Orten wurden die evangelischen Pfarrer vertrieben und gingen in die umliegenden welfischen Lande ins Exil. Ihre Stellen wurden mit Klerikern aus den Hildesheimer Klöstern oder von den Jesuiten besetzt, die seit 1587 in der Stadt Hildesheim tätig waren. Der erneute Glaubenswechsel wurde in den Dörfern nicht angenommen, zumal er vielfach einen Eingriff in die Patronatsrechte des evangelischen Adels darstellte. Im Jahr 1643 bestätigten die Herzöge von Braunschweig im Frieden von Goslar die Rückgabe fast aller Gebiete des Großen Stifts an den Bischof von Hildesheim. Die Ausübung der lutherischen Konfession wurde für den Adel auf 40 bzw. 60 Jahre beschränkt. Der Abschluss des Goslarer Friedens bedeutete zugleich das Ende der Kriegshandlungen im Hildesheimer Land. Die Regelungen von 1643 hatten aber nicht lange Bestand, denn der Westfälische Friede bestätigte zwar die Restitution des Großen Stifts, hob aber die konfessionellen Bestimmungen von 1643 wieder auf und schrieb sie entsprechend der Situation des Normaljahrs 1624 fest.
Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde das Hochstift Hildesheim dem Königreich Preußen zugeteilt. Damit verlor der Fürstbischof seine weltlichen Hoheitsrechte.13) Nach dem Intermezzo des Königreichs Westfalen (1807–1813) verzichtete Preußen auf seine Rechte, und das Gebiet des früheren Hochstifts fiel an das neu entstehende Königreich Hannover, das nach der Niederlage von 1866 zusammen mit den hildesheimischen Gebietsteilen von Preußen vereinnahmt wurde.
Aufgrund der Kreisordnung für die nunmehr preußische Provinz Hannover wurden 1885 die Kreise Hildesheim, Marienburg, Gronau und Alfeld eingerichtet, die die bis dahin bewahrte Ämterstruktur des 17. und 18. Jahrhunderts ablösten. Der südöstliche Teil des Bearbeitungsgebiets, die Region um Bodenburg, gehörte von 1832 bis 1941 zu dem im Land Braunschweig gelegenen Kreis Gandersheim. Diese Kreisstruktur bildet sich in den von 1910 bis 1939 angelegten Kunstdenkmälerbänden für die genannten Kreise ab. Nachdem 1932 die Kreise Alfeld und Gronau zum Landkreis Alfeld zusammengelegt worden waren, fusionierten 1946 auch die Landkreise Hildesheim und Marienburg zum Landkreis Hildesheim-Marienburg. Seit 1941 gehörte auch die Region um Bodenburg zur Provinz Hannover, speziell zum Landkreis Marienburg, und wurde damit nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls Bestandteil des Landkreises Hildesheim-Marienburg. Bereits 1942 waren Teile der Gemeinde Rössing, die vorher zum Landkreis Springe gehörten, dem Landkreis Alfeld eingegliedert worden. Mit der Gebietsreform des Jahres 1974 wurden die Orte Wülfingen, [Druckseite 14] Wittenburg und Sorsum (Elze) wieder Bestandteile des Landkreises Alfeld und kamen 1977 bei der Vereinigung der Landkreise Alfeld und Hildesheim-Marienburg zum neuen Landkreis Hildesheim. In der Folgezeit wurden an den Rändern Grenzkorrekturen vorgenommen: 1981 wurde im Südwesten das seit 1977 zum Landkreis Holzminden gehörende Gebiet der Samtgemeinde Duingen eingegliedert. Zum Zeitpunkt der Bearbeitung umfasste der Landkreis etwa 1200 km² bei einer überwiegend dörflichen Siedlungsstruktur.
3. Die Standorte der Inschriften
Die Inschriftenstandorte des Landkreises Hildesheim verteilen sich auf sechs kleinere Landstädte, fünf geistliche Institutionen und insgesamt 118 Dörfer. Sonderbestände mit nur wenigen Inschriften bieten die Burgen Wohldenberg, Steinbrück und Steuerwald, das Gut Wispenstein und die Schlösser Henneckenrode und Brüggen.
3.1 Die Städte
Auf die Städte entfallen nur insgesamt 92 (knapp 20%) der überlieferten Inschriften.14) Ein wesentlicher Grund für diese verhältnismäßig schmale städtische Überlieferung liegt in den zahlreichen Bränden, die in den Städten die komplette Substanz an den zumeist in Fachwerkbauweise errichteten Häusern zerstört haben, lange bevor das historische Interesse an der Bewahrung ihrer Inschriften einsetzte.15) Ein weiterer Grund liegt in den verheerenden Zerstörungen durch den Dreißigjährigen Krieg, der diesen Landstrich besonders stark betroffen hat.16)
Innerhalb der sechs Landstädte entfällt der größte Anteil der Inschriftenüberlieferung mit 48 Objekten auf Alfeld, das im Jahr 1258 zum ersten Mal als civitas urkundlich erwähnt wird.17) Die dem heiligen Nikolaus geweihte Pfarrkirche lässt sich allerdings baugeschichtlich erst im frühen 15. Jahrhundert fassen. Die 1423 am Türsturz der Steinbergkapelle (Nr. 15) angebrachte Inschrift ist folglich zu den frühen Baunachrichten zu rechnen. Sie verweist mit der Nennung einer capella nobilium de steynberg darauf, dass die Kirche bereits im Mittelalter eine wichtige Funktion als Ort der Memoria für die in Alfeld und der Umgebung begüterten Adelsfamilien hatte, zu denen neben der Familie von Steinberg (Nr. 180, 192, 290, 305) auch die Familie von Wrisberg (Nr. 197, 297) gehörte. Die wenigen überlieferten Beispiele für Grabinschriften des Adels stammen jedoch sämtlich erst aus der frühen Neuzeit, als auch Angehörige der bürgerlichen Oberschicht (Nr. 270, 271, 286) und die Pastorenfamilie Breuning (Nr. 354) sowie der Oberamtmann Heinrich Heinemeier (Nr. 178) Grabdenkmäler in St. Nicolai errichten ließen. Mit wenigen Ausnahmen (Nr. 178, 180, 192) wurden in den Jahren 1888/89 die Grabdenkmäler aus der St. Nicolai-Kirche entfernt und an den Außenwänden der Kirche angebracht oder auf dem Kirchhof aufgestellt (u. a. Nr. 197, 354). Sicherlich sind in diesem Zusammenhang viele weitere Grabplatten verloren gegangen.
Von der mittelalterlichen Ausstattung sind lediglich ein Leuchterpaar (Nr. 55), eine Glocke (Nr. 36) und ein Kelch (Nr. 82) inschriftlich bezeugt. Ein spätestens 1502 entstandenes Altarretabel des in Hildesheim und Braunschweig tätigen Schnitzers Konrad Borgentrik (Nr. 84) wurde 1882 nach Köln verkauft, ein weiteres Retabel aus der Zeit um 1525–1530 wird heute in der Landesgalerie [Druckseite 15] Hannover aufbewahrt (Nr. 137).18) Im Jahr 1542 wurde in Alfeld die Reformation eingeführt, die neue Lehre konnte sich aber erst 1568 unter Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel nachhaltig etablieren. Aus der Zeit danach sind nur wenige Leuchterstiftungen (Nr. 281, 335, 344) und der Guss einer neuen Glocke (Nr. 353) inschriftlich dokumentiert.
Der Bestand an überlieferten Hausinschriften aus Alfeld ist für eine Fachwerkstadt unerwartet schmal. Den überwiegenden Anteil liefert die in den Jahren 1610 bis 1612 errichtete Lateinschule (Nr. 311). Mit ihren allegorisch illustrierten Brüstungstafeln steht sie in der Tradition des Hildesheimer Fachwerkbaus und seiner durch reichen Figurenschmuck gekennzeichneten Fassadengestaltung. Kriegszerstörungen, Brände, vor allem aber stadtplanerische Vorstellungen des 19. Jahrhunderts haben die Pracht dieses Baustils, den in Hildesheim um 1600 etwa 40 Häuser repräsentierten, nahezu völlig ausgelöscht.19) In Alfeld gehören neben der Lateinschule nur noch das ehemalige Kalandhaus (Nr. 330) und ein privates Wohnhaus (Nr. 318) in diese Tradition.
Der Standort Gronau ist mit 15 Inschriften vertreten. Die bei Renovierungsarbeiten in der dem heiligen Matthäus geweihten Pfarrkirche zufällig gefundene mittelalterliche Grabplatte für Florinus von Dahlum (Nr. 11) aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts ist das einzige Beispiel für ein mittelalterliches Rittergrabdenkmal im gesamten Bestand. Wenn sie tatsächlich aus Gronau stammt, ist sie einem Vorgängerbau der 1457 begonnenen St. Matthäi-Kirche zuzuordnen (Nr. 31). Im Übrigen ist die Gronauer Inschriftenüberlieferung geprägt von den repräsentativen Burgmannshöfen der Familien von Dötzum (Nr. 165), Bock von Wülfingen (Nr. 212, 321) und Bock von Northolz (Nr. 230).
In Bockenem ist die Inschriftenüberlieferung durch vier Brände in den Jahren 1831 bis 1834 und vor allem durch den Brand des Jahres 1847, dem mehr als drei Viertel der Stadt zum Opfer gefallen sind, nahezu vollkommen zerstört worden.20) Nach diesem Brand wurde die 1403 geweihte St. Pankratius-Kirche zwar weitgehend originalgetreu wiederhergestellt, doch sämtliche Grabplatten, Glocken oder Altarretabel, mit deren Bewahrung man eigentlich hätte rechnen können, sind verloren gegangen, jedenfalls werden sie in keiner der historischen Darstellungen erwähnt. Lediglich einzelne kleinere Ausstattungsobjekte wie eine Hostienbüchse (Nr. 402), zwei Kelche (Nr. 387, 448) und ein im Jahr 1603 von dem Bürgermeister Johannes Barchmann (Nr. 285) für das St. Spiritus-Hospital gestifteter Leuchter haben sich erhalten.
In Sarstedt konzentriert sich die ebenfalls geringe Überlieferung (neun Inschriften) – mit Ausnahme einer Mühleninschrift (A1, Nr. 51) – auf die Pfarrkirche St. Nicolai, die seit dem 14. Jahrhundert als Archidiakonatskirche bezeugt ist.21) 1457 wurde zur gleichen Zeit wie in Gronau (Nr. 31) der Chor dieser Kirche unter Benutzung älterer Bausubstanz errichtet (Nr. 30). Zwei Grabdenkmäler (Nr. 252, 266) unsicherer Provenienz – das eine verweist auf eine Hannoveraner Familie (Nr. 266) – sind heute in der Kirche angebracht. Die in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs erneuerten Glocken (Nr. 367, 422), Altarleuchter (Nr. 382) und das große Altarretabel von 1640 (Nr. 394) sind Beispiele dafür, dass in der Region fast überall am Ende des Dreißigjährigen Kriegs große Teile der Kirchenausstattung ergänzt bzw. neu angefertigt werden mussten.
Auch in Elze ist die Inschriftenüberlieferung spätestens durch den Brand im Jahr 1824 so stark dezimiert worden,22) dass bis auf einen Stein vom Rathaus (Nr. 150) keine Zeugnisse städtischer oder bürgerlicher Selbstrepräsentation vorhanden sind. Überliefert sind die Inschriften von zwei städtischen Adelshöfen der Familie Bock von Wülfingen (Nr. 166, 198) und drei Kelchen (Nr. 78, 127, 438), von denen allerdings nur der letzte sicher aus Elze stammt. [Druckseite 16]
In Bad Salzdetfurth verweist ein Datum auf dem Soltmännekenstein (A1, Nr. 25), der ursprünglich am Bürgermeisterhaus angebracht war, auf die Bedeutung der nahegelegenen Salzquellen für die Stadt.23)
3.2 Die Klöster und Stifte
Moritzberg, Stift St. Mauritius:24) Der Hildesheimer Bischof Godehard (1022–1038) errichtete 1025 auf dem westlich der Stadt Hildesheim gelegenen Zierenberg ein monasterium und weihte es 1028 dem Heiligen Mauritius. Bischof Hezilo (1054–1079) besetzte es zunächst mit Kanonissen, wandelte es aber wenig später um in ein Kollegiatstift mit Propstei, Dechanei, Scholasterei, Küsterei, Archidiakonat und 16 Kanonikerstellen. Bischof Otto I. erweiterte diese Dignitäten im Jahr 1273 um die Kantorei. Die Propstei erhielt bis zum Ende des 16. Jahrhunderts ein adliger Angehöriger des Domkapitels, im Jahr 1594 ging das Amt des Propstes auf den Fürstbischof über (Nr. 269). Von der mittelalterlichen Ausstattung haben sich bis auf einen prunkvollen Kelch, den sogenannten Hezilo-Kelch aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts (Nr. 1), nur ein Kreuzreliquiar aus dem 15. Jahrhundert und die Figur einer weiblichen Heiligen (Nr. 116) erhalten. Grund für diese schmale mittelalterliche Überlieferung des nach dem Domstift angesehensten Hildesheimer Stifts sind u. a. Zerstörungen in den Jahren 1437 durch Hildesheimer Bürger und die Plünderung durch braunschweigische Soldaten während der Hildesheimer Stiftsfehde im Jahr 1522. St. Mauritius blieb bis zu seiner Aufhebung im Jahr 1810 katholisch und dient bis heute als katholische Pfarrkirche.
Den Schwerpunkt der Inschriftenüberlieferung bildet eine Reihe von zwölf heute im Kreuzgang angebrachten Grabplatten für Kanoniker aus den Jahren 1507 bis 1631, deren Inschriften in einigen Fällen die enge Ämterverflechtung von St. Mauritius mit dem Domstift und dem Stift Heilig Kreuz in Hildesheim deutlich werden lassen (Nr. 334, 340, 351).
Kloster Lamspringe:25) Um 847 gründeten ein Graf Ricdag und seine Gemahlin Imhild in Lamspringe eine geistliche Frauengemeinschaft (Nr. 35). Erste urkundliche Bezeugungen stammen aus den Jahren 872/873. Sowohl bei der Gründungsgeschichte als auch bei den beiden Urkunden handelt es sich jedoch um Fälschungen von Notaren der bischöflichen Kanzlei in Hildesheim aus dem 12. Jahrhundert. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts reformierte Bischof Berthold I. von Hildesheim (1119–1130) den Konvent nach der Regel des heiligen Benedikt; 1455 erfolgte der Anschluss des Klosters an die Bursfelder Kongregation. Seit 1195 hatte Lamspringe den Status eines „Hausklosters“ der Familie von Steinberg, die das Kloster immer wieder mit umfangreichen Stiftungen bedachte und bis zur Reformation dort eine ihrer Grablegen hatte (Nr. 151, 153).26) Während der Hildesheimer Stiftsfehde wurde das Kloster im Jahr 1522 von Söldnern Herzog Heinrichs d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel in Brand gesteckt. Im Quedlinburger Rezess, der die Stiftsfehde beendete, fiel Lamspringe an das Fürstentum Wolfenbüttel. 1568 wurde durch Herzog Julius die Reformation eingeführt. In dieser Zeit endete auch die Funktion des Klosters als Grablege der Familie von Steinberg, die seit 1570 ihre Verstorbenen in der evangelischen Kirche in Alfeld und ab 1576 auch in den Kirchen ihres Familiensitzes Bodenburg beisetzen ließ. 1573 wurde der Klosterschatz eingezogen, von dessen Inschriften nur noch ein Stiftervermerk auf einem Kelch aus der Zeit um [Druckseite 17] 1479 Zeugnis gibt (Nr. 42).27) Bis zur endgültigen Restitution des Großen Stifts im Jahr 1643 blieb das Kloster evangelisch (Nr. 326), danach wurde es von englischen Benediktinern neu besiedelt und 1803 aufgehoben.
Augustiner-Chorherrenstift Wittenburg:28) Das in der Nähe von Elze im Herzogtum Calenberg gelegene Stift Wittenburg erhielt im Jahr 1328 seine Ordnung als Augustiner-Chorherrenstift, nachdem es bis dahin als Klause mit sechs Mönchen bestanden hatte. Bereits 1423 schloss es sich als erstes Stift in Niedersachsen der Windesheimer Reform-Kongregation an und wurde zum Mittelpunkt der Klosterreform in Sachsen. Aus dieser Zeit stammt die dichteste Inschriftenüberlieferung: zunächst das Epitaph des 1434 verstorbenen gelehrten Historikers und Theologen Dietrich Engelhus, eines Wittenburger Donatpriesters (Nr. 23), sowie die Bauinschriften, welche die Fertigstellung und Einwölbung der Laienkirche in den Jahren 1496 und 1498 bezeugen (Nr. 56, 59). Die Baumaßnahmen wurden im Priorat Gottfried von Teylas (1437–1451) begonnen und in der Amtszeit des 1525 verstorbenen Priors Stephanus Scaep de Molenbeke (Nr. 113) vollendet. Stephanus kam, wie sein Namenszusatz deutlich macht, aus dem Augustiner-Chorherrenstift Möllenbeck (Lkr. Schaumburg). Von dort hat er neben dem ordensspezifischen Bautyp offenbar auch ordenseigene Normen zur Gestaltung der Bauzier mitgebracht, wie sich an den 1498 gesetzten Gewölbeschlusssteinen der Laienkirche ablesen lässt (Nr. 59). Im Jahr 1543 unterzogen sich die Wittenburger Chorherren der evangelischen Visitation. Am Beginn der Regierungszeit von Herzog Heinrich Julius (reg. 1589–1613) wurde das Stift säkularisiert und als Amt Wittenburg in die Großvogtei Calenberg integriert. Aus dieser Zeit ist eine vom Landesherrn 1590 gestiftete Taufe (Nr. 231) sowie die Grabplatte des Cord von Mengersen (gest. 1613, Nr. 323) überliefert, der in Wittenburg das Drostenamt innehatte. Eine verlorene Glockeninschrift von 1642 nennt einen Wittenburger Amtmann Daniel Ludwig (Nr. 401). Die Kirche lässt bis heute die Trennung in eine im Osten gelegene Brüderkirche (ursprünglich der Chor, heute Gemeindekirche) und eine im Westen befindliche Laienkirche erkennen. Kreuzgang und Konventsgebäude sind vollständig zerstört.
Kloster Marienrode:29) Am Ort des heutigen Klosters Marienrode – damals „Backenrode“ genannt – stiftete der Hildesheimer Bischof Berthold (1119–1130) ein Augustiner-Chorherrenstift. Dieses Stift wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts aufgelöst und im Jahr 1259 mit Zisterziensermönchen aus Isenhagen, deren Kloster einem Brand zum Opfer gefallen war, neu besiedelt. 1439 erfolgte die Umbenennung des Klosters in „Marienrode“. Die schmale, diskontinuierliche Inschriftenüberlieferung konzentriert sich auf die Zeit der Klosterreform unter Abt Heinrich von Bernten (1426–1452 u. 1454–1463), die in Baumaßnahmen (Nr. 34) sichtbaren Ausdruck fand. Aus dem Reformgedanken heraus entstand vermutlich auch die Grabplatte für Alrad von Eldingen (Nr. 25), mit der das Gedenken an den bereits in Isenhagen verstorbenen und als Heiligen verehrten Konversen in Marienrode erneuert wurde. Im Jahr 1538 stellte sich Marienrode unter den Schutz des Calenberger Herzogs. 1584 gelangte es dann unter die Landeshoheit des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. Aus dieser Zeit sind lediglich zwei Kelche bezeugt, von denen einer wahrscheinlich nicht ursprünglich aus Marienrode stammt (Nr. 215, 216). Auch nach Wiederherstellung des Großen Stifts im Jahr 1629 blieb Marienrode als einziges katholisches Kloster unter braunschweigischer, ab 1635 calenbergischer Landesherrschaft. Kirchenrechtlich war Marienrode seit 1260 exemt bis zur Aufhebung des Klosters 1806. Im Jahr 1988 wurde Marienrode mit Benediktinerinnen neu besiedelt.
Kloster Derneburg:30) 1143 wurde in Derneburg unweit der heutigen Gemeinde Holle die Einrichtung eines Augustiner-Chorherrenstifts geplant. Die Stiftung kam nicht zustande, erst 1213 wurde [Druckseite 18] ein Chorfrauenkonvent aus Holle in Derneburg angesiedelt. Als Stifter traten überwiegend Angehörige des niederen Adels auf (Nr. 109), die Stiftsangehörigen kamen aus adeligen und bürgerlichen Familien in Hildesheim und Braunschweig. Bereits 1542/43 galt Derneburg als der neuen Konfession zugehörig, 1588 wurde es in ein evangelisches Damenstift umgewandelt (Nr. 264). Mit dem Restitutionsedikt von 1629 fiel es aber zunächst vorläufig und 1643 endgültig wieder an den Bischof von Hildesheim. Bis zur Säkularisation im Jahr 1803 bestand Derneburg als Zisterzienserkloster.
3.3 Die Dörfer31)
Gut drei Viertel der Inschriften des Bearbeitungsgebiets entfallen auf 118 Standorte mit dörflicher Struktur.32) Zentrum der Dörfer und auch der Inschriftenüberlieferung waren die Pfarrkirchen und Kapellen. Inschriften an Häusern und an den Wohnbauten des Adels sind dagegen nur sehr vereinzelt überliefert. Zu den ältesten und größten Pfarrkirchen in den Dörfern des Hildesheimer Lands gehört die Archidiakonatskirche in Lühnde, die als dreischiffige Pfeilerbasilika mit Querhaus und drei Apsiden aus dem 12. Jahrhundert zu rekonstruieren ist.33) Von der romanischen oder gotischen Bausubstanz der übrigen, zumeist deutlich kleineren Kirchen hat sich kaum etwas erhalten. Vielfach verweisen nur noch vereinzelte Stücke der Kirchenausstattung, insbesondere die frühen Glocken, auf die Existenz älterer Vorgängerbauten. Aus romanischer Zeit sind oft noch die Türme stehen geblieben,34) von den gotischen Kirchenbauten35) sind meistens nur noch Reste zu finden, die in einzelnen Fällen auch inschriftlich datiert sind.36) Dem heutigen Besucher vermitteln die meisten Kirchen des Bearbeitungsgebiets ein Bild, das von der Bautätigkeit des späten 17. und des 18. Jahrhunderts geprägt ist; denn auch in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren nur wenige neue Kirchen entstanden. Bemerkenswert ist daher der Neubau von zwei kleineren Schlosskapellen in Brüggen (1567) durch Cord von Steinberg (Nr. 193) und in Henneckenrode im Jahr 1597 durch Burchard von Saldern (Nr. 259). Weitere Neu- und Umbauten aus dieser Zeit sind u. a. in Evensen (Nr. 273), in Rott (A1, Nr. 21), in Sehlem (A1, Nr. 23), in Burgstemmen (A1, Nr. 36) und in Rheden (Nr. 313, Erneuerung der Apsis 1610/1611) bezeugt; hinzu kommt der Neubau einer Hofkapelle in Harbarnsen (Nr. 427), die auch als Gemeindekirche fungierte. Den wohl bedeutendsten, auch inschriftlich gut belegten Neubau stellt die Martinskirche in Wrisbergholzen dar, deren Kirchenschiff im Jahr 1621 errichtet wurde (Nr. 301, 345, 347, A1, Nr. 41).37) Bereits im Jahr 1607 war das Kircheninnere u. a. durch den Bau einer Gruft umgestaltet worden, in die man die bis dahin im Chor aufgestellten Grabdenkmäler der Patronatsfamilie von Wrisberg transferierte (Nr. 302).
Von etwa 20 der dörflichen Pfarrkirchen sind ab dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts Inschriften überliefert, in denen der landsässige Adel repräsentativ in Erscheinung tritt.38) Das gilt zu [Druckseite 19] allererst für die St. Johannis-Kirche in Bodenburg mit der Grablege und den Stiftungen der Familie von Steinberg39) sowie für die Martinskirche in Wrisbergholzen mit den entsprechenden Inschriften der Familie von Wrisberg. Spuren adeliger Stiftungen und Grablegen finden sich auch in den Pfarrkirchen von Wülfingen (Familie Bock von Wülfingen: Nr. 238, 256), Almstedt (von der Asseburg: Nr. 158), Wehrstedt (von Steinberg: Nr. 174, seit 1570 von Stopler: Nr. 325, 458), Brunkensen (von Wrisberg: Nr. 364), Banteln mit der Feldberger Kapelle (von Dötzum, von Bennigsen: Nr. 203, 234, 378), Rheden (von Reden: Nr. 185), Volkersheim (von Cramm: Nr. 209), Listringen (von Wallmoden: Nr. 224, 407), Irmenseul (von Stöckheim: Nr. 236, 249, 245, 250, 282) und Sellenstedt (von Rauschenplatt: Nr. 322, 327); hinsichtlich der Zahl und der Bedeutung ihrer Inschriften reichen sie freilich an Bodenburg und Wrisbergholzen nicht heran. Die Inschriften anderer Pfarrkirchen lassen Zusammenhänge mit einem Amtssitz erkennen, wie z. B. Hoheneggelsen (Amt Steinbrück: Nr. 235), Holle (Amt Wohldenberg: Nr. 317, 355, 396, 404) Eberholzen (Amt Gronau: Nr. 315), Adenstedt (Amt Winzenburg: Nr. 338) und nach 1589 auch Wittenburg (Nr. 323). Schließlich sind auch die evangelischen Geistlichen und die wohlhabenden Angehörigen der Bauerschaften in den frühneuzeitlichen Inschriften der Dörfer im Landkreis Hildesheim stark repräsentiert.
4. Die Chronologie der Inschriften
Die Inschriftenüberlieferung setzt im Bearbeitungsgebiet im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts mit einem Kelch (Nr. 1) aus dem Stift St. Mauritius in Hildesheim-Moritzberg ein. Sein theologisch ambitioniertes Text-Bild-Programm stellt ihn in einen Produktionszusammenhang mit den Inschriften der Stadt Hildesheim, die sich in diesem Zeitraum durch zumeist metrisch gefasste, exegetische Texte auszeichnen.40) Dieses Beispiel ist das einzige im Bestand, an dem die Ausstrahlung der hochmittelalterlichen Kunstmetropole Hildesheim sichtbar wird. Im Unterschied zur Stadt Hildesheim, für die bis 1300 allein 74 zum Teil umfangreiche Inschriftenprogramme überliefert sind, setzt die Inschriftenüberlieferung im Umland erst im 13. Jahrhundert mit nur insgesamt fünf Inschriften ein, und auch aus dem 14. Jahrhundert sind nur weitere neun Inschriften bekannt.
Der weitaus größte Teil des Bestands entstammt der frühen Neuzeit: 195 Inschriften gehören noch in das 16. Jahrhundert, 184 in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Demnach ist bereits in der nahen Peripherie der Stadt Hildesheim im Mittelalter keine nennenswerte Inschriftenproduktion nachzuweisen. In dieser Beziehung gleicht die Region den südniedersächsischen Landkreisen Göttingen und Holzminden, deren bereits edierte Bestände ebenfalls schwerpunktmäßig der frühen Neuzeit angehören.41) Auf einem wichtigen Feld war der Einfluss der Stadt Hildesheim indes besonders nachhaltig und sozusagen unüberhörbar: Seit dem späten Mittelalter belieferten Hildesheimer Gießer wie Harmen Koster und Hinrich Quenstaedt das Umland mit Glocken. Der Hildesheimer Bildhauer Ebert Wolf und sein gleichnamiger Sohn fertigten Grabdenkmäler, die ebenso wie die Glocken zentrale Inschriftenbestände der vorliegenden Edition bilden.42)
Für die Zeit vom 13. bis zu den Anfängen des 16. Jahrhunderts zeichnet sich die oben skizzierte historische Entwicklung des Bearbeitungsgebiets in den Inschriften nur indirekt ab, was für diese Quellengattung durchaus charakteristisch ist. Einzelne frühe Bauinschriften oder Gussdaten auf [Druckseite 20] Glocken lassen sich als Anhaltspunkte für die Existenz von Pfarrkirchen in den Dörfern lesen;43) ihre ursprünglichen Patrozinien sind vielfach in den Namen der Glocken dokumentiert. Personengeschichtliche Informationen hingegen sind aus dieser frühen Zeit kaum zu gewinnen, da die dafür einschlägigen Grab- und Stifterinschriften aus der Zeit vor 1500 nur spärlich überliefert sind (Nr. 11, 12, 50). Zeugnisse dörflicher oder städtischer Memorialkultur enthält der Bestand vor 1500 nicht, abgesehen vielleicht von dem für einen CONRADUS errichteten Scheibenkreuz (Nr. 13) mit einem knappen Sterbevermerk. Vertreter des Laienstandes gewinnen in den Inschriften vor 1500 nur vereinzelt Profil: In Adensen zwei Kirchherren (Nr. 53, 54), in Sarstedt zwei vielleicht ebenfalls als Älterleute amtierende Personen (Nr. 30), in Alfeld eine bürgerliche Stifterin (Nr. 55), die sich auch als maghet eines Hildesheimer Domherrn inschriftlich fassen lässt.44) Lediglich die Glockengießer werden in ihren etwa ab dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts (Erstbeleg Nr. 20) recht konsequent gesetzten Signaturen als Meister fassbar.45)
Frömmigkeitsgeschichtlich zeigen die spätmittelalterlichen Inschriften Spuren der Klosterreform, die beispielsweise im Augustiner-Chorherrenstift Wittenburg (Nr. 56, 59) und in Marienrode (Nr. 34) in größeren Baumaßnahmen Ausdruck fand. In Marienrode kam hinzu, dass man das Grabdenkmal des Alrad von Eldingen an einen würdigen Ort vor dem Eingang des Kapitelsaals versetzt hat (Nr. 25 u. 26), wodurch das Gedächtnis an einen verehrten Konversen aus der Frühzeit des Konvents neu belebt wurde. Von der Innenausstattung zweier Archidiakonatskirchen zeugen die Reste der heute nahezu völlig zerstörten mittelalterlichen Wandmalereien und ihrer Inschriften in Lühnde (Nr. 80) und Nettlingen (Nr. 76). Die beeindruckende Zahl von 23 Glockeninschriften aus dem 15. Jahrhundert lässt auf eine keineswegs karge Ausstattung der spätmittelalterlichen dörflichen Pfarrkirchen schließen.46)
Im 16. Jahrhundert wächst die Überlieferungsdichte wie auch die thematische und formale Vielfalt der Inschriften ganz erheblich. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts lassen sich die für die Frömmigkeitsgeschichte der Zeit vor der Reformation typischen Themen in einigen wenigen Inschriften der kirchlichen Ausstattung wiederfinden, so z. B. die Meditation über die Passion Christi (Nr. 115) oder die Verehrung der Heiligen (Nr. 136, 137), vor allem der Gottesmutter sowie der heiligen Anna und Katharina.47)
Ein erstes Anzeichen der lutherischen Reformation erscheint 1546 in der protestantischen Devise Verbum Domini Manet In Eternum am Rathaus der zum Fürstentum Calenberg gehörenden Stadt Elze (Nr. 150).48) Dieselbe Devise, kombiniert mit einem niederdeutschen Bibelzitat, findet sich 1562 auf einer Glocke in Wetteborn (Nr. 170). Am eindrucksvollsten präsentiert sich die neue Lehre in dem Epitaph Heinrich von Redens aus dem Jahr 1572, das die lutherische Rechtfertigungslehre mit der Darstellung von Gesetz und Evangelium ins Bild setzt (Nr. 185). Ergänzt wird das Bild durch zwei Zitate aus der Lutherbibel und eine Grabschrift, die mit der Bitte um eine fröhliche Auferstehung [Druckseite 21] schließt. Mit der Anbringung dieses Epitaphs in der Rhedener Pfarrkirche verschaffte Heinrich von Reden seiner Glaubensauffassung zumindest im Raum seiner dörflichen Patronatskirche öffentliche Aufmerksamkeit. In derartigen Denkmälern deutet sich an, wie der früh der Reformation zugeneigte landsässige Adel dazu beigetragen hat, die neue Konfession in den ländlichen Gebieten zu etablieren.49) Bezeichnend für die konfessionellen Veränderungen ist auch die Tatsache, dass die Familie von Steinberg ihre bis dahin im Kloster Lamspringe befindliche Grablege aufgab und ihre Verstorbenen, die nun nicht mehr der kontinuierlichen Fürbitte der Mönche für ihr Seelenheil bedurften, in evangelischen Pfarrkirchen in Alfeld und etwas später (1588) auch in Bodenburg beisetzen ließ. Diese Verlagerung des Totengedächtnisses aus dem Kloster in den allgemein zugänglichen Raum einer Pfarrkirche erweiterte die öffentliche Wirkung der Denkmäler, die der adeligen Macht- und Selbstrepräsentation zugute kam.50)
Seit der Einführung des evangelischen Bekenntnisses im Fürstentum Wolfenbüttel 1568 gehört die Region um Hildesheim zu den wenigen bikonfessionell geprägten Gebieten in Norddeutschland. Die konfessionellen Unterschiede sind in den Inschriften dieses Bestands allerdings kaum spürbar, vor allem weil sich die Belege aus katholischem Kontext quantitativ verschwindend gering ausnehmen gegenüber einer übermächtigen Zahl evangelischer Zeugnisse. Der einfache Grund dafür liegt in der geringeren Fläche des katholischen Kleinen Stifts im Vergleich zu den evangelischen Gebieten. Einen geschlossenen katholischen Bestand bieten lediglich die für Kanoniker des Stifts St. Mauritius in Hildesheim-Moritzberg errichteten Grabdenkmäler aus der Zeit von 1507 bis 1641, denen als einzigem monastisch geprägten Inschriftenkomplex auch in dieser Hinsicht eine Sonderrolle zukommt. Einzelne Stiftungsinschriften auf kirchlichen Ausstattungsstücken der katholischen Gemeindekirchen lassen eine enge Verflechtung mit den geistlichen Institutionen im Gebiet der Stadt Hildesheim erkennen, wie etwa mit dem dortigen Benediktinerkloster St. Godehard (Nr. 217) oder den Fraterherren vom Lüchtenhof (Nr. 320).
Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts gewinnt die Inschriftenüberlieferung ganz erheblich an personengeschichtlichem Quellenwert. Dies gilt vor allem für den Adel, auf den die meisten Zeugnisse bis zum Ende des Erfassungszeitraums zurückgehen. In den insgesamt 40 zwischen 1535 und 1650 für Adelige überlieferten Grabinschriften mit zum Teil umfangreichen Ahnenproben zeigen sich die genealogischen Verflechtungen der Familien untereinander und, damit verbunden, ein ausgeprägtes Bedürfnis nach dynastischer Selbstrepräsentation. Hinzu kommen zahlreiche Inschriften an neuerrichteten Wohnbauten des Adels (z. B. Nr. 230, 232, 243) sowie die Bau- und Stiftungsinschriften in den unter adeligem Patronat stehenden Gemeindekirchen (z. B. Nr. 322, 325). Ein signifikantes Beispiel bietet die Martinskirche in Wrisbergholzen, als deren Wohltäter sich die Familie von Wrisberg in acht Bau- und Stiftungsinschriften nennt (u. a. Nr. 345, 346, 347). Neben dem Adel traten der Landesherr (Nr. 231), einzelne Amtmänner und ihre Angehörigen (Nr. 235, 273, 315) oder andere landesherrliche Bedienstete (Nr. 296, 300, 348, 350) als Stifter auf, oft in Verbindung mit der Funktion eines Patronatsherrn. Hinzu kommen die evangelischen Geistlichen und ihre Angehörigen mit ihren im Einzelfall recht anspruchsvoll formulierten Memorialinschriften (Nr. 263, 423).
Die evangelischen Pfarrer sind aber nicht nur in Grabinschriften präsent; viel häufiger sind ihre Namen, zumeist begleitet von denen der Älterleute, in den zahlreichen Herstellungsvermerken auf kirchlichen Ausstattungsstücken angebracht. Sie stehen stellvertretend für die Gemeinde, aus deren Vermögen die Stücke finanziert worden sind.51) Dazu ermöglichen ihre bekannten Amtszeiten auch eine Datierung der von ihnen in Auftrag gegebenen Objekte. Mit den Namen der Älterleute [Druckseite 22] gewinnt auch der Laienstand erstmals in den Inschriften Kontur. Das gilt zum einen für die städtischen Oberschichten, im vorliegenden Bestand quantitativ aber sehr viel stärker für die führende bäuerliche Schicht der Dörfer. Im Verlauf der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bleiben die Namensnennungen nicht auf den Pfarrer und zwei Älterleute beschränkt; zusätzlich werden häufig weitere Angehörige der Bauerschaften (Nr. 409, 433, 439) aufgeführt, die nun aber – zumal dann, wenn ihre Namen im Zusammenhang mit Geldbeträgen genannt sind – wohl nicht nur als Repräsentanten der Gemeinde, sondern doch als klassische Stifter anzusehen sind. Hinzu kommen namentlich bezeichnete Einzelstiftungen insbesondere von Kron- und Altarleuchtern, deren Inschriften noch einmal eine große Menge von Personennamen aus den Dörfern überliefern.
Der Dreißigjährige Krieg fügt den Inschriften in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen weiteren thematischen Akzent hinzu. Indirekt bringen Zeitklagen und die Bitte um Frieden die Stimmung in der durch die Truppendurchzüge erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Region zum Ausdruck (Nr. 353, 369, 391). Einzelne Zerstörungen wie etwa durch das Kaiserliche Lager vor Gronau im Jahr 1641 und die in deren Folge notwendig gewordene Erneuerung der Emporen und der bezahlten Kirchensitze beschreibt eine Inschrift des Jahres 1650 aus Mehle (Nr. 440). Die wenigen Hausinschriften aus dieser Zeit in Wülfingen und Rheden (Nr. 417a, 452) wie auch die bereits erwähnten Kaufvermerke auf den beweglichen kirchlichen Ausstattungsstücken sind ein Indiz für einen Neubeginn nach dem Dreißigjährigen Krieg.
5. Die Überlieferung der Inschriften
Der Bestand umfasst insgesamt 464 Inschriften. Davon sind 380 erhalten, weitere 84 (= 18%) konnten nur nach älteren Abschriften ediert werden. Die geringe Zahl an kopial überlieferten Inschriften darf freilich nicht den Eindruck erwecken, als ob sich in dieser Region überdurchschnittlich viele Inschriften im Original erhalten hätten. Vielmehr fehlt es, wie in ländlichen Gebieten häufig,52) an einer zentralen und systematischen kopialen Überlieferung, die so früh einsetzt, dass sie die Verluste kompensieren könnte, die durch die Einebnung der an den Kirchen gelegenen Friedhöfe bzw. die Entfernung der Grabdenkmäler aus dem Kircheninneren im 19. Jahrhundert oder andere Modernisierungsmaßnahmen entstanden sind.
Die ältesten Aufzeichnungen von Inschriften finden sich in der von Johannes Letzner (1531–1613)53) zusammengestellten Braunschweig-Lüneburgischen Chronica, die in einer Abschrift des späten 17. Jahrhunderts und einer weiteren, teilweise von der erstgenannten leicht abweichenden Abschrift aus dem frühen 18. Jahrhundert in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen erhalten ist.54) Leider beschränkt sich die Überlieferung dieser Chronik für den vorliegenden Bestand auf das Kloster Marienrode (Nr. 25, 26, 34). Letzners Textwiedergabe der beiden für den Konversen Alrad gestifteten Grabschriften (Nr. 25 u. 26) beruht wahrscheinlich auf der Marienroder Chronik des Abtes Heinrich von Bernten (gest. 1463). Dafür spricht die in beiden Textzeugen fehlende Datierung der Grabplatte Alrads, die im Original aber vorhanden ist (vgl. Nr. 25, Anm. d). Grundsätzlich ist bei der Überlieferung Letzners in vielen Fällen nicht sicher zu entscheiden, ob die mitgeteilten Inschriften tatsächlich ausgeführt waren.55)
Aus dem 18. Jahrhundert haben sich lediglich disparate Überlieferungen einzelner Inschriften in verschiedenen Kontexten erhalten. Der Bibliothekar und Historiker Daniel Eberhard Baring [Druckseite 23] (1690–1753) teilt in seiner 1733 erschienenen Descriptio Salae principatus zwei Grabinschriften für Angehörige der Pastorenfamilie Ludwig aus Eime (Nr. 218, 375) mit und eine weitere Inschrift von einer verlorenen Glocke aus Deinsen (Nr. 111). Rudolf Johann von Wrisberg (1677–1764) hat in einer 1742 erschienenen Sammlung von Nachrichten über Christoph von Wrisberg die einzige Geschützinschrift des Bestands (Nr. 163) aufgezeichnet. Andere derartige Überlieferungen des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts bewahren eine Kelchinschrift (Nr. 82), die originale Inschrift auf dem heute in Köln befindlichen Alfelder Altarretabel (Nr. 84) oder eine für einen evangelischen Pastor verfasste Grabinschrift (Nr. 324).
Die systematische Überlieferung der Inschriften setzt mit der Inventarisierung der Kunstdenkmäler im Königreich Hannover durch Hector Wilhelm Heinrich Mithoff (1811–1886) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Für den Bestand des Landkreises Hildesheim sind der 1873 erschienene erste Band Fürstenthum Calenberg und der dritte Band zum Fürstenthum Hildesheim aus dem Jahr 1875 relevant. Die Inschriftentexte sind in eine die Standorte beschreibende Darstellung eingebunden. Sie sind teilweise nach älteren Quellen, zum größten Teil aber nach Autopsie oder autopsienaher Überlieferung wiedergegeben,56) wie aus der genauen Übernahme von Abkürzungen und Ligaturen zu schließen ist. Die Überlieferung Mithoffs zeichnet sich durch Texttreue und paläografische Genauigkeit aus. Die Schriftarten sind meistens genannt und werden teils durch die Wiedergabe verschiedener, das Original imitierender Drucktypen angedeutet.
Vergleicht man die älteren, sporadischen Mitteilungen von Inschriften mit dem Inventar der Kunstdenkmäler Mithoffs, so fällt auf, dass Mithoff die meisten der aus den älteren Überlieferungen gewonnenen Texte schon nicht mehr verzeichnen konnte, während die von ihm bezeugten Denkmäler noch heute im Original vorhanden sind. Daran ist ablesbar, dass viele Kirchen im 19. Jahrhundert, speziell in der Zeit vor 1870, tiefgreifende Umgestaltungen erfahren haben, in deren Rahmen besonders die alten Grabdenkmäler aus dem Kircheninneren entfernt wurden. Für die Grabplatten und Epitaphien ist daher in der Region um Hildesheim von erheblichen Verlusten auszugehen. Diese Umgestaltungen haben aber nicht nur Verluste mit sich gebracht, wie das Beispiel der St. Johannis-Kirche in Bodenburg zeigt. Dort nämlich wurden 1861 „beim Aufnehmen des Fußbodens 22 Grabsteine über acht Grabgewölben“ entdeckt und in den Schlosspark gebracht, wo sie seitdem allerdings der Verwitterung ausgesetzt sind.57)
Für die ehemals im Bereich des Herzogtums Braunschweig gelegenen Orte bietet der im Jahr 1910 erschienene, von dem Kunsthistoriker Karl Steinacker (1872–1944) bearbeitete fünfte Band der Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig (Kdm. Kreis Gandersheim) eine zuverlässige Grundlage, da er die Inschriften offenbar weitgehend nach Autopsie und unter Auswertung älterer Archivalien wiedergibt. Vor allem die seinen Ausführungen beigegebenen Zeichnungen der heute stark verwitterten Grabplatten für Angehörige der Familie von Steinberg in Bodenburg haben vielfach die Ergänzung der nur noch teilweise lesbaren Inschriften möglich gemacht.
Die in den Jahren 1910 bis 1941 erschienenen Inventarbände der Kunstdenkmäler der Provinz Hannover orientieren sich an der Kreisstruktur des Bearbeitungsgebietes. Die Einzelbände Kdm. Kreis Marienburg (1941), Kdm. Kreis Alfeld I (1929),58) Kdm. Kreis Hildesheim (1938), Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau) (1939) und Kdm. Kreis Springe (1941) geben die Inschriften jeweils im Zusammenhang mit einer Beschreibung der Denkmäler und einer knappen Ortsgeschichte wieder. Die Texte werden überwiegend in Transkriptionen geboten, die Abkürzungen teils aufgelöst, teils beibehalten – letzteres vor allem dann, wenn kein sinnvolles Textverständnis hergestellt werden konnte. Zeichnungen und Abbildungen ergänzen die Wiedergabe der Inschriften. In einzelnen Fällen sind für die Rekonstruktion zerstörter Inschriften ältere, am Ort aufbewahrte Aufzeichnungen herangezogen [Druckseite 24] worden (z. B. Nr. 343). Die Wappen wurden – nicht immer korrekt – den Wappenführern zugeordnet, Steinmetzzeichen und andere Marken sind in Zeichnungen wiedergegeben.
Der vorliegende Bestand ist, wie bereits erwähnt, durch eine außergewöhnlich große Zahl von erhaltenen Glockeninschriften gekennzeichnet, die allerdings in einzelnen Fällen nicht am Original bearbeitet werden konnten, weil die Glocken außen am Turm hängen und ihre Inschriften von innen nicht oder nur teilweise sichtbar sind. Für ihre Wiedergabe konnten neben den Kunstdenkmälerinventaren auch die handschriftlichen Glocken- und Gießerkarteien des früheren Glockensachverständigen der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Dr. Friedrich Waack, benutzt werden. Seinen Aufzeichnungen liegt, sofern er nicht andere Quellen nennt, Autopsie zugrunde. Die Arbeit von Hans Christian Drömann über die Glocken der evangelischen Kirchen und Kapellen im Landkreis Hildesheim ist im wesentlichen der musikalischen Funktion der Glocken gewidmet, die im vorliegenden Band nicht berücksichtigt wird.59) Drömanns Wiedergabe der Inschriften orientiert sich an den entsprechenden Inventaren der Kunstdenkmäler und beruht nicht auf Autopsie.
6. Inschriften und Inschriftenträger
6.1 Denkmäler des Totengedächtnisses
Aus dem Bearbeitungsgebiet sind 105 Denkmäler des Totengedächtnisses überliefert, die fast alle im Original erhalten sind; lediglich fünf konnten nur noch auf der Grundlage älterer Abschriften ediert werden.60) Dieser angesichts eines Gesamtbestands von 464 Inschriften eher geringe Anteil an erhaltenen wie auch an kopial überlieferten Grabinschriften ist wesentlich auf die schon erwähnte Umgestaltung der Kirchenräume im 19. Jahrhundert zurückzuführen, in deren Folge viele Grabplatten aus den Kirchen entfernt und im Freien aufgestellt oder als Baumaterial verkauft wurden. Unter den überlieferten Denkmälern entfällt der größte Teil auf die Grabplatten, die zur Abdeckung des Grabes dienten und damit ursprünglich in enger lokaler Beziehung zum Grab standen, während die Epitaphien aus Holz oder Stein an einer Wand angebracht waren und, wie auch die Totenschilde (Nr. 146, 305), nicht an den Begräbnisplatz gebunden waren. Da aber kaum eine Grabplatte des Bestands noch an ihrem ursprünglichen Ort liegt und dort tatsächlich ein Grab abdeckt, vielmehr nahezu alle an Wänden aufgestellt sind, kann eine klare Trennung von Epitaph und Grabplatte entsprechend ihrer ursprünglichen Funktion vielfach nicht mehr vorgenommen werden.61) Im Bestand sind 22 Epitaphien überliefert, zwei davon sind bzw. waren auf Holz ausgeführt (Nr. 185, 195), ein weiteres war auf einen Pfeiler gemalt (Nr. 366).
Die quantitativ bedeutendsten Standorte der Grabdenkmäler sind die beiden Adelsgrablegen für die Angehörigen der Familie von Steinberg in Bodenburg bzw. für die Familie von Wrisberg in Wrisbergholzen sowie die Stiftskirche St. Mauritius in Moritzberg mit zwölf Grabplatten für Kanoniker und die St. Nicolai-Kirche in Alfeld mit insgesamt elf Grabdenkmälern für Adelige, Bürger und Angehörige der evangelischen Pastorenfamilien. In und an den übrigen Kirchen haben zumeist nur einzelne Grabdenkmäler für evangelische Geistliche und ihre Angehörigen (z. B. in Eime) oder für einen Amtmann und seine Familie (z. B. in Holle) die Umbaumaßnahmen überdauert. Memorialdenkmäler bäuerlicher Provenienz sind weder im Original noch abschriftlich überliefert.
Aus dem späten Mittelalter sind vier Grabdenkmäler im Original erhalten. Eine Grabplatte wurde für den Ritter Florinus von Dahlum (Nr. 11) gestiftet, eine weitere für einen als Heiliger verehrten Konversen (Nr. 25) und zwei für Geistliche (Nr. 12, 50). Sie zeigen jeweils den Verstorbenen als [Druckseite 25] Ganzfigur in Ritzzeichnung mit einer umlaufenden Inschrift. An die Stelle der Ritzzeichnung tritt in späterer Zeit das Relief. Bis 1550 sind drei Grabplatten dieses neueren Typs62) zunächst für Kleriker gestiftet worden, die mit einem Kelch in der Hand als Attribut ihres Standes dargestellt sind. Mit der im Jahr 1550 für Sieverdt von Steinberg angefertigten Grabplatte im Kloster Lamspringe (Nr. 153) ist eine reliefierte Platte zum ersten Mal für einen Adeligen nachzuweisen. Sie stammt aus der Werkstatt des flämischen Bildhauers Arend Robin, der bis etwa 1570 eine Reihe von Grabdenkmälern für Angehörige des Adels und der bürgerlichen Führungsschichten in den Städten des Weserraums angefertigt hat.63) Das Denkmal zeigt den Verstorbenen stehend als Ganzfigur in Rüstung, die Hände sind zum Gebet zusammengelegt, allerdings ohne dass der Adressat des Gebets, der gekreuzigte Christus, im Bild sichtbar wird. Gerahmt wird das Bild von einer vierseitig umlaufenden schlichten Grabschrift. Dieser Typus wird bis zum Ende des Erfassungszeitraums, jeweils mit wechselnden Attributen in der Darstellung und im Text der Inschrift, für die Angehörigen sämtlicher Stände realisiert.
Ein zweiter, zeitlich paralleler Typ von Denkmälern zeigt den bzw. die Verstorbenen betend unter dem Kreuz. Diese Form ist auch auf den zentralen Bildern der mehrteiligen Wandepitaphien anzutreffen (Nr. 185), was dafür spricht, dass auch viele der nicht weiter unterteilten hochrechteckigen Platten für eine Aufstellung unabhängig vom Grab gedacht waren. Ihre Inschriften sind nicht mehr als Umschrift angelegt, sondern verlaufen zeilenweise unterhalb einer Darstellung des Verstorbenen, der oft zusammen mit seiner Ehefrau und mit allen Kindern betend vor dem gekreuzigten Christus oder vor einer anderen biblischen Szene (Nr. 195 Geburt Christi) abgebildet ist. Das früheste Beispiel dieses Typs ist das ebenfalls in der Klosterkirche Lamspringe angebrachte Epitaph für Henning von Steinberg und seine Ehefrau Anna von Reden (Nr. 151) aus dem Jahr 1548.
Nicht alle Grabdenkmäler zeigen die Verstorbenen kniend oder als Ganzfigur. Manche Platten tragen lediglich eine zeilenweise angebrachte Inschrift, oft in Kombination mit einem Wappen. Zu diesem Typ gehören einige der für Kanoniker des Stifts St. Mauritius gesetzten Denkmäler (z. B. Nr. 161, 205, 260). Ebenfalls ohne ein Bild des Verstorbenen, wohl aber mit einem vielteiligen Bildprogramm, in dem u. a. ein Engel eine Schrifttafel hält, und einer umlaufenden Grabschrift, sind die Denkmäler für die 1631 verstorbene Metta von Wrisberg (Nr. 370) und ihren Enkelsohn Heinrich von Steinberg (Nr. 376) in Bodenburg gestaltet, die beide von demselben unbekannten Steinmetzen stammen. Auf der zur selben Zeit für den Halberstädter Domherrn Hieronymus Brant von Arnstedt (Nr. 378) angefertigten Platte hält ein Engel eine Tafel mit der Grabschrift. Als Sonderformen ohne Darstellung von Personen sind noch einzelne zeilenweise beschriftete Grabplatten im querrechteckigen Format zu erwähnen (Nr. 172, 419) sowie die hochrechteckige Grabplatte für die Ehefrau eines Pastors in Eime, die neben einer deutschsprachigen Umschrift eine in vier elegische Distichen gefasste lateinische Grabschrift im Innenfeld zeigt (Nr. 263).
Dargestellt sind die Personen auf den Grabdenkmälern entsprechend ihrem sozialen Stand. Adelige Männer sind auf den Umschriftplatten überwiegend in Frontal- oder Seitenansicht und meistens in Rüstung zu sehen, wie bereits Florinus von Dahlum auf der ältesten Grabplatte des Bestands (Nr. 11 u. Abb. 55). Diese Darstellungsform ist zum letzten Mal auf der 1639 für Henning von Steinberg gesetzten Grabplatte bezeugt (Nr. 388). Die Kanoniker des Stifts St. Mauritius hingegen halten entweder ein Buch oder einen Kelch als Ausweis ihres geistlichen Standes in der Hand. Die evangelischen Geistlichen, für die allerdings erst ab 1588 Grabdenkmäler überliefert sind, tragen Talar und Kappe (Nr. 218) und halten ebenfalls meistens ein Buch (Nr. 331, 365, 383, 398, 420). Bemerkenswert scheint, dass keine der evangelischen Pfarrfrauen auf den für sie gestifteten Platten [Druckseite 26] figürlich dargestellt ist. Bei den Kindergrabplatten, die gleichermaßen von Adeligen, Bürgerlichen und evangelischen Geistlichen gesetzt wurden, liegen die im Alter von wenigen Tagen oder Wochen verstorbenen Säuglinge als Wickelkinder auf Kissen (z. B. Nr. 226, 241, 417), während Kinder, die bei ihrem Tod mehrere Monate bis zu vier Jahren alt waren, ohne Unterscheidung ihres Geschlechts im Kleid abgebildet werden (z. B. Nr. 227, 228, 354). Ältere Kinder unterscheiden sich nicht von Erwachsenen (Nr. 286), tragen aber auch bei Adeligen keine Rüstung, wie das Beispiel des zehnjährigen Schwan von Steinberg zeigt (Nr. 242). Unverheiratete bürgerliche und adelige junge Mädchen, die etwa im Alter von 6 bis 14 Jahren verstorben sind, sind mit einem Jungfernkranz bekrönt (Nr. 184, 236, 266, 317).
Die Inschriften der Grabplatten und Epitaphien bestehen in ihrem Grundformular aus einem Datum, dem vielfach variierten Prädikat für „sterben“, den standestypischen Attributen, dem Namen, der Amts- oder Standesbezeichnung sowie einem knappen Gebet. Dieses Formular war bereits im Mittelalter für Kleriker und Laien in lateinischer und deutscher Sprache üblich. Vollständig überliefert ist es zum ersten Mal in der Grabschrift für Sieverdt von Steinberg: anno domini 1550 am frijdage nach Exavdi starff de erbar vnd erneveste Siverdt von Steinbarge dem Gott gnedich sei amen. (Nr. 153). Die Grabplatten mit Umschrift boten wegen ihres festgelegten begrenzten Schriftfeldes kaum Möglichkeiten zur Erweiterung dieses Grundformulars. Anders verhielt es sich bei den Epitaphien mit ihrer zeilenweisen Anordnung, wie am Beispiel der lateinischen Grabschrift für den Oberamtmann Heinrich Heinemeier von 1568 zu sehen ist (Nr. 178). In den einzelnen Textbestandteilen unterscheiden sich die Inschriften auf den Epitaphien nicht von denen der Umschriftplatten, außer dass sie den zusätzlichen Raum für etwaige weitere Attribute und Ämternennungen nutzen: So steht statt des schlichten starff oder obiit in der Grabschrift für Heinrich Heinemeier placide in christo obdormivit ‚entschlief friedlich in Christus‘. Der Name des Verstorbenen wird nicht nur von zwei Attributen begleitet, entsprechend seinem Stand wird er auch noch als praeclarvs ac pietate et probitate vir praestans ‚hochberühmt und hinsichtlich Frömmigkeit und Rechtschaffenheit vortrefflicher Mann‘ bezeichnet, was freilich topisch und formelhaft klingt und über seinen wahren Charakter wenig aussagt. Weiter heißt es über ihn, er sei ‚Großvogt des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Heinrich, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, in Wolfenbüttel‘ gewesen: illustrissimi principis ac domini domini Henrici dvcis brvnsvicensis ac lvnebvrgensis svmmvs in arce lijcoperana prefectus. Die lateinische Gebetsformel am Schluss cui deus sit propitius entspricht dem deutschen dem Gott gnädig sei. Letztlich bleiben die Grundbestandteile des Formulars sogar dann erhalten, wenn die Grabschrift in deutsche Reimverse gefasst wird, wie im Fall des Epitaphs für Katharina von Hanstein (Nr. 180), die Ehefrau des genannten Sieverdt von Steinberg aus dem Jahr 1568: Anno nach Christi Geburt / do men 1568 zellen hort / ist die erbar Catharina von Hanstein / Sivertz von Steinbarg nacgelasen wetw rein / in godt dem Hern entslafen fri / der leiben sele godt genedich sei / Amen. Auf einer Grabplatte von 1572 wird das Sterbedatum zum ersten Mal um die Angabe der Todesstunde erweitert (Nr. 184; s. a. Nr. 246, 263 und öfter); hinzukommen vornehmlich bei Pastoren die Dauer ihrer Amtszeit (z. B. Nr. 218, 375 420) und das Lebensalter zum Zeitpunkt des Todes. Die Angabe des Lebensalters findet sich erstmals 1590 auf den Grabplatten für die früh verstorbenen Kinder der Familie von Steinberg (Nr. 226, 227, 228) und wenig später in einem besonders exponierten Schriftfeld auch in der für den Vater dieser Kinder angefertigten Grabinschrift (Nr. 246); seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist sie allgemein üblich. Im Fall des Theologen und Rektors Heinrich Crusius wird sie sogar auf Monat und Tag präzisiert (Nr. 423): aetatis suae anno 28 mense 9 die 8 ,im Alter von 28 Jahren, 9 Monaten und 8 Tagen‘. Die Todesursachen werden in der Regel nicht mitgeteilt, es sei denn, es handelt sich um ungewöhnliche Vorfälle wie einen Mord (Nr. 229). Man könnte vermuten, dass etwa die Erwähnung einer medizinisch diagnostizierten Krankheit auf einem Adelsgrabstein als indezent empfunden wurde. Nur die Inschrift auf einem für die Öffentlichkeit unsichtbaren Sarg gibt preis (Nr. 356), dass der Verstorbene mit einem Quartanfieber befallen dadurch in die 39 Wochen heftig abgemattet auch entlich daran (…) eines schleunigen doch sehligen Todts verfahren.
Das Gebet am Schluss der Grabschrift erhält eine neue Variante, indem es nicht mehr ausschließlich die Bitte um die Gnade Gottes für die Seele, sondern auch die eher protestantisch geprägte Hoffnung auf eine fröhliche Auferstehung des Verstorbenen zum Ausdruck bringt (z. B. Nr. 185, [Druckseite 27] 381). Die Grabschriften der Kanoniker des Stifts Moritzberg bewahren an dieser Stelle manchmal noch das mittelalterliche Formular cuius anima requiescat in pace ‚seine Seele ruhe in Frieden‘. In vielen Fällen fehlt das kurze Schlussgebet völlig (z. B. Nr. 188, 192, 194, 234).
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird es üblich, in die Grabinschriften64) auch Bibelzitate einzubeziehen. Sie werden meistens in einem von der eigentlichen Grabschrift getrennten Schriftfeld angebracht. Zum ersten Mal belegt ist diese Praxis auf dem 1572 errichteten Epitaph für die im jugendlichen Alter verstorbene Barbara von Boventen (Nr. 184): Dat Medeken is nicht dodt, svnder idt slept Matt 9. Dem zitierten Bibelwort wird in der Regel ein Verweis auf das betreffende Bibelbuch mit einer Kapitelangabe angefügt. Wie an dem genannten Beispiel deutlich wird, nehmen die Zitate Bezug auf Geschlecht und Alter der Verstorbenen. Auf Kindergrabplatten liest man deshalb oft Mk. 10,14 Lasset die Kindlein zu mir kommen. Das Epitaph der Dorothea Schumacher (Nr. 270) enthält ein Zitat aus dem „Lob der tüchtigen Hausfrau“ (Spr. 31,30): Lieblich und schon sein nichts, ein Weib das den Herrn fvrchtet soll man loben. Auf dem Grabdenkmal eines 1648 verstorbenen Pastors ist zu lesen Wir predigen nicht uns selbst sondern Jesum Christum daß er der Herr sey. Im Fall der Kunigunde von Münchhausen deckt sich das Bibelzitat der Inschrift mit dem in ihrer Leichenpredigt ausgelegten Text (Nr. 282).
Wie die bisherigen Zitate zeigen, ist die überwiegende Zahl der Grabinschriften dieses Bestands in deutscher Sprache verfasst. Lateinische, oft auch in Verse gefasste Inschriften, die andernorts als Repräsentationsformen der bürgerlich-städtischen Führungseliten gegen Ende des 16. Jahrhunderts üblich werden,65) finden sich in dem vorwiegend vom ländlichen Adel geprägten Bestand des Hildesheimer Umlands erwartungsgemäß nur selten (z. B. Nr. 178). Nur die evangelischen Pastoren haben, als Absolventen der Universitäten, für sich, ihre Amtsvorgänger und ihre Angehörigen lateinische Grabschriften und in wenigen Fällen (z. B. Nr. 263, 324) auch kleine Grabgedichte aus einem oder zwei elegischen Distichen verfasst. Die Prosagrabschriften folgen in ihren Bestandteilen dem oben skizzierten Grundformular, gegebenenfalls mit zusätzlicher Betonung amtsspezifischer Elemente. So betonen die Geistlichen ihre akademische Bildung mit dem Epitheton doctissimus (Nr. 324, 365, 375) und ihr besonderes Amtsverständnis mit Formulierungen wie pastor fidelissimus ‚besonders getreuer Pastor‘ (Nr. 365, 398) oder pastor vigilantissimus ‚unermüdlich tätiger Pastor‘ (Nr. 324). Auch die kurzen Gebete am Schluss benutzen geläufige Bilder vom Jenseits, wie z. B. bei cuius anima in paradiso ‚seine Seele lebe im Paradies‘ (Nr. 324). Die Vorstellung, dass der verwitwete Pastor die Seele seiner Ehefrau in ersehnten Gefilden (optati agri), also im Paradies, treffen werde, findet sich auch in einer anderen, metrisch gefassten Inschrift (Nr. 263), die als Rede der Verstorbenen an den hinterbliebenen Ehemann formuliert ist. Einen ähnlich inszenierten Rollentext bietet eine weitere lateinische Versgrabschrift, in der allerdings der im Alter von zwei Jahren verstorbene Sohn des Pastors spricht (Nr. 354).
Zur funeralen Selbstrepräsentation gehören auch die Wappen, die sich auf nahezu allen Grabdenkmälern des Bestands finden. Lediglich die vor der Mitte des 16. Jahrhunderts für einzelne Kanoniker des Stifts St. Mauritius und den Prior des Augustiner-Chorherrenstifts Wittenburg gestifteten Platten tragen keine Wappen (z. B. Nr. 113, 139); die später verstorbenen, meist aus bürgerlichen Familien stammenden Kanoniker beschränken sich mit einer Ausnahme (Nr. 352) jeweils auf ein einziges Wappen. Hingegen sind alle Grabdenkmäler des Adels von Beginn der Überlieferung an (Nr. 11) mit oftmals mehreren Wappen geschmückt. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigen die Grabdenkmäler für Adlige mindestens die Wappen der Eltern, meistens aber eine vierteilige Ahnenprobe als heraldischen Schmuck, auch bei Grabplatten für bereits im Säug-[Druckseite 28]lingsalter verstorbene Kinder. Diese bis zu sechzehnteiligen Wappenfriese und Wappenleisten dokumentieren die alte Herkunft der Familien, die vom Adel von jeher als Distinktionsmittel ins Feld geführt wurde. Auf den Grabplatten der adeligen Frauen ist teils ihre eigene Ahnenprobe angebracht (Nr. 192, 211), teils eine Kombination ihrer eigenen Ahnenprobe mit derjenigen ihres Ehemannes (Nr. 180, 297). Auffällig bescheiden hinsichtlich der heraldischen Repräsentation ist das durch seine konfessionelle Aussage geprägte, prachtvolle Epitaph Heinrich von Redens und Anna von Obergs (Nr. 185), auf dem beide Verstorbene mit nur jeweils einem Wappen abgebildet sind.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts haben auch bürgerliche Kreise gern mit Hilfe von Wappen ihren Stand betont (Nr. 178). In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird es dann sowohl für Amtmänner als auch für Pastoren zunehmend üblich, ihre Grabplatten und Epitaphien mit zwei Wappen zu schmücken (z. B. Nr. 339, 355, 396). Soweit die Wappen einem Wappenführer zugeordnet werden konnten, handelt es sich dabei meistens nicht um Elternwappen, sondern um die Wappen eines Ehepaars (Nr. 338, 339).
6.2 Bauinschriften
Etwa 80 Inschriften des Bestands datieren Neubau- oder Umbaumaßnahmen an Kirchen, öffentlichen Gebäuden oder Wohnhäusern. Sie sind auf steinernen Tür- oder Fensterstürzen, Inschriftentafeln, Eckquadern und Kaminen oder auf den Schwellbalken der Fachwerkhäuser angebracht. Ihr Formular beschränkt sich meistens auf die Namen der Auftraggeber mit einer Jahreszahl und enthält eher selten ein Prädikat mit ausdrücklichem Bezug auf das Bauen oder Renovieren. Die früheste Bauinschrift des Bestands wurde im Jahr 1423 auf dem äußeren Türsturz der Steinbergkapelle an der St. Nikolai-Kirche in Alfeld angebracht (Nr. 15). Sie ist in niederdeutscher Sprache verfasst und datiert den Bau der Kapelle in dem für Reimverse, die ein Datum wiedergeben, üblichen Formular ... Dre unde twintich jar / do wart dit ghebuwet dat is war. Aus dem Jahr 1457 haben sich zwei nahezu gleichlautende und in ihrer Ausführungstechnik (vertiefte gotische Minuskel) gleichartige Bauinschriften in Gronau und Sarstedt erhalten (Nr. 30, 31), in denen die Grundsteinlegung der dortigen Pfarrkirchen in identischem Wortlaut leiden den ersten sten dokumentiert wird. Als Subjekt zu diesem Prädikat nennen sich jeweils zwei Auftraggeber, für deren Seelenheil das Gebet am Schluss gesprochen werden sollte. Während diese beiden Inschriften den Beginn einer kirchlichen Baumaßnahme bezeugen, wird in einer lateinischen Inschrift des Jahres 1494 (Nr. 52) der Abschluss eines Baus mit dem Formular opvs praesens completvm est sowie einem Tages- und Jahresdatum bezeichnet. Eine ungewöhnliche Bauinschrift ist aus dem Kloster Marienrode kopial überliefert. Sie enthält kein Datum, lässt sich aber wohl auf den Kirchenbau der Zeit um 1462 beziehen. Diesen mit großer Mühe und zahlreichen Rückschlägen fertiggestellten Bau setzt die Inschrift in Analogie zu dem im Alten Testament beschriebenen, ebenfalls vielerlei Behinderungen ausgesetzten Wiederaufbau des Tempels unter Zorobabel (Nr. 34). Zwischen 1509 und 1540 sind weder an privaten noch an kirchlichen Gebäuden Baumaßnahmen inschriftlich bezeugt. In der Zeit danach haben sich die Angehörigen des Adels vermehrt als Bauherren betätigt. 1566 baute Christoph von Steinberg eine neue Kirche in Wehrstedt und hielt dies in einer gereimten Bauinschrift fest, in deren Mitte er sein Wappen anbringen ließ (Nr. 174). Aus Wappen und ihren Beischriften ist in der Folgezeit vielfach die Bautätigkeit des Adels abzuleiten (Nr. 193, 198, 220, 230, 243, 284). Bauinschriften an Kirchen, die auf Kosten der Gemeinde errichtet oder renoviert worden sind, nennen üblicherweise nicht mehr als den Pastor, die Älterleute und eine Jahreszahl (z. B. Nr. 182, 328, 426).
Nur wenige Bauherren haben im 16. und 17. Jahrhundert auch individuelle, über das übliche knappe Formular hinausgehende Bauinschriften anbringen lassen. Dazu gehört die in deutschen Reimversen abgefasste Inschrift an dem 1573 von Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg erbauten Kehrwiederturm auf der Burg Steinbrück. In dieser Bauinschrift spricht der Wehrturm selbst, und zwar in einem rhetorischen Gestus, den man aus Geschützinschriften kennt. Der Text nennt neben dem Entstehungsdatum den Auftraggeber und rühmt vor allem das beträchtliche Verteidigungspotenzial des Inschriftenträgers (Nr. 186). Sehr detailreich berichtet Christoph von Wrisberg auf dem Türsturz der von ihm 1607 in der Kirche zu Wrisbergholzen angelegten Gruft, dass er dis [Druckseite 29] gewelbe zv desselb adelichen geschlechts Begrebnis angeordnet vnd vorfertigen ließ (Nr. 302). Die ambitionierteste Bauinschrift des Bestands ist auf dem Schwellbalken des Obergeschosses der 1610 fertiggestellten Lateinschule in Alfeld (Nr. 311) zu sehen: Auf der Grundlage einer originellen Exegese von Jakobs Himmelsleiter (Gen. 28) entwirft der Verfasser der Inschrift, der Theologe Bartholomäus Sengebähr, in sechs elegischen Distichen das pädagogische Konzept der Schule. Daneben aber erwähnt er auch „die Stadt“ als finanzierende und die „kirchliche Amtsgewalt“ als autorisierende Institutionen des Baus.
Die Hausinschriftenüberlieferung im Landkreis ist, verglichen mit den bereits edierten Landkreisen Göttingen und Holzminden, spärlich und lässt keine Kontinuität erkennen. Das früheste, allerdings nicht sicher datierte Beispiel bietet das vermutlich für die Schuhmachergilde errichtete Eckhaus Winde 17 in Alfeld (Nr. 148). Als „Bauinschrift“ ist an der Fassade der verbreitete Mahnspruch Wir buwen stede vnd veste vnd sint doch fromde geste neben anderen klassischen Haussprüchen angebracht.66) Spezifisch reformatorisches Gedankengut findet man – mit Ausnahme der auf die Initialen VDMIE reduzierten protestantischen Devise Verbum Domini Manet In Eternum an dem 1546 gebauten Rathaus in Elze (Nr. 150) – in den übrigen Hausinschriften nicht. Das Bibelzitat Si Deus pro nobis quis contra nos (Rm. 8,31), das anderswo häufig das persönliche Bekenntnis des Bauherrn zur neuen Lehre bekundet, ist lediglich am katholischen Domküsterhof in Algermissen aus dem Jahr 1639 nachzuweisen (Nr. 369) und dürfte in der damaligen Kriegszeit eher dem militärischen Feind gegolten haben.
6.3 Glocken
Aus dem Hildesheimer Land sind die Inschriften von 97 Glocken überliefert, 70 davon sind erhalten. Die Zahlen sprechen auf den ersten Blick für eine reiche Überlieferung, angesichts der vielen Kirchen und Kapellen, die allesamt mit wenigstens einer Glocke ausgestattet gewesen sein dürften, zeichnet sich aber auch für diesen Inschriftenträger eine hohe Verlustrate ab. Wie der Bestandsvergleich zwischen dem Inventar Mithoffs, den jüngeren Kunstdenkmälerinventaren und den heute noch vorhandenen Glocken zeigt, haben sich die Verluste bereits zwischen dem 18. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts ereignet. Im Rahmen der Abgabeverpflichtungen während der beiden Weltkriege sind hingegen nur vier Glocken abhanden gekommen, 1970 wurden zwei der ältesten Glocken des Bestands (Nr. 6, 8) bei einem Brand in der Kirche zu Nettlingen zerstört.
Die Überlieferung setzt ein mit einer erhaltenen Glocke aus dem Jahr 1249 (Nr. 2). Zwölf weitere Glocken stammen aus der Zeit bis 1450, eine davon (Nr. 8) kam allerdings erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus einem weiter östlich gelegenen Gebiet in den Landkreis Hildesheim. Aus den hundert Jahren zwischen 1450 und 1550 sind 42 Inschriften bekannt, davon 31 auf erhaltenen, bis heute funktionierenden Glocken. Diese vergleichsweise hohe Überlieferungsdichte erklärt sich vermutlich aus der damals intensivierten Produktion von Glocken, die ihrerseits mit einer neuen, den Klang verbessernden Gusstechnik zusammenhängt.67) Aus den Jahren von 1550 bis 1650 sind noch einmal 41 Glocken mit Inschriften bezeugt. Dabei fällt auf, dass 14 Glockeninschriften aus dem kurzen Zeitabschnitt von 1642 bis 1650 stammen. Offenbar hatten viele Kirchengemeinden im Dreißigjährigen Krieg ihre Glocken an feindliche Truppen abliefern müssen oder sie durch die Kriegshandlungen eingebüßt, so dass nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen Neugüsse notwendig wurden.68)
Die Inschriften der frühen Glocken nennen zumeist das Jahr (Nr. 2, 4, 10) und den Tag ihres Gusses (Nr. 9), der in einem Fall in die Oktav des Festtages der Heiligen Peter und Paul gelegt wurde, [Druckseite 30] unter deren Patrozinium die Kirche stand (Nr. 18). Nur einmal ist ein Gießername belegt: Ein nicht genauer nachzuweisender Tidericus hat 1278 für Lühnde eine Glocke gegossen (Nr. 4). Ihr Inschriftenprogramm wurde von einem Hermannus plebanus entworfen. Darin werden erstmals in folgendem Hexameter die klassischen Funktionen einer Glocke aufgezählt: Signo dies festos fleo defunctos voco vivos ‚ich bezeichne die Feiertage, beweine die Verstorbenen und rufe die Lebenden‘. Spätere Glockensprüche (z. B. Nr. 92, 132, 133, 134) variieren diesen Vers und ergänzen ihn gegebenenfalls. Hinzu kommt die offenbar immer höher bewertete Funktion der Abwehr von Unwettern und Teufeln: frango tonitrua fvgo demonia (Nr. 98). Auf vielen mittelalterlichen Glocken sind Heiligennamen oder auch die Namen von Christus und Maria angebracht. Sie stehen oft isoliert als kurze Anrufungen, können aber auch zu knappen Gebeten wie z. B. Ave Salve Virgo Maria (Nr. 3) oder O rex glorie christe veni cum pace (Nr. 6) erweitert sein.
Parallel zum Aufkommen der bereits erwähnten neuen Gusstechnik haben ab der Mitte des 15. Jahrhunderts die meisten Gießer ihre Werke recht konsequent durch eine Signatur oder Meistermarke gekennzeichnet. Der erste in einer langen Reihe namentlich bekannter Hildesheimer Meister ist Hans Meiger, aus dessen Werkstatt vier in den Jahren 1433 bis 1436 entstandene Glocken stammen.69) Meigers Glocken tragen alle das Gebet O rex glorie veni cum pace und sind mit Abgüssen bestimmter Pilgerzeichen versehen. Auf Meiger folgt 1498 Busso Jakob (Nr. 57, 58, 61), dessen letzter Guss aus dem Jahr 1500 datiert.70) Seine Glocken sind durch explizite Namensansagen der Form lvcia is min name gekennzeichnet (Nr. 61). Etwa zur selben Zeit etabliert sich mit Harmen Koster der wohl produktivste mittelalterliche Gießer in Hildesheim, dessen erstes Werk als selbstständiger Meister eine heute verlorene Glocke aus Sehlde vom Jahr 1499 war (Nr. 60).71) Seine erhaltenen Glocken zeigen sämtlich ein Bild der Madonna im Strahlenkranz (Nr. 91 u. öfter).72) Er hat bis etwa 1520 gearbeitet, sein letztes Werk im Landkreis Hildesheim ist die 1516 entstandene Glocke in Hörsum (Nr. 106). Kosters Glocken sind „in schwerer Rippe gegossen“73) und zeichnen sich durch besondere Klangfülle aus. Der technischen Perfektion entsprechen seine formvollendeten Minuskelbuchstaben und die ausgesuchten, oft recht umfangreichen, mehrzeiligen Inschriftentexte. Die Textvielfalt der Koster-Glocken ist beträchtlich: Neben dem üblichen O rex glorie veni cum pace (Nr. 94, 97, 102) benennt er die Funktionen etwas abseits vom gängigen Formular: sum dulcisona fleo mortua pello nociua / frango tonitrua fvgo demonia vocor maria ‚ich bin die Wohlklingende, ich beweine, was tot ist, vertreibe, was schädlich ist, breche den Donner, verjage die Dämonen, ich heiße Maria‘ (Nr. 98). Seine anspruchsvollste und wortreichste Inschrift, einen auch sonst belegten Marienhymnus in drei elegischen Distichen, hat er auf der heute in Hoyershausen hängenden Glocke angebracht (Nr. 103). Zeitlich parallel zu Koster war wahrscheinlich noch ein zweiter, namentlich nicht bekannter Gießer in der Region tätig, der 1510 das Geläut in Wülfingen (Nr. 92, 93) und 1513 eine einzelne Glocke für die Kirche in Deilmissen goss (Nr. 101). Nach 1520 haben weitere Gießer Aufträge in der Region übernommen; zu ihnen gehören Hinrich de Borch (Nr. 110), Hans Borcherdes (Nr. 129) und auch der bedeutendste Gießer des späten Mittelalters, der Niederländer Gerhard de Wou (Nr. 112). Seit 1526 (Nr. 132) ist Brant Helmes in Hildesheim als Gießer tätig.74) Er signierte seine Arbeiten ähnlich konsequent wie Koster und verzierte die Glocken, die im Übrigen alle „Maria“ heißen, genau wie dieser mit einem Marienbild auf der Flanke. Als Inschrift wählte er, wenn die Größe der Glocke einen längeren Text zuließ, die klassische Funktionsansage: Vivos voco defunctos plango demones fugo fulgura frango ‚ich rufe die Lebenden, ich betrauere die Toten, ich vertreibe die Teufel, ich breche die Blitze‘. Die letzte von Helmes bezeugte Arbeit im Bestand ist die 1537 entstandene Glocke in Lühnde (Nr. 143). [Druckseite 31]
Nach einer gewissen Übergangszeit, in der sich in den Landgemeinden außerhalb des Kleinen Stifts langsam die Reformation etablierte, beginnt mit Henni Kruse (Nr. 168) und Hans Pelckinck (Nr. 169) eine neue Phase der Glockenproduktion im Hildesheimer Land. Äußerlich sichtbar wird dies durch die Wahl der Kapitalis als neuer Schriftform. Vor allem aber haben sich die Inhalte verändert: Durch den Wegfall der Heiligen- und Marienverehrung tragen die Glocken der evangelischen Kirchen keine Namen mehr. Stattdessen orientieren sich ihre Inschriften nun thematisch, wie nicht anders zu erwarten, an der Bibel (Nr. 168, Nr. 170), oder sie nehmen die auf 1. Pt. 1,25 zurückgehende protestantische Devise Verbum domini manet in aeternum auf (Nr. 170, 219, 268). Als Auftraggeber nennen sich jetzt auf den meisten Glocken der Pastor und die Älterleute stellvertretend für die Gemeinde, aber auch einzelne Stifter haben ihre Dotation in den Inschriften festhalten lassen (Nr. 325, 413).
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren Henni Kruse (Nr. 168, 170)75) sowie Hans und Mante Pelckinck (Nr. 169, 213) als Gießer tätig. Neben diesen Hildesheimer Meistern haben aber auch Werkstätten aus der Umgebung Aufträge von den Kirchengemeinden erhalten, wie beispielsweise Hans Martens aus Goslar (Nr. 201)76) oder Friedrich Bielefeldt aus Einbeck (Nr. 219)77) sowie die nicht näher zu lokalisierenden Werkstätten von Christopher Horenbarch (Nr. 199, 268)78) oder Cord Bargen (Nr. 261). Von 1610 bis etwa 1633 teilen sich in der Stadt Joachim Schrader79) und der im Jahr 1610 zum Hildesheimer Stadtbüchsenmeister bestellte Dietrich Mente das Geschäft des Glockengusses.80) Während Schraders Inschriftentexte keine werkstatttypischen Merkmale erkennen lassen, hat Mente vorwiegend Bibelzitate für seine Glocken ausgewählt, die den Lobpreis Gottes zum Ausdruck bringen, wie z. B. Ps. 95 Kommt herzu last vns dem Hern frolocken vnd iauchzen dem Hort vnsers Heils.
Seit 1626 ist dann Hinrich Quenstaedt als Stück- und Glockengießer in Hildesheim bezeugt (Nr. 384), seine früheste überlieferte Arbeit stammt aber erst aus dem Jahr 1638, seine letzte datiert von 1648 (Nr. 425).81) Was die Inschriften betrifft, so hat Quenstaedt offenbar genau die Texte gegossen, die seine Auftraggeber ihm vorgeschrieben hatten. Dazu gehört u. a. ein Gebet um Frieden (Nr. 391), das in einem kunstvollen Chronodistichon das Gussdatum verschlüsselt, oder ein an die traditionelle lateinische Aufzählung der Glockenfunktionen erinnernder deutscher Spruch: Die Doten damit zu begraben und das Wetter damit zu stillen (Nr. 395). Seine vier für katholische Gemeinden gegossenen Glocken haben zwar keine eigenen Namen, ihre Inschriften beziehen sich aber ausdrücklich auf die heiligen Patrone der jeweiligen Kirchen, für die sie bestimmt waren (Nr. 395 Stephanus, Nr. 409 Pankratius, Nr. 412 Martin, Nr. 413 Kunibert).
Zeitlich parallel zu Quenstaedt etablierte sich 1645 Henni Lampe in Hildesheim (Nr. 407).82) Im Unterschied zu Quenstaedt hat er bei der Auswahl der Inschriften anscheinend keine bindenden externen Vorgaben berücksichtigen müssen. Sechs davon zitieren Verse aus Ps. 150 (u. a. Nr. 430, 433), eine weitere hat Ps. 44 zur Vorlage. Lediglich die ungewöhnliche Inschrift auf der 1650 für Garmissen gegossenen Glocke entstammt mit Sicherheit nicht dem Werkstattformular Lampes. Sie besteht aus einem lateinischen Chronogramm und vier deutschen Reimversen und beschreibt den idealen Pastor im Bild der Glocke (Nr. 442). Wenn es der Platz auf der Glocke zuließ, haben Quenstaedt und Lampe die Nennungen von Pastor und Älterleuten zu üppigen Textgebilden ausgeweitet, in denen zusätzlich bisweilen die komplette Bauerschaft eines Ortes oder auch einzelne Stifter mit der Höhe ihrer Beiträge aufgeführt wurden (Nr. 386, 409, 412, 413, 439). [Druckseite 32]
6.4 Altar-, Wand- und Kronleuchter
Aus den Kirchen des Landkreises Hildesheim sind insgesamt 30 Inschriften auf Leuchtern überliefert. Es handelt sich dabei mit Ausnahme eines Besitzvermerks (Nr. 428) ausschließlich um Stiftervermerke. Eine einzige Leuchterinschrift stammt aus dem Mittelalter (Nr. 55), alle übrigen gehören der nachreformatorischen Zeit an und folgen dem Formular verehret in die Ehre Gottes oder zur Ehre Gottes gegeben, in einem Fall (Nr. 437) mit dem Rückbezug auf das Bibelwort 1. Ko. 10,31 Was ihr thvt so thvts alles zu Gottes Ehre. Als Stifter der Leuchter sind im evangelischen Bereich sowohl in den Städten wie auf den Dörfern überwiegend Laien bezeugt. Vielfach nennen sich Ehepaare (Nr. 453, 457) oder kleinere Stifterkonsortien (Nr. 344, 431), ansonsten eine Witwe (Nr. 406), ein Barbier (Nr. 335) und der Bockenemer Bürgermeister (Nr. 285). Für die Kirche in Sellenstedt hat der adelige Patron zwei Kronleuchter finanziert (Nr. 322 u. 327). In Alfeld stiftete die Knochenhauer-Gilde einen Wandleuchter (Nr. 281) und war, wie die anderen dortigen Gilden, auch für dessen Bestückung mit Wachskerzen zuständig.83) Aus dem katholischen Bereich sind nur zwei Leuchterinschriften überliefert (Nr. 320, 350), von denen die eine einen Hildesheimer Kleriker als Stifter ausweist (Nr. 320). Er hat seinem lateinischen Stiftungsvermerk von 1613 noch die Bitte um Gebetsgedenken orate pro eo hinzugefügt.
6.5 Kanzeln
Der Bestand weist sieben Kanzeln auf. Eine davon ist noch vor der Reformation entstanden, ihr ursprünglicher Standort ist aber leider nicht mehr zu bestimmen. Sie zeigt neben Heiligen- und Mariendarstellungen auf dem steinernen Kanzelkorb das bürgerliche Stifterehepaar mit seiner Hausmarke und einen weitgehend zerstörten Stiftervermerk in niederdeutscher Sprache (Nr. 87). Die früheste nachreformatorische Kanzel ist erst im Jahr 1584 entstanden (A1, Nr. 32). Mit einer Ausnahme (Nr. 294 vier Evangelisten) zeigen die evangelischen Kanzeln keine figürlichen Darstellungen, sondern beschränken sich auf Bibelzitate (Nr. 288, 346), die entsprechend ihrer Funktion ausgewählt wurden, wie z. B. Neh. 8,4: Esra der schrifftgelerte stvnd avff einem holzen hohen stvl den sie gemacht hatten zv predigen (Nr. 288). Gestiftet wurden die Kanzeln von den adeligen Patronatsherren (Nr. 346) oder von einzelnen wohlhabenden Dorfbewohnern (Nr. 288, 294), wobei in einem Fall auch die Beträge der Stiftung genannt werden (Nr. 447).
6.6 Opferstöcke und -kästen
Aus der Zeit zwischen 1595 und der Mitte des 17. Jahrhunderts sind drei mit Inschriften versehene Opferstöcke und zwei Opferkästen erhalten. Die Grundlage der spätmittelalterlichen Armenfürsorge, bei der das Almosen gegen ein Gebet für das Seelenheil des Gebers „getauscht“ wurde, war mit der Reformation entfallen. Da die Versorgung der Armen in den Gemeinden aber nach wie vor eine elementare christliche Aufgabe war, hatte Johannes Bugenhagen in seiner Kirchenordnung von 1528 die Errichtung von Opferstöcken empfohlen (vgl. Nr. 441) und dazu auf Lk. 6,38 verwiesen: ‚gebt, so wird euch gegeben‘. Eben dieses Bibelzitat steht auf den drei Opferstöcken in Rheden, Hoyershausen und Burgstemmen (Nr. 251, 253, 459); in einem Fall wird es noch unterstrichen durch den Zusatz Got betalt alles (Nr. 253). Die theologische Basis des Almosens ist nun neu konzipiert: Anstelle der Gebetsleistung des Armen entgilt Gott selbst das Opfer, indem er, wie die gereimte Inschrift auf dem Opferkasten von Barfelde (Nr. 429) lehrt, den Geber nicht arm, sondern „reich in Gott“ macht. Das biblisch fundierteste Inschriftenprogramm findet sich auf dem um die Mitte des 17. Jahrhunderts aufgestellten Opferstock in Rheden. Dort ist das wörtliche Zitat aus Lk. 6,38 ergänzt durch Kapitel- und Versangaben weiterer, das Almosen betreffender Bibelstellen, deren Text aber nicht zitiert wird. Außerdem ist, gestützt durch die bildliche Darstellung einer großen Hand (vgl. Abb. 30), die Zweckbestimmung der Opfergabe unmittelbar deutlich gemacht: des armen hand ist Gottes kasten. [Druckseite 33]
6.7 Altarpredellen und -retabel
Von den insgesamt zwölf inschriftentragenden Altaraufsätzen sind acht im späten Mittelalter und vier in nachreformatorischer Zeit entstanden. Die beiden frühesten (Nr. 41, 84) können dem in Hildesheim und Braunschweig tätigen Meister Konrad Borgentrik zugeordnet werden, der von 1457 bis etwa 1502 nachzuweisen ist. Das nur noch kopial überlieferte Retabel aus Schlewecke mit der Darstellung einer Marienkrönung trug seine Signatur, dazu die Inschrift Regina coeli laetare (Nr. 41). Das ebenfalls nicht mehr im Original erhaltene Alfelder Retabel (Nr. 84) zeigte im Schrein u. a. eine Schnitzfigur der Gottesmutter und Szenen aus der Kindheit Jesu. Beigegeben waren zwei Strophen aus den Marienhymnen Regina coeli laetare und Maria mater gratiae. Diese beiden Texte können als typisch für die Arbeiten Borgentriks gelten.84) Drei weitere spätgotische Retabel (Nr. 114, 136, 137) zeigen die für die Fassmaler im Raum Hildesheim um 1500 charakteristischen, in einer manierierten frühhumanistischen Kapitalis ausgeführten Gewandsaum- und Nimbeninschriften, die im Wesentlichen aus Namentituli, kurzen Gebeten und Hymnenexzerpten bestehen. Derart gestaltete Inschriften finden sich auch auf den gleichzeitig entstandenen, farbig gefassten Holzfiguren des Bestands (Nr. 124 u. 125).85) Eine für die spätmittelalterliche Frömmigkeit besonders interessante Text-Bild-Komposition bietet die aus Nordstemmen stammende Predella, die in der Mitte – also dem zelebrierenden Priester unmittelbar vor Augen – den Schmerzensmann zeigt, umgeben von den vier Kirchenvätern, deren Spruchbänder auf die Passion verweisen. Dieses ikonografische Thema lässt sich auf zahlreichen weiteren Altären in Norddeutschland sowie auf Wand- und Deckenmalereien schwedischer Kirchen nachweisen (Nr. 115).
Ausdrücklich evangelische Altäre sind erst seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts überliefert. Sie zeigen ausnahmslos das zum typischen protestantischen Altarbild gewordene Letzte Abendmahl (Nr. 336, 343, 394), verbunden mit den inschriftlich ausgeführten biblischen Einsetzungsworten.86) Auf einer Predella aus Adensen (Nr. 343) hat sich außerdem die Darstellung einer Abendmahlsausteilung erhalten (Abb. 28), jedoch ohne eine darauf Bezug nehmende Beischrift. Im Unterschied zu den mittelalterlichen Retabeln, die alle keine Stifter nennen, sind auf denjenigen der evangelischen Zeit Pastoren und Älterleute (Nr. 336) oder auch Stifter vermerkt (Nr. 343), allerdings nur wenig auffallend, nämlich auf der Rückseite des Retabels.
6.8 Taufen
Der Raum um Hildesheim gehört zu den Regionen in Niedersachsen, die sich durch eine überproportional große Zahl erhaltener Taufbecken aus der frühen Neuzeit auszeichnen. Während in den ersten Jahren nach Einführung der Reformation hier für die Dorfkirchen keine neuen Taufen angefertigt worden sind, was auch anderswo zu beobachten ist, steigt ihre Zahl um 1600 sprunghaft an.87) Anlass für diese Neuanschaffungen war zum einen eine Änderung im Taufritus: Statt der Immersionstaufe, bei der das Kind untergetaucht wurde, setzte sich im 16. Jahrhundert immer mehr die Taufe durch Benetzen durch, wofür die alten, ausladenden Becken nicht mehr benötigt wurden. Zum anderen erforderte die gewünschte Zusammenschau von Taufe, Altarsakrament und Kanzel eine Aufstellung der Taufsteine vorne im Altarraum, der aber bei den kleineren Dorfkirchen für große Taufbecken keinen ausreichenden Platz bot.88) [Druckseite 34]
Die neuen Taufen im Hildesheimer Land sind ausschließlich aus Stein gehauen und zeigen nur selten über Ornamente, Wappen und Maskenköpfe hinausgehenden Schmuck (A1, Nr. 29). Die meisten Taufen tragen an den Beckenwandungen ausschließlich Inschriften, die dem Betrachter das lutherische Taufverständnis anhand der einschlägigen Stellen des Neuen Testaments vor Augen stellen. Dazu gehört das Zitat aus Mk. 10,14 Lasst die Kindlin zu mir komen (Nr. 224, 296, 300, 410), das als biblisches Argument für die Rechtmäßigkeit der Kindertaufe sowohl von Martin Luther in seinem „Taufbüchlein“ als auch von Johannes Bugenhagen in der Braunschweigischen Kirchenordnung von 1528 angeführt wurde und auch als Lesung in der lutherischen Taufliturgie Verwendung fand.89) Zu den auf den Wänden der Taufbecken angebrachten Bibelzitaten zählt natürlich auch der Taufbefehl Mt. 28,19 und der Vers Mk. 16,16. Nur einmal belegt (Nr. 296) sind die Zitate Jh. 3,5 Es sey denn dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, Gal. 3,27 Denn wie viell ewer getaufft sind die haben Christum angezogen und Tit. 3,5 machet er vns selig Durch das Bad der widergeburt vnd ernewerung des heiligen Geistes. Diese zuletzt genannten Bibelworte wurden 1607 auf der für die St. Dionysius-Kirche in Adensen gehauenen Taufe angebracht, die das ausführlichste Textprogramm unter den genannten Beispielen aufweist. Sie stammt von dem Meister MB, dessen Werkstatt noch vier weitere Taufen zugewiesen werden können (Nr. 299, 300, 315, 319). Singulär im Bestand ist die nur lückenhaft überlieferte Inschrift auf dem in evangelischer Zeit entstandenen Taufbecken der heute katholischen Kirche St. Martinus in Himmelsthür, die sich auf die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl bezieht und deren Text inhaltlich und formal Anklänge an den Kleinen Katechismus Martin Luthers zeigt (Nr. 265). Aus der Zeit um 1600 hat sich zudem eine Taufe erhalten, die für die St. Vitus-Kirche in Giesen bestimmt war (Nr. 217). Ihr Bildprogramm mit den inschriftlich bezeichneten Heiligen Nikolaus und Vitus sowie der Auftraggeber, der Abt des Hildesheimer Klosters St. Godehard Hermann von Dannhausen, deuten auf katholische Herkunft, auch wenn die Nennung des Pfarrers und der amtierenden Älterleute und vor allem das Bibelzitat aus Mk. 16,16 formal ebenso auf einer evangelischen Taufe möglich wären. Finanziert wurden die Taufen in der Regel durch individuelle Stifter; es nennen sich u. a. der Landesherr, Herzog Heinrich Julius (Nr. 231), einzelne Amtmänner (Nr. 235, 315, 319) und adelige Patronatsherren (Nr. 224, 342) sowie zwei Förster (Nr. 300) und Angehörige der Bauerschaften in den Dörfern (Nr. 291, 319).
6.9 Kelche, Patenen und Hostiendosen
Im Bestand sind 58 inschriftentragende Kelche, sechs Patenen und eine Hostiendose nachgewiesen. Von fünf Kelchen und einer Patene sind die Inschriften nur noch kopial überliefert. Für 25 Kelche lässt sich nicht sicher sagen, ob sie tatsächlich vor 1650 im Bearbeitungsgebiet im Gebrauch waren, da die an den Schaftstücken oder auf den Rotuli des Nodus angebrachten Christus- oder Mariennamen keine Provenienzbestimmung erlauben. Auf einem Kelch, dessen künstlerische Gestaltung hervorsticht (Nr. 67), belegen die Wappen, dass er aus dem Baltikum stammt. Dasselbe gilt für eine Patene (Nr. 17), die jedoch nicht ursprünglich zu diesem Kelch gehört. Ob die beiden Stücke vor 1650 in die Region gelangt sind, war nicht zu ermitteln. Einzelne, in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Kriegs oder unmittelbar danach auf älteren Kelchen angebrachte Inschriften (z. B. Nr. 121, 123) lassen vermuten, dass in dieser Zeit zum Ausgleich der Kriegsverluste manche Stücke, die auch aus ferneren Regionen stammen konnten, für die Gemeinden angekauft und gestiftet worden sind.
Sofern die Kelche und Patenen längere Inschriften tragen, handelt es sich bei den mittelalterlichen Exemplaren gewöhnlich um Dedikationsvermerke, die den Stifter und meistens auch den Adressaten der Schenkung nennen (z. B. Nr. 16, 40, 42). Die Stifter waren, wie schon die in lateinischer Sprache abgefassten Dedikationsinschriften vermuten lassen, überwiegend Kleriker.90) Ein Besitzvermerk in niederdeutscher Sprache (Nr. 108) macht deutlich, dass kirchliche Ausstattungsstücke [Druckseite 35] als Eigentum des bzw. der Ortsheiligen (hier der heiligen Lucia) betrachtet wurden. Singulär im Bestand sind die metrisch gefassten exegetischen Bildbeischriften auf dem im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts entstandenen Hezilo-Kelch (Nr. 1) aus Moritzberg. Sie stellen mit den Mitteln der typologischen Interpretation die im Bild dargestellten Szenen des Alten Testaments in eine Verbindung mit dem Opfertod Christi und dessen Gnadenwirkungen für die Gläubigen.
Die nachreformatorischen Kelchinschriften bieten selten mehr als Namen oder Besitzvermerke. Während die Inschriften der Taufen und Opferstöcke das Objekt und seine Verwendung im Gottesdienst im Sinne des lutherischen sola-scriptura-Prinzips auf die Bibel zurückführen, lassen lediglich zwei Kelchinschriften eine solche Intention erkennen. Die eine (Nr. 126) verweist mit dem Zitat aus Jh. 1,7 auf die erlösende Wirkung des Blutes Christi, die andere (Nr. 309) zitiert Mk. 14,24 das ist mein Blvt das fver eich vergossen wirt.
7. Die Sprache der Inschriften91)
Von den 464 Inschriften des Bestands sind 180 durchgängig in deutscher Sprache abgefasst, 124 in Latein;92) 33 Inschriften kombinieren Deutsch und Latein, eine einzige hat einen hebräischen Text. Bloße Namen, Zahlen oder Kreuzestituli sind in dieser Zählung unberücksichtigt geblieben. Kombinationen von Latein und Deutsch können in der Form vorliegen, dass beispielsweise ein lateinisches Prädikat innerhalb eines ansonsten deutschen Texts steht: Her Adam Pfaffendof Parner Tho Borchtorp dedit to dissem Kelche 1 Daler (Nr. 179), oder dass auf ein und demselben Grabdenkmal eine lateinische Grabschrift neben einem deutschen Bibelzitat angebracht ist (Nr. 178). Sprachsoziologisch liegt ein Schwerpunkt der Inschriften im Landkreis Hildesheim bei den sehr homogen strukturierten deutschsprachigen Grab- und Stiftungsinschriften des landsässigen Adels, die ab 1550 den Bestand dominieren. Einen starken Anteil an den deutschsprachigen Inschriften haben daneben die kurzen Vermerke der Älterleute auf den von ihnen, stellvertretend für die Gemeinde, in Auftrag gegebenen oder gestifteten Objekten der Kirchenausstattung.
Die früheste Inschrift in deutscher Sprache stammt aus der Zeit um 1300 (Nr. 8). Sie ist auf einer Glocke angebracht, die aber erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts in das Bearbeitungsgebiet gelangt ist. Damit ist sie zwar überregional als früher Beleg für die Verwendung der deutschen Sprache von Bedeutung, hat aber für das Einsetzen des Deutschen in der Region um Hildesheim keine Relevanz.93) Die nächstjüngere deutsche Inschrift befindet sich auf der 1353 für Sibbesse gegossenen Glocke (Nr. 9). Sie kombiniert eine lateinische Datumsangabe mit einer sehr kurzen Namensansage Maria bin ich ghenant, die statt des im Hildesheimer Raum erwartbaren autochthonen Niederdeutsch überraschend früh hochdeutsche Formen aufweist. Hochdeutsche Varietäten dieser Art sind bei Glockeninschriften nicht selten anzutreffen, wahrscheinlich weil die Gießer überregional tätig waren und ihnen hochdeutsche Formen deshalb gerade bei formelhaften Textbestandteilen wie hilf gott (Nr. 129) vertraut sein mussten.94) Die früheste Inschrift, die tatsächlich die niederdeutsche Schreibsprache des Bearbeitungsgebiets, also des Ostfälischen, abbildet, stammt aus dem Jahr 1423 und datiert den Bau der Steinbergkapelle an der Alfelder St. Nikolai-Kirche (Nr. 15). Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts folgen ihr weitere 15 deutschsprachige Texte, denen 40 lateinische gegenüber-[Druckseite 36]stehen. Drei Inschriften kombinieren deutsche und lateinische Elemente. Erweitert man den Zeitraum bis 1550, so verschieben sich die Verhältnisse nur unwesentlich: 12 Inschriften sind in der Volkssprache abgefasst, 34 in Latein, wiederum drei teils in Deutsch, teils in Latein.
Die Position des Lateinischen blieb bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts bemerkenswert konstant. Das gilt, wie nicht anders zu erwarten, für die Inschriften aus Klöstern und Stiften, die mit wenigen Ausnahmen (Nr. 151, 153) bis zum Ende des Erfassungszeitraums lateinisch sind (z. B. Nr. 326, 333, 334, 340, 371). Auch die unmittelbar der Messfeier dienenden spätgotischen Altäre tragen keine deutschen Inschriften (Nr. 136, 137), sieht man einmal ab von einer einzigen Gebetsformel byt got (Nr. 114) in einem ansonsten lateinischen Inschriftenprogramm. Auf vielen Glocken stehen weiterhin die dem hochmittelalterlichen Formular verpflichteten Gebete o rex gloriae veni cum pace und ave maria (Nr. 160) bzw. der traditionelle Spruch vivos voco defunctos plango (Nr. 132, 133, 134), der allerdings einmal auch in niederdeutscher Sprache verwendet wurde: den levendighen roep ick, den dooden ouer luy ick (Nr. 147 ‚den Lebenden rufe ich, den Toten läute ich aus‘). Andere Glocken, wie die des Harmen Koster, nehmen die ebenfalls in der Liturgie lebendig gebliebenen lateinischen Marienhymnen auf. In deutscher Sprache hingegen sind vorwiegend solche Inschriften abgefasst, die unabhängig vom Zwang der Vorlagen und Formulare sprachlich freier verfahren, weil sie Personennamen, Patrone oder Standortbezüge einbinden müssen. Beispiele dafür sind die Inschrift auf der Glocke in Rössing von 1429: in den achten daghen petri et pauli dvsser kerken patronen (Nr. 18) oder der Besitzvermerk auf einem Kelch in Möllensen aus dem Jahr 1518: dvsee kelck hort svnte lvcyen to melsen (Nr. 108).
Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts gewinnt die deutsche Sprache deutlich die Vorrangstellung vor dem Lateinischen: Von 1550 bis 1650 sind nur noch 46 Inschriften lateinisch und 143 deutsch, 24 sind aus lateinischen und deutschen Elementen kombiniert. Einen späthumanistischen „Rückfall“ ins Lateinische, wie er in manchen städtischen Beständen, etwa Hameln oder Hildesheim, infolge der reformatorischen Bildungsbemühungen gegen Ende des 16. Jahrhunderts eingetreten ist, hat es im Hildesheimer Land, abgesehen von der Alfelder Lateinschule (Nr. 311), nicht gegeben. Verantwortlich für diesen konsequenten Sprachwechsel waren in erster Linie die Angehörigen des ländlichen Adels, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Inschriftenproduktion im Hildesheimer Land quantitativ bestimmt haben. Ihre bevorzugte Sprache war bereits im späten Mittelalter das Deutsche, wie die schon erwähnte Bauinschrift an der Steinbergkapelle der Alfelder Nikolaikirche von 1423 zeigt (Nr. 15). Auch ein 1518 von Aschwin von Bortfeld gestifteter Bildstock trägt ausschließlich Texte in deutscher Sprache (Nr. 107). Entscheidend für die in der Überlieferung so klar zutage tretende Ablösung des Lateinischen ist, dass nach der Mitte des 16. Jahrhunderts etwa die Hälfte der Inschriften auf das Konto des demonstrativ selbstbewusst auftretenden Adels geht. Nun häufen sich zum einen die reich ausgestatteten adeligen Grabdenkmäler, die Sterbevermerke und deutsche Bibelverse tragen, zum anderen die ebenfalls volkssprachigen Inschriften auf Bauten und vor allem auf kirchlichen Ausstattungsstücken, mit denen die Adeligen nach der Reformation ihre Patronatskirchen bedacht haben. Auch diese Objekte tragen neben den Stiftervermerken, wie oben bereits näher ausgeführt, vielfach Zitate aus der Lutherbibel. Natürlich ist mit dem Druck der Lutherbibel auch auf dem Feld der Inschriften der Sieg des Deutschen über das Lateinische vorentschieden. Das Lateinische hält sich nach wie vor in literarisch normierten Formeln wie in der Devise Verbum domini manet in aeternum, die im Landkreis Hildesheim nur in dieser lateinischen Form überliefert ist (Nr. 150, 170, 268, 310, 347), dem Sprichwort Fiat pro ratione voluntas (Nr. 257) oder dem aus Jesus Sirach abgeleiteten Hodie mihi cras tibi (Nr. 338). Einigermaßen sichere Refugien der lateinischen Sprache blieben bis auf weiteres die anspruchsvollen Grabschriften, deren Auftraggeber und vermutlich auch Verfasser aus dem gebildeten Kreis der evangelischen Pastoren kamen (Nr. 253 C, 255, 263 B, 329, 324, 339, 365, 423).
Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts weisen, mit Ausnahme der wenigen oben näher beschriebenen hochdeutschen Formen hilff gott oder bin ich ghenant auf einzelnen Glocken, alle deutschsprachigen Inschriften niederdeutschen Lautstand auf. Die erste hochdeutsche Form ist in der Fürbittformel am Schluss der 1550 entstandenen Grabschrift für Sieverdt von Steinberg belegt. Dort wird statt des bis dahin üblichen dem godt gnedich sij – so noch die zwei Jahre vorher entstandene Grabschrift [Druckseite 37] Henning von Steinbergs (Nr. 151) – die hochdeutsche, diphthongierte Form dem godt gnedich sei gebraucht. Der übrige Text ist niederdeutsch.
Die fast ausschließlich in Prosa abgefassten Grabschriften des Bestands sind gattungstypisch recht homogen und gewähren einen guten Einblick in das langsame Vordringen des Hochdeutschen. Man kann diese Entwicklung an den Verben ‚sterben‘ und ‚entschlafen‘ ablesen: Die bis etwa 1550 übliche niederdeutsche Form starff (Nr. 144 is gestoruen, Nr. 151, 153: starff) wird um 1570 durch das ebenfalls niederdeutsche Äquivalent is entslapen ersetzt (Nr. 183). Im Jahr 1576 kommt zum ersten Mal die Übergangsform entslaffen vor. Je nach der sprachlichen Kontextualisierung wird teilweise die niederdeutsche Form, teilweise die Übergangsform benutzt. So zeigt die Grabplatte für Schwan von Steinberg aus diesem Jahr neben sines alters und gnedig si zum letzten Mal die Form entslapen in niederdeutscher Umgebung. In hochdeutschem Kontext wird die Übergangsform noch bis 1602 (Nr. 282) verwendet, nun in Konkurrenz zu der von jetzt an verwendeten Form entschlaffen, die 1585 zum ersten Mal belegt ist (Nr. 211).
Ähnlich homogen wie die für Adelige angefertigten Grabschriften, allerdings sprachsoziologisch von anderer Herkunft, sind diejenigen Inschriften, in denen sich die Auftraggeber von kirchlichen Ausstattungsstücken mit Namen und Amt nennen. Im Jahr 1569 bezeichnen sich die Kirchenvorsteher Bertelt Hecel vn Iakop Frese mit der niederdeutschen Form Olderlude. Diese Form wird erst 1610 zum ersten Mal durch Alterleute ersetzt, 1614 ist eine Mischform Olderlute belegt (Nr. 328) und 1616 noch einmal die niederdeutsche Form Olderlvde (Nr. 336). Im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts fällt dann die sprachliche Entscheidung quantitativ klar zugunsten des achtmal belegten hochdeutschen Alterleute aus, nur Siverdt Hagemann nennt sich 1648 in Giesen noch einmal niederdeutsch als Oldermann.
Die Befunde dieser beiden Belegreihen zeigen, dass auch in der dörflich geprägten Region um Hildesheim der Sprachwechsel vom Mittelniederdeutschen zum (Früh)neuhochdeutschen im Wesentlichen in den Jahren zwischen 1575 und 1600 erfolgt ist.95) Die Einzelbelege deuten aber im Vergleich mit anderen Beständen eine leichte zeitliche Verschiebung an. So sind die Grabinschriften nicht schon bald nach 1550 – wie im Landkreis Holzminden96) – hochdeutsch dominiert, sondern erst, mit wenigen Ausnahmen, im vierten Viertel des 16. Jahrhunderts. Einzelne Texte, die nicht so klar vom Formular her bestimmt sind wie die Grabschriften, zeigen auch nach 1600 noch niederdeutsche Formen; so hat Hermann Rauschenplatt 1614 dvsse kron in de Kerke voreret (Nr. 323). Die Kirchenältesten in den Dorfgemeinden haben erst um 1625 durchgängig hochdeutsche Formen in den Inschriften verwendet. Diese längere Bewahrung des Niederdeutschen entspricht der Verwendung des Niederdeutschen in Gesangbüchern und als Unterrichtssprache in den Schulen.97) Nach 1625 sind jedenfalls keine niederdeutschen Texte mehr überliefert, lediglich einzelne Merkmale im Vokalismus und Konsonantismus wie Luchter (Nr. 393 ‚Leuchter‘), Osterdage (Nr. 419) oder auch die Form der Ortsnamen, wie z. B. Lutken Giesen ,Klein Giesen‘ (Nr. 409) lassen noch erkennen, dass die hochdeutsche Schriftsprache auf dem gesprochenen Niederdeutsch aufruht. [Druckseite 38]
8. Schriftarten und Werkstätten
8.1 Romanische und gotische Majuskel98)
Die romanische Majuskel ist gekennzeichnet durch ein wesentlich von Formen der Kapitalis bestimmtes Schriftbild, in das runde Formen – vor allem aus der Unzialis, aber auch aus anderen Schriftarten – neben eckigen Sonderformen (vor allem eckige C und G) integriert werden. Sie ist im Allgemeinen von der Ottonischen Renaissance um 1000 bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts im Gebrauch und wird um 1250 von der gotischen Majuskel abgelöst.
Bei der gotischen Majuskel handelt es sich um eine Mischmajuskel aus kapitalen und runden Formen mit einem zunehmenden Anteil runder Buchstaben. Typisch sind keilförmige Verbreiterungen an den Enden von Schäften, Balken und Bögen sowie Bogenschwellungen. Hinzu kommt die Vergrößerung der Sporen an Schaft-, Balken- und Bogenenden, die insbesondere bei E und C zu einem Abschlussstrich zusammenwachsen und damit den Buchstaben vollständig abschließen können. Die gotische Majuskel setzt sich ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in den niedersächsischen Beständen allmählich durch; auf Objekten der Goldschmiedekunst oder in Inschriften, die der Buchmalerei nahestehen, wie z. B. Glasmalereien, wird sie auch schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts verwendet. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wird sie durch die gotische Minuskel abgelöst, nach 1400 tritt sie immer mehr zurück, bleibt aber für Versalien und sonstige Zierschriften im Gebrauch.
Die romanische Majuskel wurde auf drei Glocken (Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5) verwendet, von denen nur eine exakt datiert ist (Nr. 2: 1249). Nur diese Glocke zeigt die romanische Majuskel in einer durchgebildeten Form. In den wenigen Buchstaben deutet sich ein Wechsel von runden und eckig-spitzen Formen an, das unziale E ist geschlossen. Die Inschriften der beiden anderen Glocken zeigen eine eher ungeregelte Mischung aus Sonderformen mit unzialen und kapitalen Buchstaben.
Das früheste Beispiel für die insgesamt elfmal belegte gotische Majuskel bietet die Inschrift auf einem Kelch in Moritzberg (Nr. 1). Es folgen ein nicht erhaltener Fingerring (Nr. 7) sowie sieben Glocken und zwei in Stein gehauene Inschriften mit gotischen Majuskeln (Nr. 11, 13). Von den Glocken sind vier erhalten und weitere drei in einigermaßen zuverlässigen Zeichnungen überliefert. Die beiden Steininschriften sind erhalten, die eine (Nr. 13) allerdings stark verwittert.
Die Inschrift auf dem Kelch in Moritzberg ist in einer Übergangsschrift von der romanischen zur gotischen Majuskel ausgeführt: Bei den Grundformen der Buchstaben alternieren rundes U und spitzes V, E ist durch einen Abschlussstrich geschlossen, C weist ausgeprägte Sporen an den Bogenenden auf, die den Buchstaben aber nahezu abschließen. Die Tendenz zur Rundung ist in einem D erkennbar, an dessen sehr kurzem Schaft sich oben und unten stark gerundet der Bogen anschließt. Die späteren gotischen Majuskeln setzen die Tendenz zum Alternieren von runden und eckig-spitzen Formen zwar fort (Nr. 8, Nr. 11), aber es kommt nicht zu einem regelmäßigen Wechsel, vielmehr drängen die runden Formen die eckigen zurück und bestimmen ihrerseits das Schriftbild (Nr. 3, 9, 10, 11). Die Bogenschwellungen sind bei einigen Glockeninschriften nur in Kontur ausgeführt und lassen den Buchstabenkörper dadurch eher filigran als flächig wirken (Nr. 8, 10), ausgefüllte Bogenschwellungen, deren Innenkontur noch durch einen begleitenden Zierstrich betont wird, bietet die Glockeninschrift von 1353 (Nr. 9).
Die vertieft gehauene Inschrift auf dem einzigen Steindenkmal mit gotischer Majuskel verwirklicht alle Merkmale der gotischen Majuskel, lediglich das flachgedeckte A zeigt keine Tendenz zur Rundung, ist jedoch durch einen Abschlussstrich auf der Grundlinie vollkommen geschlossen. Die Tendenz, den Buchstaben abzuschließen, ist bei den Rundformen dieser Inschrift konsequent durchgeführt und spart auch neben dem bereits beschriebenen A die eckigen Formen von V und L [Druckseite 39] nicht aus. Abschlussstriche an eckig-spitzen Formen sind auch in anderen Inschriften zu beobachten (Nr. 3, Nr. 9).
8.2 Gotische Minuskel
Die gotische Minuskel entspricht innerhalb der epigrafischen Schriften im Idealfall der Textualis der Buchschrift. Kennzeichen dieses Schrifttyps ist die Brechung der Schäfte und Bögen. Die im Mittelband stehenden Schäfte (z. B. von i, m, n, u, v etc.) werden an der Oberlinie des Mittelbandes und an der Grundlinie gebrochen, die Bögen durch stumpfwinklige Brechung oder spitzwinkliges Abknicken in senkrechte und schräge Bestandteile umgeformt. Die Umformung der Bögen in schräge und parallel ausgerichtete senkrechte Elemente gibt der Schrift einen von der Vertikalen dominierten, gleichförmigen Charakter, der in vielen Fällen den Eindruck einer gitterartigen Buchstabenfolge vermittelt. Typische Formen sind d mit nach links abgeknicktem Schaft und doppelstöckiges a (vgl. Abb. 62 adrianus).
Im niedersächsischen Raum setzt die gotische Minuskel um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein und ist bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts im Gebrauch.99) Das früheste, indes nicht sicher datierte Beispiel aus dem Landkreis Hildesheim stammt aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts (Nr. 12) und markiert damit im Vergleich mit anderen Beständen aus der Region ein eher spätes Einsetzen der neuen Schriftart,100) die fast bis zum Ende des 16. Jahrhunderts verwendet wird. Allerdings nehmen die Belege von 1540 an deutlich ab. Das jüngste sicher datierte erhaltene Beispiel stammt von 1590 (Nr. 227 B).
Im vorliegenden Bestand ist die gotische Minuskel vornehmlich für Inschriften auf Glocken verwendet worden. Diese sind in allen Fällen erhaben ausgeführt und zeigen nur mit wenigen Ausnahmen, in denen sich beispielsweise spiegelverkehrte Buchstaben häufen (Nr. 33, Nr. 39) eine qualitätvolle Umsetzung der buchschriftlichen Textualis in die Monumentalschrift. Die frühen Beispiele aus der seit 1442 im Raum Hildesheim tätigen Werkstatt Hans Meigers entfalten ihre Buchstaben noch nicht in dem für Minuskeln üblichen Vierlinienschema, sondern stehen, wie bei Großbuchstabenschriften üblich, im Zweilinienschema; charakteristisch ist p, dessen Unterlänge nicht unter die Grundlinie reicht, weiterhin v, dessen beide Schäfte oben nach links gebrochen sind, und e mit einem zum Schrägstrich reduzierten Balken, der fast bis auf die Grundlinie reicht und in einer Verdickung endet. Ebenso signifikant wie die Buchstabenformen ist für Meiger die bereits erwähnte Reihe von Pilgerzeichen, mit denen er seine Glocken schmückte. Die gotische Minuskel des Gießers Busso Jakob (Nr. 57, 58) ist charakterisiert durch ein g, dessen Unterlänge nur über einen dünnen Haarstrich an den Buchstaben gebunden ist, und ein p mit sehr großem Bogen. Weitaus signifikanter als die Buchstaben sind für sein Werkstattprofil die Worttrenner in Gestalt von Rosetten, Kreuzen und Rauten sowie ein engbogiger Arkadenfries mit einer Art Fruchtgehänge (Abb. 70). Zeitlich etwas früher als Jakob hat ein nicht näher bekannter Gießer gearbeitet, aus dessen Werkstatt in den Jahren 1488 (Nr. 47) und 1490 (Nr. 49) zwei Glocken hervorgegangen sind. Seine Inschriften zeigen ein über das Mittelband hinausgehendes p sowie Häkchenverzierungen an a, g und t. Auch dieser Gießer verwendet einen Arkadenfries, der aber breite Bögen mit alternierend abhängenden fünfteiligen Blattornamenten und Eicheln aufweist.
In der Zeit zwischen 1499 und 1525 entspricht die gotische Minuskel auf Glocken geradezu dem Idealbild dieser Schrift. Verantwortlich dafür sind die zumeist ohne Gussfehler ausgeführten, gut proportionierten, regelmäßig auf der Grundlinie stehenden Buchstabenformen des Hildesheimer Gießers Harmen Koster (Abb. 81–84). Kosters früheste, heute allerdings verlorene Glocke (Nr. 60) stammt aus dem Jahr 1499, seine späteste Arbeit im Landkreis Hildesheim datiert von 1516 (Nr. 106), die älteste erhaltene von 1511 (Nr. 94). Sie zeigt bereits die für Koster typischen [Druckseite 40] Einzelformen wie c mit waagerecht abgeknicktem oberen Bogenabschnitt; das Schaft-s ist ebenso gestaltet, unterscheidet sich aber in der Buchstabenhöhe. Beide Buchstaben tragen am umgebrochenen oberen Ende bzw. am abgeknickten Bogenabschnitt kleine Zierhäkchen. Bogen-r, oft reduziert auf einen Kurzschaft mit Quadrangel, wird konsequent im Wortinneren verwendet (Nr. 94, Nr. 102), Schaft-r meistens am Wortanfang und -ende, kann aber auch – bei den späteren Beispielen – im Wortinneren stehen (Nr. 98, 106). Der obere Bogen des doppelstöckigen a endet in einer fein ausgezogenen s-förmigen Zierlinie. Etwas unkonventionell wirkt Kosters Verfahren, ausführliche Inschriften an dem dafür vorgesehenen Platz unterhalb der Glockenschulter unterzubringen. In einem Fall benötigt er eine zweite Zeile und setzt das die Zeilen verbindende Wort schräg zwischen die Zeilen (Nr. 103), in einem anderen Fall (Nr. 102) lässt er den Text geradezu auf die Flanke „abstürzen“.
Zeitlich parallel zu Koster hat noch ein zweiter Gießer gearbeitet (Nr. 93, Nr. 101), dessen Schrift sich in Kleinigkeiten von denen Kosters unterscheidet: c endet unten in einem deutlich ausgeprägten Quadrangel und wird noch durch einen Zierstrich optisch verbreitert, während Kosters c mit einem unauffälligen Quadrangel auf der Grundlinie steht. Der Zierstrich des doppelstöckigen a folgt zwar ebenfalls der s-Form, ist aber an einem Ende eingerollt.
Aus der Zeit nach Koster haben sich im Landkreis Hildesheim noch weitere, vereinzelte Glocken mit gotischer Minuskel erhalten, deren Gießer wohl nicht in der Region ansässig waren. Zu ihnen gehören Heinrich de Borch (Nr. 110) und Hans Borcherdes (Nr. 129) und auch der berühmte niederländische Gießer Gerhard de Wou (Nr. 112). Auffälliges Indiz der Schrift de Wous sind die beiden nach links abknickenden linken Schäfte des w und die Unterscheidung von n und u, dessen rechter Schaft im Unterschied zu n oben nicht gebrochen, sondern abgeschrägt ist.
Der letzte Gießer, der die gotische Minuskel für seine Glocken verwendet hat, ist Brant Helmes, dessen Arbeiten in den Jahren von 1526 bis 1537 entstanden sind (Nr. 132, Nr. 133, Nr. 134, Nr. 140, Nr. 143). Seine Inschriften stehen in der sorgfältigen Gestaltung der Buchstaben kaum hinter denen Kosters zurück. Charakteristisch für Helmes ist das g mit einer Unterlänge, die keine Verbindung mit dem sonstigen Buchstabenkörper aufweist. Mit einer Ausnahme (Nr. 134) hat Helmes heraldische Lilien als Worttrenner benutzt.
Die in Stein ausgeführten gotischen Minuskeln des Bestands zeigen mit wenigen Ausnahmen das übliche Formenrepertoire dieser Schriftart, reichen aber in der Qualität ihrer Ausführung nur in wenigen Fällen an die der Glocken heran. Normalerweise sind in den norddeutschen Inschriftenbeständen deutlich mehr erhabene als vertiefte Inschriften in Stein zu verzeichnen. Im Landkreis Hildesheim sind aber die erhaben ausgeführten gotischen Minuskeln mit elf Beispielen gegenüber 26 eingehauen klar in der Minderzahl. Eine der eingehauenen Inschriften zeigt eine deutliche Nähe zur spätgotischen Buchschrift (Nr. 52). Sie verwendet neben einem doppelstöckigen a auch das unten offene kastenförmige a, das seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in norddeutschen Beständen häufig anzutreffen ist.101) Die gotischen Minuskeln auf den Grabdenkmälern der Kanoniker des Stifts St. Mauritius in Moritzberg zeigen alle das Bemühen, in dieser oft schwierig zu lesenden Schrift n von u zu unterscheiden. Die Steinmetzen haben zu diesem Zweck entweder den rechten Schaft des u oben abgeschrägt, während beide Schäfte des n mit einer Brechung enden (Nr. 88, Nr. 96, Nr. 161), oder das u mit einem diakritischen Zeichen versehen (Nr. 139). Beachtung verdienen auch die gotischen Minuskeln aus dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Wittenburg. Ein Schlussstein von 1498 zeigt eine gotische Minuskel mit Versalien, deren linke Schäfte mit einer Zackenreihe verziert sind (Nr. 59) und die auffallende Ähnlichkeit mit den Inschriften auf Schlusssteinen im Augustiner-Chorherrenstift Möllenbeck (Lkr. Schaumburg) aufweist. Offenbar sind hier dieselben Steinmetzen tätig gewesen. Ebenfalls aus Wittenburg stammt eine Inschrift von 1541 (Nr. 149), die sehr sorgfältig erhaben ausge-[Druckseite 41]hauen ist: Einzelne der zu Quadrangeln reduzierten Brechungen sind vor den Schaft gelegt, so dass alle vier Ecken sichtbar sind, a kommt in zwei Varianten vor und u und n sind durch die Abschrägung des rechten Schafts von u unterschieden.
Abgesehen von den Glocken wurde die gotische Minuskel auf Metall für die Inschriften auf 20 Kelchen, einem Paar Altarleuchter aus Gelbguss (Nr. 55) und einem Kreuzreliquiar aus Silber (Nr. 81) verwendet. Ausführungstechnisch lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, zum einen die meist glatt vor bearbeitetem Hintergrund in einer für das späte Mittelalter typischen Goldschmiedeminuskel (Bandminuskel) gravierten Inschriften (z. B. Nr. 42, Nr. 47, Nr. 69, Nr. 79). Bei diesem Typ sind die Balken von t, in anderen Inschriften auch das untere Bogenende von p, durch den Schaft gesteckt und vermitteln einen ansatzweise dreidimensionalen Schrifteindruck; die zum Quadrangel reduzierten Brechungen sind vor den Schaft gelegt und wirken zusätzlich durch Einkerbungen, gestrichelte Kontur und Binnenzeichnung leicht plastisch. Die andere Gruppe ist durch eingravierte, scharfzackig-spitze Formen charakterisiert, die sich besonders in den spitz ausgezogenen gegabelten Oberlängen und den ebenfalls spitz endenden Quadrangeln ausdrücken (z. B. Nr. 67, Nr. 55, Nr. 108).
8.3 Frühhumanistische Kapitalis
Bei der frühhumanistischen Kapitalis handelt es sich um eine Mischschrift, die auf das Formenrepertoire verschiedener Majuskelschriften zurückgreift und gelegentlich auch Buchstaben aus Minuskelschriften aufnimmt. Die schon durch die verschiedenen Grundformen der Buchstaben erreichte dekorative Formenvielfalt wird durch Elemente wie Nodi und Ausbuchtungen (insbesondere bei H, I und N) und keilförmig verbreiterte Enden an Schäften und Balken gesteigert. In ihrer Idealform wurde diese Schriftart in den niedersächsischen Beständen vor allem für die besonders dekorativen, oft auf Goldgrund ausgeführten Inschriften der spätgotischen Altäre und Goldschmiedearbeiten vom Ende des 15. bis in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts gewählt.
Im Landkreis Hildesheim finden sich nur wenige Beispiele für die frühhumanistische Kapitalis. Lediglich die auf den Rotuli am Nodus einzelner Kelche angebrachten Einzelbuchstaben IHESVS zeigen in der einschlägigen Zeit die charakteristischen Elemente wie epsilonförmiges E oder Ausbuchtungen an Schäften und Balken. Zum ersten Mal wurde diese Schriftart auf einem Kelch von 1518 verwendet (Nr. 108). Es folgt eine Reihe von farbig gefassten, einzelnen Heiligenfiguren und Figuren in Altarschreinen, auf deren Gewändern die Säume mit Inschriften in frühhumanistischer Kapitalis verziert sind. Diese Buchstaben haben vorwiegend ornamentale Funktion und sind inhaltlich oft bis zur Sinnlosigkeit entstellt. Einige dieser gemalten oder in Goldgrund gepunzten Inschriften (Nr. 114, 124) sind einem eher schlichten Typ der frühhumanistischen Kapitalis verpflichtet, während andere, wie z. B. die Inschriften auf den Figuren des Urban-Meisters (Nr. 136, 137), auch manierierte Formen wie das byzantinische M aufnehmen. Das größte Ensemble von Buchstaben dieser Schriftart zeigen zwei Hausinschriften. Die eine ist auf dem Haus Winde 17 in Alfeld von 1540 angebracht (Nr. 148); sie hat nahezu das gesamte Repertoire umgesetzt, sofern es auf den eckigen Formen der Kapitalis beruht. Dazu gehören retrogrades (spiegelverkehrtes) N, offenes D, kapitales D ohne Schaft, konisches M mit hohem Mittelteil und viele Ausbuchtungen an Schäften und Balken. Eine zweite, gemalte frühhumanistische Kapitalis aus dem Jahr 1566 ist in Brunkensen auf einem heute isolierten Balken angebracht (Nr. 175). Sie zeigt im Unterschied zu dem Alfelder Beispiel betont runde Formen (D und E), ohne Variation in der Grundform der Buchstaben, aber mit vielen Ausbuchtungen und lebendigem Strichstärkenwechsel.
8.4 Kapitalis
Die (Renaissance-)Kapitalis wird im vorliegenden Bestand ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verwendet und bleibt bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums die vorherrschende Schriftart. Das früheste sicher datierte Beispiel bietet die 1550 entstandene Grabplatte für Sieverdt von Steinberg (Nr. 153). [Druckseite 42]
Die in Stein ausgeführten Beispiele aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lassen im Wesentlichen zwei Gruppen erkennen:102) Die eine Gruppe ist in breiter, einheitlicher Strichstärke gehauen, weitgehend ohne Ausprägung von Haar- und Schattenstrichen. Die Bögen, Schäfte und Balken enden meistens stumpf oder schräg abgeschnitten und ohne Sporen, lediglich die Bogenenden des S laufen hin und wieder in Sporen aus. Als Schmuckformen werden Elemente der frühhumanistischen Kapitalis verwendet. Die andere Gruppe ist bei wiederum überwiegend schmalen Proportionen durch variierende Strichstärken und vor allem durch sorgfältig ausgezogene, serifenartige Sporen gekennzeichnet.
In die erste Gruppe der Kapitalis ohne ausgeprägte Sporen gehören drei in der Zeit von 1550 bis 1568 entstandene Inschriften aus der Werkstatt des im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Schaumburg berühmt gewordenen Bildhauers der Weserrenaissance Arend Robin (Nr. 153, Nr. 178, Nr. 180),103) der zwei seiner Arbeiten auch signiert hat (vgl. Abb. 104). Die Schrift Robins ist mit ihren schmalen Formen stark der frühhumanistischen Kapitalis verpflichtet. Auffallend sind die oben und unten spitzen O mit ausgeprägten Bogenverstärkungen. Schmal und spitz gestaltet sind auch die G mit hochgezogener Cauda, die I-Punkte sind als kleine Kreise ausgeführt, der obere Bogen des R ist sehr klein und setzt entsprechend hoch am Schaft an. Die gesamte Schrift wirkt eher breitstrichig, nur der diagonale Schaft des N ist als Haarstrich ausgeführt. Signifikant ist auch die Gestaltung der Ziffern: die 5 ist schräggestellt, mit abgeknicktem Deckbalken und hochansetzendem Bogen, der Schrägschaft der 7 ist nach rechts durchgebogen.
Zeitlich unmittelbar auf Robin folgen die Werke einer namentlich nicht bekannten Bildhauer-Werkstatt, die ihre Aufträge ab 1569 von den Familien von Wrisberg, von Steinberg und von Boventen erhalten hat (Nr. 183, Nr. 184, Nr. 188, Nr. 193, Nr. 194, Nr. 204). Auffallendstes Kennzeichen dieser Werkstatt sind die punktverzierten Hintergründe, von denen sich die figürlichen Darstellungen oder die Wappen abheben. Die Schrift ist charakterisiert durch das oben und unten spitze O sowie die nach unten spitz zulaufenden Ziffern 1, 5 und 7. Bei einzelnen N sind die Diagonalschäfte in dünnerer Strichstärke gehauen als die senkrechten Schäfte, während andere N in derselben Inschrift durchgängig die gleiche, breite Strichstärke zeigen.
Die Charakteristika der zweiten, durch lebendigen Strichstärkenwechsel und Sporen bestimmten Gruppe bietet in nahezu idealer Form die Inschrift an der Kehrwieder-Kapelle der Burg Steinbrück. Sie wurde im Auftrag von Herzog Julius im Jahr 1573 dort angebracht (Nr. 186). Auch die Kapitalis der Hildesheimer Wolf-Werkstatt gehört in diese Gruppe. Sie wird auf den Grabdenkmälern vornehmlich für die vertieften Wappenbeischriften verwendet, während die eigentliche Grabschrift im Kontrast dazu in erhabener Fraktur gehauen ist (Nr. 192, Nr. 197, Nr. 211, Nr. 237, Nr. 282a). Das älteste, im Jahr 1576 entstandene Denkmal aus dieser Werkstatt, die zunächst in Einbeck, später in Hildesheim ansässig war, stammt von Ebert Wolf d. Ä. (Nr. 192).104) Das nächstjüngere (Nr. 197) aus dem Jahr 1580 ist anders gestaltet und stimmt in Aufbau und Ausführung mit zwei Grabplatten in Ottenstein (Lkr. Holzminden) überein, die allerdings erst 1586 entstanden sind. Diese Platten werden Ewert Wolf d. J., dem gleichnamigen Sohn des Werkstattgründers, zugeschrieben,105) weswegen auch das Grabdenkmal von 1580 als Arbeit des jüngeren Wolf angesehen wurde.106) Vater und Sohn Wolf haben in einem Zeitraum von etwa 1594 bis 1606, dem Todesjahr Eberts d. Ä., parallel gearbeitet und auch sehr konstant einheitliche Buchstabenformen verwendet, so dass oft nicht klar erweisbar ist, ob ein [Druckseite 43] Grabdenkmal und seine Inschriften vom Vater oder vom Sohn Wolf stammen, wobei die Zuweisung an die Werkstatt in allen Fällen sicher erfolgen kann. Die Kapitalis dieser Werkstatt ist nicht überall gleich gestaltet, so fehlen hier die beispielsweise an den Braunschweiger Inschriften beobachteten kleinen Häkchen an den oberen Bogenenden von C, G und S.107) Einheitlich bleiben der Wechsel von Haar- und Schattenstrichen sowie Bogenverstärkungen am O und das auffallende E mit sehr kurzem Mittelbalken, der in einem ausgeprägten Sporn endet. Mit der 1602 entstandenen Grabplatte für Kunne von Münchhausen (Nr. 282) und dem dazugehörigen Epitaph (Nr. 282a) endet die eindrucksvolle Reihe von Arbeiten der Hildesheimer Wolf-Werkstatt.
Der zweiten Gruppe lässt sich noch eine weitere, nicht näher bekannte Werkstatt zuordnen, aus der insgesamt fünf Grabplatten stammen (Nr. 226, Nr. 227, Nr. 228, Nr. 241, Nr. 246). Ihre wesentlichen Schriftmerkmale sind: G mit einer kurzen, nach links durchgebogenen Cauda, S mit verstärktem Mittelteil sowie ein leicht geschwungener Diagonalschaft des N. Auf einer (Nr. 241) dieser fünf Grabplatten fällt eine spitze 2 mit hochangesetztem Bogen ins Auge, eine weitere (Nr. 246) zeigt neben dieser 2 ein eigentümlich gestaltetes Y. Beide Sonderformen sind bereits in identischer Ausführung auf zwei Grabplatten im Landkreis Holzminden nachgewiesen.108)
Nach der Wende zum 17. Jahrhundert nimmt die Zahl der mit aufwändigen Sporen und wechselnden Strichstärken gestalteten Buchstabenformen erheblich zu (z. B. Nr. 284, 351, 355, 383, 404). Als Schmuckformen werden nach wie vor die Elemente der frühhumanistischen Kapitalis benutzt. Typisch für die Kapitalis der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind auch im vorliegenden Bestand E mit einem ausgeprägt langen unteren Balken, der oft noch durch einen Sporn betont wird, während der kurze Mittelbalken bis auf ein kleines Dreieck reduziert sein kann (Nr. 389, 398), W aus zwei verschränkten V, N oft mit einem besonders breiten oder geschwungenen Diagonalschaft. Sonderformen sind G mit eingestellter Cauda (Nr. 317), wie es u. a. der nicht näher zu identifizierende Meister MB verwendet hat (Nr. 300, 315, 319), U mit zwei senkrechten Schäften und spitz gebrochenem Verbindungsbogen (Nr. 317) sowie ein auf der Grundlinie stehendes eingerolltes Q (Nr. 365). Vereinzelt kommen auch leicht schrägliegende Formen (Nr. 332) und Ligaturen (Nr. 252, Nr. 342) vor. Werkstattzusammenhänge lassen sich anhand der späteren Kapitalis-Inschriften (noch) nicht rekonstruieren. Eine signierte Grabplatte (Nr. 423) stammt von dem Hannoveraner Steinmetzen Ludolf Witte, eine andere von dem ebenfalls in Hannover arbeitenden Hans Nottelmann (Nr. 266).
Auch die Glockengießer verwenden ab 1562 bis zum Ende des Erfassungszeitraums die Kapitalis. Während bei den Steininschriften die Kapitalis im Wechsel mit der Fraktur auf ein und demselben Objekt verwendet wurde, und die Wolf-Werkstatt und der Meister MB auch beide Schriftarten gleichermaßen beherrschten, haben sich die Gießer ausschließlich auf die Kapitalis konzentriert. Henni Kruse hat als erster die neue Schriftart verwendet. Seine teilweise weit auseinanderstehenden Buchstaben sind in wechselnder Strichstärke, aber ohne Sporen, ausgeführt (Nr. 168, Nr. 170). Ihm folgt Christopher Horenbarch mit zwei Glocken von 1581 (Nr. 199) und 1599 (Nr. 268), die mit einer leicht schrägliegenden, etwas unregelmäßigen Kapitalis beschriftet sind (auffällig das E mit einem deutlich verlängerten unteren und sehr kurzen mittleren Balken). Zur selben Zeit war Hans Martens aus Goslar im Raum Hildesheim tätig. Seine ebenfalls leicht unregelmäßige Schrift ist charakterisiert durch sehr breite O und einen großen unteren Balken am E (Nr. 201, Nr. 207). Auch die Schrift des Einbecker Gießers Friedrich Bielefeld (Nr. 219) ist nicht ganz gleichmäßig, seine Buchstaben sind ungleich hoch und breit; aufgenommen sind einzelne Elemente der frühhumanistischen Kapitalis wie Nodi am Schaft des I, [Druckseite 44] spiegelverkehrte N und offenes D.109) An der 1597 entstandenen Glocke des Cord Bargen (Nr. 261) fällt zunächst die aufwändige Glockenzier mit Meerweibchen auf. In der breit angelegten Kapitalis ohne Sporen ragen die Balken von L, F und E nach links über den Schaft hinaus; I trägt einen Punkt, das obere Bogenende von C ist gegabelt.
Nach der Wende zum 17. Jahrhundert hat Joachim Schrader in den Jahren 1610 und 1624 zwei Glocken gegossen (Nr. 310, Nr. 353). Für die I seiner Kapitalis hat er, vielleicht nur auf diesem ohnehin nicht ganz geglückten Guss, den Model für die gebogene arabische 1 verwendet. Die Bögen der S sind leicht zugespitzt (Nr. 310). Zur selben Zeit wie Schrader war Dietrich Mente tätig. Die Inschriften seiner drei ersten Glocken zeigen S mit deutlichen Sporen und auch an anderen Buchstaben kleine Strichsporen sowie N mit schmalen senkrechten und breiten Diagonalschäften (Nr. 325, Nr. 337, Nr. 367, Nr. 368). Für eine spätere Glocke hat Mente offenbar andere Modeln mit durchgehend sehr breiter Strichstärke verwendet (Nr. 374).
Die jüngsten, in den letzten Jahren des Dreißigjährigen Kriegs und kurz danach gegossenen Glocken stammen aus den beiden Hildesheimer Werkstätten von Hinrich Quenstaedt und Henni Lampe. Beide Gießer haben in ihren anspruchsvollen Arbeiten gut proportionierte Kapitalis-Buchstaben gegossen, die nur wenig individuelle Kennzeichen aufweisen. Quenstaedt führt hin und wieder Ligaturen (Nr. 384: AN) aus, auch in seinem Namen sind A und E immer in Ligatur gegossen (z. B. Nr. 412). Henni Lampe gießt ebenfalls eine sehr ausgewogene Kapitalis, auffällig sind sein Z mit Mittelbalken (Nr. 407, Nr. 433) und sein R mit kleinem Bogen, für die Ziffern 6 und 9 verwendet er denselben Model und dreht diesen lediglich um eine Spiegelachse. Von Henni Lampe hat sich ein gegossenes Chronogramm erhalten (Nr. 442). Im Jahr 1648 hat mit Ludolf Siegfried ein Hannoveraner Gießer im Hildesheimer Raum gearbeitet. Seine sehr gut durchgebildeten Buchstaben weisen fast durchweg Sporen an den Balkenenden von E und F auf, das O läuft unten leicht spitz zu, M ist konisch mit hohem Mittelteil ausgeführt, die Cauda des R nach innen durchgebogen (Nr. 422).
8.5 Fraktur und humanistische Minuskel
Charakteristisch für die Fraktur sind Schwellzüge und Schwellschäfte sowie spitzovale Grundformen der geschlossenen Bögen, a ist im Unterschied zum zweistöckigen a der gotischen Minuskel in der Regel einstöckig ausgeführt. Die Schäfte von f und Schaft-s reichen deutlich bis unter die Grundlinie, die Oberlängen sind häufig in Zierschleifen ausgezogen. Den Schrifteindruck der Fraktur prägen neben den Gemeinen, also den normalen Kleinbuchstaben, vor allem die in viele Schwellzüge oder Brechungen aufgelösten Versalien (vgl. Abb. 14 u. Abb. 184).
Zum ersten Mal wurde die Fraktur auf dem gemalten Holz-Epitaph für Heinrich von Reden von 1572 verwendet (Nr. 185). Wie alle gemalten Fraktur-Inschriften dürfte auch diese mehrfach restauriert worden sein, die Buchstabenformen wirken aber recht original, da auch die anderen Epitaphien, in deren Werkstattzusammenhang dieses Gemälde entstanden ist, beispielsweise das typische eigenwillige Bogen-r bieten. Das nächstfolgende Beispiel ist eine erhabene, in Stein gehauene Fraktur aus der Werkstatt Ebert Wolfs d. Ä. (Nr. 192). Es zeigt die für viele Arbeiten aus der Wolf-Werkstatt charakteristischen Dorne an den Schäften von b, h, l und Schaft-s,110) die auch in anderen Beständen beobachtet worden sind;111) diese können aber hin und wieder fehlen, (Nr. 211), ohne dass damit die Zuordnung des Objekts zu dieser Werkstatt zweifelhaft würde. Die Fraktur der Wolfs zeigt weiterhin aufwändig gestaltete Versalien, ein unten spitzes o mit gebrochener Rundung und eine leicht geschwungene Cauda bei g (Nr. 237), oft eine Strichelung [Druckseite 45] über u (Nr. 282) und eine spitzwinklige 7. Die Werkstatt beherrscht sowohl aufrechte wie auch schrägliegende Varianten dieser Schrift (Nr. 197, 243).
Seit 1607 lässt sich im Bestand noch eine zweite Werkstatt nachweisen, von der ausschließlich Taufsteine mit Fraktur-Inschriften als alleinigem Schmuck überliefert sind (Nr. 296, Nr. 299, Nr. 300, Nr. 319). Die Taufsteine sind signiert mit den Initialen MB eines nicht näher bekannten Meisters. Die Fraktur dieser Werkstatt, deren Versalien sehr einheitlich gestaltet sind, benutzt ein auffallendes z mit aufgerichtetem Deckbalken und einem als Schlinge ausgeführten Bogen. Sofern zwei f oder ein f und ein Schaft-s aufeinanderfolgen, ist die Fahne des linken Buchstabens an den rechten herangeführt. Wie konsequent die Unterscheidung bzw. Trennung der Volkssprache vom Latein allein durch Wahl der Schrift gehandhabt wird, machen die Arbeiten des Meisters MB deutlich, der wie die Wolf-Werkstatt sowohl die Kapitalis wie auch die Fraktur im Repertoire hat; seine einzige lateinisch beschriftete Taufe (Nr. 315) trägt keine Fraktur-, sondern ausschließlich Kapitalis-Inschriften.
Auf zwei schon durch ihre Gestaltung ohne figürliche Darstellung des Verstorbenen auffälligen Grabplatten aus den Jahren 1631 und 1633 ist eine eigenwillige Fraktur ausgeführt, die insgesamt durch spitze Formen bestimmt ist (Nr. 370, Nr. 376): Die Schäfte von e, i, m und r enden wie auch Schaft-s und t schräg abgeschnitten spitz auf der Grundlinie, die Bögen des einstöckigen a, des o und des d sind sehr spitz gebrochen.
Die humanistische Minuskel, die wie die Fraktur etwa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts allgemein für Inschriften verwendet wird, kommt im Landkreis Hildesheim in Reinform nur zweimal (Nr. 192, 292) und einmal vermischt mit Kapitalis-Buchstaben vor (Nr. 418). Kennzeichen dieser Schriftart, die der Antiqua der Buchschrift entspricht, sind runde Bögen und ohne Brechung endende Schäfte. Rundes g, Schaft-s und f stehen auf der Grundlinie, d wird mit senkrechtem Schaft ausgeführt. Wie die beiden Beispiele (Nr. 192, 292) zeigen, wird die humanistische Minuskel in der Regel für lateinische Inschriften verwendet.
9. Nicht aufgenommene Inschriften
Adensen, Kirche. Im Gewölbe oberhalb des Gurtbogens (Nr. 53) ist die Inschrift Ein Dinck kimpt selzen in Fraktur aufgemalt. Die Inschrift wurde der mündlichen Überlieferung nach zum Gedächtnis des 1626 an der Pest verstorbenen Adenser Pastors Heinrich Dreveler (Nr. 343) wahrscheinlich erst deutlich nach 1650 angebracht. Die Inschrift ist überliefert u. a. bei Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Calenberg, S. 5; Kreipe, Adensen-Hallerburg, S. 121, nicht aber in Kdm. Kreis Springe, S. 1–6.
Ahrbergen, St. Petrus und Paulus. Glocke. Die im Kunstdenkmälerinventar (Kdm. Kreis Hildesheim, S. 12) mit der Jahreszahl 1627 und dem Gießernamen Jost Heinrich Lampe überlieferte Glockeninschrift gehört nicht mehr in den Erfassungszeitraum. Die datierten Glocken dieses Gießers stammen alle aus dem Zeitraum von 1666 bis 1704.
Eime. Grabplatte mit der Jahreszahl 1597. Die von Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Calenberg, S. 28 und in Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 61 mit dem Datum 1597 aufgeführte Grabplatte stammt aus dem Jahr 1672 und wurde für den in diesem Jahr verstorbenen Pastor Christoph Blanke gestiftet. Die Jahreszahl 1597 bezieht sich auf dessen Geburtsjahr (vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 1, S. 234).
Feldbergen. Taufschale mit Darstellung des Sündenfalls im Spiegel. Die Taufschale stammt aus serieller Produktion und erfüllt nicht das an Inschriften zu stellende Kriterium der individuellen, einmaligen Anfertigung. [Druckseite 46]
Gronau, St. Matthäi-Kirche. Altarretabel. Das Retabel stammt aus der St. Godehard-Kirche in Hildesheim, vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 122.
Henneckenrode. Wetterfahne. Das Datum auf der Wetterfahne lautet nicht, wie in Kdm. Kreis Marienburg, S. 84 angegeben, 1634, sondern 1684.
Hoyershausen, St. Marien- und Lamberti-Kirche. Glocke. Die im Niedersächsischen Heimatbuch, S. 258 für Hoyershausen verzeichnete Glocke von 1514 Maria bin ek genant gehört nicht nach Hoyershausen, sondern nach Haselünne bei Meppen, vgl. Walter, Glockenkunde, S. 301.
Marienrode, kath. Pfarr- u. Klosterkirche St. Michaelis. Orgel. Die bei Letzner (SUB Göttingen, Cod. Ms. Hist. 248, S. 907f.; Cod. Ms. Hist. 249, Bd. 2, fol. 1021v/1022r) und in der Marienroder Chronik im Zusammenhang mit der Errichtung der Orgel überlieferten Verse waren sicher nicht inschriftlich ausgeführt. Während die Formulierung bei Letzner keine eindeutige Entscheidung zuläßt (S. 907: Im selben Jahr hat auch der Abt Heinrich in die neue Kirche eine schöne Orgell bauen und machen lassen, davon hat man folgende lateinische Vers), legt der Text der Marienroder Chronik super quibus quidam sic composuit nahe, dass es sich lediglich um ein Gedicht, nicht aber um eine ausgeführte Inschrift handelte.
Marienrode, kath. Pfarr- und Klosterkirche St. Michaelis. Zwei Büsten der Heiligen Cosmas und Damian auf einem Holzsockel. Silber. Die beiden Silberbüsten werden von Maria Kapp aufgrund der auf dem unteren Blatt des Palmzweiges eingeritzten Inschrift in das Jahr 1619 datiert. (Vgl. Maria Kapp, Kloster und Kirche Marienrode. Inventar und Kirchenschatz. In: Diözese 68 (2000), S. 183–214, hier S. 190–192). Die Inschrift lautet aber nicht 1619, sondern 16 lot 1 ½ q(uentchen) sil(ber). Stilkritische Erwägungen und auch die Entstehung des Fußes um 1700 sprechen eher für eine Entstehungszeit der Figuren und damit der Inschrift in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts oder später.
Moritzberg. Die in Kdm. Kreis Marienburg mit der Jahreszahl 1609 überlieferte Glocke stammt von 1699. Der in der Inschrift genannte Stifter Johannes Brochtrup starb am 4. Juni 1699. Vgl. HSTA Hannover, Hild. Br. 4, Nr. 1222 (nach AIDA Online-Findbuch).
Ottbergen, St. Nikolaus. Monstranz. Die Monstranz stammt aus Clus bei Gandersheim und ist erst 1742 nach Ottbergen gekommen. Vgl. DIO 2 Kanonissenstift Gandersheim, Nr. 16.
Schlewecke. Glocke „Helena“ 1551, nachgewiesen im Niedersächsischen Heimatbuch Bd. 2, S. 257. Die Verzeichnung der Glockeninschrift für Schlewecke ließ sich nicht verifizieren und beruht wahrscheinlich auf einem Irrtum.
Wülfingen, Mausoleum der Familie Bock von Wülfingen, Ostwand. Grabplatte des Siegfried Bock von Wülfingen († 1355). Die Platte stammt nicht aus dem Landkreis Hildesheim, sondern aus dem Kloster Wülfinghausen in der Region Hannover.
Zitationshinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Einleitung (Christine Wulf), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016e008.
- Vgl. die Karte des Landkreises Hildesheim und seiner Inschriftenstandorte unter der Registerkarte Materialien. »
- Die Inschriften der Stadt Hildesheim, gesammelt und bearbeitet von Christine Wulf unter Benutzung der Vorarbeiten von Hans Jürgen Rieckenberg. (Die Deutschen Inschriften 58) 2 Teilbände. Wiesbaden 2003. »
- Deutsche Inschriften Online: www.inschriften.net. »
- Vgl. http://www.inschriften.net/projekt/richtlinien/edition.html. (Letzte Benutzung 01.11.2013). »
- Für die inschriftenpaläografischen Beschreibungen wird das in der Terminologie zur Schriftbeschreibung zusammengestellte Begriffsinventar verwendet, vgl. Deutsche Inschriften. Terminologie zur Schriftbeschreibung. Wiesbaden 1999. »
- Grundlage des Folgenden sind die Einleitungen der Kunstdenkmälerbände: Kdm. Kreis Marienburg (1910), S. 1–6; Kdm. Kreis Alfeld I (1929), S. 1–10; Kdm. Landkreis Hildesheim (1938), S. I–XII; Kdm. Kreis Alfeld II Gronau (1939), S. I–X; Kdm. Kreis Gandersheim (1910), S. 17–37. »
- Im heutigen Landkreis Hildesheim nicht enthalten sind die nordöstlichen und südostlichen Gebiete des Hochstiftes um Peine und im Harzvorland. Zum Folgenden vgl. Geschichte Niedersachsens, Bd. 2,1, S. 505, S. 507–509. »
- Vgl. Geschichte Niedersachsen Bd. 3,1, S. 35–39, mit Verzeichnung der älteren Literatur (von Boetticher). »
- Die territoriale Gliederung veranschaulichen die Karten auf Tafel 16. »
- Vgl. Kirstin Casemir u. Uwe Ohainski, Das Territorium der Wolfenbüttler Herzöge um 1616. Verzeichnis der Orte und geistlichen Einrichtungen der Fürstentümer Wolfenbüttel, Calenberg, Grubenhagen sowie der Grafschaften Hoya, Honstein, Regenstein-Blankenburg nach ihrer Verwaltungszugehörigkeit. Braunschweig 1996. »
- Vgl. Christian Plath, ... daß etliche die priester und andere andechtige Christen schimpfieren undt höhnlich verlachen. Das frühneuzeitliche Hildesheim als Spannungsfeld der Konfessionen. In: Hildesheimer Jahrbuch 74 (2002), S. 75–107. »
- Zum Folgenden vgl. Plath, Konfessionskampf, S. 42–49. »
- Vgl. Hans Meyer-Roscher, Vom Amt zum Landkreis. In: Jahrbuch des Landkreises Hildesheim 1988, S. 79–83, hier S. 81. »
- Allein die Inschriften der Stadt Duderstadt machen etwa ein Sechstel des in seiner Größenordnung dem Inschriftenbestand des Landkreises Hildesheim vergleichbaren Landkreises Göttingen aus, vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 15. Für die Stadt Einbeck (DI 42 Stadt Einbeck) ließen sich – zieht man die Inschriften der eingemeindeten Orte ab – 154 Inschriften nachweisen. »
- Im Jahr 1846 fiel etwa die Hälfte der Stadt Alfeld einem Brand zum Opfer. »
- Die Ereignisse des Dreißigjährigen Kriegs in der Region schildert u. a. der Bockenemer Arzt Dr. Conrad Jordan, Acta bellorum Hildesiensium. Tagebuch des Dr. Conrad Jordan von 1614 bis 1659, bearbeitet von Hans Schlotter. Hildesheim 1985. Zum Dreißigjährigen Krieg in der Region vgl. auch Manfred Klaube, Bockenem im Ambergau. Eine Neufassung und Aktualisierung der Geschichte der Stadt. Bockenem 2010, S. 59–63. »
- Vgl. UB Hochstift Hildesheim, Bd. 2, Nr. 1090. »
- Die übrige gotische Ausstattung ging bei der Erneuerung der St. Nicolai-Kirche in den Jahren 1888/89 verloren, vgl. Graff, Geschichte des Kreises Alfeld, S. 610. »
- Ein weiteres Beispiel für figürlichen Fassadenschmuck in der Tradition des Hildesheimer Fachwerkbaus ist das Eickesche Haus in Einbeck, vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 133. »
- Vgl. Kdm. Kreis Marienburg, S. 18–31. »
- Vgl. Kdm. Kreis Hildesheim, S. 176–189. »
- Vgl. Kdm. Kreis Alfeld II (Gronau), S. 65–77. »
- Näheres zur Stadtgeschichte Bad Salzdetfurths s. Kdm. Kreis Marienburg, S. 157–162. »
- Grundlage des Folgenden ist: Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 698–705 (Aschoff). »
- Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 901–908 (Dylong) und Hedwig Röckelein, Schreibende Klosterfrauen – allgemeine Praxis oder Sonderfall? In: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bräuche der Nonnen im Mittelalter, hg. von Christa Bertelsmeier-Kierst u. a. (Wolfenbütteler Hefte 22) Wiesbaden 2008, S. 15–38, hier S. 17f. »
- Vgl. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 154 u. 189. – Nach Behrens, Herren von Steinberg, waren u. a. Conrad von Steinberg (gest. 1523) und seine Ehefrau in Lamspringe bestattet (S. 25). Behrens bezeugt auch zahlreiche Stiftungen dieser Familie zugunsten des Klosters. Als Priorinnen amtierten zweimal Angehörige der Familie: Ilsabe von Steinberg (1390–1391) und Gisela von Steinberg (1542–1553), vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 907 (Dylong). »
- Zur Verlustgeschichte des Lamspringer Kirchenschatzes vgl. Renate Oldermann-Meier, Der Kirchenschatz des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Lamspringe: Zusammensetzung und Einziehung zur Zeit der lutherischen Reformation. In: Diözese 66 (1998), S. 33–59. »
- Zum Folgenden vgl. Köhler, Klosterkirche Wittenburg, passim; s. a. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 3, S. 1551–1555 (Sosnitza). »
- Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 2, S. 1006–1015 (Knapp). »
- Zum Folgenden vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Teil 1, S. 322–329 (Pischke). »
- Zur wirtschaftlichen Struktur der Dörfer vgl. Renate Dürr, Dörfer des Kleinen Stifts. Einwohnerzahlen und Besitzverhältnisse in der Frühen Neuzeit. In: Jahrbuch Bistum Hildesheim 73 (2005), S. 11–34. »
- Eine Übersicht gibt die Karte des Bearbeitungsgebiets unter der Registerkarte Materialien. Ausführliche historische Einführungen zu jedem Inschriftenstandort geben die Bände der Kunstdenkmälerinventare. »
- Vgl. Kdm. Kreis Hildesheim, S. 148f. »
- Vgl. Kdm. Kreis Marienburg, S. 5; Kdm. Kreis Hildesheim, S. V; Türme aus romanischer Zeit sind z. B. in Adenstedt, Bledeln, Eberholzen, Heersum, Holle, Hönnersum, Hoheneggelsen (Oberkirche), Petze und Wrisbergholzen erhalten. »
- Die Kapelle St. Magdalenen in der Burg Steuerwald (Nr. 89) von 1507 bietet ein Zeugnis für den gotischen Kirchenbau, kann aber im engeren Sinne nicht als dörfliche Pfarrkirche gelten. »
- Vgl. u. a. Adensen (Nr. 53f., A1, Nr. 6, 11), Bültum (A1, Nr. 10), Grafelde (A1, Nr. 12, 13), Heinum (Nr. 85, 1503), Sehlem (Nr. 52, Bau des Westturms 1494), Woltershausen (Nr. 90 Spolien eines älteren Baus von 1509). »
- Vgl. Kdm. Kreis Alfeld I, S. 308. »
- Zum Folgenden vgl. Reden-Dohna, Rittersitze, S. 202f. (Almstedt), S. 199–201 (Wehrstedt), S. 58 (Brunkensen), S. 76–83 (Banteln), S. 71–75 (Rheden), S. 271–278 (Heinde), S. 167–168 (Irmenseul), S. 164–166 (Sellenstedt). »
- Die älteste Inschrift der Familie von Steinberg in Bodenburg stammt aus dem Jahr 1596 (Stiftung eines Kelchs), 18 weitere Inschriften mit Bezug zu dieser Familie sind in Bodenburg überliefert. Im gesamten Bestand weisen 31 Inschriften einen Zusammenhang mit Angehörigen dieser Familie auf. Die Familie von Wrisberg ist mit 21 Inschriften vertreten. »
- Vgl. DI 58 Stadt Hildesheim, S. 14. »
- DI 66 (Lkr. Göttingen): 7 Inschriften vor 1300; DI 83 (Landkreis Holzminden): 3 Inschriften vor 1300. »
- Vgl. unten Kap. 8.4 u. 8.5. »
- Vgl. z. B. DI 62 (Landkreis Weißenfels): 16 von 27 Inschriften vor 1400 auf Glocken; DI 64 (Lkr. Querfurt): 20 von 28 Inschriften bis 1400 auf Glocken; DI 66 (Lkr. Göttingen) 11 von 25 Inschriften vor 1400 auf Glocken; DI 73 (Hohenlohekreis): 11 von 30 vor 1400 entstandenen Inschriften auf Glocken. »
- Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 263. »
- S. dazu unten Kap. 6.3 Glocken. »
- Bereits seit der Karolingerzeit sollte jede Pfarrkirche eine Glocke besitzen, vgl. Arnd Reitemeier, Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters: Politik, Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 177). Stuttgart 2005, S. 172–175. »
- Vgl. Nr. 84, 114 Sieben Schmerzen Marias, 117, 124, 125 Anna Selbdritt. Aus der Zeit bis 1550 sind 18 Marienglocken, sechs Katharinenglocken und drei Annenglocken überliefert. Zu einzelnen Heiligen in der Region s. Register 10a. »
- Zu der auf die Bibelstelle 1. Pt. 1,25 zurückgehenden Devise des Schmalkaldischen Bundes vgl. Frederic John Stopp, Verbum Domini Manet in Aeternum – The Dissemination of a Reformation Slogan. In: Essays in German Language, Culture and Society, hg. von S. S. Prawer, R. H. Hinton u. L. Forster. London 1969, S. 123–135; s. a. Arnd Reitemeier, Die Reformation und ihre Folgen in Niedersachsen. Inschriften und die Frage nach der Einführung und Konsolidierung des lutherischen Glaubens in den welfischen Territorien des 16. Jahrhunderts. In: Inschriften als Zeugnisse kulturellen Gedächtnisses, hg. von Nikolaus Henkel. Wiesbaden 2012, S. 115–131, hier S. 122 mit zahlreichen Nachweisen und Hinweisen auf weitere Literatur. »
- Vgl. Hans Otte, Fürsorge oder Selbstbestimmung? Das Patronat in der Hannoverschen Landeskirche. In: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 56 (2011), S. 405–429, hier S. 408: „Schließlich verdankt sich die Einführung der Reformation in weiten Teilen Niedersachsens nicht den Fürsten, sondern den Patronen.“ »
- Vgl. Reitemeier (wie Anm. 48), S. 130. »
- In Nr. 412 wird die Namensnennung des Bauermeisters und der Älterleute als Zeitangabe mit dem Wort tempore ‚zur Zeit‘ eingeleitet. Der Name des Stifters ist mit dem Zusatz benefactor eigens genannt. »
- Vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 18. »
- Johannes Letzner war Pastor in mehreren Gemeinden im Northeimer Raum. Vgl. Hans Klinge, Johannes Letzner. Ein Niedersächsischer Chronist des 16. Jahrhunderts. Diss. Göttingen 1950/51, passim. »
- SUB Göttingen, Cod. Ms. Hist. 248 und Cod. Ms. Hist. 249. »
- So wurde ein langes, auf die Errichtung einer Orgel in Marienrode Bezug nehmendes Epigramm, für dessen epigrafische Ausführung keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind, in der vorliegende Edition nicht berücksichtigt. »
- Zu Mithoffs Vorgehensweise vgl. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Calenberg, S. IV. Offenbar hat Mithoff für seine Kunstdenkmälerinventare Aufnahmeformulare an Kirchengemeinden versandt. Für diesen Hinweis danke ich Frau Dr. Sabine Wehking, Inschriftenarbeitsstelle Göttingen. »
- Kdm. Kreis Gandersheim, S. 19f. »
- Der Bearbeiter des Bandes Kdm. Kreis Alfeld I, Paul Graff, hat auch in seiner 1928 erschienenen Geschichte des Kreises Alfeld den Inschriften große Beachtung geschenkt. »
- Drömann, Glocken, passim. »
- Zur Verlustgeschichte der Grabplatten vgl. oben Kap. 5. »
- Die Dislozierung von Grabplatten erfolgte in der Kirche in Wrisbergholzen schon im frühen 17. Jahrhundert, wie eine Inschrift aus dem Jahr 1607 belegt (Nr. 302). Dort wurden die Grabplatten, die bis dahin im Chor der Kirche lagen, in eine Gruft gebracht und die Gebeine in einem Sarg im Altarraum wieder beigesetzt. »
- Wahrscheinlich entspricht auch die Grabplatte der Regina Bock von Wülfingen von 1539 diesem Typ (Nr. 144). Sie ist allerdings so stark verwittert, dass nicht sicher ist, ob wirklich eine Person im Innenfeld dargestellt ist. »
- Von Arend Robin stammen auch die Epitaphien für den 1567 verstorbenen Oberamtmann Heinrich Heinemeier (Nr. 178) und für die ein Jahr später verstorbene Ehefrau Sieverdts von Steinberg, Katharina von Hanstein (Nr. 180). Zu Arend Robin vgl. auch DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 20 sowie Nr. 57 u. 77. Zu den Schriftformen Robins s. unten Kap. 8.4. »
- Der Begriff „Grabinschrift“ bezeichnet im Gegensatz zu dem spezielleren Terminus „Grabschrift“, der sich auf eine Textgattung bezieht, sämtliche auf Inschriftenträgern aus dem Bereich Begräbnis und Totengedenken angebrachten Texte. »
- Vgl. Christine Wulf, Bürgerlicher Späthumanismus in Inschriften. In: Acta Conventus Neolatini Upsaliensis. Proceedings oft the Fourteenth International Congress of Neo-Latin Studies (Uppsala 2009), hg. von Astrid Steiner-Weber u. a. (Acta Conventus Neo-Latini 14). Leiden u. Boston 2012, Bd. 2, S. 1208–1217. »
- Zum Spruchgut in Hausinschriften s. Sabine Wehking u. Christine Wulf, Hausinschriften. In: Epigraphik 2000, S. 185–215, hier S. 192–195. »
- Vgl. Jörg Poettgen, Glocken der Spätgotik – Werkstätten von 1380 bis 1550. In: Geschichtlicher Atlas der Rheinlande (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande Beihefte XII,4, Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XII. Abt. 1b NF 6. Lieferung). Köln 1997, S. 3–56, hier S. 6. »
- Vgl. dazu DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 22. Dort ließ sich dasselbe Phänomen beobachten. »
- Werkverzeichnis des Hans Meiger s. Nr. 24. Zu den Schriften der einzelnen Gießer s. unten Kap. 8.2 u. 8.4. »
- Werkverzeichnis des Busso Jacob s. Nr. 57. »
- Werkverzeichnis des Harmen Koster s. Nr. 60, Anm. 4 u. 5. »
- Die Strahlenkranzmadonna ist auch das Wappenbild des Domstifts Hildesheim. »
- Drömann, Glocken, S. 64. »
- Werkverzeichnis des Brant Helmes s. Nr. 132. »
- Werkverzeichnis des Henni Kruse s. Nr. 168. »
- Werkverzeichnis des Hans Martens s. Nr. 201. »
- Werkverzeichnis des Friedrich Bielefeldt s. Nr. 219. »
- Werkverzeichnis des Christopher Horenbarch s. Nr. 268. »
- Werkverzeichnis des Joachim Schrader s. Nr. 310. »
- Werkverzeichnis des Dietrich Mente s. Nr. 325. »
- Werkverzeichnis des Hinrich Quenstaedt s. Nr. 384. »
- Werkverzeichnis des Henni Lampe s. Nr. 407. »
- Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Stiftung eines ewigen Lichts für die evangelische Kirche in Bodenwerder durch Mitglieder der Schneidergilde, DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 190. »
- Näheres zu werkstatttypischen Inschriftenprogrammen auf Altarretabeln s. Christine Wulf, Die Inschriften der Göttinger Altarretabel. In: Kunst und Frömmigkeit in Göttingen. Die Altarbilder des späten Mittelalters, hg. von Thomas Noll und Carsten-Peter Warncke. Berlin/München 2012, S. 283–295, hier S. 285f. »
- Dazu Conny Bailey, Carving their Niche? A Reassessment of early sixteenth-century sculptors and sculpture production in the Lower Saxon town of Hildesheim. Diss. Leicester (UK) 2012. »
- Vgl. dazu DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 29und Nr. 212 (Rest eines Altaraufsatzes). »
- Vgl. Mathies, Taufbecken, S. 89. »
- Vgl. Mathies, Taufbecken, S. 13–16; s. a. Paul Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands. Bd. 1 Bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. Göttingen ²1937, S. 102. »
- Vgl. Mathies, Taufbecken, S. 32–37. »
- In Gandersheim und in Essen lassen sich im Spätmittelalter vorwiegend Angehörige des Kanoniker-Kapitels und Vikare als Stifter von kirchlichen Ausstattungsstücken nachweisen, vgl. DIO 2 Gandersheim, Einleitung, Kap. 5.3. »
- Zur Auswertung von Inschriften im Kontext sprachhistorischer Fragestellungen s. Christine Wulf, Wann und warum sind Inschriften niederdeutsch? In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 136 (2013), S. 59–72. »
- Anno domini bleibt, da es sprachlich „neutral“ verwendet wird, unberücksichtigt. »
- Sofern die Herkunft der inschriftentragenden Objekte nicht eindeutig geklärt werden konnte und sie folglich bei einer Untersuchung der Regionalsprache außer Acht zu lassen sind, steht ein Vermerk am Beginn des Inschriftenartikels. »
- Ein ähnliches Phänomen hat Sabine Wehking an Glockeninschriften aus Duderstadt beobachtet, die ebenfalls schon früh hochdeutsche Sprachelemente aufgenommen haben, vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 25. »
- Vgl. Wulf (wie Anm. 91), S. 62. »
- Vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 34. »
- Vgl. Ingrid Schröder, Niederdeutsche Inschriften als Zeugnisse regionaler Kultur. In: Inschriften als Zeugnisse kulturellen Gedächtnisses, hg. von Nikolaus Henkel. Wiesbaden 2012, S. 102–114, hier S. 106. Zum Schreibsprachenwechsel im norddeutschen Raum s. a. die grundlegenden Arbeiten von Robert Peters, Zur Sprachgeschichte des niederdeutschen Raumes. In: Ders., Mittelniederdeutsche Studien. Gesammelte Schriften 1974 bis 2003, hg. von Robert Langhanke. Bielefeld 2012, S. 443–461. »
- Zu den einzelnen Schriftarten vgl. Deutsche Inschriften. Terminologie zur Schriftbeschreibung. Wiesbaden 1999, passim. »
- Erstbeleg DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 9 (Hann. Münden, Hochwasserinschrift von 1342). »
- Im Landkreis Holzminden stammt der älteste Beleg aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts, vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 36; in den städtischen Beständen setzt die Schriftform oft etwas früher ein: DI 36 (Stadt Hannover): 1350; DI 35 (Stadt Braunschweig I): 1358. »
- Vgl. dazu ausführlich DI 61 (Stadt Helmstedt), S. 49 mit zahlreichen Nachweisen; s. a. DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 36f.. Beispiele für das kastenförmige a im vorliegenden Bestand: Nr. 52, 174, 205. »
- Vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 37f.. »
- Werkverzeichnis des Arend Robin s. Nr. 153. »
- Vgl. DI 42 (Stadt Einbeck), Nr. 92, Nr. 96, Nr. 97, Nr. 98. »
- Vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 98, 99, 100. »
- Findel, Bildhauerfamilie Wulff, S. 22. Angesichts einer Reihe von neugefundenen Arbeiten der Wolf-Werkstatt erscheint es notwendig, Findels Zuschreibungen der Werke an Ebert d. Ä. und Ebert d. J. zu überprüfen. »
- Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIX; DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 38. »
- Vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 127, Nr. 129. Das Y besteht aus einem rechtsschrägen Kurzschaft, der oberhalb der Mittellinie endet, sowie einem j mit linksschrägem Anstrich und einem nach rechts durchgebogenen Schaft. »
- Die Abbildung 117 gibt die beschriebenen Elemente nicht wieder, da nicht alle Teile der Inschrift zu fotografieren waren. »
- Die Dorne sind vorhanden in Nr. 236, Nr. 237, Nr. 243, Nr. 245. Weitere Arbeiten der Wolf-Werkstatt: Nr. 192, Nr. 197, Nr. 211, Nr. 282, Nr. 282a. »
- Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIX ; DI 58 (Stadt Hildesheim), S. 68; DI 83 (Lkr. Holzminden), S. 39. »