Die Inschriften des Landkreises Holzminden

Hinweis: Diese Einleitung enthält Abweichungen gegenüber der Druckfassung. Alle Von-Bis-Angaben bei Verweisen auf Katalognummern (z. B. Nr. 71–73) wurden aus Referenzierungsgründen zu kommaseparierten Listen aufgelöst.

3. Inschriften, Inschriftenträger und Überlieferung

Von den 276 Inschriften des Landkreises Holzminden sind 198 im Original erhalten, wobei in zwei Fällen zumindest die Lesungen nach älteren Photos im Niedersächsischen Landesdenkmalamt in Hannover ergänzt wurden (Nr. 18 u. 194). Die übrigen sind vollständig oder weitgehend verloren. Die kopiale Überlieferung ist zersplittert; es fehlt ein zentraler Bestand.

In einigen wenigen, aber bedeutsamen Fällen sind die Aufzeichnungen heranzuziehen, die Johannes Letzner (1531–1613) in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts anfertigte. Letzner, der als Pastor in Lüthorst, Iber und Strodthagen im heutigen Landkreis Northeim amtierte, kannte die Orte der benachbarten Wesergegenden aus eigener Anschauung; mit vielen seiner Amtsbrüder stand er in brieflichem Kontakt. Neben der 1596 gedruckten „Dasselischen und Einbeckischen Chronica“ finden sich Inschriften überliefert in seiner „Braunschweig-Lüneburgischen Chronik“, die in mehreren, zum Teil voneinander abweichenden Abschriften des späten 17. Jahrhunderts in Göttingen und Hannover sowie in einzelnen Fragmenten in Wolfenbüttel vorliegen (s. Literaturverzeichnis).33) Letzner galt lange als notorisch unzuverlässig, und tatsächlich ist jede seiner Nachrichten mit Vorsicht zu benutzen; insbesondere bleibt immer die Frage, ob von ihm überlieferte Grabinschriften ausgeführt waren. Andererseits hat die Freilegung einer Bauinschrift in der Kirche von Derental den von Letzner überlieferten Text bestätigt (Nr. 83).

Besonders wichtig ist die kopiale Überlieferung im Fall des Klosters Amelungsborn, aus dem elf erhaltene Nummern neun kopial überlieferten gegenüberstehen. Die Ursachen dafür liegen in der wechselhaften Geschichte der Reformation, den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges (Nr. 126) und der Vernachlässigung der Klosteranlage nach der Verlegung der in der Reformationszeit eingerichteten Schule in der Mitte des 18. Jahrhunderts.34) Erneuerungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts fielen noch die Reste des Kreuzgangs zum Opfer und damit auch zahlreiche Grabplatten, von denen eine noch um 1750 zu sehen war (Nr. 4).

Außer Letzner sind im Hinblick auf Amelungsborn noch heranzuziehen die 1710 erschienene Klostergeschichte von Johann Georg Leuckfeld35) und ein Bericht aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.36) Eine entsprechende Überlieferung fehlt für das Kloster Kemnade, bei dem die komplizierte Säkularisierungsgeschichte und ein vollständiger Funktionsverlust seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine noch stärkere Zerstörung und Entleerung zur Folge hatten. Selbst an den Pfandinhaber des Klosters zwischen 1618 und 1646, Christoph Friedrich von Esleben, und seine Familie erinnert nur ein originales Stück, ein Epitaph für eine Tochter (Nr. 217), während die von ihnen gestiftete Kirchenausstattung zum großen Teil verstreut wurde (vgl. Nr. 256 u. 257). Weitere, heute in der früheren Klosterkirche aufgestellte Grabdenkmäler sind erst im 19. Jahrhundert aus der untergegangenen Dorfkirche des Ortes verlagert worden. Für die Grabdenkmäler von regionalen Adelsfamilien, die es in Kemnade – mindestens zwölf Gräber der Hakes mit Grabplatten37) – wie in Amelungsborn in großer Zahl gegeben haben wird, fehlt dagegen mit wenigen Ausnahmen (Nr. 4, 27, 70 u. 89) eine kopiale Überlieferung.38)

Im Hinblick auf die Ausstattung von Stadt- und Dorfkirchen sind die Corpora bonorum die wichtigste Quelle kopialer Überlieferung. Diese wurden aufgrund einer herzoglichen Anweisung von 1746 zwischen 1749 und 1753 im ganzen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel als Verzeichnisse der Gebäude, Ausstattungen und Besitztitel der Kirchengemeinden angelegt; die unterschiedliche Ausführung läßt den Quellenwert von Ort zu Ort allerdings stark schwanken.39) Für Hausinschriften ist neben verstreuter Heimatliteratur der ausgezeichnete Band der Bau- und Kunstdenkmäler [Druckseite 19] von Karl Steinacker aus dem Jahre 1907,40) der überhaupt die Basis bei der Erarbeitung der vorliegenden Edition bildet, selbst zu einer Quelle der kopialen Überlieferung geworden, da gerade in diesem Bereich die Verluste durch Brände, Modernisierung und Abbruch seit einhundert Jahren groß sind. Kriegszerstörungen des 20. Jahrhunderts spielen dabei, anders als in den Städten Hannover, Braunschweig oder Hildesheim, keine Rolle. Neufunde seit dem Erscheinen des Werkes von Steinacker sind vor allem bei Grabplatten zu verzeichnen, die jahrhundertelang als Fußbodenbelag gedient hatten und inzwischen wieder aufgedeckt wurden.

Die Grabinschriften und die Inschriften auf Kreuz- und Gedenksteinen

Den Grabinschriften und den Inschriften auf Kreuzsteinen gemeinsam ist, daß sie der Erinnerung dienen. Während bei den ersteren die Person des Verstorbenen im Vordergrund steht, so ist es bei den letzteren ein Ereignis: soweit sich das erkennen läßt, eine gewaltsame Tötung, ein Mord oder auch ein Unfall.

Von den Kreuzsteinen mit Inschriften finden sich acht auf dem Gebiet des heutigen Kreises Holzminden; eine noch größere Zahl ist inschriftenlos. Diese Steine sind ausnahmslos nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort situiert; sie wurden häufig bereits zweimal versetzt und finden sich heute an Kirchen, in Museen oder in einem Gutspark. Verwitterung und Zerstörungen erschweren die Lesung der Inschriften. Der Aberglaube, daß Steinmehl von den Kreuzsteinen bei Krankheiten, insbesondere Kinderlosigkeit helfe, hat dazu geführt, daß vielfach die obere Kante der Steine abgeschlagen ist. (Sagen, die sich regelmäßig um die Kreuzsteine gebildet haben, finden in den Kommentaren im allgemeinen keine Berücksichtigung, da sie sich von dem Textbefund weit entfernt haben.) Die Verlustrate dürfte bei den Kreuzsteinen insgesamt hoch sein. Dafür sind in erster Linie Flurbereinigungen sowie der Straßenbau seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ausschlaggebend, bei denen sie im Wege waren. In zwei Fällen haben Kreuzsteine zeitweise als Brücken über Bäche gedient (Nr. 11 u. 13), in einem als Treppenstufe (Nr. 23); sie sind so zwar erhalten, aber auch abgetreten worden. Wohlmeinende Restaurierungen haben in einem Fall nicht zur Verbesserung beigetragen (Nr. 12, Abb. 56). In einem anderen Fall ermöglicht dagegen eine Abzeichnung des 17. Jahrhunderts eine weitgehende Rekonstruktion der Inschrift (Nr. 13, Abb. 57 u. 58). Ursprünglich waren die Kreuzsteine vermutlich am Ort der Tat oder in der Nähe einer Hinrichtungsstätte aufgestellt. Hinter ihrer Aufstellung können vor allem zwei Motive stehen: Sühne des Täters bzw. seiner Angehörigen oder ein Auftrag der Verwandten des Getöteten.40)

Die äußere Form der inschriftentragenden Kreuzsteine im Landkreis ist bestimmt durch ein großes, nasenbesetztes Scheiben- oder Radkreuz; in zwei Fällen kommt auf einer Seite eine Kreuzigungsszene hinzu. Die Inschriften sind kurz, lassen aber, soweit dies noch möglich ist, die Erinnerung an einen gewaltsamen Tod, für den die Ausdrücke fuit interfectus, occisus est oder „ließ sein Leben“ stehen, erkennen; in einem Fall ist ausdrücklich von einem Überfall durch Räuber die Rede (Nr. 11, Abb. 54 u. 55). Eine Besonderheit ist der heute in Holzminden aufgestellte doppelte Kreuzstein, auf dem aber nur noch ein Name und Fürbitten sicher zu entziffern sind (Nr. 24, Abb. 66). Die Inschriften sind, mit einer Ausnahme, in Latein abgefaßt; einmal ist Niederdeutsch die Sprache (Nr. 17), in einem Fall beschränkt sich die Inschrift auf einen Namen (Nr. 25, Abb. 68). Wappenschilde deuten in zwei Fällen auf einen Getöteten aus dem Adel oder der städtischen Oberschicht hin (Nr. 12 u. 25); eines der Opfer war offenbar auf einer Reise (Nr. 11). In drei Fällen zeigt die Abbildung von Pflugschar und Sech (Pflugmesser) vermutlich die bäuerliche Herkunft des Opfers an (Nr. 13, 23 u. 24); ein Kräuel deutet auf den Beruf des Schlachters hin (Nr. 17).

Zwei Gedenksteine von 1429 und 1445, beide heute in Bodenwerder, weichen in der äußeren Form deutlich von den Kreuzsteinen ab, in deren Inventar sie auch nicht aufgenommen wurden. [Druckseite 20] Sie ähneln einander durch die Darstellung des Verstorbenen in Bethaltung unterhalb einer Kreuzigungsszene und durch ein Schriftband mit dem miserere, einmal in deutscher und einmal in lateinischer Sprache (Nr. 18 u. 19, Abb. 64 u. 65). Der Stein von 1429 erinnert ebenfalls an einen gewaltsamen Tod. Ein weiterer Gedenkstein von 1585 trägt zwar auf der Rückseite ein nasenbesetztes Kreuz, auf der Vorderseite aber eine mit dem spätmittelalterlichen Typus nichts mehr gemein habende Gedenkinschrift für einen tödlichen Jagdunfall (Nr. 96).

Die insgesamt 73 Grabinschriften machen den größten Komplex des Bestandes aus. Außer fünf spätmittelalterlichen Grabdenkmälern handelt es sich um 42 Grabplatten aus der Zeit nach 1550, von denen fünf kopial überliefert sind; hinzu kommen zwei Fragmente und die ebenfalls nur kopial überlieferten Inschriften auf zwei Särgen. Die 20 Epitaphien – von 18 erhaltenen sind 15 in Stein ausgeführt – unterscheiden sich von den Grabplatten, die zur Abdeckung des Grabes dienen, durch Aufstellung an einer Wand; dies konnte in größerem Abstand zum Begräbnisort geschehen oder auch an einem völlig anderen Ort; vgl. Nr. 143 u. 144. In einem Fall (Abt Andreas Steinhauer, Amelungsborn) ist ein früheres Epitaph beseitigt und durch die ursprüngliche Grabplatte ersetzt worden; vgl. Nr. 101, 102 u. 273.

Unter den fünf Grabdenkmälern aus dem Spätmittelalter ragt die um 1400 entstandene Homburger-Tumba durch die Bedeutung der Auftraggeber und die Qualität ihrer Ausführung heraus (Nr. 14, Abb. 59–62). Drei mittelalterliche Grabdenkmäler, alle aus Amelungsborn, sind nur kopial überliefert. Sie verdienen dennoch Aufmerksamkeit: Die erstere, weil die Person des Verstorbenen den Blick auf die bisher nicht beachtete Ritterfamilie Hoye öffnet; zudem ist mit der Inschrift ein Beleg bereits aus dem frühen 14. Jahrhundert für das Grabdenkmal eines Ritters in einem bedeutenden Kloster gegeben (Nr. 4). Die Grabplatte des Martin bzw. Ernst Hake von 1466/67 ist das früheste Grabdenkmal einer im heutigen Kreisgebiet ansässigen Adelsfamilie und zugleich ein Beispiel für Formen spätmittelalterlicher Frömmigkeit, hier die Hinwendung zum klösterlichen Leben kurz vor dem Tod (Nr. 27). Die Grabschrift für den Abt Werner de Insula von 1498 ist sprachlich bemerkenswert (Nr. 31). Schließlich gehört noch das in Amelungsborn gefundene Fragment einer Grabplatte für eine Frau bürgerlichen Standes, das aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts stammen dürfte (Nr. 47), in den spätmittelalterlichen Kontext.

Die beiden frühesten sicher datierten Grabdenkmale nach 1550 sind zwei anspruchsvolle Renaissance-Epitaphien in Polle, geschaffen von dem niederländischen Künstler Arend Robin für Gordt Ketteler (1553, Nr. 57) und Anna von Meschede (1569, Nr. 77). Arend Robin, der bis Anfang der 1570er Jahre vorwiegend für Familien des Landadels und Bürgertums in Hameln und Alfeld arbeitete (vgl. den Kommentar zu Nr. 57), fand einen Nachfolger in Ebert Wolf d. J. Dieser fertigte nach 1586 drei Grabplatten, die in der Qualität der Ausführung den Epitaphien in nichts nachstehen, für Angehörige der Familie Steinberg an, die das Amt Ottenstein als Pfandinhaber besaßen (Nr. 98, 99, 100, Abb. 107–111). Ebert Wolf und seine Werkstatt haben um 1597 zudem in Hehlen ein großes Erinnerungsensemble für Fritz von der Schulenburg (1518–1589) geschaffen, der in Braunschweig begraben worden war. Auftraggeber war dessen Witwe Ilse von Saldern, die neben dem Andenken ihres Mannes damit offenbar auch eine Rechtfertigung ihrer selbst im Erbstreit mit den Verwandten ihres Mannes beabsichtigte. Dazu gehören zwei Epitaphien, jeweils mit Standbildern des Verstorbenen im Mittelpunkt, die in ihrer Haltung an Roland-Statuen erinnern (Nr. 143, 144, 145, Abb. 28–30 u. 137–139). Zwei Bilder, die Reste eines Epitaphs des kinderlosen Paares aus Braunschweig sein dürften (Nr. 113 u. 114, Abb. 21–23), wurden aufgenommen, weil sie das Totengedenken des Paares in Hehlen, wo sie lange aufbewahrt wurden, und zugleich die Edition des Epitaphs im Band Stadt Braunschweig II ergänzen.41)

Bezeichnenderweise ist es ebenfalls ein „Zugezogener“, Wulbrand von Gülich, der seine als Offizier erworbene Stellung und sein Vermögen durch ein aufwendiges Epitaph dauerhaft für die Nachwelt darzustellen suchte (Nr. 165). Ähnliches gilt für das Epitaph, das Christoph Friedrich von Esleben, der sich in den Besitz des Klosters Kemnade gebracht hatte, für seine 1622 gestorbene Tochter Anna Sophia errichten ließ (Nr. 217).

Von den eingesessenen Familien sind nur aus der Familie von Grone drei Epitaphien erhalten, für Elisabeth von Helversen (1581, Nr. 93), das Kind Anna Maria von Grone (1590, Nr. 117) und [Druckseite 21] Simon von Grone (1610, Nr. 182). Von den früheren Grabdenkmalen der Familie von Bevern ist lediglich ein Gemälde erhalten, das den Rest eines vermutlich hölzernen Epitaphs bildet. Es zeigt ein Bild des Johann von Bevern und seiner Familie; die zugehörige Grabschrift wurde von Letzner überliefert (Nr. 69). Die ebenfalls von Letzner überlieferte Grabschrift für dessen Sohn Brun Arndt von Bevern dürfte ebenfalls auf einem hölzernen Epitaph angebracht gewesen sein (Nr. 112).

Epitaphien für Bürger finden sich mit zwei Ausnahmen nur in Bodenwerder bzw. dem benachbarten Kemnade. Dabei handelt es sich ausschließlich um Grabdenkmäler für Angehörige von Ratsfamilien. Dem frühen Epitaph für Katharina Bickhaber von 1592 (Nr. 127), eine Enkelin des in Ottenstein mit einer Grabplatte von Ebert Wolf geehrten Ernst Bickhaber (Nr. 100), steht das Epitaph gegenüber, das ihre Mutter etwa zwanzig Jahre später ihren beiden Ehemännern (einer war Bürgermeister in Bodenwerder, einer Amtmann in Grohnde) sowie mehreren Kindern setzen ließ (Nr. 194, 1613). Die anderen drei Epitaphien sind für den Stadtschreiber Franz Rust (Nr. 163, 1604) sowie für die Bürgermeister Anton Bötticher (1617, Nr. 203) und Hans Domes (Thumbs) (Nr. 210, 1619), jeweils mit ihren Ehefrauen, errichtet worden. Die beiden letzteren weisen in der Ausführung so große Übereinstimmungen auf, daß sie aus der gleichen Werkstatt stammen dürften.

Die Entstehung von zwei weiteren Epitaphien verdankt sich vermutlich weniger dem Rang der Verstorbenen, sondern tragischen Ereignissen – Unfällen oder Seuchenzügen. Ein schlichtes Gemälde in Ottenstein erinnert daran, daß zusammen mit Hans Althaus, der dort Amtmann gewesen sein dürfte, vier seiner Kinder am selben Tag verstorben sind (1598, Nr. 146). Die naive Darstellung einer Familie in Grave aus dem Jahr 1624 hält den Tod einer Frau zusammen mit drei ihrer Kinder am gleichen Tag in Erinnerung (Nr. 224, Abb. 194).

Nachdem die Wesergegenden von den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges erfaßt worden waren, wurden aufwendige Epitaphien nicht mehr errichtet. Die einzige Ausnahme davon findet sich in dem von der Durchgangsstraße im Lennetal abgelegenen Kirchbrak, wo 1634 eine Witwe für ihre zwei Ehemänner aus der Familie von Grone einen hölzernen Epitaphaltar errichten ließ, der im frühen 18. Jahrhundert zu einem Kanzelaltar umgebaut wurde, aber noch wesentliche Bestandteile seines ursprünglichen Aufbaus aufweist (Nr. 241). In Bevern fehlte es Statius von Münchhausen nach seinem Konkurs vermutlich an Geld, so daß für ihn und seine Frau 1633 jeweils „nur“ eine, heute stark überarbeitete Grabplatte angefertigt wurde (Nr. 237 u. 239).

An den 15 steinernen Epitaphien ist formal eine gewisse Reduzierung seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts auszumachen. Liegt bei den beiden frühesten, von Arend Robin gestalteten Beispielen (1553 u. 1569, Nr. 57 u. 77, Abb. 87 u. 95) eine klare Ädikula vor, die bei zwei weiteren in Kirchbrak gegen Ende des Jahrhunderts bereits freier interpretiert wird (1581 u. 1590, Nr. 93 u. 117, Abb. 103 u. 117), so zeigen nur noch zwei Epitaphien von 1604 (Nr. 165, Abb. 31) und 1613 (Nr. 194, Abb. 172) grundsätzlich diesen Aufbau. Die übrigen weisen – die vom zentralen Standbild dominierten Schulenburgschen Epitaphien in Hehlen bilden eine eigene Gruppe (Nr. 143 u. 144) – nur noch einzelne Bestandteile der klassischen Ädikulaform auf. Der von naiven, frontalen Personendarstellungen gekennzeichnete Stein in Grave (1624, Nr. 224, Abb. 194) läßt außer zwei Voluten in der Sockelzone jegliche architektonische Gestaltungsmerkmale vermissen, die sich umgekehrt auch auf einzelnen Grabplatten finden lassen. Die übrigen Epitaphien nähern sich der Gestalt von Grabplatten an, wofür die Übernahme von umlaufenden Inschriften (auch bei dem eben genannten Epitaph Nr. 165) ein deutliches Zeichen ist. Während bei den drei Epitaphien in Bodenwerder die Differenz zu Grabplatten durch die halbplastische Gestaltung der Figuren erreicht wird (Nr. 163, 203 u. 210, Abb. 152, 182 u. 183), so unterscheidet sich das Epitaph für Katharina Bickhaber in Kemnade (1592, Nr. 127, Abb. 120) vor allem durch seinen Aufsatz von der Grabplatte für den 1593 gestorbenen Johann von Grone (1593, Nr. 129, Abb. 121). Bei dem Epitaph für Simon von Grone (Nr. 182, Abb. 153) wird der Unterschied ebenfalls nur durch einen Aufsatz markiert, wie der Vergleich mit der Grabplatte für Heinrich von Grone (1617, Nr. 204, Abb. 181) zeigt. Aufsatz und Unterhang weist nur das Epitaph für das Kind Anna Sophia von Esleben auf, das 1622 oder später entstanden ist (Nr. 217, Abb. 32 u. 33).

Die überwiegende Mehrzahl der Epitaphien, wiederum außer den Schulenburgschen und den drei zuletzt genannten, aber auch die beiden gemalten (Nr. 69 u. 146), zeigen den oder die Verstorbenen, zum Teil mit ihren Familien, in Seiten- oder Dreiviertelansicht kniend in Bethaltung unter einem Kruzifix; dies gilt auch für die beiden Kinderepitaphien Nr. 117 u. 127. Diese Art der Darstellung [Druckseite 22] findet sich außerdem nur noch auf zwei Grabplatten von 1591 und 1593 (Nr. 120 u. 129) und einer nicht datierten (Nr. 269, 1. H. 17. Jh.). Bemerkenswert ist, daß sich die Adeligen (und ein bürgerlicher Amtmann, der zuvor vermutlich Offizier gewesen war: Ernst Bickhaber) zunächst alle in Rüstung darstellen ließen, vgl. Nr. 55, 57, 69, 77, 99, 100 u. 120. Seit dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts geschah dies nur noch in Ausnahmefällen; bei den früheren Kriegsunternehmern Fritz von der Schulenburg (1597, Nr. 143 u. 144) und Wulbrand von Gülich (Nr. 165, Abb. 31) sowie bei dem 1617 mit 105 Jahren gestorbenen Heinrich von Grone, der in jüngeren Jahren als kaiserlicher Rittmeister in Ungarn gekämpft hatte (Nr. 204, Abb. 181). Bei Statius von Münchhausen, der keine bedeutende Rolle als Soldat gespielt hatte, bleibt es bei Degen und Helm als Zeichen seiner Adelsqualität (Nr. 237). Zwei andere Adelige lassen sich dagegen seit Anfang der 1590er Jahre mit knielangen Mänteln abbilden (Nr. 129 u. 182, Abb. 121 u. 153), eine Kleidung, die sich von derjenigen bürgerlicher Amtmänner und Bürgermeister (Nr. 163, 200, 203, 210, 224 u. 227) nur durch den angedeuteten Degen unterscheidet. Der im Dreißigjährigen Krieg nach Kemnade verschlagene Bannerträger Balduin von Zerbst ist im Soldatenrock der Zeit mit Pluderhosen, ursprünglich einem Degen und Fahne dargestellt (Nr. 264, Abb. 218). Die nicht in Gebetshaltung abgebildeten Männer, Frauen und Kinder nehmen eine frontale, meist breitbeinige Position ein, bei der allenfalls der Kopf leicht gedreht ist. Die Ausnahme bilden die von Ebert Wolf nach 1586 gestalteten Männer und Frauen (Nr. 98, 99, 100 Abb. 107–109), die in einer lockeren Haltung in Dreiviertelansicht abgebildet sind.

Von den Geistlichen wird nur etwas mehr als die Hälfte auf den Grabplatten figürlich dargestellt: frontal, mit langem Mantel (Habit) und zumeist einem Buch in der Hand, wie Abt Andreas Steinhauer auf seiner später als Epitaph verwendeten Grabplatte, die 1588 von dem Mindener Bildhauer Johannes Barckhausen angefertigt wurde (Nr. 101, Abb. 112); ähnlich auch 1626 bei dem Haller Superintendenten David Meibom (Nr. 230, Abb. 195), während dessen Vorgänger Tilemann Lensen, wie Bürger und Adelige, Handschuhe in der Rechten hält (1623, Nr. 218, Abb. 187). Der mit 91 Jahren verstorbene Rühler Pastor Barthold Albrecht ist nur in Dreiviertelansicht abgebildet (1648, Nr. 261, Abb. 34), ebenso wie Anna Maria Lensen, die Ehefrau des Pastors von Bodenwerder und Kemnade (1642, Nr. 247, Abb. 205). Drei weitere Pastoren begnügen sich mit einem jeweils in Ritzzeichnung ausgeführten Kreuz (1610 u. 1628, Nr. 183 u. 233, Abb. 166 u. 201) bzw. Kelch (1598, Nr. 147, Abb. 142) auf ihren Grabplatten.

Über einen langen Zeitraum verzichtete dagegen nur einziger Adliger – der 1590 gestorbene Bartold von Campe in Stadtoldendorf – auf die Abbildung seiner Person und ließ sich unter einem in der Form mittelalterlich anmutenden, auf einen Bogensockel gestellten Kruzifix auf seiner Grabplatte begraben (Nr. 118, Abb. 119). Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß die aufwendigeren Stücke mit einer Darstellung des Verstorbenen sicher eine größere Chance auf Erhaltung hatten. Ab 1631 waren es möglicherweise die Bedrängnisse des Krieges, die jetzt in Meinbrexen und Deensen mehrere Grabplatten von Adeligen entstehen ließen, auf denen ein zentrales Bibelzitat von vier, teilweise durchaus aufwendig gearbeiteten Wappen, begleitet wird (Nr. 234, 235, 236 u. 259, Abb. 202, 200, 203 u. 213).

Adelige, Pastoren und bürgerliche Beamte haben auch Wickel- und Kleinkindern Grabdenkmäler gesetzt. Ausführlicher erwähnt wurden bereits drei Epitaphien für im Alter von 43 Wochen bis sechs Jahre verstorbene Kinder (Nr. 117, 127 u. 217, Abb. 117, 120 u. 32). Die übrigen zeigen in Frontalansicht die zeitgenössischem Gebrauch entsprechend eng gewickelten Säuglinge (Nr. 105 u. 192, Abb. 113); soweit die Angaben in den Inschriften dies erkennen lassen, sind die auf Kissen gelegten Wickelkinder nur wenige Tage alt geworden (Nr. 193, 211 u. 240, Abb. 171, 184 u. 198). Ältere Kinder, die ein Alter von einigen Monaten erreicht haben, werden im Kleid dargestellt; dies gilt, wie es zeitgenössischem Usus entspricht, auch für Jungen (Nr. 127 u. 205, Abb. 120 u. 179). Die doppelte Grabplatte für zwei Geschwister aus der Familie von Campe in Stadtoldendorf (Nr. 211) illustriert dies besonders deutlich. Halbplastisch sind die Kinder des Amtmannes Johann Stein dargestellt (1613 u. 1618, Nr. 193 u. 205). In zwei Fällen sind die Platten nur mit Wappen und geflügelten Engelsköpfen versehen (Nr. 169 u. 251, Abb. 158 u. 206).

Alle erhaltenen Grabdenkmäler weisen mindestens einen Sterbevermerk auf; weitere Inschriften kommen in einem unterschiedlichen Ausmaß hinzu. Während auf den Grabplatten der Sterbevermerk immer umlaufend angebracht ist, ist dessen Position wie die Zahl und Art weiterer Inschriften auf den Epitaphien je nach Aufbau und Größe variabler. So ist bei dem frühesten erhaltenen [Druckseite 23] Epitaph von 1553 in Polle der – sehr knappe – Sterbevermerk auf einem Schriftband im Giebelfeld angebracht; in der Sockelzone findet sich ein längeres Bibelzitat auf einer Rollwerkkartusche (Nr. 57, Abb. 87). Bei dem sechzehn Jahre später vom selben Bildhauer angefertigten Gegenstück am selben Ort haben beide Inschriftenarten ihren Platz getauscht. Der Sterbevermerk ist nun zu einem ausführlicheren Prosa-Grabspruch erweitert; in der Giebelzone findet sich dafür ein stark verkürztes Bibelzitat auf einem Schriftband (Nr. 77, Abb. 95). Diese Verteilung bestimmt grundsätzlich alle Epitaphien mit architekturähnlichem Aufbau, wobei das Bibelzitat den Giebel je nach Gestalt teilweise (Nr. 93, Abb. 103) oder vollständig einnehmen kann (Nr. 117 u. 182, Abb. 117 u. 153). Eine Ausnahme bildet das Kinderepitaph Nr. 217 (Abb. 32 u. 33), bei dem ein Bibelzitat auf dem Unterhang, ein zweites aber umlaufend angebracht ist. Über gemalte Epitaphien läßt sich nur wenig sagen, da diese mit einer Ausnahme, bei dem der Sterbevermerk auf einer Tafel unter dem Bild angebracht ist, gar nicht oder nur in Resten, d. h. den Gemälden, erhalten sind.

Bei der Mehrzahl der Grabplatten mit einer figürlichen Darstellung blieb es bei dem umlaufend angebrachten Sterbevermerk. In Einzelfällen kommt noch eine unterhalb des Dargestellten angebrachte Grabschrift hinzu, wie bei der später als Epitaph aufgestellten Grabplatte für Abt Andreas Steinhauer (Nr. 101, Abb. 112); ebenso bei dem als Epitaph anzusehenden Grabdenkmal für Franz Rust in Bodenwerder (Nr. 163, Abb. 152). Bei den Grabplatten ohne figürliche Darstellung nimmt ein Bibelzitat die zentrale Position auf der Platte ein (Nr. 147, 169, 198, 234, 235, 236, 251, 259 u. 272); auf der Platte für den gelehrten Pastor Andreas Compertus sind es drei Zitate (Nr. 183, Abb. 166). Nach 1633 wird auch eine Darstellung des Verstorbenen mit einem darunter angebrachten Bibelzitat kombiniert (Nr. 237, 239, 240, 247, 261 u. 267). Alle Bibelzitate sind, mit einer Ausnahme (Nr. 165),42) mit Stellenangaben versehen, zu der nur in zwei Fällen aus den Jahren 1632 und 1633 (Nr. 236 u. 237) die bis dahin ungebräuchliche Angabe des Verses kommt. Das häufigste Bibelzitat ist Mk. 10,14 (Lasset die Kindlein zu mir kommen ...), das sich auf den meisten Grabdenkmälern für Kinder findet. Je dreimal erscheint Hi. 19,25 (Ich weiß, daß mein Erlöser lebt ...) und Wsh. 3,1 (Der Gerechten Seelen sind in Gotts Hand ...), je zweimal Rö. 14,7–8, Jh. 14,19 und 2. Ti. 4,7–8.43)

Zu den Grabschriften lassen sich auch die kopial überlieferten Inschriften auf zwei Särgen rechnen (Nr. 238 u. 258). Diese trugen beide längere Inschriften mit biographischen Angaben zum Verstorbenen; von dem Sarg des Statius von Münchhausen ist zudem ein umfangreiches Programm mit zwei geistlichen Gedichten und zehn Bibelzitaten überliefert (Nr. 238).

Das auf den wenigen spätmittelalterlichen Grabdenkmälern sehr knappe Formular des Sterbevermerks, das sich auf das Jahr, den Namen und eine Fürbitte beschränkt, wird allenfalls durch Epitheta wie strenuus famulus für einen Adeligen (1466/67, Nr. 27) oder de Erbar Vnde veldo[gentsame] für eine bürgerliche Frau (Nr. 47) erweitert. Nur eine kopial überlieferte Grabschrift für den Amelungsborner Abt Werner de Insula von 1498 (Nr. 31) ist in lateinischen Versen abgefaßt. Dies Formular bleibt in seiner Grundform auch nach der Mitte des 16. Jahrhunderts bestehen.

Den Kern des Formulars dokumentiert der früheste, äußert knapp gehaltene Sterbevermerk, der auf einem relativ kurzen Schriftband Platz hatte: AN(NO) 1553 IST DER EDLE VND ERENVEST GORDT KETLER IM HERN SALIGLICH ENTSLAFEN (Nr. 57). Die Grundelemente bleiben ausnahmslos erhalten: Der Beginn mit „Anno“ oder „Anno Domini“, auch in den deutschsprachigen Inschriften, von denen nur eine mit der verknappt übertragenen Formel 1590 IAR einsetzt (Nr. 118), ist fast immer gegeben. Die weitgehend feststehenden Epitheta lassen im Fall teilweiser Zerstörungen der Inschrift eine Zuordnung des Sterbevermerks zu einem Adeligen, einem Bürger oder einem Pastor zu (vgl. Nr. 147).44) Über die Variationen der Sterbeformel informiert das Register 6.45) Ab den 1560er Jahren kommt die Angabe des Todestages hinzu, die nur in ganz wenigen Fällen fehlt: Die Grabplatte für den 1617 mit 105 Jahren gestorbenen Heinrich von Grone war vermutlich zu seinen Lebzeiten angefertigt worden und dabei der Platz für das Datum nicht freigelassen (Nr. 204, Abb. 181); in anderen Fällen wurde das Todesdatum auf einer zu Lebzeiten anfertigten Grabplatte nicht mehr nachgetragen (Nr. 236, 261); einmal war das Todesdatum der 40 Jahre vor ihrem Mann gestorbenen Ehefrau offenbar nicht mehr bekannt (Nr. 210). Der [Druckseite 24] 1647 oder 1648 gestorbene Johann von Falkenberg wurde, vermutlich wegen des Krieges, nicht an seinem Wohnort begraben (Nr. 259). In einem weiteren Fall sind zwar Todestag und Todesstunde angegeben, nicht aber das Jahr, was auf einem Fehler des Steinmetzen beruhen dürfte (Nr. 264). Die Angabe der Todesstunde tritt erstmals 1586 auf (Nr. 99); danach erscheint sie häufig, besonders regelmäßig auf den für die Familie von Grone angefertigten Grabdenkmalen.46)

Das Formular wird außerdem erweitert bei verstorbenen Frauen um die Nennung des Ehemannes – zumeist in der Form „des N. N. eheliche Hausfrau“ –, bei Kindern um die Angabe der Eltern. Aber auch bei erwachsenen Adeligen wird seit dem späten 16. Jahrhundert öfter der Vater genannt (Nr. 99, 144, 165 u. 237); dies gilt auch für den im Methusalem-Alter gestorbenen Heinrich von Grone (Nr. 204). Adelige lassen sich einige Male als Erbherr (Nr. 204) bzw. haereditarius (Nr. 259 u. 264) eines Besitzes oder auch als Pfandherr des Klosters Kemnade (Nr. 258) bezeichnen. Bürgerliche geben ihr Amt – Bürgermeister (Nr. 194, 203 u. 210), Amtmann (Nr. 193, 194, 200, 205) oder Pastor (Nr. 183, 218, 223, 230, 231, 233, 240, 247 u. 261) – an, leider nicht immer mit Angaben zur Wirkungsstätte. Die Anführung des Geburtstages oder Geburtsjahres (Nr. 204, 264) kommt seit Ende des 16. Jahrhunderts gelegentlich hinzu (Nr. 144, 165, 182, 237, 238, 239 u. 259); mit nur zwei Ausnahmen – verstorben sind eine Tochter und die erste Frau des Pastors Johannes Schwanflügel, der mit Amtsantritt auch ein Kirchenbuch zu führen begann (Nr. 240 u. 247) – nur bei Adeligen. Eine Fürbitte beschließt fast immer das erweiterte Formular.47)

Einige Sterbevermerke verlassen das Formular und nähern sich durch eine freiere Stellung der Elemente und deren Erweiterung (Nr. 93, 237 u. 239) den ausführlichen Grabschriften an, die sich auf mehreren Epitaphien finden. Beide Inschriftentypen erscheinen auf der ursprünglichen Grabplatte des Abtes Steinhauer (Nr. 101), dem Epitaph des Stadtschreibers Franz Rust (Nr. 163) und der Grabplatte des Pastors Georg Krebs (Nr. 223) nebeneinander. Anlaß für die Erweiterung des Sterbevermerks ist oftmals ein besonderes Ereignis, über das berichtet wird: zweimal der Tod eines Elternteils zusammen mit mehreren Kindern (Nr. 146 u. 224) oder ein Mord (Nr. 129). Die eigentlichen Grabschriften sind noch wesentlich ausführlicher, freier in der Form und gelegentlich auch in Versen verfaßt: Die Musterbeispiele finden sich, außer im Fall des Abtes Steinhauer, auf den Epitaphien für Fritz von der Schulenburg, zu deren umfangreichem Programm außerdem jeweils eine Bauinschrift und eine – durch die lateinische Sprache und Kapitalis-Schrift – hervorgehobene Stifterinschrift der Ehefrau Ilse von Saldern – gehört (Nr. 143 u. 144), sowie dem Grabdenkmal für Wulbrand von Gülich und seine Frau, zu dem außer einer lateinischen Grabschrift in elegischen Distichen auch noch ein Chronodistichon gehört (Nr. 165). Eine Devise findet sich auf einem der Schulenburgschen Epitaphien (Nr. 143), der Grabplatte des Johann von Falkenberg (Nr. 259), aber auch dem Grabmal des Pastors Andreas Compertus (Nr. 183).

Eine Ausnahme bildet in inhaltlicher wie formaler Hinsicht die sekundäre Grabplatte für Abt Andreas Steinhauer aus dem 17. Jahrhundert (Nr. 273, Abb. 222), die als einzigen Schmuck eine Grabschrift trägt, die auf die frühere Grabplatte, das nunmehrige Epitaph (Nr. 101), verweist.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der erhaltenen Grabdenkmäler sind die Wappen, die sich auf fast allen in Stein ausgeführten Epitaphien und den meisten Grabplatten finden. Alle Grabdenkmäler des Adels weisen Wappen auf, was die Bedeutung der Grabdenkmäler für die Darstellung des Standes, der sich nicht zuletzt an der Abstammung beweist, unterstreicht. Standard ist eine Ahnenprobe von vier Wappen, die zumeist in den Ecken der Grabplatte angeordnet sind; auf den Epitaphien ist die Verteilung freier (vgl. z. B. Nr. 117). Lediglich zwei Wappen finden sich auf der Doppelgrabplatte für zwei Kinder der Familie von Campe (Nr. 169) und bei einem anderen Mitglied der Familie, dessen Mutter eine Bürgerliche war (Nr. 118), weswegen vermutlich darauf verzichtet wurde, auf frühere Generationen Bezug zu nehmen. Die Wappen eines Ehepaares zieren zwei besondere Objekte: das Epitaph im Hof von Schloß Hehlen (Nr. 144) und den Sarg des Statius von Münchhausen (Nr. 238). Ahnenproben mit acht oder sechzehn Wappen dokumentieren ein noch einmal erhöhtes Repräsentationsstreben. Sie finden sich daher auch nur auf aufwendiger gestalteten Grabplatten oder Epitaphien.48) Acht Wappen zieren die von Ebert Wolf geschaffene [Druckseite 25] Grabplatte der Maria von Bortfeld (Nr. 98),49) sechzehn die ihres Sohnes August von Steinberg (Nr. 99), Heinrich von Grones (Nr. 204) sowie die für Statius von Münchhausen und seine Frau Dorothea von Bothmer (Nr. 237 u. 239). Sechzehn Wappen finden sich auch auf dem Epitaph für Fritz von der Schulenburg im Schloß Hehlen (Nr. 143); Anna von Wechsungen ließ 1634 für sich und ihre beiden verstorbenen Ehemänner drei Ahnenproben dieser Dimension auf dem von ihr in Kirchbrak gestifteten Epitaphaltar anbringen (Nr. 241). Einen Sonderfall bildet das Epitaph für den Obersten Wulbrand von Gülich, dessen etwas überladener Versuch der Statussicherung ihn ebenfalls acht Wappen anbringen ließ, von denen aber nur eines auf eine alte Adelsfamilie unter den Vorfahren verweisen konnte (Nr. 165). Die Wappen der großen Ahnenproben sind, mit Ausnahme derjenigen auf der Grabplatte für Heinrich von Grone (Nr. 204), mit Beischriften versehen, die der kleineren seltener. Vermutlich waren die ersteren erläuterungsbedürftiger.

Anders sehen die Verhältnisse bei den Verstorbenen bürgerlichen Standes aus. Wappen fehlen nur auf den beiden zur Erinnerung an außerordentliche Todesfälle gestifteten schlichten Epitaphien (Nr. 146 u. 224) und auf einer Grabplatte für einen Pastor aus dem Jahr 1598 (Nr. 147). Die überwiegende Zahl der Grabdenkmale, im 17. Jahrhundert auch die der Pastoren oder ihrer Angehörigen, trägt zwei Wappen, die entweder für ein Ehepaar stehen oder für die Eltern jung verstorbener Kinder; in einem Fall werden die Elternwappen auf dem Epitaph eines Paares angebracht (Nr. 210). Auf der Grabplatte für Abt Steinhauer steht sein eigenes Wappen dem des Klosters gegenüber. Lediglich einmal wird für ein Kind aus der Familie Bickhaber, das unter seinen Großmüttern immerhin eine geborene von Bortfeld aufweisen konnte, eine Vierer-Ahnenprobe angebracht (Nr. 127). Das Vorbild des Adels hat die Verwendung (und Erfindung) von Wappen für standesbewußte Bürgerliche (Amtmänner, Bürgermeister, Pastoren) fast unumgänglich gemacht; diese verweisen aber zuerst auf die Person und nicht die Familie, weswegen die Beischriften auch zumeist nur Initialen sind, einmal auch der ganze Name (Nr. 163), was beim Adel seltener vorkommt.

Die Hausinschriften

Von den 60 Hausinschriften des Katalogs, dem zweitgrößten Bestand des Bandes, ist nur die Hälfte erhalten. Unter den drei Städten weist Bodenwerder die größte Zahl (11) und auch die beiden frühesten Inschriften – die einzigen Hausinschriften aus dem 15. Jahrhunderts von 1481 (Nr. 30) und 1484 (Anhang 1, 1484) – auf. In Holzminden sind es nur sieben, weil die Stadt 1640 fast vollständig abbrannte; aus der Zeit davor sind nur Inschriften aus einem etwas abseits gelegenen Haus (Nr. 172) und Spolien (Nr. 173 u. 199?) erhalten. Der Wiederaufbau begann nur langsam; auch aus den Jahren 1640 bis 1650 liegen nur vier Nummern vor. Mehrere undatierte Inschriften, die zweifelsohne aus dem 17. Jahrhundert stammen, wurden nicht aufgenommen, weil die Ortsgeschichtsschreibung zeigen konnte, daß diese Häuser erst nach 1650 entstanden sind.50) Wie bei Bodenwerder fallen damit einige interessante Inschriften aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus dem Bestand heraus.51)Aus Stadtoldendorf liegen nur fünf Nummern vor; demgegenüber weist der unter der Regie des Statius von Münchhausen ab 1590 sich schnell entwickelnde Flecken Bevern sogar sechs Inschriften auf. Der Rest verteilt sich auf insgesamt 22 Dörfer und Flecken, in denen sich jeweils eine oder zwei Inschriften finden; nur in einem Fall (Warbsen) sind es drei.

Die äußere Gestalt der städtischen wie der dörflichen Häuser ist schlicht; der Schmuck ist zumeist ornamental (Taubandfriese u. ä.); hinzu kommen allenfalls Handwerkszeichen. Zeitlich setzen die städtischen und dörflichen Hausinschriften – mit Ausnahmen der beiden genannten aus Bodenwerder – erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein (1549, 1550); der Schwerpunkt liegt auf den Jahren zwischen 1580 und 1627. Nach einem Einzelfall (1636) kommt es erst ab 1640 wieder zu einer gewissen Neubautätigkeit, an der Holzminden und Bodenwerder den größten Anteil haben.

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Der erste Zweck der Hausinschriften ist die Selbstdarstellung des oder der Bauherren, die sich mit ganz wenigen, zumeist früheren Ausnahmen (Nr. 54, 63, 72 u. 201) mit Name und Jahreszahl an den von ihnen erbauten Häusern nennen. Bei den übrigen Fällen von Hausinschriften ohne Namensnennung handelt es sich offenbar um spätere Teilverluste (vgl. Nr. 254, 270, auch Nr. 154?). Die Inschriften, die an 42 Häusern über Name und Jahreszahl hinaus angebracht wurden, haben zumeist einen religiösen Inhalt. Neben solche Inschriften, die dabei auf das Bauen selbst Bezug nehmen, treten diejenigen, die allgemein der Frömmigkeit des Bauherrn Ausdruck verleihen. Für erstere stehen sowohl Bibelzitate – Ps. 120,8 (lat.: Nr. 140 u. 202) bzw. 121,8 (dt.: Nr. 178) – wie das häufige Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Nr. 149, 150, 177 u. 185), das in zwei Fällen in einer längeren, auf ein Kirchenlied zurückgehenden Version erscheint (Nr. 189, 191, auch 253?); einmal wird der Text mit der Nennung des Bauherrn verknüpft (Nr. 187), an anderer Stelle erscheint er als Aufforderung formuliert: Auf Gott laßt uns bauen ... (Nr. 178 u. 225). Die in vielen Orten häufige, fromme Distanzierung vom Stolz auf das neu erbaute Haus, ausgedrückt in dem Gedanken, nur zeitweiliger Bewohner des Hauses und auf Erden überhaupt zu sein, findet sich nur zweimal (Nr. 250 u. 270). An erster Stelle der allgemein Frömmigkeit ausdrückenden Inschriften steht auch im Landkreis Holzminden die protestantische Devise Verbum domini manet in aeternum (zuerst 1575, Nr. 79; 148, 207), die sich außerdem an einem Kirchenbau von 1577 und auf einem Taufstein von 1581 findet (Nr. 81, 91); auch An Gottes Segen ist alles gelegen kommt öfter vor (Nr. 199, 209 u. 246). Bibelzitate in lateinischer (Nr. 72 u. 197) und deutscher Sprache spielen dabei eine große Rolle, wobei das ungewöhnliche Sir. 19,21 (Nr. 54, Abb. 39, 1550) auffällt. Nur wenige Häuser zeichnen sich durch die Anbringung von mehreren Inschriften aus, vor allem Nr. 162 (Abb. 42 u. 43) in Bodenwerder von 1604, das eine (unvollständige) Prosainschrift, deutsche Reimverse und lateinische Hexameter, darunter ein als Sprichwort gängiges Ovid-Zitat, aufweist und damit neben der Frömmigkeit des zweimal genannten Bauherren-Paares auch dessen Bildungsanspruch präsentiert. Ähnliches dürfte für das lateinisch zitierte Sprichwort Recte faciendo neminem timeas gelten, das neben einem Liedtext und deutschsprachigen Bibelzitaten angebracht wurde (Nr. 189, ebenfalls Bodenwerder, Abb. 168–170). In einem Fall aus Stadtoldendorf finden sich neben einem religiösen Spruch Verse, die die Möglichkeit von Freundschaft vor dem Hintergrund der Schönheit der Ehefrau thematisieren (Nr. 186, Abb. 44–46). Für die sonst (nur in größeren Städten?) häufigeren Neidsprüche findet sich nur ein Beispiel (Nr. 123).

Die frühesten Inschriften, die protestantische Frömmigkeit dokumentieren, finden sich in Bodenwerder (Nr. 54, 63 u. 72), das zum Fürstentum Calenberg gehörte, in dem die Reformation bereits in 1540er Jahren faktisch durchgesetzt war. In den übrigen Ortschaften setzen solche Inschriften erst einige Jahre nach dem Regierungsantritt von Herzog Julius (1568) ab 1575 (Nr. 79, unsicher) bzw. 1580 ein. Die Inschrift von 1549 in Forst (Nr. 53) ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Formal, weil sie an einem Amtsgebäude angebracht wurde, und inhaltlich, weil der Amtmann des katholischen Herzogs Heinrich d. J. neben einer in einen Hexameter gefaßten religiös-politischen Klage, die sich eindeutig gegen die Reformation richtet, ein lateinisches Bibelzitat anbringen ließ (Ps. 127,1), das zu einer der bevorzugten protestantischen Bauinschriften im norddeutschen Raum wurde.

Einige Inschriften beziehen sich auf historische Ereignisse oder überliefern historische Informationen. Von zwei Hausinschriften in Wangelnstedt aus demselben Jahr (1591) erinnert die eine an die Wiederbesiedlung des Dorfes und greift damit auf ein über 70 Jahre zurückliegendes Geschehen (1518 laut Inschrift) zurück (Nr. 121), die andere berichtet von trockenen Sommern und guter Mast in den zurückliegenden Jahren (Nr. 122). Eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Stadt Braunschweig und dem Herzog im Jahre 1606 hinterließ soviel Eindruck, daß ein Bauherrenpaar in Emmerborn in seiner Inschrift darauf Bezug nahm (Nr. 167). An Pfarrhäusern wird wiederholt über die Umstände ihres Baus berichtet. In Derental informierten elegische Distichen des zweiten Hausherrn darüber, daß das Haus auf Kosten und unter Mithilfe der Einwohner des Ortes gebaut worden war (Nr. 95, nach 1584); dasselbe besagte, in schlichteren Worten, eine Inschrift von 1618 in Deensen (Nr. 207). Ebenfalls in elegischen Distichen präsentierte ein Pfarrer um 1620 in Stadtoldendorf seine Bildung (Nr. 215). Der Pastor in Heinsen nahm 1614 mit einem lateinischen Bibelzitat auf sein Amt Bezug (Mal. 2,7; Nr. 197). Wiederum in elegischen Distichen feierte der Amtmann Nikolaus Thesmar 1609 seinen Herzog und Gönner Heinrich Julius mit einer zweispaltigen Inschrift auf einer Steintafel, die auch in ihrer eleganten Ausführung in einer humanistischen Minuskel beeindruckt (Nr. 172, Abb. 155).

Die Glocken

Von insgesamt 27 Glockeninschriften sind 15 nur kopial überliefert, von denen wiederum drei lediglich Jahreszahlen (s. Anhang 1) aufwiesen. Die Verluste haben sich überwiegend bereits zwischen dem 17. und frühen 20. Jahrhundert ereignet, wie die bereits von Steinacker ausgewerteten Nachrichten in den um 1750 entstandenen Corpora bonorum und ein Abgleich mit dem Zustand um 1900 bzw. zu Anfang des 21. Jahrhunderts zeigt.

Die beiden frühesten Glocken datieren in das Jahr 1447, die früheste erhaltene stammt aus dem Jahr 1471. Aus vorreformatorischer Zeit liegen bis 1529 insgesamt zehn Glocken vor. Nach einer von Herzog Heinrich d. J. 1564 für Eimen gestifteten Glocke stammen 13 aus der Zeit zwischen 1588 und 1623, davon allein vier aus dem Jahr 1610. Von drei nicht datierten gehört eine der Inschrift nach ins 15. Jahrhundert (Nr. 35), eine weitere ist durch einen frühen Kaufvertrag (Nr. 26) zeitlich einzuordnen; die dritte ist nur ungefähr in das 16. oder 17. Jahrhundert zu datieren (Nr. 271). Auf den früheren Glocken finden sich bekannte Glockensprüche jeweils zweimal: Das seit dem Hochmittelalter bekannte Gebet O rex gloriae veni cum pace (Nr. 21 u. 22) sowie der ähnlich verbreitete, einem Gedicht über die Bestimmungen der Glocken entstammende Hexameter vox mea vox vitae voco vos ad sacra venite (Nr. 35); in einem Fall ist dieser mit dem derselben Quelle entnommenen, ebenfalls verbreiteten Glockenspruch defunctos plango vivos voco fulgura frango verbunden (Nr. 28). Die Bitte um Erhalt der Glocke det Deus ut sana permaneat ista campana erscheint ebenfalls doppelt (Nr. 36 u. 40). Maria, Jesus sowie Heilige, Patrone der Kirche oder Kapelle, für die die Glocke gegossen wurde, werden durch Anbringung ihrer Namen auf der Glocke angerufen: St. Urban in Brevörde (Nr. 40), St. Nikolaus in Holzen (Nr. 46). Auf einer Glocke wird außer Maria die personifizierte „Hilfe Gottes“ angerufen: helff got weß ik begynne (Nr. 26). Bis auf zwei sind alle Glocken vor 1529 durch Inschriften datiert, von denen wiederum zwei auch den Tag des Gusses nennen (Nr. 20 u. 21). Der Gießer nennt sich in vier Fällen: Meister Dietrich goß 1447 eine Glocke (Mester didreck me fecit, Nr. 21), Hans Arnemann goß 1503 und 1508 zwei Glocken (Nr. 36 u. 39), eine weitere von 1516 könnte der Schriftgestaltung nach ebenfalls seiner Werkstatt entstammen (Nr. 40). Auf der ersteren spricht die Glocke in einem Vers: maria het ick /mester hans arneman ghod meck. Auf einer Glocke, die durch die kopiale Überlieferung auf 1447 datiert ist, nennt diese in einem niederdeutschen Gedicht ihren gleichnamigen Gießer: han[es] arneman mi gegoten had (Nr. 20). Eine Verlesung der Jahreszahl 1447 für 1497 ist möglich, aber nicht sicher zu beweisen. Beide Gießer waren überregional tätig; von Meister Dietrich ist noch eine Glocke im Landkreis Hameln-Pyrmont bekannt, von Hans Arnemann zwei weitere in den Landkreisen Göttingen und Northeim (vgl. den Kommentar zu Nr. 36).

Die 1564 für die Kapelle in Eimen gegossene Glocke trägt eine längere Inschrift, in der diese ihren Stifter Herzog Heinrich d. J. nennt. Als Gießer ist durch stilistische Übereinstimmungen Cordt Mente zu identifizieren, der seit Beginn der 1530er Jahre tätig war (vgl. Nr. 66, Abb. 90). Auf den nach 1588 entstandenen Glocken, die komplette Inschriften tragen, nennen sich die Gießer selbst. Zu diesen gehört ein weiteres Mitglied der bedeutenden Gießerfamilie Mente, Dietrich, der 1610 zwei Glocken goß (Nr. 181 u. 184). Weitere Gießer sind 1588 Johann Poick aus Petershagen an der Weser (Nr. 103 u. 104), 1595 und 1597 der sonst unbekannte Harmen (Hermann) Bincke (Nr. 132 u. 142), 1603 und 1610 der im ganzen südlichen Niedersachsen tätige Joachim Schrader (Nr. 159, 168 u. 180), 1610 Friedrich Bielefeld aus Einbeck (Nr. 179) sowie 1623 Heinrich Korver, der ebenfalls im heutigen Landkreis Northeim tätig war (Nr. 219).

Der Schwerpunkt der Glockeninschriften nach 1588 liegt auf der Nennung von Amtsträgern zur Zeit des Gusses: des Pastors oder Superintendenten, der Altar- oder Älterleute als Vorsteher der Kirchengemeinde, zweimal auch des Amtmannes (Nr. 103). Dahinter mögen sich in Einzelfällen auch Stifter verbergen, die Beiträge zu den Kosten des Gusses geleistet haben – wie der ansässige Adelige Simon von Grone (Nr. 168); ausdrücklich gesagt wird dies nur von einem Amtmann im benachbarten Salzderhelden (heute Lkr. Northeim), der 1623 in seinem Heimatort Heinade eine Glocke stiftet (Nr. 219). Aus dem Rahmen fällt die lange, in lateinischer Sprache abgefaßte Inschrift, die das Jahr des Gusses zusätzlich mit der Angabe der Regierungsdaten des Kaisers Rudolf II., des Herzogs Heinrich Julius, des Abtes von Amelungsborn und des Amtmannes von Fürstenberg angibt. Außerdem erwähnt die Inschrift ausdrücklich, daß die Kosten der Glocke durch Beiträge der Einwohner bestritten wurden (Nr. 181). Nur auf dieser und auf einer weiteren Glocke (Nr. 180) wurde außerdem ein Bibelzitat angebracht.

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Die einzige Ausnahme von diesen Beobachtungen stellt die Glocke dar, die Statius von Münchhausen für sein Schloß in Bevern gießen ließ und die lediglich seinen Namen und das Jahr des Gusses (1614) trägt (Nr. 195).

Sonstige kirchliche Ausstattungsstücke

Die insgesamt 56 Inschriftenträger decken einen weiten Bereich von Objekten zwischen hochmittelalterlichen Wandmalereien und Oblatendosen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ab, wobei die lokale Zuordnung und das Schicksal der beweglichen Objekte wie der Kelche vielfach besonders unsicher ist. Die durch die Reformation ausgelösten Veränderungen von Gottesdienst und Frömmigkeit haben gravierende Umgestaltungen in den Kirchengebäuden und an den Kirchenausstattungen bewirkt. Im Ergebnis zeigt sich dies besonders deutlich in Amelungsborn, wo seit den 1580er Jahren der Lettner abgebaut und eine Kanzel und ein Taufstein aufgestellt wurden.52) Viele Veränderungen dort wie in anderen Kirchen stehen offenbar nicht direkt im Zusammenhang mit der Reformation, sondern gehen vor allem auf spätere Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg, die Vernachlässigung in Folge von Funktionsverlust im 18. Jahrhundert und Renovierungen des 19. Jahrhunderts zurück.53) Der Wechsel von Moden im Hinblick auf Kirchenausstattungen hat bei Renovierungen seit dem 18. Jahrhundert ein übriges getan. Übertünchungen haben andererseits Wandmalereien vermutlich bewahrt, so daß drei nach Freilegungen in den letzten Jahrzehnten wieder zu sehen sind (vgl. Nr. 1, 85 u. 108). Empfindliche Objekte wie Glasgemälde sind in Amelungsborn noch im 19. Jahrhundert erheblich dezimiert worden.54) Das größte, im Zuge des Historismus im späten 19. Jahrhundert restaurierte Fenster ist bis auf wenige Reste ein Opfer von Kriegshandlungen im April 1945 geworden (Nr. 7). Ein weiteres Glasgemälde aus Amelungsborn hat dagegen durch den Ausbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und eine zweimalige Verlagerung in Teilen überdauert und ist schließlich in das Kloster zurückgekehrt (Nr. 6, Abb. 2 u. 3).

Die mittelalterlichen Ausstattungsstücke sind überwiegend als Einzelobjekte zu würdigen. Die ältesten Inschriften aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts in der Kirche von Kirchbrak gehören zu einem Bildtypus (Kreuzesabnahme), der als Wandmalerei selten in Niedersachsen ist; sie weisen zudem die einzigen griechischen Buchstaben (im Titulus) auf (Nr. 1, Abb. 1), die sich im Lkr. Holzminden in Inschriften finden. Der wenig spätere Taufstein aus Hohe ist bemerkenswert wegen seiner romanischen Schmuckformen, seiner Schrift (s. Abschnitt 5 der Einleitung) und wegen des Inhalts der Inschrift, die auf die Bedeutung des Taufsakraments verweist (Nr. 2, Abb. 47 u. 48). Herausragend ist auch die in Amelungsborn erhaltenen Piscine, ein Handwaschbecken für den Priester und für kirchliche Gerätschaften (vasa sacra). Sie wurde (erst am Ende des 16. Jahrhunderts?) entfernt, im Schutt vergraben und im 19. Jahrhundert wieder aufgefunden. Sie ist vermutlich das einzige Beispiel eines solchen Objektes mit einer Inschrift, die, soweit sie rekonstruierbar ist, auf dessen Funktion Bezug nimmt (Nr. 3, Abb. 49–51). Die Glasmalereien aus Amelungsborn illustrieren Formen der Christus- und Marienverehrung in einem Zisterzienserkloster in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts; die zu einem Marienleben gehörenden Inschriften verweisen auf die Kenntnis apokrypher Bibelbücher im Klosterleben (Nr. 6 u. 7). Während der prachtvolle steinerne Levitenstuhl, auf dessen Rückseite sich eine kurze Inschrift findet, ein Beispiel für ein wenig verändertes Stück der Ausstattung des Klosters ist (Nr. 9, Abb. 53), bilden die Inschriften auf vier Schlußsteinen der Vierung mit den Symbolen der Evangelisten im Gegensatz dazu den Musterfall einer totalen, teilweise sinnentstellenden Überformung des ursprünglichen Befundes durch Restaurierungen (Nr. 8). Die Marienfigur in Kemnade aus dem frühen 15. Jahrhundert wurde vermutlich im Zuge der Begründung einer Grablege der Edelherren von Homburg gestiftet (s. o.); die Inschrift auf der fest mit der Wand verbundenen Krone wurde in jüngerer Vergangenheit verlesen, was seitdem zu Verwirrung Anlaß gegeben hat (Nr. 15, Abb. 4 u. 5). Das hölzerne Altarretabel dort (Nr. 16, Abb. 6) ist mehrfach umgestaltet und restauriert worden, ein Schicksal, das es mit einem weiteren Retabel in Delligsen (Nr. 32, Abb. 73 u. 74) teilt. Eine Sakramentsnische mit einer Stifterinschrift von 1527 ist möglicherweise aus einem älteren Sakramentshaus umgearbeitet (Nr. 44, Abb. 77).

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Eine der Inschriften auf dem künstlerisch herausragenden Amelungsborner Kelch von 1478 (Nr. 29, Abb. 7–11) steht mit einem Zitat des Arnulf von Löwen in einer Tradition mystischer Frömmigkeit im Zisterzienserorden; die Auswahl der dargestellten Heiligen wie die künstlerische Gestaltung des Werkes deuten gleichzeitig den weiten Horizont der Beziehungen eines Zisterzienserklosters an. Dieser Kelch wird durch die Stifterinschrift des Abtes Johann von Dassel eindeutig datiert und lokalisiert. Dies unterscheidet ihn von den meisten anderen Kelchen im Bestand. Hinzu kommt, daß Kelche häufig repariert oder nach der Reformation umgestaltet und mit einer größeren Kuppa versehen wurden, um sie für den Gebrauch in der Abendmahlsfeier der Gemeinde verwendbar zu machen. Vielfach sind als die ältesten Teile nur die Schaftstücke oder die Rotuli des Nodus erhalten, auf denen sich häufig in einzelnen Buchstaben die Inschrift IHESVS findet. Viele der insgesamt 13 Kelche lassen sich nur über die Form dieser Buchstaben annähernd datieren (Nr. 33, 34, 51, 73 u. 74). Die Stifter- bzw. Stiftungsinschriften, sind, wie geseke (Nr. 42, Abb. 81) oder to deme hoge (Nr. 43), häufig sehr knapp. In einem Fall zeigt die Stifterinschrift des Rates von Bodenwerder aus dem Jahr 1589 nur eine Erneuerung an, während die Schaftstücke früher entstanden sind (Nr. 49, Abb. 84 u. 85); ein als Gegenstück anzusehender Kelch trägt eine längere Stifterinschrift, die aber leider nicht datiert ist (Nr. 48, Abb. 82 u. 83). Bei einer Umarbeitung eines anderen Kelches im Jahr 1642 durch einen Braunschweiger Goldschmiedemeister wurden die Rotuli verkehrt eingesetzt, so daß die Inschrift jetzt IEHSVS lautet. Nach der Reformationszeit angefertigt wurden nur zwei, durch Stifterinschriften auf 1576 (Nr. 80, Abb. 98) und 1591 (Nr. 119) datierte Stücke, von denen der letztere heute nicht mehr erhalten und damit der einzige kopial überlieferte Kelch ist.

Der Verlust an Kelchen und anderen liturgischen Geräten durch Diebstahl und Veruntreuung dürfte, vor allem im Dreißigjährigen Krieg, relativ hoch anzusetzen sein: In Amelungsborn, das für seine im Jahr 1409 zwölf Altäre eine reiche Ausstattung an Altargeräten besaß, veruntreute ein Verwalter bereits während der Finanzkrise vor bzw. zu Anfang des Krieges Altargeräte und Wertgegenstände, die ein früherer Abt 1542 während der Schmalkaldischen Herrschaft zu der dem Kloster verbundenen Familie Töbing nach Lüneburg ausgelagert hatte, wo sie erst 1617 wiederentdeckt worden waren; mindestens zwei Kelche verschwanden im Verlauf des Krieges.55) Andererseits könnten ein oder zwei Kelche auch als Kriegsbeute an den heutigen Ort gekommen sein, was sich aber nicht sicher belegen läßt (vgl. Nr. 33 u. 51).

Die übrigen Objekte der Kirchenausstattung sind zumeist ab etwa 1580 entstanden. Ursache dafür ist überwiegend die veränderte Form des Gottesdienstes nach Einführung der Reformation in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568; damit einher ging auch der Neubau oder die Erweiterung von Kirchen.

In zwei Kirchen sind Wandmalereien angebracht worden, die die Akzeptanz der Bilder in lutherischen Kirchen nach der Unterzeichnung der Konkordienformel 1577 widerspiegeln. Handelt es sich in der 1575/77 neu erbauten Kirche in Derental um eine naiv anmutende Kreuzigungsgruppe, die als Inschrift lediglich einen Titulus trägt (Nr. 85, Abb. 13), so entstand in Meinbrexen 1588 oder 1589 ein anspruchsvolles Programm mit heute noch acht biblischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Die nur noch in Resten zu entziffernden Inschriften bestanden ursprünglich aus jeweils zwei lateinischen und vier deutschen Versen zu jedem Bild. Auftraggeber war Statius von Münchhausen, der an der Kirchenwand außerdem eine ursprünglich jeweils achtteilige Ahnenprobe seiner selbst und seiner Frau anbringen ließ (Nr. 108, Abb. 16–20). Münchhausen ließ außerdem von dem Maler Johann Hopfe aus Hildesheim ein Altarretabel mit einer Darstellung des Letzten Abendmahls für die Kirche anfertigen (Nr. 109, Abb. 14 u. 15). Gemalte Darstellungen des Letzten Abendmahls, das zum exemplarischen protestantischen Altarbild wurde, finden sich im Landkreis Holzminden noch zwei weitere aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Nr. 212 u. 257) sowie eine geschnitzte (Nr. 241). Auf den beiden Altarbildern (Nr. 109 u. 212) sind die Einsetzungsworte zum Abendmahl als Inschrift unter dem Bild angebracht. Bei dem heutigen Kanzelaltar Nr. 257 erläutern eine kurze lateinische Inschrift und ein deutschsprachiges Gedicht den Bildinhalt; bei dem früheren Epitaphaltar Nr. 241 stand dagegen das Totengedenken im Mittelpunkt.

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Die neun erhaltenen frühneuzeitlichen Taufsteine und ein hölzerner Taufständer sind ab 1581 entstanden. Zum Teil haben sie ein wechselhaftes Schicksal von Aussortierung, Entfernung aus dem Kirchenraum, Nutzung als Blumenkübel und Wiederaufstellung hinter sich (vgl. Nr. 161 u. 226). Die beiden frühesten, die vom selben, namentlich nicht bekannten Steinmetzen stammen, der auch im Landkreis Göttingen gearbeitet hat, erinnern mit ihrem relativ großen Durchmesser und ihrer wuchtigen Gestalt noch an vorreformatorische Taufbecken (Nr. 91 u. 92). Die späteren sind, mit einer Ausnahme (Nr. 226, 1625), alle schmaler, wie es dem gedrängteren Platz bei der nun vielfach üblich werdenden Aufstellung im Altarraum zusammen mit Kanzel und Altar entspricht.56) Auf den Taufen finden sich zwei Typen von Inschriften: Bibelzitate (ab 1597) und Auftraggeber- bzw. Stifterinschriften. Von den früheren Taufbecken trägt nur eines eine Inschrift mit inhaltlicher Aussage: die protestantische Devise V(ERBUM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNUM), die sich im Landkreis Holzminden sonst vor allem in Hausinschriften findet (s. dort). Unter den sechs Bibelzitaten auf fünf Taufen gibt es kein bevorzugtes; sie haben, wie zu erwarten, alle einen Bezug auf die Taufe (Nr. 141, 161, 226, 256 u. 268). Drei der Taufen tragen Namen und bzw. oder die Wappen ihrer adeligen Stifter (Nr. 92, 161, 256); in einem Fall handelt es sich um ein bürgerliches oder bäuerliches Paar (Nr. 226). In Amelungsborn, wo die Klosterkirche zur Gemeindekirche des benachbarten Dorfes Negenborn wurde, stehen die Wappen des Herzogs und des Abtes auf dem Stein (Nr. 125). Um das Taufbecken war ein Gitter mit den Namen und Wappen der überwiegend bürgerlichen Stifter aufgestellt, die mit dem Kloster in Verbindung standen; darunter war aber auch der katholische Abt von Corvey (Nr. 126). Auf zwei Taufen erscheinen die Initialen (Nr. 91) bzw. Namen (Nr. 161) von Personen, die vermutlich die amtierenden Kirchenvorsteher waren; auf einem nennt sich an sehr auffallender Stelle auf dem oberen Rand des Beckens der Steinmetz Meister Jürgen Bostt (Nr. 152). Die Mehrzahl der Taufen, mit Ausnahme des Taufsteins in Amelungsborn, an dessen Stiftung Herzog Heinrich Julius beteiligt war, und des hölzernen Taufständers, den Christoph Friedrich von Esleben stiftete, sind Produkte einer schlichten Handwerkskunst.

Kanzeln und Emporen, die mit einer Ausnahme nach 1589 entstanden, sind vielfach Umbauten und Moden unterworfen, so daß sich oftmals nur noch Teile der ursprünglichen Konstruktionen finden, die in neue Aufbauten integriert wurden. Auf zwei der drei erhaltenen Kanzeln sind bzw. waren die Evangelisten abgebildet; in einem Fall sind nur noch drei Tituli erhalten (Nr. 266), in dem anderen werden die Bilder der vier Evangelisten und des Moses von gemalten, aus den jeweiligen Büchern stammenden Zitaten begleitet, die Predigt und Glauben thematisieren (Nr. 110). Sie gehören damit zu der verbreitetesten Form der lutherischen Kanzeln.57) Auf den Teilen einer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einen Kanzelaltar integrierten Kanzel finden sich sechs Bibelzitate, die auf das biblische Wort und seine Verbreitung durch die Predigt Bezug nehmen (Nr. 257). Auf drei Kanzeln standen oder stehen inschriftliche Erinnerungen an die Stifter, in einem Fall ergänzt durch die Nennung des beteiligten Zimmermanns (Nr. 266). Auf der frühesten, nicht erhaltenen Kanzel aus dem Jahr 1565 wurden zwei Älterleute genannt (Nr. 68), ähnliches gilt für ein Brett, das vermutlich der Rest einer Empore war (Nr. 153). Gleich auf zwei Emporen in Dielmissen und Hunzen hat sich der zuständige Pastor als Initiator des Einbaus nennen lassen (Nr. 128 u. 139), der sich zudem in einer Bauinschrift an der Kirche in Dielmissen nennt (Nr. 131). Unter den Emporen fällt wiederum eine Stiftung des Statius von Münchhausen aus dem Rahmen, die zeitweise in ein Museum nach Braunschweig gebracht worden war, bevor sie in die Nachfolgekirche nach Bevern als Wandschmuck zurückgekehrt ist. Auf dieser beherrschen das Stuckrelief des Stifters und, neben Renaissance-Drolerien, zwei achtteilige Ahnenproben seiner selbst und seiner Frau den Eindruck. Eine Inschrift informiert über den Grundherrn des Ortes und seine weitverstreuten Besitzungen (Nr. 138, Abb. 24–27). Das Renaissance-Gestühl der Kirche in Ottenstein trug lediglich die Initialen des adeligen Pfandinhabers und eine Jahreszahl (Anhang 1, 1607). In Pegestorf wurde 1583 ein Bibelpult aufgestellt, das die Jahreszahl trug (Anhang 1, 1583).

Mit einer Ausnahme – ein Leuchter mit eingeritzten Initialen aus dem Jahr 1624 (Anhang 1, 1624 Grave) – sind Altarleuchter (drei) und Oblatendosen (zwei) im Lkr. Holzminden erst seit 1638 erhalten. Ursache dafür dürfte der Verlust von älteren Stücken durch Plünderungen im Dreißigjährigen Krieg sein, der durch Nachstiftungen seit 1638 ausgeglichen wurde. Inschriften auf den [Druckseite 31] Objekten nennen nicht nur die Stifter (Nr. 244) sondern ausdrücklich auch die bedachte Kirche (Nr. 243) bzw. sind gleich, wie bei einer Oblatendose in Bodenwerder, als Besitzvermerk formuliert (Nr. 262). Ein Pastor stiftete 1648 seiner Kirche in Meinbrexen ein Leuchterpaar mit den Worten „zur Ehre Gottes“, die bereits im 16. Jahrhundert in niederdeutscher Form zweimal in Stiftungsinschriften erscheinen (Nr. 48 u. 49), aber auch zur Erinnerung an den Friedenschluß vom Vorjahr, was dieses Stück heraushebt (Nr. 260). Eine Oblatendose ist undatiert (Nr. 274).

Bauinschriften an Kirchen, öffentlichen Gebäuden und Adelssitzen

Bauinschriften bieten oftmals die einzige Möglichkeit, einen Bau oder Umbau zu datieren. 20 solcher Inschriften an Kirchen sind erhalten, hinzu kommen sechs Jahreszahlen im Anhang 1. Die meisten dieser Inschriften sind in Stein ausgeführt und finden sich auf Tür- oder Fensterstürzen, auf Wand- oder Eckquadern oder auf in die Wand eingelassenen Inschriftentafeln. Jeweils eine Inschrift ist bzw. war als Wand- respektive als Glasmalerei (Nr. 83 u. 84) ausgeführt, eine weitere stand auf einem im Turm angebrachten Kupferblech (Nr. 124), zwei finden sich auf Wetterfahnen (Nr. 176, sowie Anhang 1, 1610). Die Entscheidung, ob mit der Inschrift an einen teilweisen oder vollständigen Neubau oder lediglich an eine Renovierung erinnert wird, ist in vielen Fällen allerdings nur schwer zu treffen.

Nur eine Bauinschrift an einer Kirche stammt aus vorreformatorischer Zeit: Der Stein von 1506 zeigt, daß die heutige Lutherkirche in Holzminden ursprünglich Maria geweiht war (Nr. 38, Abb. 75). Alle anderen sind zwischen 1569 (Nr. 76) und 1625 entstanden (Nr. 228). Die über Jahreszahlen hinausgehenden Inschriften verweisen auf den Baubeginn (Nr. 76), auf das Baujahr (Nr. 160 u. 208, Chronogramme), auf die Lage der Kirche durch ein entsprechend ausgewähltes Bibelzitat (Nr. 155) oder rufen Christus an (Nr. 196). In zwei Fällen berichten lange Versinschriften aus Derental (1577) und Halle (1609) in elegischen Distichen über die Zerstörung bzw. Schadhaftigkeit des Vorgängerbaus, die Herrscher im Reich und im Herzogtum Braunschweig, den lokalen Amtmann (nur Nr. 83) und den Pastor (Nr. 83 u. 174); eine Inschrift in deutschen Reimversen ergänzte die erstere. Die Holzmindener Lutherkirche trägt drei jüngere Inschriften von 1577 und 1595, in denen die jeweils amtierenden Bürgermeister und weitere Ratsherren genannt werden: in einem Fall zusammen mit der protestantischen Devise (nach 1. Pt. 1,25) VDMIAE (Verbum Domini manet in aeternum), in einem anderen zusammen mit einem elegischen Distichon, das auf die Erneuerung der Turmspitze verweist (Nr. 135). An anderen Stellen nennen sich der örtliche Schulmeister (Nr. 124), der Pastor – Conrad Vrithoff, der sich auch auf zwei Emporen verewigte (Nr. 131) – oder vermutlich ein Kirchenvorsteher (Nr. 133) selbst. Besonders ausführlich sind die Nennungen der Würdenträger im Amt und in der Gemeinde sowie des beteiligten Zimmermanns auf der 1609 angebrachten Wetterfahne von Delligsen (Nr. 176). Nur zwei Inschriften sind ausdrücklich Stifterinschriften, darunter eine, die Statius von Münchhausen an der Kirche in Bevern zu seinem und seiner Nachkommen Andenken (Nr. 134) anbringen ließ; die andere stammt vom Amtmann Conrad Schoppe aus Salzderhelden, der seiner Heimatgemeinde den Neubau der Kirche stiftete (Nr. 220). Nicht übersehen werden soll, daß in mehreren Fällen Inschriften ausdrücklich auf den Beitrag der Einwohner am Bau der Kirche (Nr. 83, Derental 1577), des Pfarrhauses (Nr. 95 u. 207, Derental und Deensen) bzw. dem Guß der Glocke (Nr. 181, Arholzen 1610) verwiesen wird; dieser wurde durch Sammlungen oder durch Mitarbeit erbracht.

Eine besondere Funktion in der öffentlichen Erinnerung nimmt eine an der Kirche in Bodenwerder angebracht Hochwasserinschrift von 1643 ein, die ein Chronogramm, ein elegisches Distichon und deutsche Reimverse miteinander vereint (Nr. 248, Abb. 207). Öffentliche Funktionen erfüllten auch zwei Sonnenuhren, die im 17. Jahrhundert an Kirchengebäuden in Holzminden und Polle angebracht wurden und von denen die erstere durch ein Ovid-Zitat über das Vergehen der Zeit auffällt (Nr. 275 u. 276).

Von den zehn Bauinschriften an öffentlichen Gebäuden sind acht an Amtshäusern oder landwirtschaftlichen Gebäuden von herzoglichen oder Kloster-Domänen angebracht. Das in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch stehende Rathaus von Holzminden wurde nicht im Dreißigjährigen Krieg, aber später zerstört; es trug eine Bauinschrift, die aber nicht überliefert ist.58) Die Rathäuser [Druckseite 32] in den beiden anderen Städten waren nicht bedeutend, von ihnen sind keine Inschriften überliefert.59) In Holzminden ist lediglich ein Inschriftenstein von einem Stadttor erhalten (Nr. 188); aus Stadtoldendorf ist die bruchstückhafte lateinische Inschrift am Quellhaus der städtischen Wasserleitung überliefert (Nr. 265). Länger sind nur die Inschriften an Gebäuden der Domäne Wickensen, die an Herzog Heinrich d. J. sowie an dessen Sohn, Herzog Julius, erinnern (Nr. 75 u. 78; vgl. auch Nr. 52). In Fürstenberg stehen dagegen neben einer Jahreszahl nur die Initialen von Herzog Heinrich Julius und seiner Frau an dem Torhaus (Anhang 1, nach 1590). Bemerkenswert sind die beiden Inschriften, die Abt Vitus Busch 1595 an dem von ihm erbauten Schweinestall und Schweinepferch beim Kloster Amelungsborn anbringen ließ: Hexameter und elegisches Distichon stehen in ihrer klassischen Form in einem interessanten Kontrast zu dem Zweck der Bauten (Nr. 136 u. 137). In Allersheim, das vom Kloster Amelungsborn über den Herzog zeitweise in die Hand eines Adeligen wechselte, hinterließen alle drei Besitzer seit 1516 Inschriften an Gebäuden (Nr. 41, 56 u. 213).

Im gleichen Maße haben seit 1527 auch Adelsfamilien Inschriften an landwirtschaftlichen Gebäuden hinterlassen, die von Initialen eines Paares mit einer Jahreszahl in Deensen (1527, Nr. 45) bis zu langen Bauinschriften reichen. Außer von der Familie von Campe in Deensen 1599 und 1613 (Nr. 151 u. Anhang 1, 1613) sowie den Grone in Kirchbrak (Nr. 116, 1590), stammen allein sechs der einschließlich der Jahreszahlen elf Inschriften aus Hehlen. In Reimversen ließ Fritz von der Schulenburg bereits 1564 den Bau einer Scheune verewigen (Nr. 67); 1579 hielten er und seine Frau Ilse von Saldern den Beginn des Schloßbaus fest (Nr. 88). Nach 1589 ließ die kinderlose Witwe ihr Wappen an einer Mühle anbringen (Nr. 115). Vor allem aber dokumentierte sie den in Erbauseinandersetzungen mit Verwandten ihres Mannes umstrittenen Bau von Schloß und Wirtschaftsgebäuden auf den beiden Epitaphien, die sie ihrem Mann errichten ließ (Nr. 143, 144, 145). In Bevern, wo Statius von Münchhausen, sich in seinem Schloß sicher ähnlich repräsentativ dargestellt hatte, erinnert nur noch eine Jahreszahl an einer Scheune an den Erbauer (Anhang 1, 1591).

Grenzsteine

Die sieben erhaltenen von acht Grenzsteinen stellen, ähnlich wie die Kreuzsteine, ein großes Problem für die Entzifferung dar, da sie seit über 400 Jahren der Witterung ausgesetzt sind und oftmals bis ins frühe 19. Jahrhundert wiederholt erneuert und ergänzt wurden. Die Steine ersetzten teilweise die ältere und lange noch üblichere Form der Grenzfestlegung durch Schneisen (Schnede, Schnat) und markierte Bäume; sie dokumentieren bis heute die Verfestigung von Grenzen durch Verträge und gemeinsame Kommissionen der Beteiligten. Zu diesen gehörten die beiden welfischen Linien in Wolfenbüttel und Calenberg (Nr. 58, 59, 60, 61, 62 u. 245), in einem Fall aber auch der Abt von Corvey (Nr. 107). Innerhalb des Landes wurden durch eine Steinsetzung die Grenzen zwischen drei Ämtern festgelegt, womit zugleich Rechte des Adels tangiert wurden (Nr. 97).

Zitationshinweis:

DI 83, Landkreis Holzminden, Einleitung, 3. Inschriften, Inschriftenträger und Überlieferung (Jörg H. Lampe, Meike Willing), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di083g015e003.

  1. Zu Letzner vgl. allgemein Klinge, Letzner, passim. »
  2. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste IV, S. 142ff. Heutger, Kloster Amelungsborn, S. 224ff. Kieckbusch, Klosterschule, S. 83ff. »
  3. Vgl. Leuckfeld, Antiquitates. »
  4. Vgl. Braunschweigische Anzeigen 1757. »
  5. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 395f. Hake, Familiengeschichte, S. 214 u. ö. »
  6. Zu weiteren Gräbern der Hakes in Amelungsborn vgl. Göhmann, Spurensuche, S. 19. »
  7. Die zeitgenössischen Abschriften für die Kirchenverwaltung befinden sich heute im Landeskirchlichen Archiv in Wolfenbüttel; zit.: LkAW, Corpus bonorum von ... »
  8. Vgl. Kreuzsteine und Steinkreuze, S. 2f. Vielfach spekulativ: Görlich, Kreuzsteine. »
  9. Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 621»
  10. Nr. 272 ist an der Stelle vermutlich zerstört. »
  11. Vgl. Reg. 7a, Bibel. »
  12. Vgl. Reg. 4. »
  13. Vgl. Reg. 6, s. v. Sterben. »
  14. Vgl. Reg. 10, s. v. Datum in der Inschrift. »
  15. Vgl. Reg. 6, s. v. Fürbitte. »
  16. Vgl. z. B. Tebbe, Epitaphien, S. 324–327. »
  17. Auf dem Epitaph für Anna von Meschede (Nr. 77) sind zwei Vierer-Ahnenproben für die Verstorbene und ihren noch lebenden Ehemann Franz von Wrede angebracht. »
  18. Vgl. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 325–335.  »
  19. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 72–79. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 29–48. »
  20. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste III, S. 200f. »
  21. Für Amelungsborn vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 120f., 133, 136 u. 138. »
  22. Vgl. Elena Kozina, Art. Amelungsborn, in: CVMA Deutschland, Bd. VII,1 (in Vorbereitung). »
  23. Vgl. Mahrenholz, Abtsliste III, S. 212f.; ders., Abtsliste IV, S. 148–166. Göhmann, Abendmahlskelch, S. 6–9; ders., Kelche, passim. »
  24. Vgl. Mathies, Taufbecken, bes. S. 13–17. Poscharsky, Kanzel, S. 64–71 u. 89–101. »
  25. Vgl. Poscharsky, Kanzel, S. 112–114. »
  26. Vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 69f. »
  27. Der Rat von Stadtoldendorf traf sich lange im Ratskeller; Kdm. Kr. Holzminden, S. 208f. Vgl. Nr. 214. Keine Erwähnung eines Rathauses in: Kdm. Bodenwerder/Pegestorf. Heute dient das ehemalige Herrenhaus der Münchhausen von 1603 als Rathaus; ebd., S. 24f. »