Die Inschriften des Rheingau-Taunus-Kreises

3. Die Quellen der nicht-originalen Überlieferung

Die umfangreichste und wertvollste Quelle zur Erfassung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften den Kirchen und Klöstern des Bearbeitungsgebietes stellt die Sammlung „Syntagma monumentorum et epitaphiorum” aus der Feder des Vikars an St. Alban und am Dom zu Mainz Georg Helwich (1588-1632) dar. In den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts entstanden,250) beruht die Reinschrift auf der Autopsie des Autors. Auf 474 Seiten finden sich für 68 Orte knapp 1100 Inschriftennachweise, die dem Bereich des Totengedächtniswesens entstammen.251) Hinzu kommen 90 andere, die Weihe-, Bau- und Glockeninschriften zum Gegenstand haben. Nach einer Überschrift, in der Helwich jeweils den Ort und den Tag seines Besuches der jeweiligen Kirche oder des Klosters notierte, folgen nach einer kurzen historischen Einleitung die Abschriften der Grabinschriften vorwiegend von Adelssepulturen, versehen mit zumeist tingierten Wappenabzeichnungen. Bei Familiengrablegen gab er oft nur bei der ersten erwähnten Inschrift das Familienwappen wieder.252) Es ist davon [Druckseite XXXV] auszugehen, daß auch bei nachgeordneten Belegen das Hauptwappen vorhanden war. Neben die Einzeleinträge setzte er im Regelfall marginal die Namen der Verstorbenen.

Die Rheingauer Kirchen und Klöster besuchte Helwich in den Jahren 1612 und 1614 bzw. 1615. Die entsprechenden Aufzeichnungen im „Syntagma” werden eingeleitet von Helwichs Besuchen der Abtei Eberbach am 27. August 1612 und nochmals am 27. Juni 1614. Auf Seite 146 stellt er seinen Grabinschriften die Abschrift der Weiheinschrift von 1186 (Nr. 7) voran; danach beginnen die „inscriptiones monumenti” mit der Grabinschrift des Erzbischofs Gerlach von Nassau (Nr. 102). Ihr folgt die dreiseitige Abschrift der „tabula ibidem iuxta tumulum”, d.h. die dem Hochgrab beigefügte Tafel mit dem langen Grabgedicht auf das Leben und den Tod des Erzbischofs (Nr. 103). Helwichs Rundgang durch die Klosterkirche ist anhand der mitgeteilten Altäre und der von ihm beigefügten Lageangaben rekonstruierbar: Nach dem Chor als dem Bestattungsort dreier Mainzer Erzbischöfe wandte sich Helwich zu den südlichen Querhauskapellen und zum südlichen Querhausarm mit der Grablege der Grafen von Katzenelnbogen, schritt das Südseitenschiff mit den Einzelkapellen entlang zum Westende der Kirche und kehrte über das Nordseitenschiff und die nördlichen Querhauskapellen zum Ausgangspunkt zurück.253) Außer weiteren Grabinschriften in Kreuzgang und Kapitelsaal notierte sich der Domvikar auch solche Texte, die in historisch relevantem Bezug zu dem besuchten Ort standen. Neben der erwähnten Weiheinschrift der Eberbacher Kirche sind dies Dedikationsinschriften verschiedener Altäre, die Helwich allerdings ausnahmsweise regestenartig zusammenfaßte.254) Hinzu kamen Nachrichten über den Nachbestattungsort der drei ersten Äbte im Kreuzgang (Nr. 8), vereinzelte inschriftliche Lobgedichte auf verstorbene Klostervorsteher an den Wänden des Kapitelsaals (Nr. 436) oder gemalte Spruchinschriften mit dem Lob der Gottesmutter über (Nr. 208) oder unter (Nr. 528) deren Bildnis sowie über Glasmalereien im Kreuzgang (Nrr. 328f.).

Die Seiten 241-260 des „Syntagma” sind den Grabinschriften in der Eltviller Pfarrkirche vorbehalten, die Helwich am 24. September 1614 besuchte. Insgesamt 20 Memorialtexten, vermischt mit Begräbnisnachrichten255) fügte er zusätzlich die ausführliche Beschreibung des damals im Eltviller Hospiz befindlichen Holzschnittes „Triumphzug des Kaisers Maximilian” an.256) Auf den Folgeseiten sind Grabinschriften der Pfarrkirchen zu Kiedrich, Oestrich, Winkel, Johannisberg, Geisenheim, Rüdesheim und Lorch aufgezeichnet. Versprengte Einträge zu Walluf, Martinsthal und Rauenthal, ferner Erbach, Mittelheim, Hattenheim und den Klöstern Gottesthal und Marienthal beschließen Helwichs Rheingauer Abschriften. Sie wurden in Auszügen 1856 von Heinrich Eduard Scriba veröffentlicht257) und 1880 von Ferdinand Wilhelm Emil Roth in seiner Sammlung „Geschichtsquellen des Niederrheingaus” allerdings in weiten Teilen fehlerhaft transkribiert.258) Die letzten für das Untersuchungsgebiet relevanten Einträge Helwichs betreffen Idstein und Kloster Bleidenstadt,259) die er beide am 20. Oktober 1615 besuchte.

Wichtig für die Abfolge der Eberbacher Äbte erweist sich der im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden aufbewahrte sogenannte „Catalogus (...) Abbatum Monasterii Eberbach”,260) der innerhalb der Schilderung der Amtsperioden der in chronologischer Reihenfolge aufgeführten Klostervorsteher bis zum Tod des Abtes Valentin Molitor im Jahre 1618 (Nr. 575) auch die jeweiligen Grabinschriften verzeichnet. Als mutmaßlicher Autor zumindest eines Teils der Handschrift hat der Konventuale und Prior Johann Schäfer (Schöffer) zu gelten. Gleichfalls zum Kreise der Konventualen gehörte Obersakristan Heinrich Hensel, der 1629 die vorhandenen Weiheinschriften einzelner Altäre in der Klosterkirche überlieferte.261)

1596 war dem Registrator Johann Andreae (um 1570-1645)262) als Hofhistoriograph die Ordnung des Archivs des Grafen Ludwig II. von Nassau-Saarbrücken (†1627) übertragen worden. Darüber hinaus verfaßte er im Auftrag des Grafen Wilhelm Ludwig (†1640) unter Verwendung zahlreicher Anniversarien, Chroniken und Geschlechterbücher eine Reihe von genealogischen Werken, in denen [Druckseite XXXVI] die Geschichte des walramischen Stammes des Hauses Nassau dargestellt wurde.263) Dabei war ihm die Materialsammlung des Altweilnauer Malers Henrich Dors hilfreich264), die er in der Mehrzahl einfach kopierte.265)

„Genealogia oder Stammregister der durchläuchtigsten hoch- und wohlgeborenen Fürsten, Grafen und Herren des uhralten hochlöblichen Hauses Nassau samt etlichen konterfeilichen Epitaphien” hatte der zumindest seit 1629 als Zeichner in den Diensten der Grafen von Nassau stehende Maler Henrich Dors266) seine Sammlung von Textüberlieferungen und Grabplatten- bzw. Epitaphienzeichnungen genannt, die als Auftragsarbeit auf Initiative des genannten Grafen Wilhelm Ludwig von Nassau-Saarbrücken entstanden.267) Seit der Renaissancezeit befaßte sich vor allem die ottonische Linie des Hauses Nassau mit der Erforschung der eigenen Geschichte, der Aufarbeitung seiner historisch-dynastischen Bedeutung sowie mit genealogischen Forschungen und Dokumentationen.268) Von dem Dorsschen Werk sind zahlreiche Skizzen, genealogische Notizen, Inschrifttexte und Vorzeichnungen erhalten geblieben. Für das Bearbeitungsgebiet und den Untersuchungszeitraum enthält die insgesamt 79 Einzelpositionen umfassende Genealogia 17 relevante Grabmalszeichnungen, davon 12 in Idstein als Residenz der Nassauer Grafen und fünf in Kloster Eberbach. Für Eberbach kommt dabei der Zeichnung besonderes Gewicht zu, mit der Dors den Zustand des in der Klosterkirche befindlichen Wandgrabes für Erzbischof Gerlach von Nassau (Nr. 102) dokumentierte.269) Von dem Dorsschen Epitaphienbuch wurde 1768 durch den Archivar und Regierungssekretär Friedrich Ferdinand von St. George eine allerdings nicht durch Untersuchungen an den Orginaldenkmälern begleitete Kopie angelegt.270)

Von Dors’ Hand stammt höchstwahrscheinlich auch das sog. „Epitaphienbuch derer Zum Jungen” im Mainzer Stadtarchiv mit umfangreichem Mainzer Material.271) In diesem Epitaphienbuch sind mehrere Grabinschriften vornehmlich der mit den zum Jungen verschwägerten Mainzer Familie zum Rebstock überliefert. Für einen Fall beobachtete schon Fritz Viktor Arens in seiner Edition der Mainzer Inschriften eine Doppelüberlieferung272) Das Doppeldenkmal des Peter zum Rebstock und seiner Ehefrau Clara, einer geborenen zum Jungen, wird in dem betreffenden Epitaphienbuch gleich dreimal wiedergegeben, nämlich auf fol. 44 und 105, lokalisiert in der Mainzer Barfüßerkirche und mit Zeichnung der Vollwappen versehen, auf fol. 44 sogar als Wappengrabplatte mit umlaufender Inschrift; die dritte Zitatstelle auf fol. 86 gibt als Lokalisierung „Zwischen den Zweyen Capellen” und weiter von gleicher Hand in dunklerer Tinte „Zu Hattenheim”. Ähnliche Formulierungen mit dem jeweils nachgetragenen Ortsnamen Hattenheim stehen bei fünf weiteren Inschriftzitaten. Allen Belegstellen ist außer der unten angefügten Feinlokalisierung mit nachgetragenem Ortsnamen - in einem Fall (fol. 91) fehlt er sogar - eine von den übrigen Inschriftennachweisen im Epitaphienbuch abweichende Gliederung gemeinsam. Bei den angeblich Hattenheimer Grabinschriften folgt jeweils unter zwei nicht tingierten Wappen das Inschriftzitat in lateinischer, dann die Lokalisierung als Nachtrag in deutscher Schrift. Dieser Sachverhalt erklärt sich mit der Übernahme der Informationen aus einer von den anderen Vorlagen verschiedenen, allerdings unbekannten Quelle, die den Standort offenbar nicht eindeutig oder leicht auffindbar mitteilte. Daß die nachträgliche Zuordnung nach Hattenheim auf einem Irrtum beruhen könnte, läßt nicht nur die oben erwähnte Doppelzuschreibung vermuten, sondern auch die ungedeutete Zuordnung in der Kirchentopographie. Keine dieser Angaben zu Kapellen und Altären läßt sich für die Kirche in Hattenheim nachvollziehen, da sie weder zwei [Druckseite XXXVII] Kapellen besaß, noch eine Kreuz- oder eine Elisabethkapelle.273) Eine Zuordnung zu einer Mainzer Kirche, beispielsweise zu der einmal sicher als Standort belegten Barfüßerkirche, ist nicht möglich; immerhin fällt die relativ geringe Zahl von Grabinschriften der zum Rebstock in Mainz auf,274) was sich auch daraus erklären ließe, daß durch eine falsche Zuordnung des Epitaphienbuches nach Hattenheim fünf Mainzer Inschriften dieser Familie gar nicht als solche erkannt wurden. Ohne die genaue Aufarbeitung des Überlieferungsstranges kann eine verläßliche Zuordnung nicht vorgenommen werden. Hattenheim darf als Standort somit die geringste Wahrscheinlichkeit beanspruchen, zumal Helwich, der Hattenheim am 17. August 1615 besuchte, keinen einzigen Hinweis auf derartige Denkmäler verzeichnete.275) Da der Standort Hattenheim dennoch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, werden die betreffenden Inschriftenzitate des Epitaphienbuches hier in verkürzter Form aufgeführt.

1405 März 30 - Grabinschrift der Justina zum Rebstock, „zwischen den zweÿen Capellen zu Hattenheimb in der Kirch” gelegen. Zwei Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 77.

Anno domini m cccc v feria secunda proxima post annunciationem virginis gloriosae obiit domina Justina vxor domini Nicolai Rebstock.

Wappen: Zum Rebstock (ein gegengezinnter Balken), Zum Jungen.

1415 Dezember 8(?) - Grabinschrift für Peter zum Rebstock, dessen Grab in einer Kreuzkapelle lag. Zwei Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 78.

Anno domini • m • cccc • xv • in die sancti Endomiti (sic) episcopi •. obiit • honorabilis • Petrus zum Rebstock.

Wappen: Zum Jungen?; ? (im geteilten Schild oben eine nackte weibliche Halbfigur mit Blume in der Hand). Nicht nachzuvollziehen ist die von Schrohe geäußerte Bemerkung, es handelte sich bei dem Standort um die Mittelheimer Kirche.276)

1418 - Grabinschrift für Katharina, Ehefrau des Heinrich zum Rebstock, „zwischen den zweyen Capellen”. Zwei Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 82.

Anno • domini m •cccc • xviii • obiit Catharina • filia • Johannis • zum • Dusburger • vxor Henrici • zum Rebstock • cuius anima • requiescat• in • pace • amen.

Wappen: Zum Rebstock, Zum Jungen Aben(d).

1430 - Grabinschrift des Peter zum Rebstock, dessen Grabstätte „vor der Capellen zur rechten handt” lag. Ein Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 83.

Anno domini m cccc xxx obiit honorabilis domicellus Petrus zum Rebstock cuius anima requiescat in pace amen.

Wappen: Zum Jungen.

1437 September 24 / 1438 August 20 - Doppelgrabplatte des Peter zum Rebstock und seiner Ehefrau Clara zum Jungen, „zwischen den zweyen Capellen”. Zwei Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 86.

Anno domini m cccc xxxvii feria tertia ante festum sancti Michaelis obiit domicellus Petrus zum Rebstock cuius anima requiescat in pace amen. Anno domini m cccc xxxviii feria [quarta] ante festum sancti Bartholomaei apostoli obiit domicella Clara zum Junckern cuius anima requiescat in pace amen.

Wappen: Zum Rebstock, Zum Jungen.

1443 März 12 - Grabinschrift des Nikolaus Guldenschaf „in der St. Elisabeth Capellen zur lincken handt”. Zwei Wappen. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 87.

Anno domini m cccc xxxxiii [..] die mensis martii in die sancti Gregorii obiit Nicolaus Guldenschaft cuius anima requiescat in sancta pace amen.

Wappen: Guldenschaf (ein Pfahl, belegt mit drei Königsbüsten).

[Druckseite XXXVIII]

1444 Februar 8 - Grabinschrift des Christoph(orus) zum Rebstock in einer Kreuzkapelle,277) ohne Ortsangabe. Epitaphienbuch zum Jungen fol. 91.

Anno domini m cccc xxxxiiii dominica sequenti post festum purificationis obiit dominus Christophorus zum Rebstock cuius anima requiescat in pace amen.

Nicolaus Serarius publizierte 1604 in seinem Werk „Rerum Moguntiacarum ... libri quinque” vornehmlich Mainzer Inschriftenmaterial, das Georg Christian Joannis278) wortgetreu in den ersten Band seiner 1722 erschienenen gleichlautenden Sammlung aufnahm. Serarius verdanken wir zumindest die Kenntnis einer Inschrift am Ferrutius-Sarkophag in Kloster Bleidenstadt (Nr. 2) und der Memorialinschrift des in Eberbach bestatteten Mainzer Erzbischofs Johann von Luxemburg-Ligny (Nr. 107).

Der oldenburgische und bremische Rat Johann-Just(us) Winkelmann (1620-1699)279) veröffentlichte in seiner 1697 gedruckten Beschreibung der Fürstentümer Hessen und Hersfeld auch Grabinschriften der in Eberbach bestatteten Grafen von Katzenelnbogen, die er mit genauen Standortangaben der Denkmäler versah. Daraus gewinnt man einen über Helwich hinausgehenden Eindruck von der Anbringungsart einzelner Denkmäler in dieser Zeit: Sie werden als „liegt zur Erden”, oder „stehet aufrecht an der Wand” bezeichnet.

Für die Rekonstruktion der Eberbacher Grabinschriften und die Standorte ihrer Träger von großer Bedeutung ist die im Katalog mit dem Notnamen des sog. „Eberbacher Anonymus” bezeichnete Handschrift wohl aus dem beginnenden 18. Jahrhundert. Zur Autorschaft des von Ferdinand Wilhelm Emil Roth (1853-1924) 1880280) in seinem Sammelwerk der „Geschichtsquellen des Niederrheingaus” unter der Überschrift „Epitaphia monasterii Eberbacensis” abgedruckten Manuskriptes bemerkte dieser nur, daß er das nicht näher bezeichnete Schriftstück in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts im Idsteiner Archiv gefunden habe.281) Da der Anonymus bei seinem Rundgang durch die Klosterkirche stets die Lage der einzelnen Grabmäler zueinander kennzeichnete, ohne jedoch die Veränderungen der erzbischöflichen Grablege von 1707 im Chorraum festzuhalten, dagegen die neue Orgelempore von 1704 am Westende des Mittelschiffes berücksichtigte, muß die Handschrift zwischen 1704 und 1707 entstanden sein.282)

Aus dem an alle Pfarreien des Erzstiftes gerichteten Aufruf vom 21. Januar 1765 zur Sammlung „aller mit Wappen und Inschriften versehenen Epitaphia und Grabsteine ...” des Mainzer Weihbischofs Stephan Alexander Würdtwein (1722-1796)283) erwuchs ein umfangreiches, nach seinem Initiator benanntes, 394 Seiten starkes Epitaphienbuch, das bis in die jüngste Zeit als verloren galt, zufällig wiedergefunden wurde und mittlerweile im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden zugänglich ist. Die im Zusammenhang mit Würdtweins Aufruf angefertigten, originalen Zusendungen einiger Rheingauer Pfarrer befinden sich in Einzelbelegen gleichfalls im Wiesbadener Hauptstaatsarchiv.284) Da die meisten Zeichnungen je nach der Begabung und dem Geschick ihrer Urheber mehr oder weniger genau die entsprechenden Inschriftenträger mit Schrift, Wappen und Figuren abbildeten, gegebenenfalls auch die Lage in der Kirche und einzelne Besonderheiten wie Wappentingierung oder Fehlstellen bzw. Unleserlichkeit bei den Texten hervorhoben, gelten sie daher als direkte Quellenbelege. Ohne diese zusätzlichen Informationen in seiner Reinschrift - dem Epitaphienbuch - zu berücksichtigen, faßte Würdtwein die Inschriften der Standorte, die unsystematisch aneinandergereiht wurden, in chronolgischer Reihenfolge innerhalb eines Ortes zusammen.285) Dabei wurden etliche Inschriften unvollständig, mitunter fehlerhaft oder verkürzt angegeben, Wappen und Angaben zu Standort und Gestaltung des Inschriftenträgers nicht überliefert. [Druckseite XXXIX]

Im Hessischen Hauptstaatsarchiv wird gleichfalls ein Manuskript verwahrt, das laut eines anhängenden Zettels von der Hand des letzten Eberbacher Bursars Pater Hermann Bär (1742-1814),286) stammt. Dem Protokoll der Vorstandssitzung des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung vom 21. Juli 1825 zufolge hatte Hofkammerrat Pauly aus Höchst dieses Manuskript dem Verein per Sendung und Begleitbrief vom 26. Mai zustellen lassen.287) Die vier Folioseiten starke, unpaginierte und undatierte Handschrift trägt die Aufschrift: „Epitaphia Archi-Episcoporum et S. R. I. Principum Electorum Moguntinorum, Comitum, aliorumque Nobilium in Monasterio Eberbacensi in Rhingavia Sepultorum, quae quadratis incisa lapidibus ibidem conspiciuntur”. Neben die 72 Texte, die Bär säuberlich mit allen vorhandenen Abkürzungen wiedergab, stellte er 30 Wappenzeichnungen, wobei er stets den Grabinschriften mehrerer Mitglieder einer Familie nur einmal pauschal deren Wappen beifügte. Man hat dabei aber aufgrund zeitüblicher Gepflogenheiten von einem Vorhandensein des jeweiligen Familienwappens auf den dazugehörigen Grabplatten auszugehen, so daß im Katalog das zugehörige Wappen angegeben wurde, auch wenn es nicht im Einzelfall von den Gewährsleuten ausgewiesen wurde. Bereits mit der Wortwahl seiner Manuskriptüberschrift machte Bär seine Absicht klar. Ihm ging es ausschließlich um die dem Totengedächtnis in Eberbach beigesetzter Adelsfamilien gewidmeten Grabinschriften. Vergleicht man seine Abschriften mit dem Befund am erhaltenen Grabplattenbestand, so erweist sich Bär als ein genau hinsehender, sorgsam das Gesehene verzeichnender und zuverlässiger Gewährsmann. Die Bärschen Texte enthalten alle Kürzungen der Inschriften mit den entsprechenden Kennzeichnungen, wie sie am damals noch erhaltenen Objekt erkennbar waren. Fehlstellen oder Leseunsicherheiten markierte er in der Niederschrift durch Punkte oder freigelassene Stellen. Aus dieser Erkenntnis können Rückschlüsse auf den Zustand der ihm noch vor Augen stehenden, heute aber verlorenen Grabplatten gewonnen werden. Aufgrund der nachprüfbaren Zuverlässigkeit Bärs wurde im Katalog in Einzelfällen seiner Lesung gegenüber der älteren Helwich-Überlieferung der Vorzug gegeben und seine mit Kürzungen versehenen Lesungen wie ein Original behandelt und entsprechend transkribiert. Die Reihenfolge der Bärschen Inschriftennotizen ähnelt dem Rundgang Helwichs in der Klosterkirche. Bär begann wie sein Vorgänger des 17. Jahrhunderts im Chor der Kirche mit den drei Mainzer Erzbischöfen als vornehmste Verstorbene. Sodann folgen die Gedächtnistexte für die Grafen von Katzenelnbogen im Südquerhaus. Der Weg führte weiter über die Südkapellen nach Westen und zurück zum Chor. Legt man das Bärsche Manuskript neben die Würdtweinsche Textsammlung, ergibt sich bis auf einige Kleinigkeiten eine enge Übereinstimmung. Wencks Notiz zufolge, die er seinem Katalog der Katzenelnbogischen Grabinschriften voranstellte,288) bezog er seine Informationen aus einer Abschrift, die ihm von Würdtwein zur Verfügung gestellt worden war. Würdtwein wiederum hatte die Eberbacher Grabinschriften vom dortigen Abt erhalten. Es ist daher höchstwahrscheinlich, daß das Bärsche Manuskript eben diese Vorlage war, die er seinem Epitaphienbuch einfügte.

Als wertvoll für die Kenntis einzelner, sonst unbekannter Grabinschriften von nach 1803 verschollenen Äbtissinnengrabplatten aus dem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Marienhausen erweist sich die von einem Anonymus wohl um 1665 zusammengestellte, im Wiesbadener Hauptstaatsarchiv erhaltene Schilderung der Kirche.289)

Das dort gleichfalls verwahrte „Verzeichnis der Mobilien, welche in der Abtey Eberbach und in den Höfen pp. befindlich sind” vom Jahre 1803290) gibt allein Katzenelnbogener Grabinschriften, jedoch z.T. fehlerhaft und ohne Lagekennzeichnung wieder, so daß dieses Verzeichnis nur mit großen Einschränkungen im Vergleich mit den bekannten kopialen Überlieferungen herangezogen wurde.

Friedrich Gustav Habel (1793-1867), Archivar, 1829-51 Sekretär des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung und Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz,291) ist im wesentlichen die Rettung einzelner Eberbacher Grabmäler nach 1803 zu verdanken.292) Aus eigenem Interesse durchstreifte er das Klosterareal und machte verstreut [Druckseite XL] umherliegende Grabplatten ausfindig, die er zwischen 1834 und 1850 in einer eigenen Übersicht zusammenfaßte.293) Der „Nachlaß Habel-Conrady” im Hessischen Hauptstaatsarchiv294) enthält in Einzelkonvoluten zahlreiche Notizen, die Habel zwischen 1827 und 1850 direkt vor Ort in den Kirchen von Eltville, Kiedrich, Kloster Marienthal, Neudorf/Martinsthal, Oberauroff, Rauenthal und Rüdesheim anfertigte. Neben Bemerkungen zu Baugeschichte und Topographie der jeweiligen Kirche kamen skizzenhafte Zeichnungen von Wappen und Grabplatten sowie gelegentliche Abschriften von Inschriften hinzu.

Ähnliches ist von (Johann Heinrich) Karl Rossel (1815-1872)295), dem Gymnasiallehrer, Historiker und Archivar, zu berichten, der 1869 als Leiter des Nassauischen Staatsarchivs zu Idstein Zugang zu zahlreichen Archivalien besaß und in seine Studien auch Grabinschriften einfließen ließ. In seinem in Wiesbaden befindlichen, ungedruckten Manuskript zur Geschichte der Kiedricher Michaelskapelle überlieferte er nicht nur einzelne Grabinschriften von im Karner bestatteten Klerikern (Nrr. 209, 245), sondern gab auch die Inschrift der mittlerweile längst verschollenen Glocke von 1633 (Nr. 602) wieder.

Aus jüngerer Zeit stammen die unpublizierten Abschriften einzelner, zumeist seit den 1960er Jahren verschollener und zerstörter Eltviller Grabdenkmäler von Hans Kremer. Ähnliches gilt von den Aufzeichnungen Josef Staabs zur Kiedricher Valentinskirche, der die in ihrer Lage seit 1668 unveränderten Grabplatten im Kirchenschiff erstmals aufgenommen, vermessen und beschrieben hat,296) ehe sie bei dem Heizungseinbau 1962 zerstört oder ins Freie verbracht wurden. Die dort aufgestellten Platten weisen heute kaum noch lesbare Resttexte auf.

Für die Wiedergabe nur kopial überlieferter Texte wurde grundsätzlich folgendes Verfahren gewählt: Soweit durch zuverlässige Nachzeichnungen oder Beschreibungen kein eindeutiger Hinweis auf das Aussehen der Originalschrift angezeigt ist, werden alle Texte in Normalschrift wiedergegeben, in lateinischen Texten werden nur Eigennamen groß geschrieben, in deutschen Texten auch alle Substantive. Abkürzungen werden in der Regel ungekennzeichnet aufgelöst,297) Interpunktion nicht berücksichtigt. Ansonsten wird die überlieferte Schreibweise übernommen. So konnte beispielsweise ß nicht in seine Bestandteile s und z zerlegt werden, weil u.a. Helwich mehrfach damit einfaches kapitales S transkribierte (vgl. etwa Nr. 450).

Zitationshinweis:

DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Einleitung, 3. Die Quellen der nicht-originalen Überlieferung (Yvonne Monsees), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05e0003.

  1. Vgl. Einleitung DI 2 (Mainz) 18f.; ausführlich Fuchs, Helwich passim. »
  2. Fuchs, Helwich 77. »
  3. So zu beobachten etwa bei der Grablege der Grafen von Katzenelnbogen in Eberbach; ebenso verfuhr Pater Bär, vgl. unten S. XXXIX. »
  4. Vgl. Rekonstruktion des Rundganges bei Rossel, Kirche 29. »
  5. Ihr genauer Wortlaut wurde 1629 vom Eberbacher Sakristan Hensel überliefert. »
  6. So vermerkte er beispielsweise zu der mitgeteilten Grabinschrift für die 1572 verstorbene Loretta von Breitbach, daß ihr Ehemann Heinrich Engelbert Brömser war, der in Rüdesheim bestattet liege, vgl. Helwich, Syntagma 243. »
  7. Ebd. 251-260; vgl. unten Kap. 6. »
  8. Vgl. Heinrich Eduard Scriba, Grabdenkmäler aus dem literarischen Nachlaß des Georg Helwich, weiland Vicar zu St. Martin in Mainz. In: Arch. f. hess. Gesch. u. Alterthumskde. 8 (1856) 291-345. »
  9. Im Katalog wird an entsprechender Stelle der Abdruck Roths angezeigt. »
  10. Ediert von Roth, Bleidenstadt. »
  11. Vgl. Literaturverzeichnis. »
  12. Kurz erwähnt bei Bär, Eberbach I 317 Anm. 5; im Konvolut Liber seniorum. »
  13. Vgl. zu diesem Renkhoff, Nass. Biographie (1992) 14. »
  14. Vgl. HHStAW 1002/1-18, Nachlaß Andreae, darin Bd. 2 betr. Nassau-Wiesbaden-Idstein. »
  15. Im Vorwort seines ersten nassau-saarbrückischen Genealogiebuches hob Andreae deutlich Dors’ Verdienste hervor, vgl. einleitende Bemerkungen in Dors, Genealogia 32. »
  16. Ebd. 35f. »
  17. Vgl. zu seiner Biografie ausführlich Dors, Genealogia 20-30. »
  18. Ebd. 25. »
  19. Ebd. 15ff. »
  20. Ebd. 108 Abb. 26; auch Monsees, Bemerkungen 66 mit Abb. 1. »
  21. Heute in der Hess. Landesbibliothek Wiesbaden, Hs. 141; diese Kopie wurde dann von Roth in seiner Edition des Epitaphienbuches (1891) benutzt, da er das Original nicht auffinden konnte, vgl. Ferdinand Wilhelm Emil Roth, Das Nassauer Epitaphienbuch des Malers Dorsen von Altweilnau, nach amtlicher Kopie herausgegeben. In: Vjschr. f. Wappen-, Siegel- u. Familienkde. 19 (1891) 537-576. Das Werk von St. George wurde für den vorliegenden Katalog nur dann benutzt, wenn dadurch vorhandene Lücken bei Dors geschlossen werden konnten, vgl. Nr. 472»
  22. Genealogia 50-57, hier 54 mit einschränkender Anm. 111. »
  23. DI 2 (Mainz) Nr. 865; vgl. ebd. [20] skeptisch zur Zuverlässigkeit des Epitaphienbuches. »
  24. Vgl. Zaun, Landkapitel 152f. Einen Kreuzaltar überlieferte Helwich, Syntagma 270 allein für die Oestricher Pfarrkirche, wo er als einzige Sepultur diejenige des 1450 verstorbenen Peter zum Jungen (Nr. 207) überlieferte, jedoch keinen Hinweis auf eine angebliche Grablege weiterer Familienmitglieder gab; der in der Mittelheimer Pfarrkirche befindliche Kreuzaltar wurde hingegen erst 1740 geweiht, vgl. Zaun, Landkapitel 194. »
  25. DI 2 (Mainz) Nr. 709, 721, 871, 1597? »
  26. Hinweise auf eine mögliche Rheingauer Grablege fehlen auch bei Nassau’s ausgestorbene Adelsfam. XVIII, 4; allein die Grabinschrift Peters zum Jungen ist zitiert. »
  27. Schrohe, Zum Jungen 101 mit Anm. 3. »
  28. Vgl. zur Vermutung Mittelheim oben Anm. 272. »
  29. Vgl. Karl Anton Schaab, Geschichte der Stadt Mainz. 2 Bde. Mainz 1841, 1844, hier I, XII. »
  30. Vgl. zu ihm Bonnet 107. »
  31. Vgl. zu ihm Renkhoff, Nass. Biographie (1992) 659. »
  32. Roth, Geschichtsquellen III, VI. Roth, dem Privatgelehrten und zeitweiligen Archivar der Grafen von Eltz, kommt das Verdienst zu, in seinen zahlreichen, leider zum Teil unzuverlässigen Arbeiten zur nassauischen Geschichte zahlreiche Grabinschriften der Öffentlichkeit im Druck vorgestellt zu haben. »
  33. Vgl. Sattler, Sanierung 1, 272 Anm. 65. »
  34. Vgl. zu seiner Person ausführlich Anton Philipp Brück, Stephan Alexander Würdtwein (1722-1796). Eine Lebensskizze. In: AmrhKG 2 (1950) 193-216. »
  35. Vorarbeiten zum Würdtweinschen Epitaphienbuch, Hefte von verschiedenen Händen mit Einzelzeichnungen, im Katalog als Würdtweinsche Epitaphiensmlg. zitiert. »
  36. Auszüge aus diesem Epitaphienbuch veröffentlichte Zais 1880 in seinen Beiträgen zur Geschichte des Mainzer Erzstifts, vgl. Beitr. Gesch. Erzstift V, wobei er mit Ausnahme von Eberbach die Zeitgrenze von 1500 nicht überschritt. »
  37. Seit 1760 im Kloster, legte er 1761 die Ordensgelübde ab, vgl. zu ihm die Einleitung von Karl Rossel, in: Bär, Eberbach I, 5-7, II 4-6; v. Stramberg, Rheinischer Antiquarius II 11 wie bei Nr. 565; Johannes Hau, Hermann Johannes Bär. In: Nass. Lebensbilder. Hrsg. v. Karl Wolf. Bd. 3, Wiesbaden 1948 (Veröff. Hist. Komm. f. Nassau. X,3.) 165-170; Hedwig Witte, Im Strudel der Säkularisation: Der Eberbacher Pater Hermann Bär (1742-1814) war unermüdlicher Chronist. In: Rheingauer Gestalten gestalten den Rheingau. Geisenheim (1991) 19-26; Renkhoff, Nass. Biographie (1992) 26. »
  38. HHStAW 1098 III 1. »
  39. Wenck, Hess. Landesgesch. I UB, Grabschriften 271 Anm. 1. »
  40. HHStAW 73 III 1. »
  41. HHStAW 22/586. »
  42. Renkhoff, Nass. Biographie (1992) 263. »
  43. Vgl. Monsees, Grabdenkmäler 121f. »
  44. Enthalten in HHStAW 1163/813. »
  45. Vgl. Abt. 1163, Nachlaß Habel-Conrady. Bearb. v. Hellmuth Gensicke. Wiesbaden 1978 (Repertorien d. Hess. Hauptstaatsarchivs Wiesbaden.). »
  46. Vgl. Renkhoff, Nass. Biographie (1992) 659. »
  47. Erst 1993 publizierte er diese Aufzeichnungen, vgl. Staab, Baudenkmäler, ders., Baugeschichte 56 m. Anm. 11 und ders., Grablege; diese Pläne wurden Bearb. freundlicherweise zur Publikation im vorliegenden Band überlassen. »
  48. Im Fall der Überlieferungen von Hermann Bär (s.o.) kann man davon ausgehen, daß er ihm sichtbare Abkürzungen konsequent und für die Edition verwendbar wiedergegeben hat. »