Die Inschriften des Altkreises Witzenhausen

2. Kurzer Historischer Überblick

Der Werra-Meißner-Kreis3) wurde 1974 aus den früheren Kreisen Witzenhausen (im Norden) und Eschwege (im Süden) geschaffen. Der Name knüpft an historische Bezeichnungen, vor allem aber an die natürlichen Gegebenheiten an, an denen beide Altkreise Anteil hatten.

Von Südosten nach Nordwesten fließt die Werra, deren Tal vor allem nach Osten hin von hoch aufsteigenden Bergen gesäumt ist und sich bei Eschwege, Bad Sooden-Allendorf und Witzenhausen zu fruchtbaren Ebenen aufweitet, in denen Ackerbau betrieben wird. Westlich der Werra erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung der Meißner mit seinem Vorland, er erreicht eine Höhe von mehr als 750 Meter. Im Altkreis Witzenhausen südwestlich vom Meißner liegt die Lichtenauer Hochfläche. Sie reicht bis an die Söhre, ein Waldgebiet, das die Grenze zum Nachbarkreis Kassel bildet. Westlich und nordwestlich vom Meißner und von ihm nur durch das schmale Gelstertal getrennt, erhebt sich der Kaufunger Wald, ein Höhenzug, der eine natürliche Grenzbefestigung darstellt.

Zum überwiegenden Teil grenzt der Werra-Meißner-Kreis, insbesondere das Werraland, nicht an hessische Nachbarn, er stößt vielmehr im Norden an Niedersachsen, im Osten und Südosten an Thüringen. Das Gebiet lag also in der Berührungszone unterschiedlicher Stämme, und das spiegelt sich ebenso in der ersten schriftlichen Nachricht des Tacitus wie auch in der folgenden mittelalterlichen Geschichte.

Für die vorhistorische Zeit wird aus Funden deutlich, dass es im Raum um die mittlere Werra an einigen Stellen besiedelte Gebiete gab, so im Werratal, im Eschweger Becken, im Sontraer Becken und im Ringgau.4) Demnach ist anzunehmen, dass auch das Werratal bei Allendorf und im Bereich Witzenhausen nicht gänzlich unbesiedelt war, wie man es sich wohl für die übrigen Gebiete vorzustellen hat.

Im 1. Jahrhundert n. Chr. saßen die Hermunduren, die Vorfahren der Thüringer, vermutlich auf dem rechten Werraufer, bis sie sich – wie Tacitus berichtet – im Jahre 58 an einem salzhaltigen Fluss gegen die Chatten, die späteren Hessen, durchsetzten. Der Fluss [Druckseite XVII] kann nur die Werra gewesen sein; Sooden als Ort der Schlacht ist passend, aber nicht bewiesen. Dann nahmen die Sieger wohl auch das linke Werraufer in Besitz bis in Gegenden westlich vom Meißner und bis an den Kaufunger Wald, wo die Natur durch die Fulda-Werra-Wasserscheide eine natürliche Grenze vorgab.

Das Land an Werra und Meißner war demnach thüringisch. Die Chatten hatten ihren Siedlungsschwerpunkt im Raum Kassel-Fritzlar, doch auch die Lichtenauer Hochfläche und Velmeden gehörten zum Hessengau.5) Als dann die Franken ihr Reich ausdehnten, brachten sie zunächst die Chatten und 531 auch die Thüringer unter ihre Oberhoheit. Dort begannen sie später sich anzusiedeln. Vermutlich ging die Besiedlung vom Werratal aus und setzte sich dann in den Tälern der Nebenflüsse fort. Das zeigt sich z. B. an den vor- und frühkarolingischen Ortsnamen auf -hausen, die gehäuft auftreten. Die Mehrzahl der so benannten Siedlungen dürfte im 7. und 8. Jahrhundert entstanden sein.6) Alt sind auch die Ortsnamen Eschwege, Westari (Sooden), Ermschwerd, Unterrieden, Velmeden.

Im Zuge einer Wanderbewegung hatten sich inzwischen die nördlich angrenzenden Sachsen nach Westen und Süden ausgebreitet und offenbar bald nach 700 das Land an der Diemel erreicht und in Besitz genommen.7) Der Fluss verläuft nördlich vom Raum Kassel und mündet unterhalb des Fulda-Werra-Zusammenflusses in die Weser. Im 8. Jahrhundert sorgten vermutlich Karlmann und Pippin für die Sicherung der fränkischen Gebiete im Kasseler Raum und an der Werra. Zur Verteidigung gegen die Sachsengefahr dienten u. a. die Burg bei Ermschwerd im unteren Werratal und die Burgen in der Germarmark, die von der Werra bis an die obere Unstrut reichte.8) Nachdem Karl der Große die Sachsen ins Frankenreich eingegliedert hatte, kam es bald zu einem friedlichen Nebeneinander von Franken und Sachsen; denn für die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts sind in Ermschwerd und Unterrieden ansässige sächsische Grundherren nachgewiesen.9)

Die ältesten urkundlichen Nachrichten über das Bearbeitungsgebiet stammen aus karolingischer Zeit. 768–779 erhielt die Abtei Fulda von Karl dem Großen umfangreichen Besitz und Rechte in Sooden, geringeren die Abtei Hersfeld.10) Wenig später ist Velmeden in pago Hassorum erwähnt, das eine fränkische Siedlung sein könnte, zumal im benachbarten Walburg ein fränkischer Königshof vermutet wird.11)

Nach den fränkischen Königen herrschten viele Herren gleichzeitig im Land an Werra und Meißner. Bedeutenden Grundbesitz hatten die Abteien Fulda und Hersfeld, die Grafen Wigger, die später nach der von ihnen erbauten Burg den Namen von Bilstein führten, und die Grafen von Northeim. Später kamen die Grafen von Reichenbach, Verwandte der Grafen von Ziegenhain, und die Grafen von Ziegenberg hinzu.

Seit 1264 gehörte das Land an Werra und Meißner zur Landgrafschaft Hessen. Das ergab sich aus dem hessisch-thüringischen Erbfolgekrieg, der 1247 ausbrach, nachdem Heinrich Raspe, der letzte thüringische Ludowinger, ohne männlichen Erben verstorben war.12)

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Die Ludowinger waren vom 11. Jahrhundert an nach und nach – zuerst in ihrem Stammland Thüringen, dann in Hessen – zu einem bedeutenden Herrschergeschlecht aufgestiegen. 1131 wurde Graf Ludwig I., der seit 1122 mit Hedwig von Gudensberg aus dem Grafenhaus der hessischen Gisonen verheiratet war, zum Landgrafen von Thüringen erhoben; diese Würde war seinem Vorgänger wegen Ermordung eines Vasallen entzogen worden. Dadurch wurde Thüringen unmittelbar reichsabhängig und schied aus dem Herzogtum Sachsen aus. 1137 erbte Hedwig die umfangreiche Herrschaft der Gisonen, die sich noch dadurch beträchtlich vergrößert hatte, dass den Gisonen die Herrschaft der Grafen Werner als Erbe zugefallen war; so geboten die Gisonen nicht nur in weiten Gebieten an der Lahn, sondern auch in Niederhessen. Infolge dieser Erbschaft wurden die Landgrafen von Thüringen auch zu Grafen von Hessen. Auch an einigen Besitz der Grafen von Bilstein waren sie gekommen, da Giso IV. mit Kunigunde von Bilstein verheiratet war.13)

Das Herrschaftsgebiet der Ludowinger vergrößerte sich weiter, als Heinrich der Löwe 1180 all seine Reichslehen verlor. Sein Lehenbesitz im Werratal wie auch im Leine- und Diemelgau kam größtenteils an Ludwig III. von Thüringen. Dessen zweiter Nachfolger Ludwig IV. war von besonderer Bedeutung für die Städte Allendorf (Kap. 2.1.1) und Witzenhausen (Kap. 2.1.4). Zunächst erreichte er es, dass ihn um 1212 das Kloster Fulda mit Westera und der Westerburg belehnte. Dort ist wenig später neben der alten Siedlung eine planmäßig angelegte neue Stadt zu finden, die ihren Namen vom „alten Dorf“ herleitete und Allendorf hieß.14) Der neue Name, der erstmalig 1218 erscheint, als Ludwig IV. dem Erfurter Katharinenkloster die Pfarrkirche in Allendorf übereignete,15) wird als Indiz für das Bestehen der neuen Stadt gewertet. Witzenhausen erhielt 1225 von Ludwig IV. einen wöchentlichen Markt und einen Jahrmarkt und tritt noch vor 1247 als „vollausgebildete Stadt“ in Erscheinung.16) Diese Gründungen reihen sich in „eine Welle landgräflicher Städtegründungen ein, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts anhielt. Ältere Märkte wurden zu Städten ausgestaltet, städtische Siedlungen an wirtschaftlich aussichtsreichen oder militärisch wichtigen Plätzen angelegt.“17)

Weiter erwarben die Ludowinger das Gebiet der Grafen von Reichenbach, die ihre Herrschaft südlich vom Meißner hatten. Diese hatten schon 1207 die Reichenbacher Kirche samt Zubehör dem Deutschen Orden übertragen, der dadurch zu seiner ersten Niederlassung nördlich der Alpen kam. Sie behielten aber die Burg, bis sie 1233 zu Gunsten der mit ihnen verwandten Landgrafen von Thüringen darauf verzichteten. Die Burg hatte in erster Linie Bedeutung, weil an ihr der Sälzerweg vorüberführte, über den die kürzeste Verbindung von Fritzlar zum Eichsfeld verlief, und auch, weil sie den Weg von Kassel zur Wartburg sicherte.18)

Nach dem Tod des letzten Ludowingers suchte einerseits der Markgraf von Meißen, Heinrich der Erlauchte aus dem Geschlecht der Wettiner, die Landgrafschaft Thüringen zu gewinnen; sie war ihm vom Kaiser zugesagt, falls es den Ludowingern an einem männlichen Erben fehlen sollte. Andererseits erstrebte Sophie von Brabant, Tochter Ludwigs IV. und der hl. Elisabeth, für ihren Sohn Heinrich die Macht in Hessen. Der Herzog von Braunschweig-Lüneburg nutzte die Gelegenheit und besetzte sogleich Münden und wenig später [Druckseite XIX] Eschwege. Der Erzbischof von Mainz erhob Gebietsansprüche und erklärte die hessischen Lehen für erledigt.19)

Am Ende der Auseinandersetzung behauptete sich Sophie in Hessen und gewann das thüringische Land an der mittleren und unteren Werra hinzu; die acht festen Plätze an der Werra, die zwischendurch an den Herzog von Braunschweig verloren gegangen waren, erhielt sie zurück; es waren dies Allendorf, Eschwege und wohl Witzenhausen und, wie man weiter vermutet, die Burgen Arnstein und Bischhausen nahe Witzenhausen, die Westerburg und der Altenstein nahe Allendorf und schließlich der Fürstenstein oder Sontra.20) Dafür verzichtete sie auf Ansprüche in Thüringen. Thüringen ging an den Markgrafen von Meißen. Münden und der Leinegau sind seitdem braunschweigisch gewesen.21)

Als dann Sophies Sohn Heinrich I. Landgraf in Hessen war, musste er sich weiter gegen den Erzbischof von Mainz und dessen Gebietsansprüche zur Wehr setzen. Vielleicht wurde dadurch die Gründung der Stadt Lichtenau (Kap. 2.1.3) mit veranlasst. Sie ist 1289 als neue Stadt bezeichnet und liegt in der Nähe der erwähnten wichtigen Straßen.22)

1301 konnte Heinrich den Lehenbesitz der Grafen von Bilstein käuflich erwerben. Diese hatten bis ins 11. Jahrhundert im Werratal und um den Meißner umfangreichen Besitz und Rechte innegehabt, hatten dann aber an Bedeutung verloren. Wenig später starb der letzte Bilsteiner, und nun fielen auch seine Eigengüter an den Landgrafen. Doch war dessen Herrschaftsgebiet noch lange kein geschlossenes Territorium, sondern es lagen überall Besitztümer kleinerer geistlicher oder adeliger Herren dazwischen.23)

Demzufolge herrschte bei den nachfolgenden Landgrafen ständig das Bestreben, den fremden Streubesitz unter ihre Landeshoheit zu bringen. Ein Beispiel dafür ist unter Landgraf Hermann II. im Jahr 1369 die Übernahme des „neuen Hauses Berlepsch“, mit dem gleich anschließend die von Berlepsch wiederbelehnt wurden (Kat.-Nr. 1).

Hermanns II. Politik war wohl besonders hart und unnachgiebig. Denn zu seiner Zeit schlossen sich Adlige, die „angesichts des beängstigend zügig fortschreitenden Ausbaus der hessischen Territorialmacht“ um ihre Selbständigkeit fürchteten, unter Graf Gottfried von Ziegenhain zum Sternerbund zusammen. An ihre Seite stellten sich hessische Städte, darunter Allendorf, Eschwege und Witzenhausen, die sich der wachsenden Abgabenlast verweigerten. Da sich die Sterner mit Otto von Braunschweig verbündeten, der die einstmals eroberten Werrastädte beanspruchte, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Aus ihnen ging Hermann als Sieger hervor. Wenige Jahre später musste es Hermann mit einer Koalition des Mainzer Erzbischofs, Balthasars von Thüringen und Ottos von Braunschweig aufnehmen, die sein Land von drei Seiten bedrohten.24) Vielleicht hat er deswegen die Lichtenauer Burg im Jahr 1385 durch Werner von Hanstein errichten lassen.25)

Seit dem 14. Jahrhundert begannen die Landgrafen damit, zur Verwaltung des Landes Ämter einzurichten. Ein Amt Reichenbach, benannt nach der Burg südlich von Lichtenau, gab es schon 1318. Im Norden an der unteren Werra bildete der Landgraf zu Anfang des 14. Jahrhunderts nach dem Erwerb der Burg Ziegenberg ein gleichnamiges kleines Amt. 1361 bestanden die Ämter Witzenhausen und Bischhausen. Nach dem Bau der Burg Ludwigstein [Druckseite XX] im Jahr 1415 wurde das Amt Ludwigstein eingerichtet, in das das Amt Witzenhausen einbezogen wurde. 1379 wird ein Amt Allendorf erwähnt, es hat aber wohl seine Ausprägung erst im 16. Jahrhundert bekommen.26)

Über Ämter und territoriale Verhältnisse am Ende des 16. Jahrhunderts gibt der „Oekonomische Staat“ Auskunft, ein statistisches Werk, das Landgraf Wilhelm IV. als politisches Vermächtnis hinterließ. Die dem Landadel zustehenden Dörfer, die in sogenannten Gerichten zusammengefasst waren, sind dabei jeweils zu einem Amt hinzugerechnet.

Das Amt Ludwigstein bestand aus der Stadt Witzenhausen und acht Dorfgemeinden. Hinzugefügt sind 21 Dörfer, die dem Landadel unterstanden. Z. B. gehörten Ermschwerd, Ziegenhagen, Blickershausen, Hubenrode, Stiedenrode und Freudenthal zum Gericht Buttlar. Es war aus dem Amt Ziegenberg entstanden, als sich 1494 die von Buttlar damit belehnen ließen. Zum Amt Allendorf zählten Allendorf (mit Sooden) und Kleinvach; hinzugefügt ist das Gericht Altenstein.

Dem Amt Lichtenau (ehemals Reichenbach) unterstanden die Stadt Lichtenau, Walburg, Reichenbach, Velmeden und sieben andere landgräfliche Dörfer; hinzugerechnet ist z. B. das meisenbugische Retterode. Das Amt war benannt nach der Stadt, in die der Amtmann nach dem Verfall der Burg Reichenbach schon 1490 umgezogen war. Zum Amt Eschwege, das in der Hauptsache Orte aus dem späteren Kreis Eschwege umfasste, gehörten Dudenrode bzw. Kammerbach und Orferode, und zwar zu dessen Unterabteilungen Gericht Bilstein bzw. Klostergericht Germerode. Großalmerode schließlich unterstand dem Amt Kassel-Neustadt. Am Ende des 16. Jahrhunderts gehörten also die drei Städte Allendorf, Lichtenau und Witzenhausen und ungefähr 30 Dörfer zu einem landgräflichen Amt. Etwa ebenso viele Dörfer waren in Adelshand.27)

Den Ämtern übergeordnet waren drei Landvögte: der Landvogt an der Lahn in Marburg, der Landvogt an der Fulda in Kassel und der Landvogt an der Werra in Eschwege. Sie waren so etwas wie Vertrauensleute des Landgrafen, kümmerten sich um militärische Angelegenheiten, beaufsichtigten die Rechtsprechung und überwachten die Amtsverwaltung, bis im 16. Jahrhundert aus dem Amt ein bloßer Titel wurde.28)

Jedes Amt unterstand einem Amtmann, der als Stellvertreter des Landesherrn die obrigkeitliche Gewalt ausübte; dazu gehörte das Überwachen der städtischen Verwaltung und u. U. auch die Bestätigung oder gar die Bestimmung des Bürgermeisters. Vor allem hatte der Amtmann die Rechte des Landgrafen auf Abgaben und Dienste durchzusetzen. Der Amtmann wurde von Unterbeamten unterstützt. So gab es die mit Finanzangelegenheiten betrauten Rentmeister und -schreiber, Schultheißen und Vögte waren Gerichtsvorsitzende.29)

Die Städte hatten eine Selbstverwaltung, an ihrer Spitze stand der Rat. Seinen Ursprung hat er bei den Franken, bei denen ein sechs- oder zwölfköpfiges Kollegium unter dem Vorsitz eines Schultheißen Gericht hielt. Der Schultheiß wurde vom Landesherrn eingesetzt. „Er hielt mit dem Schöffenkolleg das städtische Gericht, und leitete die städtische Verwaltung. Seit der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts traten städtische Ratmannen an seine Seite, die in den ludowingischen Städten meist mit den Schöffen personengleich waren. Den Vorsitz des Rates übernahmen Bürgermeister. Landesherrliche Dienstmannen, die in oder nahe der Stadt wohnten, schützten als Burgmannen die mit der Stadt verbundene Burg.“ 30)

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In Allendorf z. B. bestand der Rat der Stadt31) vom Ende des 13. Jahrhunderts an bis ins 17. Jahrhundert aus zwölf Mitgliedern, denen ein Ratsmeister (magister consulum), später Bürgermeister, vorstand. Der Rat ergänzte sich selbst und amtierte ein Jahr. Dann kam ein neuer Rat an die Reihe, und wenn dessen Amtsjahr abgelaufen war, übernahm wieder der alte Rat. Zu seiner Unterstützung hatte der Rat den Stadtschreiber, er war der einzige Beamte, der jahraus, jahrein im Dienst blieb. Nach der Landesordnung von Ludwig II. gab es seit 1469 zwei Kämmerer für das Rechnungswesen, zwei Schosser für die Steuereinnahmen und zwei oder vier Baumeister.

Landgräfliche oder städtische Beamte erscheinen öfter im Zusammenhang mit Inschriften, z. B. ein Landvogt (Kat.-Nrr. 1, 100), Stadtschreiber (Kat.-Nr. 73), Kämmerer (Kat.-Nr. 78), Baumeister (Kat.-Nr. 60), Bürgermeister (Kat.-Nr. 136), Schultheiß (Kat.-Nr. 60), Amtmann (Kat.-Nr. 164). Manchmal sind mehrere Funktionsträger des Rates genannt (Kat.-Nrr. 60, 137), einmal alle Ratsmitglieder (Kat.-Nr. 77).

Eine wichtige Rolle spielte der Landadel,32) und so tritt im Altkreis Witzenhausen in den Inschriften selbst oder im Zusammenhang mit ihnen eine Reihe von Adelsgeschlechtern in Erscheinung. Die von Bisch(offs)hausen stammen aus Niedersachsen aus der Grafschaft Hoya und nannten sich ursprünglich von Alhusen. Als das Amt Bischhausen als Lehen auf sie übergegangen war, nahmen sie einen neuen Namen an. Seit 1372 hatten sie die Burg Bischoffshausen als hessisches Lehen inne. Ihnen gehörten Teile des Dorfes Bischhausen, das rechts der Werra etwas unterhalb von Witzenhausen gelegen war. Sie waren im frühen 15. Jahrhundert mit Eichenberg und einem Burglehen auf dem Arnstein ausgestattet, später mit anderem Besitz im Raum Eichenberg. Von 1438 an besaßen sie das Gericht Altenstein. Es bestand bis zum 19. Jahrhundert. Sie sind noch heute Patrone der Kirche zu Berge, einem Ortsteil von Neu-Eichenberg. Sie erscheinen in den Inschriften Kat.-Nrr. 65, 80, 96, 120, 259, 260.

Die von Berlepsch waren ebenfalls aus Niedersachsen gekommen. Die eine Linie stellte Burgmannen auf dem Arnstein und der Burg Bischhausen, sie erbauten von dort aus eine neue Burg oberhalb Hübenthal, das spätere Schloss Berlepsch. Als diese Linie ausstarb, zog die andere, die zuvor einige Jahre als Pfandinhaber auf dem Ziegenberg gesessen hatte, widerrechtlich die neue Burg an sich, wurde aber vertrieben. Später erhielten die von Berlepsch sie zurück im Tausch gegen Burg Sensenstein. Lehnsbesitz der Berlepsch waren außerdem Gertenbach, Marzhausen u. a. Mit den Berlepsch verbunden sind die Kat.-Nrr. 1, 56, 66, 73, 83, 219, über Vorfahren auch Kat.-Nrr. 103, 120.

Aus Niedersachsen erschienen drittens die von Bodenhausen. Sie waren Burgmannen auf dem Arnstein (nördlich von Witzenhausen am Übergang zum Leinetal), erhielten diese Burg 1479 zu Lehen, hatten die nahegelegenen Dörfer Eichenberg und Hermannrode unter sich und geboten im weiter entfernten Uengsterode im Gelstertal. Ihnen sind die Kat.-Nrr. 41, 55, 63, 103, 120, 130, 139, 155, 227, 230, 286 zuzuordnen, über Vorfahren auch Kat.-Nrr. 27, 208.

Das thüringische Adelsgeschlecht der von Hanstein saß auf der dem Ludwigstein gegenüberliegenden Burg Hanstein. Ursprünglich waren die späteren Herren von Hanstein Burgmannen gewesen, dann hatten sie den Hanstein als kurmainzisches Lehen übernommen und nannten sich danach. Ihnen gehörte das Gericht Hanstein, das die thüringischen Dörfer Werleshausen, Neuseesen, Lindewerra und Wahlhausen umfasste. Bis ins 14. Jahrhundert hatten die Hansteiner reichen Lehenbesitz vom Kloster Fulda auch auf der linken Seite der [Druckseite XXII] Werra, der dann an die hessischen Landgrafen überging. Werner von Hanstein leitete den Bau der Burg in Lichtenau, das zeitweilig an die von Hanstein verpfändet war.33) Die Hansteiner sind betroffen in den Kat.-Nrr. 46, 51, 83, 187, 208, 292, 301, über Vorfahren auch Kat.-Nr. 129.

Geringer von Besitz und Bedeutung waren die von Berge, sie besaßen im 16. Jahrhundert den Hof Rückerod, das Dorf Trubenhausen im Gelstertal, Teile von Epterode und das Niedergut in Großalmerode. Sie erscheinen in Kat.-Nrr. 68, 72, 83, 129.

Die Meisenbug waren im Südwesten des Altkreises Witzenhausen vor allem in Retterode begütert. Sie waren neben anderen Adligen Burgmannen in Lichtenau gewesen und hatten, als 1413 die Lichtenauer Burg niedergelegt wurde, das Burglehen erhalten; so konnten sie auf dem ehemaligen Burggelände einen Adelssitz errichten.34) Die Meisenbug erscheinen in Kat.-Nrr. 62, 99, 100, 135, 141, 146, 208, 215, 240, 243, 274, 282, über Vorfahren bzw. deren Wappen oder Besitz auch in Kat.-Nrr. 1, 27, 40, 63, 75.

Zu den von Dörnberg, ansässig auf Burg Herzberg bei Breitenbach (Lkr. Hersfeld-Rotenburg), gehören die Inschriften Kat.-Nrr. 86, 87, 99, 107, 141, 166, 215, in denen sie jedoch weder per Name noch per Wappen erscheinen. Dieses Adelsgeschlecht war im Raum Allendorf begütert, u. a. in Frankershausen und Ellershausen, und hatte das Kirchenpatronat in Ellershausen und Oberrieden inne.

Schließlich ist noch die Familie Homberg zum Landadel zu rechnen, seit Tobias Homberg, Lehrer des Landgrafen Moritz, von diesem mit dem heimgefallenen Lehen Kleinvach südlich von Allendorf belehnt worden war. Sie nannte sich daraufhin Homberg zu Vach. Auf sie beziehen sich die Kat.-Nrr. 104, 105, 106, 111, 200, 239, 242, 262.

Ein einschneidendes Ereignis für Hessen war die Einführung der Reformation durch Philipp den Großmütigen. Inschriften, die der Zeit vor der Reformation angehören, sind nicht zahlreich: Ein einziger Grabstein ist erhalten (Kat.-Nr. 2), hinzu kommen Wandmalereien (Kat.-Nrr. 3, 4, 6, 10†), Glocken (Kat.-Nrr. 5, 11, 12, 13, 15, 16, 24, 25, 26, 29, 32, 35, 37), Bauinschriften an Kirchen (Kat.-Nrr. 8, 9, 10), eine an einer Burg (Kat.-Nr. 1), eine an einem Turm (Kat.-Nr. 7) mehrere Kelche (Kat.-Nrr. 18, 21, 22, 23, 38), ein Gewölbeschlussstein (Kat.-Nr. 19) und ein Taufstein (Kat.-Nr. 27).

Mit der Reformation begann Philipp, indem er eine Versammlung einberief.35) Auf der Homberger Synode stimmte er mit Ritterschaft, Städten und Klosteroberen die Grundsätze ab, nach denen die Reformation durchgeführt werden sollte. Dann traten zügig Neuerungen in Kraft: Messe, Wallfahrten und Heiligenverehrung wurden abgeschafft; wo es nottat, wurden ungeeignete Pfarrer gegen brauchbare ausgetauscht. Es wurde ein Kirchenkasten eingerichtet, in den alle Einkünfte flossen und aus dem Ausgaben für die Armen, die Krankenpflege, die Besoldung der Pfarrer und die Unterhaltung der Gebäude bestritten wurden. Bald wurde dem örtlichen Pfarrer ein Kirchenältester zur Unterstützung beigegeben. Sodann wurden die Klöster aufgelöst, Mönche und Nonnen wurden abgefunden. Ein Teil der Klostergüter oder -einkünfte wurde dem „gemeinen Nutz“ zugeführt. So waren sie z. B. die wirtschaftliche Grundlage der 1527 neu gegründeten Marburger Universität. Denn zu Philipps reformatorischen Anliegen gehörte ein Schulprogramm; es sah eine Universität mit einer zugehörigen Stipendiatenanstalt vor. Zu deren Finanzierung mussten die Städte beisteuern, die ehemaligen Klosterbesitz erhalten hatten. Philipp förderte nicht nur die bestehenden Schulen in Städten; er war bestrebt, in allen Städten, Flecken und Dörfern Knabenschulen [Druckseite XXIII] und möglichst auch Mädchenschulen einzurichten. Die Schulen standen unter der Aufsicht der Kirche, den Unterricht erteilten Angehörige des niederen Kirchendienstes, die sog. Opfermänner. Die Landgrafschaft Hessen war in sechs Aufsichtsbezirke, die Superintendenturen, gegliedert. In jeder gab es einen Superintendenten; diesem unterstanden die Stadtpfarrer oder Metropolitane, die ihrerseits über mehrere ländliche Pfarreien, ein sogenanntes Metropolitanat, die Aufsicht führten. Mit der Einrichtung der Superintendenturen verschwanden die vorreformatorischen Archidiakonate, deren Grenzen die alten Stammesgrenzen durchscheinen lassen: So gehörte der Bereich von der Lichtenauer Hochebene bis Laudenbach zu Gensungen, die Gegend um Gertenbach zu Nörten und die Orte dazwischen zu Heiligenstadt.

Wenn auch Philipps Reformen nirgends direkt angesprochen sind, so treten sie doch immer wieder zu Tage, sei es im Text der Inschriften oder im Kommentar. Als Beispiele mögen die folgenden genügen, in denen das Amt eines Superintendenten, Metropolitans, Kirchenseniors erwähnt ist (Kat.-Nrr. 109, 147, 148?, 163, 191, 221, 303, 304) oder der Kirchenkasten (Kat.-Nr. 195). Georg II. von Meisenbug war mit der Oberaufsicht über die nicht vollständig säkularisierten hessischen Stifte Kaufungen und Wetter betraut, aus deren Einkünften arme adlige Töchter alimentiert wurden (Kat.-Nr. 274). Doch nicht nur die Organisationsstruktur der Kirche, sondern auch die Kirchengebäude und ihre Ausstattung veränderten sich: Man benötigte Kanzeln, Kirchenbänke, mehr Licht, Weinkannen, neue Kelche usw. Zahlreiche Inschriften geben über ihre Stifter bzw. Auftraggeber und das Herstellungsjahr Auskunft.

Philipps Bedeutung erschöpft sich nicht in der Einführung der Reformation, sondern er sorgte auch für wirtschaftliche Neuerungen. Unter seiner Herrschaft wurde die Salzproduktion in der Saline Sooden auf eine neue Grundlage gestellt, und in Großalmerode konnte sich der Gläsnerbund neu gründen. Näheres dazu ist in den Abschnitten über Bad Sooden-Allendorf (Kap. 2.1.1) und Großalmerode (Kap. 2.1.2) zu lesen.

Zu einer erneuten konfessionellen Änderung kam es, als Landgraf Moritz (1592–1627, †1632) am Beginn des 17. Jahrhunderts das reformierte Bekenntnis einführte und seine sogenannten Verbesserungspunkte verordnete.36) Einer davon hatte zur Folge, dass die Malereien aus den Kirchen verschwinden mussten (Kat.-Nrr. 3, 4, 6, 10, 83), dass Altäre, Statuen und Skulpturen vernichtet wurden. Zum andern sollte beim Abendmahl nicht mehr eine Hostie genommen, sondern buchstäblich das Brot gebrochen werden. Gerade dieser Punkt rief im Land an Werra und Meißner den heftigen Widerstand von Pfarrern, Adel und Bevölkerung hervor. Aber Moritz setzte sich durch, und so ist mancher Pfarrer inschriftlich erwähnt, den Moritz wegen Renitenz seines Amtes enthob.

Nach Moritzʼ Rücktritt kam es 1627 zu einer Landesteilung.37) Sie diente der Ausstattung seiner Kinder aus zweiter Ehe. Von da an gehörten die Ämter des nachmaligen Altkreises Witzenhausen zur sogenannten Rotenburger Quart, einem eingeschränkt souveränen Fürstentum, das auch als Hessen-Rotenburg bezeichnet wird und selbst wieder kurzfristig in vier Teile gegliedert war. Eine Ausnahme machte das Amt Allendorf, das bei Hessen-Kassel blieb.

Bis zur französischen Besetzung im Jahre 1806 blieb die Verwaltungsstruktur im Großen und Ganzen unverändert. Lediglich Großalmerode bekam 1775 Stadtrechte. Dann richtete Napoleon für seinen Bruder Jérôme das Königreich Westfalen ein. Es war in Departements [Druckseite XXIV] unterteilt, und es ergab sich, dass vier davon am späteren Kreis Witzenhausen Anteil hatten. Lichtenau, Sooden und Witzenhausen zählten zum Werra-, der Raum um Großalmerode zum Fuldadepartement. Im Leinedepartement lag der nördliche Teil des Gebietes rechts der Werra, während der anschließende Teil von Werleshausen bis Allendorf zum Harzdepartement gehörte.38)

Nach der Franzosenzeit wurden die früheren Verhältnisse wiederhergestellt, Hessen-Rotenburg erstand wieder, doch die Gerichtsbarkeit des Adels fand ein Ende. Dann wurde die Justiz von der Verwaltung getrennt und 1821 das Land in Provinzen, Kreise und Gerichte eingeteilt. Der damals gebildete Kreis Witzenhausen hatte mit wenigen Veränderungen Bestand, bis er zum 1.1.1974 mit dem Kreis Eschwege zum Werra-Meißner-Kreis zusammengefasst wurde.

2.1 Beschreibung und Geschichte wichtiger Standorte – Städte

In den folgenden Abschnitten werden zunächst die alten Städte mit ihren Inschriften vorgestellt, danach wichtige kleinere Standorte. Den Rahmen bilden einige knappe Bemerkungen zur Ortsgeschichte. Die Bezeichnung der kirchlichen Standorte folgt im Wesentlichen der Homepage des Kirchenkreises Witzenhausen, ggf. auch Auskünften der Gemeinden.

2.1.1 Bad Sooden-Allendorf39)

Wie der heutige Doppelname deutlich macht, besteht die Stadt aus zwei Teilen: aus Sooden mit der ehemaligen Saline und aus der fast 800 Jahre alten Stadt Allendorf. Bevor diese Namen in Gebrauch kamen, gab es nur die Bezeichnung Westera, die beide Teile umfasste. Diese wird in der ältesten Quelle aus der Zeit Karls des Großen benutzt, als dieser zwischen 768 und 779 die Salzquellen in Verbindung mit weiteren Rechten dem Kloster Fulda schenkte, und ist noch im Jahre 1212 in Gebrauch, als diese Abtei Landgraf Ludwig IV. mit Westera belehnte. Der Name Allendorf erscheint erstmalig 1218, als Ludwig IV. dem Erfurter Katharinenkloster u. a. die Pfarrkirche zu Allendorf übereignete. Die neue Bezeichnung erinnert an das „alte Dorf“, neben dem die Stadt planmäßig angelegt wurde.

Die Geschichte der Stadt Allendorf in den Soden, wie sie zeitweilig genannt wurde, war jahrhundertelang vom Salz bestimmt. Landgraf Heinrich I. von Hessen hatte am 25. Mai 1300 auf das Setzen eigener Pfannen verzichtet, und so entwickelte sich die Salzherstellung zu einem Vorrecht bestimmter Allendorfer Familien. Nur wer von diesen abstammte oder in sie einheiratete, durfte Anteile an den Pfannen besitzen, in denen das Salz hergestellt wurde. Die bevorrechtigten Familien stellten also die Eigentümergemeinschaft des Salzwerkes dar. Sie betrieben bis zum 16. Jahrhundert 42 Siedehäuser (Kote genannt), in denen die in den Salzquellen zutage tretende Sole erhitzt wurde, bis das Wasser verdampfte und das Salz übrigblieb. Der stete Bedarf an Salz sicherte den Pfännern, wie man sie nannte, ein beständiges hohes Einkommen, und auf dieser wirtschaftlichen Grundlage wurden sie zur wichtigsten politischen Kraft. Denn da sich der Rat der Stadt aus den Pfännerfamilien rekrutierte, bestimmten sie maßgeblich die Geschicke der Stadt. Allendorf wurde reich.

Zu einer Veränderung dieser Verhältnisse kam es unter Philipp dem Großmütigen, da einerseits zu wenig Salz produziert wurde, andererseits ein Teil der Sole ungenutzt blieb. Philipp griff ein, und es gelang ihm, das Salzwerk schrittweise in landgräfliche Verwaltung zu [Druckseite XXV] überführen. Zunächst setzte er bei den Pfännern durch, dass er seinerseits 42 Koten errichten durfte. Sodann pachtete er 1540 auf 15 Jahre das pfännerschaftliche Salzwerk hinzu. Dem folgte ein zweiter Pachtvertrag, der auf 30 Jahre lautete. Als dieser ausgelaufen war, übernahm Philipps Nachfolger Wilhelm IV. das Salzwerk auf unbegrenzte Zeit, wie der als „ewige Lokation“ bezeichnete Pachtvertrag deutlich macht.40)

Um 1600 war die Saline in Sooden eine der modernsten in Europa. Dazu hatte der unter Philipp tätige Salzgrebe und Pfarrer Johannes Rhenanus maßgeblich beigetragen. Er hatte Gradierwerke eingeführt, mit deren Hilfe die Konzentration der Sole von 4 auf 22 Prozent erhöht werden konnte, und die Befeuerung wurde auf die am Meißner anstehende Braunkohle umgestellt, wodurch die Wälder geschont wurden. Das Salzwerk wurde von fürstlichen Beamten geleitet: Obersalzgrebe, Salzgreben, Rentmeister und Gegenschreiber waren die wichtigsten unter ihnen. Das Salzwerk florierte bis ins 19. Jahrhundert. Dann erlag es der Konkurrenz des bergmännisch gewonnenen Salzes. Allendorf verlor seine Bedeutung, aber Sooden konnte sich zum Bad entwickeln.

In den Inschriften treten natürlich vor den Besonderheiten der Allendorfer Geschichte solche Dinge zu Tage, die man in ähnlicher Art an anderen Orten findet. Dazu zählen Inschriften mit Bezug auf die Kirche.

Zum „alten Dorf“ gehörte eine Kirche St. Crucis, der man nachsagte, sie sei von Bonifatius gegründet worden.41) Die heutige Kirche geht auf einen Bau zurück, mit dem man in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts begann. Einige Bauglieder, die darin vermauert sind, stammen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Langchor und Chorabschluss werden in die 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert. In diese Zeit muss dann auch der undatierte Gewölbeschlussstein mit Darstellung des Agnus dei und einem Bibelzitat gehören (Kat.-Nr. 19). Mit dem Turm wurde laut Inschrift (Kat.-Nr. 9/I) 1424 bzw. 1427 begonnen, vielleicht wurde er 1476 fertiggestellt (Kat.-Nr. 9/II). Nicht genau deutbar ist die Jahreszahl 1506 (Kat.-Nr. 9/III); sie dürfte sich auf Baumaßnahmen am nördlichen Langhaus beziehen.

Zusammen mit der ganzen Stadt wurde im Dreißigjährigen Krieg auch die Kirche St. Crucis zerstört. Es wird von drei verlorenen Glocken berichtet, von einer sind Bruchstücke der Inschrift überliefert (Kat.-Nr. 37). Auch ihre reiche Ausstattung hat die Kirche eingebüßt. Sie besaß ein vergoldetes silbernes Kreuz, eine Monstranz aus Kupfer, ein silbernes Weihrauchfass, 15 vergoldete Kelche, zwei mit Damast überzogene Bücher mit vergoldeten silbernen Spangen, 16 Röcke und Messgewänder mit Perlen-, Silber- und Goldstickereien.42) Inschriften auf diesen Trägern sind nicht bekannt geworden, dagegen solche auf neu angeschafften Abendmahlsgeräten (Kat.-Nrr. 161f., 178f.). Beim Wiederaufbau erhielt die Kirche einen wohl aus älterer Zeit stammenden Altar, dem eine Inschrift beigegeben wurde (Kat.-Nr. 156). Einige Jahrzehnte später kam eine prächtige Barockkanzel hinzu (Kat.-Nr. 221).

Neben St. Crucis liegt der Friedhof, zu dem eine Friedhofshalle und ein Ehrenhof gehören. In dieser Halle sowie im überdachten Randbereich des Ehrenhofs sind ca. 20 kunstvoll bearbeitete Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhundert aufgestellt. Ihre Grabinschriften geben einen Einblick in das Denken und Fühlen der damaligen Menschen, der noch weiter reichen würde, wenn man von den beidseitig beschriebenen Grabsteinen auch beide Seiten in Augenschein nehmen könnte. Doch leider ist nur jeweils eine Seite zugänglich. Die Verankerung zu lösen und die Steine zu drehen ist kurzfristig nicht erreichbar. Die Verstorbenen [Druckseite XXVI] gehören zu den Familien Arnold, Benedix, Bornmann, Diede, Gille, Gundlach, Hartwich, Klinckerfuß, Kröschel, Reutel, Schaffnicht, Schirmer, Schmitt, Schuchwirt.

Wie die meisten Städte hatte auch Allendorf ein Hospital, das Hospital zum Heiligen Geist. Es lag etwas außerhalb der Stadt vor dem Waldistor; zu ihm gehörten eine Kapelle und ein kleiner Friedhof. Erstmalig ist es 1376 urkundlich erwähnt und wird nicht sehr viel früher entstanden sein.43) In der Kapelle sind ältere Inschriften als in St. Crucis anzutreffen. Man findet dort eine vortrefflich erhaltene Grabplatte von 1371 (Kat.-Nr. 2) sowie eindrucksvolle Wandmalereien aus dem 14. und 15. Jahrhundert (Kat.-Nr. 3), die allerdings in Folge der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz bis ins 20. Jahrhundert übertüncht waren. Eine alte Glocke, deren Inschrift kopial überliefert ist, verschwand auf ungeklärtem Wege erst nach dem Zweiten Weltkrieg (Kat.-Nr. 15).

Inschriften an Allendorfer Bürgerhäusern gibt es nur in geringer Zahl. Zwei haben sogar die Einäscherung Allendorfs 1637 überstanden (Kat.-Nr. 43/I–II). Kurz nach diesem verheerenden Unglück entstanden die Häuser Kirchstraße 28 und 29 (Kat.-Nrr. 157, 158) und 23 (Kat.-Nr. 159). Beachtung verdient der Grundstein einer Brücke von 1578 (Kat.-Nr. 69), der jetzt auf der Wiese neben der Bahnhofstraße seinen Platz hat. Bemerkenswert wegen der Beziehung zum fürstlichen Salzwerk ist das Portal des Renthofs, den Johann Feige als Rentmeister des Salzwerks 1604 erbaute (Kat.-Nr. 128). Dort hat vielleicht auch der Glashumpen seine Verwendung gefunden, den jetzt das Landesmuseum Kassel aufbewahrt (Kat.-Nr. 123). Mit der Pfännerschaft und deren Salzwerk hat der Hirsetopf zu tun (Kat.-Nr. 81).

In Sooden gab und gibt es eine eigene Kirche, St. Marien. Sie wurde wohl von Allendorf aus im Anschluss an St. Crucis gegründet.44) Es ist ein „im Kern noch gotischer Bau, den das gleiche Schicksal ereilte wie die Pfarrkirche zu Allendorf“. Im Zuge des Wiederaufbaus, der erst unter Landgraf Karl beendet wurde, erhielt St. Marien einen Westturm. Von der Zeit der Gotik zeugt vor allem die Glocke von 1405 (Kat.-Nr. 5); sie wird schon im Vorgängerturm geläutet haben, den mittelalterliche Stadtansichten zeigen.45) Das Bauwerk selbst weist ältere Werkstücke auf, die eine Jahreszahl und Initialen tragen, dazu aus der Zeit Karls einen Wappen- und einen Gewölbeschlussstein aus dem Jahr 1705 bzw. 1699 (Kat.-Nr. 263). In der Zeit dazwischen wurde die Kanzel gebaut (Kat.-Nr. 275), ein Kelch und der Altar sind aus den 1650er Jahren (Kat.-Nrr. 172, 173), eine Patene und eine Glocke aus der Zeit kurz vor 1637 sind der Zerstörung entgangen (Kat.-Nrr. 153, 154), fünf goldene Kelche und ein Silberkreuz gingen verloren.46) Im Kircheninnern sind drei Grabplatten aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufgestellt. Sie erinnern an die Obersalzgreben Starck und Ungefug und an Ungefugs erste Ehefrau (Kat.-Nrr. 204, 205, 241).

Ein Gebäude aus dem beginnenden 18. Jahrhundert, das Södertor, beherbergt das Soodener Salzmuseum, das die Erinnerung an das frühere Salzwerk wachhält: Dort steht noch eine Geldkiste des Salzmagazins (Kat.-Nr. 118); ein Humpen (Kat.-Nr. 168) zeigt das Soodener Stadtwappen mit Sälzergerätschaften; ein Gemälde mit der Beischrift seines Namens (Kat.-Nr. 267) kündet von der wichtigen Rolle, die Philipp der Großmütige für das Salzwerk spielte. Das Bild wurde wohl nach einer Vorlage aus dem 16. Jahrhundert im 17. Jahrhundert gemalt. Gleich neben dem Södertor liegt das ehemalige Zoll- und Steueramt, die sogenannte [Druckseite XXVII] Pfennigstube. Eine Bauinschrift von 1631 (Kat.-Nr. 151) gibt das Motto Landgraf Wilhelms V. wieder und weist ihn als Bauherrn aus.

Durch das fürstliche Salzwerk entwickelte sich Sooden aus einer von Allendorf gelenkten Produktionsstätte zu einem selbständigen Gemeinwesen und war seit der Franzosenzeit politisch von Allendorf getrennt und unabhängig, bis beide Teile 1929 zu Bad Sooden-Allendorf vereinigt wurden.

2.1.2 Großalmerode

Großalmerode, das in den Quellen erstmalig 1386 erwähnt ist, dürfte schon damals Bedeutung wegen seiner Bodenschätze gehabt haben. Ganz sicher ist das im Jahr 1537, als sich ein neuer Gläsnerbund gründete, dessen Sitz Großalmerode und dessen Schutzherr Philipp der Großmütige war.47)

Eine Glashütte ist im Kaufunger Wald 1446 belegt, 1466 waren es acht. Der Kaufunger Wald bot gute Voraussetzungen zur Glasherstellung: Tonvorkommen für Schmelztiegel, viel Holz für die Feuerung, eine nahegelegene Saline für den Bezug von Soda, schiffbare Flüsse für den Warentransport. Die Gläsner waren zunächst im Spessartbund zusammengeschlossen gewesen. Doch dieser hatte sich am Bauernkrieg beteiligt, und so verlor er 1525 seine Rechte und wurde aufgelöst. Zum Spessartbund hatten auch hessische Gläsner gehört, wie man an den in der Bundesordnung von 1406 genannten Namen erkennt.

Seit 1537 trafen sich die Gläsner zu ihrer jährlichen Bundesversammlung in Großalmerode. Bundesmeister war zuerst Hans Gundelach genannt Becker. Er ist wohl identisch mit Hans Becker genannt Gundelach, dessen Name in einer Hausinschrift in Großalmerode erscheint (Kat.-Nr. 39). Sein Wohnhaus wird als Tagungsort der Bundesversammlung angesehen. In den Glashütten rund um Großalmerode wurde hauptsächlich Fensterglas sowie Glas für Trink- und Apothekergefäße hergestellt. Es war leicht grünlich gefärbt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts ging es mit der Glasherstellung im Kaufunger Wald dem Ende zu, denn Landgraf Moritz hob die Glashütten zur Schonung des Waldes und wegen Holzmangels auf. Die Gläsner wanderten ab, z. B. nach Thüringen, Mecklenburg und Dänemark, wo sie ihr Handwerk weiter betreiben konnten.

An „Glaßgroßalmerode“, wie der Ort um 1580 bezeichnet ist, erinnern zunächst einige Grabsteine, die u. a. zu den Gläsnerfamilien Wenzel und Gundelach gehören (Kat.-Nrr. 101, 110), oder eine Glocke (Kat.-Nr. 140), vielleicht auch die Initialen in Kat.-Nr. 138. Vor allem aber können wir noch heute einige sehr schöne Stücke der Großalmeroder Glasmalerei bewundern. „Die bemalten hessischen Gläser des 17. Jahrhunderts gehörten mit zu dem Schönsten und Qualitätvollsten, das die Emailkunst der Gläsner überhaupt hervorgebracht hat.“ Das gilt besonders für den Humpen des Franz Gundelach (Kat.-Nr. 123); er zeigt dessen Familie in spanischer Tracht und trägt eine Widmung sowie Namensbeischriften; ebenso gilt es für das mit einer Jahreszahl versehene Wappenglas des Rentmeisters und Salzgreben Johann Feige (Kat.-Nr. 145) und das einen Spruch aufweisende Trinkglas des Allendorfer Bürgermeisters Sahme (Kat.-Nr. 168).

Auch Alaun, das man zum Gerben von Leder benutzte, wurde in Großalmerode hergestellt.48) Das Alaunbergwerk am Hirschberg entstand durch Heinrich Ebel, dem Landgraf Wilhelm IV. 1573 die Anlage gestattete. Spätere Alaunbergmeister sind inschriftlich erwähnt (Kat.-Nrr. 140, 297, 305). Vom Ton, dem wichtigsten Bodenschatz, der bis ins [Druckseite XXVIII] 19. Jahrhundert eine florierende Schmelztiegelherstellung ermöglichte, oder dem Braunkohleabbau ist in den Inschriften nichts zu lesen.

Vorhanden sind weiter einige Inschriften aus dem kirchlichen Bereich. Man findet sie fast alle in der Stadtkirche, einem Bauwerk aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, in das in geringem Umfang ältere Bausubstanz einbezogen ist.49) Ältestes Zeugnis ist eine Jahreszahl, die man vor wenigen Jahren über dem Eingang zur Sakristei entdeckte (Kat.-Nr. 17). Nicht viel jüngeren Datums ist die Kanzel (Kat.-Nr. 31). Undatiert, aber vielleicht noch knapp dem 15. Jahrhundert zuzurechnen ist ein Kelch (Kat.-Nr. 38). Dagegen stammen die Grabdenkmäler der Pfarrer Metz und Koppen sowie das der Ehefrau Koppens aus dem 18. Jahrhundert. Nicht ganz so spät sind die Grabsteine an der Friedhofskapelle: Der Weinhändler Peter Peter starb 1659 (Kat.-Nr. 183), der Handelsmann Johannes Hoffmann 1695 (Kat.-Nr. 252). Ein weiterer Stein gilt dem Andenken an Dorothea Hoffmann, seine Tochter, und ihren Ehemann, den Alaunbergmeister Elias Rüppel (Kat.-Nr. 297).

2.1.3 Hessisch Lichtenau

Kurz vor 1289 gründete Landgraf Heinrich I. die Stadt Lichtenau, die seit 1889 Hessisch Lichtenau heißt.50) Sicherlich leitete ihn die Absicht, dem Gebiet einen wirtschaftlichen Mittelpunkt zu schaffen; strategische Überlegungen haben vielleicht mitgespielt. Die Hochfläche war nicht unbesiedelt; neben dem alten Vortriden gab es mehrere Dörfer, die wohl die Grafen von Reichenbach in der Hoffnung gegründet hatten, durch Rodungen ihre Herrschaft vergrößern zu können. Die Stadt wurde planmäßig angelegt. Ihre Bewohner bekam sie wohl aus den umliegenden Dörfern; jedenfalls sind diese nach und nach verschwunden.51) Vortridens alte Kilianskirche bestand bis 1826. Das Gotteshaus diente Lichtenau, solange es keine eigene Kirche hatte, als Mutterkirche.52) Das für Nordhessen auffällige Kilianspatronat erklärt sich wohl dadurch, dass die Grafen von Reichenbach Vögte der Würzburger Kirche für Güter und Rechte in Hessen waren und vom dortigen Bischof mit Besitz in Vortriden belehnt waren.53)

Zum Schutz der neuen Stadt setzte der Landgraf Burgmannen aus vier Adelsfamilien ein und belehnte sie mit einem Sitz in der Stadt und Ländereien in der Umgebung.54) 1330 war die Stadt mit einer Mauer befestigt, von der noch große Teile erhalten sind. An zwei Stellen der Stadtmauer sind heute Wappen- und Inschriftensteine eingelassen, darunter einer von 1522 (Kat.-Nr. 36), weitere von 1706 (Kat.-Nr. 281).

Später bekam die Stadt auch eine Burg. Landgraf Hermann II. ließ sie 1385–1387 durch Werner von Hanstein errichten, als er mit konkurrierenden Territorialherren im Kampf lag.55) Sie erwies sich aber bald als überflüssig und wurde 1413 niedergelegt. Die vier Lehen wurden 1428 zu einem zusammengelegt, das an Hermann Meisenbug vergeben wurde; ein Meisenbug war schon 1323 in Lichtenau Burgmann gewesen. So entstand auf dem ehemaligen Burggelände der Adelssitz der Familie Meisenbug, der sogenannte Junkerhof (Kat.-Nr. 40).56) Ein Nachkomme Hermanns war Amtmann in Lichtenau.

[Druckseite XXIX]

Schon bald nach Gründung der Stadt begann man mit der Errichtung einer Kirche. Wie man 1992 durch Grabungen anlässlich der Kirchenrenovierung feststellte, hatte die heutige Ev. Stadtkirche eine romanische Vorgängerin, die in das 13. Jahrhunderts datiert.57) Der heutige Bau geht auf eine Kirche aus dem 14. und 15. Jahrhundert zurück. Inschriftlich auf 1415 datiert ist der Baubeginn der Sakristei (Kat.-Nr. 8); das Datum gibt einen Anhaltspunkt für den Fortschritt des gleichzeitigen Ostbaus. Da die Kirche im Dreißigjährigen Krieg gründlich zerstört wurde und 1889 völlig ausbrannte, hat sich nur wenig von ihrer alten Ausstattung erhalten: der Taufstein (Kat.-Nr. 91), ein Kelch (Kat.-Nr. 148) und das Epitaph des jüngeren Georg Meisenbug (†1702, Kat.-Nr. 274). Das ungleich bedeutendere Epitaph des älteren Georg Meisenbug († 1597, Kat.-Nr. 100) wurde 1889 ein Raub der Flammen. Doch es gibt ein Foto und eine kopiale Überlieferung. Das ist ein gewisser Ersatz, denn Umfang und Verfasser der Inschrift sind außergewöhnlich, handelt es sich doch um 40 lateinische Verse des Landgrafen Moritz. Hinzu kommen zwei Distichen des Otto von Starschedel, der sonst nicht als Dichter hervorgetreten ist. Des Weiteren beherbergt die Kirche seit etwa 20 Jahren auch eine Grabplatte und mehrere Grabplattenfragmente, die alle Mitgliedern der Familie Meisenbug gehören (Kat.-Nrr. 99, 135, 141, 146). Sie wurden bei der erwähnten Grabung unter dem Chor gefunden.

Die Stadt Lichtenau war ein Ackerbürgerstädtchen. Um dessen Entwicklung zu fördern und seine Lebensfähigkeit zu erhöhen, hatte der Landgraf angeordnet, dass sich Gewerbe nur in der Stadt ansiedeln durfte und dass nur dort gebacken und gebraut werden durfte. So hatte die Bevölkerung anscheinend ihr Auskommen. Die Inschriften schweigen darüber, und nicht einmal Lichtenaus berühmtester Sohn, der Kanzler Johann Feige (1482–1543), der Philipp den Großmütigen bei der Homberger Synode unterstützte und später in seinem Auftrag die Marburger Universität gründete, hat in Inschriften seiner Heimatstadt Erwähnung gefunden.

Lichtenau hat schwer unter dem Dreißigjährigen Krieg gelitten und wurde 1637 ein Opfer der Grausamkeit und Zerstörungswut kaiserlicher Truppen. Die Stadt wurde angezündet, das Rathaus ging in Flammen auf, 84 Häuser sanken in Schutt und Asche, die Kirche fiel in Trümmer, verlor ihre Glocken und büßte einen Großteil ihrer gottesdienstlichen Geräte ein; eine Ausnahme ist der Kelch von 1627 (Kat.-Nr. 148). Der Wiederaufbau der Kirche begann sogleich im nächsten Jahr, am 3.8.1638, mit dem Turm. Glocken hatte man schon vorher, am 16.5., bei Gottfried Kohler in Kassel in Auftrag gegeben. Etwas später wurde ein neues Rathaus in Angriff genommen (Kat.-Nr. 176). Sein Portal mit einer typischen Rathausinschrift nennt die Jahreszahl 1654, die sich wohl auf den Baubeginn bezieht. Fertiggestellt wurde es vermutlich erst im Jahr 1656. Etwa zur selben Zeit errichtete man das gegenüberliegende Haus Ratsgasse 2 an der Ecke zur Landgrafenstraße. Dass dessen Jahreszahl auch von 1656 stammt (Kat.-Nr. 181/I), ist aber wegen der modernen Ziffern zweifelhaft. Unter Landgraf Karl, vermutlich noch im 17. Jahrhundert, erhielt Lichtenau ein neues Schulhaus (Kat.-Nr. 268).

Eine ungewöhnliche Inschrift weist das Haus Schmiedegasse 3 auf. Der Zimmermann Christian Schönewolf hat es für seine künftige Ehefrau erbaut. Sehr sorgfältig hat er zum Ehestand passende Verse eingeschnitzt, Verse, die er, man möchte es nicht für möglich halten, einem Rechenbuch entnommen hat (Kat.-Nr. 298). Dessen Verfasser Johann Hemeling war nämlich ebenso sehr Mathematiker wie Dichter. Eine Inschrift, die auf einen mathematicus poeta zurückgeht, wird es kaum ein zweites Mal geben.

2.1.4 Witzenhausen58)

„In proxima pascha“, so schreibt die Reinhardsbrunner Chronik zum Jahr 1225 über Ludwig IV., „in Witczenhusin nundinas fieri constituit et forum vulgare ad emendum que hominibus sunt necessaria et vendenda.“ Frühere Erwähnungen Witzenhausens gibt es nicht, doch bestand die Ansiedlung schon geraume Zeit; es ist wohl eine vorkarolingische fränkische Gründung. Vielleicht hat sich der Marktort Witzenhausen sogleich gut entwickelt. Denn als sich 1232 der Erzbischof von Mainz beim hessischen Landgrafen Konrad dafür revanchieren wollte, dass dieser ihm die Stadt Fritzlar zerstört hatte, da ließ er seine Truppen Witzenhausen verwüsten, sodass es neu aufgebaut werden musste. Doch dieses Unglück hatte keine nachhaltigen Folgen, es wird aber dazu geführt haben, dass man eine bessere Befestigung anlegte. Sie muss auch bald einen gewissen Umfang erreicht haben, sonst hätte Witzenhausen 1264 nicht castellum genannt werden können. Sicher hat man auch an der Kirche gebaut, zeigt doch der Turm einen spätromanischen unteren Teil und einen frühgotischen oberen Teil (13. und 14. Jahrhundert).59) 1297 gab es in der Kaufmannsgilde die erstaunlich hohe Zahl von 85 Tuch- und Pelzhändlern. Demnach war Witzenhausen gegen Ende des 13. Jahrhunderts eine blühende Handelsstadt. Etwa zur selben Zeit gründete der Orden St. Wilhelmi das Witzenhäuser Wilhelmitenkloster. Das Kloster hatte Bestand, bis Landgraf Philipp im Zuge der Reformation den hessischen Klöstern ein Ende bereitete. Ein Konvent, den Zisterzienserinnen um 1275 ins Leben gerufen hatten, hatte sich schon vorher wieder aufgelöst.

Mit dem 15. Jahrhundert setzt in Witzenhausen die inschriftliche Überlieferung ein. Da war die erste Blütezeit längst vergangen, denn Mitte des 14. Jahrhunderts hatte die Pest gewütet und der Fernhandel hatte sich von den kleineren auf die großen Städte verlagert.60) Die früheste Inschrift stammt aus der Liebfrauenkirche, deren Chor 1404 geweiht wurde.61) Es ist eine nur kopial überlieferte Jahreszahl 1408 auf einem Gemälde der hl. Elisabeth (Kat.-Nr. 6). Erhalten hat sich dagegen eine nur wenig jüngere Bauinschrift an einem Turm der Stadtmauer (Kat.-Nr. 7). Leider ist der Zusatz zur Jahreszahl verwittert. Über das Wilhelmitenkloster informieren zwei Tafeln mit Bauinschriften zu dessen Kirche (Kat.-Nrr. 10/I, II). Sie sind jetzt als Spolien in einen späten Nachfolgebau (19. Jahrhundert) des mehrfach umgenutzten und umgestalteten Klosters eingelassen. Kopial überliefert sind ferner eine Jahreszahl und ein Fragment einer Bildbeischrift, worin wohl die Abstammung des Ordensgründers Wilhelm behandelt ist (Kat.-Nrr. 10/III, IV).

Im Jahre 1479 wurde Witzenhausen durch einen verheerenden Stadtbrand fast vollkommen zerstört. 225 Häuser und das Rathaus fielen ihm zum Opfer. Die Liebfrauenkirche, deren Bau man nach einer neuen Konzeption fortgesetzt hatte – sie sah eine dreischiffige Hallenkirche vor und bezog den alten Turm mit ein –, kam glimpflich davon. Der Wiederaufbau der Stadt begann zügig, wie die Jahreszahl 1480 an einem Haus in der Marktgasse zeigt (Kat.-Nr. 14), und das späte 16. Jahrhundert kann sogar als Witzenhausens zweite Blütezeit gelten. Davon zeugen Inschriften, die im Bereich der Kirche und an Bürgerhäusern jetzt in größerer Zahl erscheinen. Die folgenden gehören mit Ausnahme von Kat.-Nrr. 126, 131, 137 dem 16. Jahrhundert an.

[Druckseite XXXI]

Auf der Kanzel von 1575 sind der Salvator mundi, die Evangelisten und Paulus samt Namensbeischriften aufgemalt (Kat.-Nr. 117). Mit Malerei und Inschriften ist die Taufkapelle geschmückt (Kat.-Nr. 83). Ihre Decke zeigt Symbolgestalten von Tugenden, die Namen sind beigefügt. Den Durchgang zum Chor zieren 13 nicht vollständig erhaltene Medaillons mit Beischriften, Christus und die zwölf Apostel. Auf die Ostwand der Taufkapelle ist ein Bibelvers aus Luthers Übersetzung aufgemalt. Man hat ihn wohl bisher übersehen, genauso wie die Inschrift im oberen Teil der Südwand, die eine Reihe Verstorbener der Adelsfamilien von Berge, von Berlepsch, von Buttlar, von Hanstein aufzählt. Im unteren Teil der Südwand sind der Schulmeister Israel Engelhard und der Opfermann Antonius G... dargestellt. Ihre Beziehung zu den Malereien bzw. Inschriften bleibt unklar. Immerhin erinnern die beiden Herren daran, dass durch die Reformation das Schulwesen der Kirche unterstellt war. Sofern man die Überlegung akzeptiert, die Inschriften seien durch Engelhard wenigstens mit veranlasst, kann man sie in die Nähe der Umbauten bis 1582 (Kat.-Nrr. 77, 78) setzen und davon ausgehen, dass die Aufzählung von Adelsnamen den Verlust von Gräbern dieser Personen bei den Baumaßnahmen lindern sollte.

Zur Ausstattung der Kirche gehören eine Vierergrabstätte der von Berlepsch und mehrere Epitaphien. Die Grabplatte Apels von Berlepsch stammt von 1570; zu seiner Rechten ruht wohl ein früher verstorbener Verwandter unter einer inschriftlosen Platte. Auf der anderen Seite neben Apel liegt die Grabplatte seiner 1577 verstorbenen Ehefrau Margarete Susanne von der Tann. An sie schließt eine bislang nicht identifizierte Grabplatte an, die der Bearbeiter der Anna von Bodenhausen zuweisen möchte. Neben den Grabplatten befindet sich an der Nordwand ein Epitaph desselben Ehepaars von Berlepsch (Kat.-Nrr. 56, 66, 73, 120). Ein Holzgitter mit Inschrift, das diesen Bereich abtrennte, ist nicht mehr vorhanden (Kat.-Nr. 58). Im Chor hat ein Epitaph für Bodo von Bodenhausen (†1549) und seine Ehefrau Anna von Klenke (†1550) seinen Platz bekommen. Es zeigt das Ehepaar mit vier Söhnen und vier Töchtern und beeindruckt durch vollplastische lebensgroße Figuren (Kat.-Nr. 63) und einen komplizierten Aufbau. Der Sohn Wilke († 1573) hat es setzen lassen. Zwei weitere Epitaphien ehren den Schultheißen Hans Motz und den Bürgermeister Johannes Motz, seinen Sohn (Kat.-Nrr. 94, 136). Und an die Pfarrerstochter und Stadtschreibergattin Elisabeth Frank geb. Behn, die anscheinend bei der Geburt von Zwillingen starb, erinnert ein Epitaph, das der im Kasseler Raum namhafte und vielbeschäftigte Bildschnitzer Andreas Herber angefertigt und signiert hat (Kat.-Nr. 71). Zu diesen Grabdenkmälern gesellen sich ein Grabstein des Bürgermeisters Hans Kindervater (Kat.-Nr. 116), der lange nach seinem Tod beschriftet wurde, die Grabplatte des Pfarrerkindes Wilkinus Benenius (Kat.-Nr. 61) sowie eine weitere Grabplatte eines bisher unbekannten Mannes, den Kleidung und Kelch als im Kirchendienst befindlich ausweisen. Nach Ansicht des Bearbeiters handelt es sich um Henrich Geilfuß (Kat.-Nr. 88), den zwischen 1587 und 1590 verstorbenen Mitarbeiter des Pfarrers Benenius.

An Witzenhäuser Hausinschriften ist zwischen 1481 und 1562 nur eine einzige überliefert (Kat.-Nr. 28). Zwischen 1563 und 1606 sind es 13 (Kat.-Nrr. 48, 49, 52, 59, 60, 64, 70, 79, 82, 113, 115, 126, 131). 1563 baute Michael Müller neu (vielleicht ein Schiffmeister), 1565 Hans Motz, der Schultheiß; 1572 bekam Witzenhausen ein neues Schulhaus, und der Pfarrer baute ein stattliches Haus für seine Familie; 1579 errichtete Wedekind Meinhard sein stolzes Gebäude am Markt, 1582 baute der Ratsherr Cyriacus Geilfuß, 1584 der Amtmann Hans Holle, auch am Markt. Justus Motz, Vogt des zur Domäne umgewandelten Wilhelmitenklosters, errichtete 1602 ein Haus am Kespermarkt, und Margarete geb. Motzin, Witwe des Pfarrers Christian Grau, baute 1606 an den Markt. Wie viel sonst noch gebaut wurde und wie viele Häuser sonst noch mit Inschriften verziert wurden, wissen wir nicht. Der zweite schreckliche Stadtbrand von 1809 hat zahlreiche Häuser vernichtet, doch [Druckseite XXXII] kann man aus der steigenden Anzahl der Bauhandwerker auf eine wesentlich umfangreichere Bautätigkeit schließen.62)

Der zweiten Blütezeit Witzenhausens setzte der Dreißigjährige Krieg ein Ende, nachdem die Stadt schon 1599 eine Pest durchlitten hatte, der etwa die Hälfte der Bewohner erlegen war. Damit ändert sich auch das Inschriftenaufkommen. So ist die Inschrift, die das neue Brauhaus im Jahre 1615 erhielt, für die nächsten hundert Jahre die letzte Bauinschrift (Kat.-Nr. 137). Sonst haben sich ausschließlich Grabinschriften erhalten. Die Steine, in die sie eingehauen sind, findet man an der Außenseite der Liebfrauenkirche, nur zwei sind innen aufgestellt. Drei Grabdenkmäler betreffen Witzenhäuser Pfarrer (Kat.-Nrr. 147, 149, 163), eines davon wurde ein zweites Mal für eine Pfarrerswitwe verwendet (Kat.-Nr. 147). Zwei weitere deckten die Gräber der Ehefrau und des Töchterchens des späteren Marburger Juristen Erich Graf (Kat.-Nrr. 164, 165), eine weitere war für einen früh verstorbenen Sohn des Amtmanns Laubinger bestimmt (Kat.-Nr. 170), und schließlich galt ein Grabstein dem Kirchensenior Christoph Kindervater (†1683) und seiner Ehefrau (Kat.-Nr. 220). Von den im Innern aufgestellten Grabsteinen gehört, wie schon lange bekannt, der eine zu Maria von Chrembsen (†1712), der aus England stammenden Ehefrau des Johann Wolf von Bodenhausen auf Amenau (Amönau) (Kat.-Nr. 286), der andere ist, wie der Bearbeiter nachweisen konnte, zu ihrem Ehemann gehörig, der 1686 in Witzenhausen starb (Kat.-Nr. 227). Immerhin haben auch zwei Glocken von 1505 und 1603 (Kat.-Nrr. 25, 127) alle Fährnisse überstanden.

Als späteste Inschrift aus Witzenhausen wurden die lateinischen Verse einer Bauinschrift aufgenommen, die sich über dem Westeingang der Liebfrauenkirche befindet (Kat.-Nr. 294). Der Text war bisher ab dem zweiten Distichon bekannt; vom ersten wusste man, dass es ein Chronogramm enthält. Jetzt steht auch die Lesung der Anfangsverse fest. Das Chronogramm führt auf das Jahr 1726.

2.2 Kurze Beschreibung und Geschichte einzelner Standorte – Dörfer

Dörfer, in denen zusätzlich zur Kirche z. B. ein Adelssitz oder mehrere alte Grabsteine vorhanden sind, bergen leicht eine gute Handvoll Inschriften, und daher scheint es angebracht, die kleinen Orte zu erwähnen und kurz auf ihren Inschriftenbestand einzugehen.63)

Dudenrode (jetzt Ortsteil von Bad Sooden-Allendorf) ist erstmals 1267 erwähnt; es gehörte zum Gericht Bilstein, dann zum Kreis Eschwege und kam 1836 zum Kreis Witzenhausen. Erhalten sind Inschriften auch aus der Zeit vor der Reformation (Vasa sacra, Kat.-Nrr. 21, 22, 23), spätere auf einem Taufstein und auf Grabsteinen (Kat.-Nrr. 55, 245, 264, 265). Die Inschrift einer Glocke von 1463 ist kopial überliefert (Kat.-Nr. 11).

Ermschwerd (jetzt Ortsteil von Witzenhausen) erscheint zwischen 822 und 862 in einer Urkunde des Stiftes Fulda anlässlich einer Güterschenkung. 1350 war es fuldisches Lehen der von Berlepsch, später war nicht mehr Fulda, sondern der Landgraf Lehnsherr. 1466 gehörte Ermschwerd zum Amt Ziegenberg. Von 1494 an war es hessisches Lehen der von Buttlar. Diese besaßen dort seit dem 16. Jahrhundert einen Gutshof, an dem außen vier Bauinschriften und eine Wappentafel aus dem Zeitraum 1551 bis 1616 erscheinen, während das Innere eine mit zwei Wappen und einem Spruch versehene Tafel von 1586 aufweist (Kat.-Nr. 44). Von der mittelalterlichen Ausstattung der St. Katharinenkirche, deren älteste Teile ins 13. Jahrhundert datiert werden, hat sich ein inschriftloser Kreuzstein erhalten. [Druckseite XXXIII] Eine Glocke aus dem 15. Jahrhundert wurde im 18. Jahrhundert umgegossen (Kat.-Nr. 24); die Inschrift ist kopial überliefert. Die prächtige Kanzel aus dem späten 17. Jahrhundert weist vollplastische Figuren der Evangelisten auf; sie werden von Namensbeischriften begleitet (Kat.-Nr. 271). Etwa der gleichen Zeit entstammt ein außer Gebrauch genommener Altar (Kat.-Nr. 246). Eine Inschrift auf der Unterseite eines silbernen Kelchs nennt als Stifter(?) den damaligen Pfarrer Johann Zacharias Wagner (Kat.-Nr. 231). Eine Zinnkanne mit einer langen Inschrift erhielt die Kirche als Geschenk von Balthasar Rüppel zum Dank für seine Errettung (Kat.-Nr. 232). Mit aufgenommen ist der Grabstein von Wagners Ehefrau Catharina, der Schwester des Balthasar Rüppel (Kat.-Nr. 307). Schließlich gibt es noch eine Hausinschrift am Hof Stiedenrode, der zu Ermschwerd zählt: zwei lateinische Sprüche und drei Bibelzitate (Kat.-Nr. 266).

Hausen (jetzt Ortsteil von Hessisch Lichtenau) ist 1300 erstmalig erwähnt. Nicht allzu lange danach wurde seine kleine Kirche mit Malereien versehen: An der Decke sind die vier Evangelisten dargestellt, eine Namensbeischrift ist erhalten (Kat.-Nr. 4). Der Weihnachts- und der Passionszyklus an den Wänden sind ohne Beischriften. Auch diese Bilder waren in Folge der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz überdeckt und kamen erst im 20. Jahrhundert wieder zum Vorschein. Auf dem Taufstein (Kat.-Nr. 50) stehen eine Jahreszahl und Initialen; er soll u. a. Reliefs von Philipp dem Großmütigen und seiner Gemahlin Christine zeigen. Der Landgraf war Kirchenpatron. Eine Bauinschrift über einer vermauerten Seitenpforte nennt Baumeister und Pfarrer, die im 16. Jahrhundert mit der Renovierung befasst waren (Kat.-Nr. 84). Von der früheren Holzkanzel sind eine Jahreszahl und ein Bibelspruch kopial überliefert (Kat.-Nr. 124). Ferner sind eine Hausinschrift und eine Grabinschrift aufgenommen (Kat.-Nrr. 74, 247).

Hilgershausen (jetzt Ortsteil von Bad Sooden-Allendorf) ist 1152 erstmals bezeugt und gehörte seit 1466 zum Amt Ludwigstein. Aus diesem Dorf erscheinen im Katalog zwei Glockeninschriften (Kat.-Nrr. 35, 57), ein Taufstein (Kat.-Nr. 95) und Hausinschriften (Kat.-Nrr. 214, 224, 229, 280).

Kammerbach (jetzt Ortsteil von Bad Sooden-Allendorf), erste Erwähnung 1277, war Dorf des Klosters Germerode, dann des Landgrafen, der auch Kirchenpatron war. Von dort sind aufgenommen eine Glocke, zwei Bauinschriften (Kirche, Haus) und Grabsteine (Kat.-Nrr. 13, 30, 212, 217, 222, 223, 228, 261).

Kleinvach (jetzt Ortsteil von Bad Sooden-Allendorf) war seit 1596 Lehensbesitz der Familie Homberg zu Vach (s. o., dort auch die Inschriften).

Laudenbach (jetzt Ortsteil von Großalmerode), 1297 erstmals genannt, lag im Amt Reichenbach und war ein Dorf des Landgrafen, der auch Kirchenpatron war. Zur Pfarrkirche Laudenbach gehörte in früher Zeit Velmeden, bis es 1452 abgetrennt wurde. 1569 war Hausen Filial zu Laudenbach, ab 1620 auch Uengsterode. Inschriften haben sich außer auf Grabsteinen (Kat.-Nrr. 186, 194, 233, 276, 285, 308) auf Vasa sacra erhalten (Kat.-Nrr. 169, 195, 248, 249). Daneben gibt es eine Inschrift zur Renovierung der Kirche (Kat.-Nr. 199) und eine kopial überlieferte Glockeninschrift (Kat.-Nr. 254).

Reichenbach (jetzt Ortsteil von Hessisch Lichtenau) wurde wahrscheinlich im 9. oder 10. Jahrhundert gegründet. Im 11. Jahrhundert erbaute eine Linie der Grafen von Ziegenhain in der Nähe wichtiger Straßen eine Burg, nach der sie sich als Grafen von Reichenbach bezeichnete. Das Dorf hatte bereits 1207 eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert, der ein Nonnenkloster angeschlossen war. Als dieses sich auflöste, wurde die Kirche dem Deutschen Orden geschenkt; damit wurde Reichenbach dessen älteste Niederlassung in Deutschland. Doch nichts davon ist Gegenstand von Inschriften. Vielmehr sprechen die vorhandenen alten Grabsteine von drei Reichenbacher Pfarrern des 17. und frühen 18. Jahrhunderts und ihren Angehörigen (Kat.-Nrr. 192, 202, 250, 288, 289, 290, 306).

[Druckseite XXXIV]

Retterode (jetzt Ortsteil von Hessisch Lichtenau) ist erstmals im Güterverzeichnis des Klosters Fritzlar aus dem Jahre 1209 erwähnt. Seit 1466 war es im Besitz der Adelsfamilie Meisenbug. Christoph Meisenbug schuf sich 1555 dort auch einen Wohnsitz, aus dem später das sogenannte Schloss entstand (Kat.-Nr. 75). Das Erbbegräbnis blieb jedoch bis nach 1715 in der Stadtkirche zu Lichtenau. Als Kirchenpatrone von Retterode stifteten die Meisenbug den Taufstein (Kat.-Nr. 62) und vermutlich eine Glocke (Kat.-Nr. 16). Zur Ausstattung der Kirche gehört weiter die Grabplatte der Sophia Catharina Meisenbug geb. von Hanstein (Kat.-Nr. 208) und ebenso die des Johann Meisenbug, die zu einer Altarmensa umgearbeitet wurde (Kat.-Nr. 240). Eine silberne Taufschale wurde 1680 von Georg und Dorothea Mechtilda von Meisenbug gestiftet (Kat.-Nr. 215). Im Außenbereich der Kirche lagern Fragmente eines Wappensteines; sie stammen wohl von Glimmerode, einem nahe gelegenen Gut, das die genannten Eheleute erworben hatten (Kat.-Nr. 243).

Trubenhausen (jetzt Ortsteil von Großalmerode) war wohl Allodialbesitz der von Berge, die auch Patrone der Kirche waren.64) Es gehörte kirchlich zu Uengsterode, danach bis 1759 zu Hundelshausen. Besondere Beachtung verdienen ein Taufstein (Kat.-Nr. 72), ein Altar (Kat.-Nr. 184) und die Grabplatte des Dietrich von Berge, die hier erstmalig datiert werden konnte (Kat.-Nr. 129). Vorhanden sind ferner Haus- und Bauinschriften (Kat.-Nrr. 67, 102) und Grabinschriften (Kat.-Nrr. 185, 190, 197, 218).

In Velmeden (jetzt Ortsteil von Hessisch Lichtenau) haben sich an Inschriftenträgern erhalten: aus dem 16. Jahrhundert eine Kanzel (Kat.-Nr. 92), aus dem 17. Jahrhundert eine Altarmensa (Kat.-Nr. 189), aus dem 16.–18. Jahrhundert Grabsteine, meist für Pfarrer (Kat.-Nrr. 93, 152, 167, 270, 273, 279, 296, 309). Hinzu kommt eine Renovierungsinschrift an der Kirche (Kat.-Nr. 312). Bemerkenswert erscheint der Grabsteintext (Kat.-Nr. 152), den Pfarrer Anton Koch für zwei verstorbene Kinder geschrieben hat. Der Text enthält das früheste deutsche Grabgedicht des Bearbeitungsgebietes, daneben ein lateinisches Distichon.

Walburg (jetzt Ortsteil von Hessisch Lichtenau) ist erstmals 1229 erwähnt. Das Dorf gehörte zum Amt Lichtenau. Kirchenpatron war der Landgraf. Die Kirche wurde 1773 erbaut (Kat.-Nr. 314). Neben der Kirche steht eine Anzahl alter Grabsteine aus der Zeit nach 1700. Aufgenommen sind vier Grabsteine für die Pfarrerfamilien Koch und Wagner (Kat.-Nrr. 291, 295, 300, 303). Die zwischenzeitliche Einlagerung von Bauholz zwischen die Steine verhinderte die professionelle Dokumentation der nach innen gerichteten Seiten der Grabsteine, die über einen längeren Zeitraum unzugänglich waren und auch im Sommer 2016 bei einem letzten Versuch nicht in ausreichendem Maße überprüft werden konnten.

Zitationshinweis:

DI 87, Witzenhausen, Einleitung, 2. Kurzer historischer Überblick (Edgar Siedschlag), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di087mz13e001.

  1. Vgl. zur frühen Geschichte und Besiedlung die Beiträge von Heinemeyer, Henn/Kollmann und Holzapfel/Kollmann/Sippel in dem Sammelband „Land an Werra und Meißner“ sowie Eckhardt, Kreis 10ff. Die weitere Darstellung folgt dem Beitrag von Reyer in demselben Sammelband sowie Eckhardt, Kreis 14ff. »
  2. Vgl. Henn 30. »
  3. Heinemeyer, Königshöfe 238; ders., Lichtenau 35. »
  4. Heinemeyer, Eschwege 11. »
  5. Heinemeyer, Königshöfe 156. »
  6. Heinemeyer, Königshöfe 239; ders., Eschwege 32. »
  7. Heinemeyer, Königshöfe 235. »
  8. Die Siedlung hieß damals Westera oder Westari, vgl. Heinemeyer in LWM 23. Davon sind Westermark und Westerburg abgeleitet, vgl. Reccius 11. »
  9. Nobel, Velmeden 52. »
  10. Zum Folgenden vgl. Eckhardt, Kreis 14f. »
  11. Vgl. Kollmann 48. »
  12. Vgl. Reccius 9f. »
  13. Vgl. Reccius 13. »
  14. Vgl. Eckhardt, Kreis 15; ders., Witzenhausen 14. »
  15. Vgl. Heinemeyer, Hessen 182. »
  16. Vgl. Heinemeyer, Lichtenau 41. »
  17. Vgl. Eckhardt, Kreis 15. »
  18. Vgl. Reyer, Landvogtei 33. »
  19. Vgl. Eckhardt, Kreis 16. »
  20. Vgl. Volk 4. »
  21. Vgl. Reyer, Landvogtei 33. »
  22. Vgl. Reyer, Landvogtei 34. »
  23. Vgl. Volk 7; Heyner, Junkerhof 66. »
  24. Vgl. Reyer, Landvogtei 34. »
  25. Vgl. Eckhardt, Kreis 21. »
  26. Vgl. Reyer, Landvogtei 36. »
  27. Vgl. Reyer, Landvogtei 38. »
  28. Vgl. Eckhardt, Marktort 20f.; Heinemeyer in WH 182. »
  29. Vgl. Reccius 36f. und 70f. »
  30. Vgl. zum Folgenden Eckhardt, Kreis 18ff.; Reyer, Landvogtei 36f. »
  31. Vgl. Volk 7. »
  32. Vgl. Heyner, Junkerhof 66. »
  33. Vgl. zum Folgenden Heinemeyer, Reformation 238ff. und Delius 85ff. »
  34. Vgl. Delius 85. »
  35. Vgl. Reyer, Landvogtei 39; Eckhardt, Kreis 22f. »
  36. Vgl. Eckhardt, Kreis 24; Reyer, Landvogtei 40. »
  37. Zur Geschichte der Stadt vgl. Reccius (ausführlich) und Schütt. »
  38. Vgl. Eckhardt, Salzwerk 85; Reccius 84ff; Zietz 60. »
  39. Vgl. Ganßauge 71; Reccius 27ff.; Zietz 99. »
  40. Reccius 30. »
  41. Michler 82. »
  42. Reccius 29; Michler, Kirchen 92f. »
  43. Seib, Bauten 126. »
  44. Reccius 30. »
  45. Vgl. Krück 288ff., auch zu den folgenden Absätzen und zum Zitat. »
  46. Vgl. Krück 291. »
  47. Vgl. Zietz 324f. »
  48. Vgl. Heinemeyer, Lichtenau pass. »
  49. Vgl. Eckhardt, Witzenhausen 14f. »
  50. Vgl. Koch 28. »
  51. Vgl. Volk 5. »
  52. Vgl. Heyner, Junkerhof 66. »
  53. Vgl. Volk 7. »
  54. Vgl. Heyner, Junkerhof 66. »
  55. Vgl. Nickel 17f. »
  56. Die Darstellung beruht auf Eckhardt, Witzenhausen und Reyer, Witzenhausen. »
  57. Vgl. Ganßauge 199; Zietz 539. »
  58. Vgl. Eckhardt, Marktort 30. »
  59. Vgl. Ganßauge 199; Zietz 539. »
  60. Vgl. Reyer, Witzenhausen 27f. »
  61. Die Orte erscheinen in alphabetischer Reihenfolge. Angaben zur Ortsgeschichte nach Küther; Heyner in LWM; Ganßauge. »
  62. Eckhardt, Kreis 17. »