Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Anhang 1: Die baugebundenen Inschriften des Stadtgottesackers

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85 Anhang 1: Stadtgottesacker (2012)

A1, Nr. 14 Bogen 14 1559, vor 1652

Beschreibung

Bibeldichtung (AA–AB),1) in zwei Textblöcken nebeneinander angeordnet; Credo mit Initialen (B),2) Stiftervermerk mit Widmung, Glaubensbekenntnis (CA) und Gebet (CB),3) ein zweiter Stiftervermerk (DA) mit Wappen, das Wappenbild beseitet von Initialen (DB). Zwischen den Initialen von B ein Steinmetzzeichen.4) „Nachgehends ist dieser Bogen bezeichnet mit dem Wapen und Nahmen des Seligen Lehn-Secretarii“ als Besitzvermerk (E);5) heute verloren.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) (Peter Findeisen) [1/1]

  1. AA †

    IM · FRIED · BIN · DAHIN · GEFARN [ ·DENN MEINE AVGEN GESEHEN HABEN] /DEIN · HEILAND · HERR · VON · DIR · BEREIT [ ·ZVM LICHT DER GANTZEN CHRISTENHEIT] /IN · DES · RVGEa) · ICH · IN · DIESER · GRVFT ·B[IS AVF MEINS HERRN WIEDERKUNFFT. LVC. 2.]6)

  2. AB †

    Christus ist die Warheit un(d) das Leben, /Die Aufferstehung will er geben, /Wer an Jhn gläubt, das Leben wirbt, /Ob er gleich hie auch zeitlich stirbt, /Wer lebt und glaubt, thut ihm die Ehr, /Wird gewislich sterben nim(m)ermehr. / Johann. 11.7)

  3. B †

    EXPECTO / RESVRECT(IONEM)b)8) / T(HOMAS) // R(INCKLER)c)

  4. CA †

    Im Jahr nach Christi Geburth 1559 andern Tag Novembris, ist der vierde Bogen volendet, welchen der Erbare und Namhaftige Er Valten Drebis von wegen der fröligen Auferstehung der so im Herrn entschlaffen, und zu Gedechtnus seines Geschlechts hat bauen lassen.

  5. CB †

    Kom lieber Jhesu Christerwecke alles Fleischdas im Fride entschlaffen ist.

  6. DA

    ANNO · 1559 · HAT · DER · / ERBAR · ER [· V]ALTEN · DRE=/BIS · DISEN · 4 · BOGEN · BAVE[ . ]d)

  7. DB

    V(ALTEN) // D(REBIS)e)

  8. E †

    LUDOVIC(US) GERHARD(US)f) GOLDSTEIN(IUS)g)

Übersetzung:

B Ich erwarte die Auferstehung. (…)

Versmaß: Zweimal sechs (AA, AB) bzw. drei Reimverse (CB).

Datum: 1559 November 2.

Wappen:
Drebis9)

Kommentar

Die Gliederung der Inschrift A in zwölf Verse entspricht den an gleicher Stelle angebrachten Inschriften der Bögen 17 und 18. Ein Teil der Inschrift ist in Bogen 1 erhalten (Anhang 1, Nr. 1C). Da auf einem historischen Foto die Anfänge der Zeilen 1, 3 und 5 auf dem Fries erkennbar sind10) und der in Bogen 1 erhaltene Stein die Zeilen 2, 4 und 6 übereinander wiedergibt, ist ersichtlich, daß die beiden Reimstrophen AA und AB in zwei Textblöcken zu je drei Zeilen nebeneinander angeordnet waren. Die Friesinschriften waren in Kapitalis ausgeführt.

Valten Drebis (oder Drewes) war zwischen 1542 und 1554 im turnusmäßigen Wechsel Oberbornmeister sowie 1556 und 1559 als Worthalter Mitglied des Rates. Von 1542 bis 1561 (seinem Todesjahr?) verantwortete er als Kirchvater der Marktkirche den Kirchenneubau und bürgte für den Werkmeister Nickel Hofman bei dessen Aufnahme in die Bürgerschaft 1550.11) Thomas Rinckler war als Bildhauer an den ersten Bögen beschäftigt.12)

Ludwig Gerhard Goldstein (1605–1652) war bereits während der schwedischen Herrschaft im Erzstift Magdeburg als Regierungssekretär tätig geworden und ist danach offensichtlich in den Dienst des Administrators August von Sachsen getreten, der ihn postum zum fürstlichen Lehnsekretär ernannt haben soll.13) Er hat den Bogen sicherlich schon einige Jahre vor seinem Tod erworben und mit Wappen und Namen als Eigentum kennzeichnen lassen.

Textkritischer Apparat

  1. RVGE] Sic! Für RVHE. Die gleiche Schreibung des Wortstamms bei Luther; s. Anm. 6.
  2. RESVRECTIONEM] T in kleinerem Schriftgrad in das C eingestellt.
  3. THOMAS RINCKLER] Zwischen den Initialen ein Steinmetzzeichen.
  4. BAVE[ . ] Nach E noch ein Schaft erkennbar.
  5. Zwischen den Initialen das Wappenbild.
  6. GERHARDUS] Gebhard Neuß.
  7. Kürzung durch Punkte auf der Grundlinie.

Anmerkungen

  1. AA nach Fotografie LDA, ergänzt nach Olearius 1674.
  2. Nach Fotografie LDA.
  3. Nach MBH Ms. 319, 2, o. S. (Nr. 14).
  4. Siehe Anhang 2, Nr. 13.
  5. Olearius 1674, S. 16.
  6. Bibeldichtung Luthers nach Lk 2,29–32; Luther WA 35, S. 482.
  7. Bibeldichtung Luthers nach Jh 11,25–26; Luther WA 35, S. 482.
  8. Vorletzte Zeile des Credo; vgl. Schott 1956, S. 392.
  9. Schaft mit linkem Vierkopf, gekreuztem Balkenende und Fußsparren.
  10. Vgl. Tietz 2004, S. 47 (Abb.).
  11. StAH H B 2, S. 80 f.; ebd., fol. 81v, 82v, 83r, 84r, 84v. Olearius 1667, S. 64; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 88 f. Zu Drewes’ Kirchenamt s. Krause 1995, S. 405 f.; zu Drewes’ Bürgschaft s. Broda 1998, S. 152.
  12. Zu Th. Rinckler s. Nr. 152.
  13. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 49 („Geschlechts-Register derer von Goldstein“); Thiele 2011, S. 439 f. Von beiden Autoren „Ludwig Gebhard“ genannt.

Zitierhinweis:
DI 85 Anhang 1, Stadtgottesacker, A1, Nr. 14 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004a1001409.