Inschriftenkatalog: Gandersheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 2: Kanonissenstift Gandersheim (2011)

Nr. 11 Bad Gandersheim, Stiftskirche 1305

Für eine aktualisierte Fassung dieser Katalognummer, siehe DI96 G1 Nr. 11.

Beschreibung

Grabplatte für die Äbtissin Margareta von Plesse. Stein. Die viereckige, nach unten schmaler zulaufende Platte wurde nach 1975 innen an der Ostwand der Marienkapelle angebracht, wo sich auch das Grab der Äbtissin befunden hat.1) Die Platte war, wie die Überlieferung der Inschrift bei Leuckfeld und in der Rupius-Chronik nahelegt, Anfang des 18. Jahrhunderts noch sichtbar, dann aber im 20. Jahrhundert offenbar längere Zeit verschollen, da Steinacker (1910) sie nicht nennt und Goetting (1975) sie als verloren erwähnt.2) Sie zeigt im leicht vertieften Innenfeld die Verstorbene als stehende Ganzfigur im Habit ausgeführt in flachem Relief mit Binnenzeichnung unter einer gotischen Architekturarkade. Die zwischen Linien eingehauene Inschrift läuft an vier Seiten um den Stein herum. Zwei Bruchstellen der Grabplatte sind durch quer verlaufende Fugen repariert worden, in deren Bereich die Inschrift ausgebessert ist (vgl. Kommentar).

Maße: H.: 196,5 cm; B.: 74,5 cm (oben), 68,5 cm (unten); Bu.: 3,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Inga Finck [1/6]

  1. + ANNO · DOMIN/Ia) · M · CCC〈X〉II + X · VIII · K(A)L(ENDAS) · M[AII]b)3) · OBIIT DO〈M〉INA · / MARGARETA / ABBATISS[A] · Q(VAE) · P(RAE)FVIT · LAVDABILIT(ER) ANIS · L · III

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1312. Am 18. Tag vor den Kalenden des Mai starb die Äbtissin Domina Margareta, die (dem Kloster) 53 Jahre auf lobenswerte Weise vorstand.

Kommentar

Bogen und Schaft des runden N sind nach außen gewölbt, so daß die Form des N an den griechischen Großbuchstaben Omega erinnert. F ist in der runden Form ausgeführt und mit einem Abschlußstrich versehen, der fast bis auf die Grundlinie reicht.

Margareta von Plesse4) war die Tochter des Edelherrn Gottschalk von Plesse und der Benedikta von Everstein. Sie wurde nach dem Tod der 1252 verstorbenen Äbtissin Berta II. nach einjähriger Vakanz zu deren Nachfolgerin gewählt. Im Jahr 1254 datierte sie eine Urkunde mit dem Vermerk anno sublimacionis nostro (!) primo „in unserem ersten Jahr der Erhöhung“, ihr Amtsantritt wäre demnach im Jahr 1253 anzusetzen.

Dem heutigen Befund der Inschrift nach ist Margareta 1312 gestorben, während die Rupius-Chronik und Leuckfeld übereinstimmend 1304 als ihr Todesjahr angeben (vgl. Anm. b). Goetting hat dagegen 1305 als ihr Sterbejahr ermittelt, weil sie noch am 24. November 1304 urkundete5) und der Tag ihres Ablebens zumindest soweit einhellig überliefert ist, daß er zwischen dem 16. und dem 18. April gelegen haben muß. Im Jüngeren Gandersheimer Nekrologium (15. Jahrhundert, Abschrift 16. Jahrhundert)6) ist ihre Memorie am 16. April eingetragen. Zählt man zu dem ermittelten Jahr ihres Amtsantritts, 1253, die in der Inschrift angegebenen 53 Jahre ihrer Amtsdauer hinzu, dann ist, wenn man die Angabe als „im 53. Amtsjahr“ versteht, tatsächlich 1305 als Jahr ihres Todes zu bestätigen. Die Nachfolgerin Margaretas, Mechthild von Wohldenberg, stellte jedenfalls ihre erste Urkunde im August 1305 aus,7) so daß Margareta wohl wirklich in der ersten Hälfte des Jahres 1305 gestorben sein dürfte. Der heute sichtbare Befund M CCC 〈X〉 II ist sicher fehlerhaft. Die Autopsie zeigt, daß das X mit flacherer Kerbe gehauen ist, auch die keilförmige Verbreiterung der Schäfte ist weniger stark ausgeprägt als bei den übrigen Buchstaben.

Textkritischer Apparat

  1. DOMIN/I] Fehlt Leuckfeld.
  2. M · CCC〈X〉II + X · VIII · K(A)L(ENDAS) · M[AII]] M CCC · IIII · XVIII Kal. Maii Rupius-Chronik; M CCC IIII 15 Calend. Maji Leuckfeld. Das zum Zeitpunkt der Aufnahme sichtbare X der Jahreszahl ist wahrscheinlich erst im Rahmen einer Restaurierung entstanden und gehört nicht zum ursprünglichen Todesdatum (vgl. Kommentar).

Anmerkungen

  1. Leuckfeld, Antiquitates Gandersheimenses, S. 240.
  2. Vgl. Steinacker in Kdm. Kreis Gandersheim, S. 156–164 „Grabdenkmäler“; Goetting, Kanonissenstift Gandersheim, S. 311.
  3. 14. April.
  4. Sämtliche biographischen Angaben nach Goetting, Kanonissenstift Gandersheim, S. 310–313 (mit Quellenangaben).
  5. Ebd., S. 311.
  6. Ebd., S. 72.
  7. Ebd., S. 312.

Nachweise

  1. Rupius-Chronik (Hildesheim, Dombibliothek, HS 534), fol. 67v.
  2. Leuckfeld, Antiquitates Gandersheimenses, S. 240.

Zitierhinweis:
DIO 2, Kanonissenstift Gandersheim, Nr. 11 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio002g001k0001103.