Einleitung: Stadt Braunschweig. Kloster Riddagshausen und eingemeindete Dörfer

5. Schriftarten und Sprache der Inschriften

Aufgrund der geringen Anzahl an Objekten lassen sich nur schwer detaillierte Aussagen über eine sprach- und schriftgeschichtliche Entwicklung im Bearbeitungsgebiet treffen. Dennoch zeigen sich einige Tendenzen, die sich auch in anderen niedersächsischen Beständen bisher nachweisen ließen.16)

5.1 Schriftarten

Die frühesten Inschriften des Bestandes sind fast ausschließlich in gotischer Minuskel gearbeitet; lediglich die in der Kirche von Volkmarode befindliche Glocke (Kat.-Nr. 6) weist noch die ältere Schriftform der gotischen Majuskel auf, wenngleich durch ihre eckigen Formen bzw. Brechungen bereits erste Einflüsse der gotischen Minuskel erkennbar sind. Die gotische Minuskel tritt im niedersächsischen Raum erstmals um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf und bleibt bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch. Kennzeichen der Schrift sind die Brechungen der Schäfte und Bögen, die dem Schriftbild oftmals einen gitterartigen Eindruck verschaffen. Im Bearbeitungsgebiet erscheint sie erstmals Ende des 14. Jahrhunderts an einem an der Außenfassade der Hondelager Kirche gemauerten Steinquader (Kat.-Nr. 4) und bleibt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts dominierend. Die letzte in gotischer Minuskel verfasste Inschrift befindet sich an der Bevenroder Kirche und stammt aus dem Jahr 1522 (Kat.-Nr. 21).

Mit der frühhumanistischen Kapitalis tritt zu Beginn des 16. Jahrhunderts erstmals wieder eine Majuskelschrift auf. Bei dieser handelt es sich um eine Mischschrift, die auf Formenreservoirs verschiedener Majuskelinschriften zurückgreift, und die aufgrund ihrer dekorativen Formen in den niedersächsischen Beständen vor allem für Goldschmiedearbeiten vom Ende des 15. bis in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts verwendet wurde. Im bearbeiteten Bestand lässt sie sich an einem Kelch nachweisen (Kat.-Nr. 23).

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts tritt die Kapitalis, eine Wiederaufnahme der antiken Monumentalschrift, als dominierende Schriftart hervor und bleibt bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes vorherrschend. Die Buchstabenformen sind zwar an der Kapitalis der Antike orientiert, weisen jedoch selten ebenso streng konstruierte Formen auf. Von den insgesamt elf in Stein gearbeiteten Kapitalisschriften sind sieben vertieft und vier erhaben gehauen. Die frühesten Inschriften sind, mit Ausnahme der Grabplatte des Johann von Asbeck von 1585 (Kat.-Nr. 37), erhaben ausgeführt, während ab 1610 alle erhaltenen Steinschriften vertieft gehauen sind; eine Ausnahme bildet die Grabplatte der Elsa Helmbold in Hondelage (Kat.-Nr. 44). Die Entwicklung von erhabenen zu vertieften Kapitalisinschriften, die sich im Bearbeitungsgebiet lediglich in einem sehr kleinen Rahmen zeigt, stimmt mit den im Stadtgebiet Braunschweig gemachten Beobachtungen überein, wo sich ab dem frühen 17. Jahrhundert die vertieft gehauenen Steininschriften mehren, bis sie ab dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts alleinige Verwendung finden.17)

Neben der zu dieser Zeit dominierenden Kapitalis tritt ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Fraktur eine weitere Minuskelschrift auf. Charakteristisch für die diese sind Schwellzüge und Schwellschäfte sowie die spitzovale Grundform der geschlossenen Bögen. Das a ist in der Regel einstöckig; die Schäfte von f und Schaft-s reichen deutlich unter die Grundlinie, die Oberlängen sind häufig in Zierschleifen ausgezogen. Den Schrifteindruck der Fraktur prägen daneben vor allem die aufwendig gestalteten Versalien. Im Bearbeitungsgebiet wird die Fraktur ausschließlich für deutschsprachige Inschriften verwendet, wie dies auch in anderen niedersächsischen Regionen zu beobachten ist. Sie findet sich auf den drei aus dem Kloster Riddagshausen stammenden Gemälden (Kat.-Nr. 35, Kat.-Nr. 36 u. Kat.-Nr. 73) sowie an der aus Holz geschnitzten Kanzel (Kat.-Nr. 54) und dem Taufdeckel (Kat.-Nr. 52). Lediglich eine Grabplatte ist in Frakturschrift gestaltet (Kat.-Nr. 44).

5.2 Sprache der Inschriften

Neben dem Wechsel des Schrifttpys zeigt sich im Bestand auch ein sprachlicher Wechsel, der mit den Entwicklungen im niedersächsischen Raum übereinstimmt. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts sind im Bearbeitungsgebiet ausschließlich Inschriften in lateinischer Sprache nachgewiesen. Die früheste deutsche Inschrift stammt von der in der Klosterkirche Riddagshausen befindlichen Grabplatte des Hans von Veltheim (Kat.-Nr. 15), die in niederdeutscher Sprache verfasst wurde. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts treten deutsche Inschriften vermehrt auf, bleiben jedoch in ihrer Häufigkeit noch deutlich hinter den lateinischen Inschriften. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewinnt die deutsche Sprache deutlich an Gewicht und nimmt die Vorrangstellung gegenüber dem Lateinischen ein. Dies ist vor allem in den außerhalb von Riddagshausen gelegenen Ortschaften zu erkennen. Hier zeigt sich, dass die Inschriften fast ausschließlich in deutscher Sprache verfasst sind, mit einigen kleineren lateinischen Einsprengseln. Die einzige Ausnahme bildet in diesem Zeitabschnitt das in Leiferde befindliche Epitaph des David Sibbald (Kat.-Nr. 60), das vermutlich aber wegen der Herkunft des Verstorbenen aus Schottland keine deutsche, sondern eine lateinische Inschrift trägt. Im Umfeld des Klosters Riddagshausen zeigt sich hingegen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lateinischen und deutschen Inschriften.

Im Gegensatz zum Sprachwechsel Latein/Deutsch kann aufgrund des geringen Bestands an deutschsprachigen Inschriften sowie der großen zeitlichen Lücke von 1496 (Kat.-Nr. 15) bis 1581 (Kat.-Nr. 35 u. Kat.-Nr. 36), in der keine original erhaltene deutsche Inschrift nachgewiesen ist, nicht näher bestimmt werden, in welchem Zeitraum die Ablösung des Niederdeutschen durch das Hochdeutsche im Bearbeitungsgebiet erfolgt ist. Mit Ausnahme der frühesten deutschen Inschrift von 1496 sind alle noch in Original erhaltenen deutschen Inschriften in Hochdeutsch verfasst. Einzelne niederdeutsche Formen bzw. Übergangsformen bleiben jedoch noch bis in das 17. Jahrhundert bestehen.

Zitationshinweis:

DIO 7, Braunschweig III, Einleitung, 5. Schriftarten und Sprache der Inschriften (Anna Weissmüller), in: www.inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-dio007g003e008.

  1. Siehe hierzu die entsprechenden Bände der Reihe Die Deutschen Inschriften»
  2. Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIX»