Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 159 Stadthagen, Schloss 1544

Beschreibung

Wappenstein. Das aus zwei Steinen und einem Gesims bestehende Objekt ist am Westflügel des Schlosses über dem Toreingang eingemauert. Unter dem Gesims, an dessen rechter Seite das Steinmetzzeichen M22 eingehauen ist, zwei Vollwappen, die unter einem von zwei Säulen getragenen Rundbogen platziert sind. Zwischen den Helmzieren die bis zur Brust sichtbare Figur eines bärtigen Mannes mit einer aus Blättern bestehenden Kopfbedeckung. Zwischen den Wappenschilden ragt ein linker Fuß hervor, der proportional nicht zur Figur des Mannes passt. Darunter auf einem etwas breiteren Stein die in zwei Kolumnen angeordneten, erhaben ausgehauenen Inschriften A und B. Dreieckige Worttrenner. Die beiden Kolumnen sind durch einen erhaben gearbeiteten schmalen Steg voneinander abgetrennt.

Maße: H.: ca. 150 cm; B.: ca. 135 cm; Bu.: ca. 8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    VON · GODTS · GNADEN(N) / OTTO · GRAVE THO · HOLS/TEIN · SCHOVWENBORCHa) / VND · THOM · STERNEBA/RGE · HERE · THO · GEME(N) / · 1544 ·

  2. B

    VO(N) · GODTS · GNADE(N) MARIA / GEBORN · HERTOGIN · TO · / STETTIN · V(N)N · POMERN · etcb) / GRAVINE · TO · HOLSTEIN · / SCHOVWE(N)BORGH · VN(N) · TOM / STERNB(ER)G · FROWE · THO · GEME(N) / etcc)

Wappen:
Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen,1) Pommern2)

Kommentar

Der Wappenstein (ohne das obere Gesims, das anhand des Steinmetzzeichens Jakob Kölling zugewiesen werden kann), stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Steinmetzen Jasper Robin (vgl. Einleitung Kap. 8.3.). Die Schrift zeigt die für Jasper Robins Kapitalis typischen Merkmale, insbesondere das L mit keilförmig verbreitertem, leicht nach oben gerichtetem Balken. Das G ist allerdings beim vorliegenden Objekt nicht wie sonst häufig eingerollt gestaltet, das D ist nicht offen oder unzial. Die Zuschreibung an Jasper Robin wird jedoch gestützt durch die Gestaltung der Säulen links und rechts der Wappen (vgl. Nr. 133, 137 u. 141) und durch die Spangenhelme, wobei beim jeweils mittleren Helm ursprünglich metallene Spangen eingesetzt waren (vgl. Einleitung Kap. 8.3.).

Otto IV. wurde 1517 als Sohn Jobsts I. von Holstein-Schaumburg und der Maria von Nassau-Dillenburg geboren. Für ihn als nachgeborenen Sohn war früh eine geistliche Laufbahn vorgesehen, 1531 wurde er zum Bischof von Hildesheim postuliert.3) Otto studierte von 1534 bis 1537 an der Universität Löwen (Louvain).4) 1536 verzichtete er auf den Hildesheimer Bischofsstuhl; die kirchlichen Weihen hatte er nicht empfangen.5) Es folgte eine Kavalierstour. 1540/41 engagierte Otto sich unter Kurfürst Joachim von Brandenburg militärisch im Kampf gegen die Türken, 1543 im Dienst des Kaisers im Geldrischen Krieg (vgl. Nr. 284).6)

In engem Zusammenhang mit seiner Eheschließung mit Maria von Pommern-Stettin 1544 übertrug ihm sein Bruder Adolf XIII. das Erstgeburtsrecht.7) Im selben Jahr ließ Otto IV. den Wappenstein am Stadthäger Schloss anbringen. Die beiden Brüder übten aber in der Folgezeit die Regierungsgewalt in Samtherrschaft aus, wobei Adolf bis 1550 die obersten Entscheidungsrechte behielt.8) Durch Abfindung seiner übrigen Geschwister gelang es Otto IV., eine Landesteilung zu vermeiden, jedoch schwächte dieses Vorgehen die bereits zuvor schwierige finanzielle Lage der Grafschaft weiter. Sein militärisches Engagement als Söldnerführer auf Seiten König Philipps II. von Spanien im niederländischen Aufstand (vgl. Nr. 284) wurde zum „finanziellen Desaster“.9)

Otto IV. war Katholik, hatte jedoch schon in erster Ehe mit Maria von Pommern-Stettin eine Protestantin geheiratet. Nach seiner Eheschließung mit seiner zweiten Frau, der Protestantin Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg (zu ihr Nr. 269), im Jahr 1558 führte Otto 1559 in der Grafschaft Schaumburg die Reformation ein (s. Einleitung Kap. 2.).

Otto IV. starb am 22. Dezember 1576 in Bückeburg; am 27. Dezember desselben Jahres wurde er in der Stadthäger St. Martini-Kirche bestattet. Sein Sarg wurde 1625 in die Gruft unter dem durch Fürst Ernst errichteten Mausoleum überführt.10)

Maria von Pommern wurde am 2. Februar 1527 als Tochter Herzog Barnims IX. von Pommern-Stettin und der Anna von Braunschweig-Lüneburg geboren. Am 16. Juli 1544 heiratete sie Otto IV.11) Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor: Hermann, Bischof von Minden (Nr. 489), Otto, Adolf XIV. (Nr. 320) und Anton, Nachfolger Hermanns als Bischof von Minden (Nr. 489). Maria von Pommern starb am 16. Februar 1554 und wurde am 18. Februar desselben Jahres in der Stadthäger St. Martini-Kirche bestattet. Sie war die erste Angehörige des holstein-schaumburgischen Grafenhauses, die dort beigesetzt wurde.12)

Textkritischer Apparat

  1. Zweites H verkleinert in C eingestellt.
  2. etc] fehlt Steinicke, Werlich. Befund: tironisches et in Form eines z mit übergeschriebenem cc-a, reduziert zu zwei Quadrangeln; am Ende eine Schleife.
  3. Tironisches et mit einer Schlinge kleiner unter das zweite E von GEME(N) gestellt.

Anmerkungen

  1. Wappen Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen (Herzschild Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt, diese in der Mitte mit einem Schildchen belegt (Holstein-Schaumburg); quadriert: 1. u. 4. Stern (Sternberg), 2. u. 3. Balken mit drei Pfählen belegt (Gemen)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 35 u. Tafel 39; hier abweichend: Schildchen fehlt.
  2. Wappen Herzöge von Pommern (zweimal gespalten und zweimal geteilt: 1. bekrönter Greif (Herzogtum Stettin), 2. Greif (Herzogtum Pommern), 3. Greif (Herzogtum Cassuben), 4. Greif (Herzogtum Wenden), 5. geteilt: 1. wachsender Löwe, 2. Mauergiebel (Fürstentum Rügen), 6. Fischgreif (Herrschaft Usedom), 7. Greif (Land Barth), 8. zwei schräggekreuzte Äste, von vier Rosen begleitet (Grafschaft Gützkow), 9. geteilt: 1. wachsender Greif, 2. geschacht (Herrschaft Wolgast)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 78 u. Tafel 79; hier abweichend: 1. Greif nicht bekrönt.
  3. Dazu Husmeier, Graf Otto IV., S. 64–66; dies., Holstein-Schaumburg, Otto IV., S. 157; Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 109, S. 137.
  4. Matrikel Louvain, Bd. 4, S. 108, Nr. 152: Eintrag vom 17. August 1534; vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 67f.; dies., Holstein-Schaumburg, Otto IV., S. 157.
  5. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 109, S. 137f.
  6. Husmeier, Graf Otto IV., S. 68f.
  7. Abdruck der Urkunde in Husmeier, Graf Otto IV., S. 337–339.
  8. Husmeier, Holstein-Schaumburg, Otto IV., S. 158.
  9. Husmeier, Holstein-Schaumburg, Otto IV., S. 161; vgl. dies., Graf Otto IV., S. 278–312.
  10. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 109, S. 138; vgl. Nr. 284, 545 u. 544.
  11. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 109, S. 137f.; zu den Details des Ehekontrakts Husmeier, Graf Otto IV., S. 61.
  12. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 109, S. 138; vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 120; Meys, Memoria und Bekenntnis, S. 721f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 42f.
  2. [Wehling], Stadthagens alte Bauten, 1926, H. 7, ohne Seitenzählung.
  3. Hesse, Heimatkundliche Wahrzeichen, S. 204, Nr. 691.
  4. Werlich, Denkmale der Greifen, S. 21f. (mit Abb.) (B).
  5. Steinicke, Hausinschriften, S. 17f.
  6. Vollmer, Wilde Männer, S. 13 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 159 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0015904.