Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 51 Markröhlitz, Kirche 1479

Beschreibung

Größte und einzig erhaltene Glocke des vierteiligen mittelalterlichen Geläuts,1) über der Plattform des unvollendeten Kirchturms aufgehängt. Am Rand der gewölbten Kronenplatte Taustab und Steg, auf der Haube drei Stege. An der Schulter umlaufend Segenswunsch und Gußjahr (A), von je zwei Taustäben eingefaßt. Auf der Flanke vier figürliche Darstellungen und ein Wappen, mit erhabenen Linien gezeichnet, sowie zwei Inschriften. Die Figurengruppen bzw. Einzelfiguren (H.: 52–68 cm) nehmen die Höhe der Flanke vom Wolm bis zu Inschrift A ein. Unter dem Anfang der Inschrift befindet sich die Noli-me-tangere-Gruppe (kniende Maria vor Christus als Gärtner) mit Bibelzitat (C) auf einem mit erhabenen Linien gezeichneten Spruchband; es folgen der heilige Sebastian, ein Wappen, an einem Haken hängend (H.: 36 cm), eine Kreuzigungsgruppe und ein heiliger Bischof mit einem Kirchenmodell (Wolfgang?).2) Rechts über dem Haupt des Bischofs, direkt unter der Inschrift A steht der Name Mariens (B). Am Wolm drei Stege, der mittlere stärker. Der äußere Rand abgestuft. Sämtliche Buchstaben erhaben.

Maße: H. (m. Kr.): ca. 120 cm; D.: 116 cm; Bu.: 2,7–3 cm (A), 5 cm (B), 3–4 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    Dv(m)a) · ego · benedicta · so[n]ob) · b(e)nedicc) · tu · devs · o(mn)iad) · donae) · an(n)of) · d(omi)nig) · mo · cccco · lxxixo · inh) diei) · ma(r)garetej) ·

  2. B

    maria

  3. C

    noli me tangere3)

Übersetzung:

A Solange ich, die Benedicta, erklinge, segne du, Gott, alle Gaben. Im Jahre des Herrn 1479, am Tage der (hl.) Margarete.

C Berühre mich nicht.

Datum: 1479 Juli 13.

Wappen:
(unbekannt)4)

Kommentar

Die Buchstaben der Inschrift A sind von unregelmäßiger Größe und auf dem wesentlich breiteren Schriftband (6,5 cm) in unregelmäßiger Stellung angebracht. Auch die Buchstabentiefe schwankt stark zwischen 0,1 und 0,4 cm. Am Anfang der Inschrift steht ein unziales D mit gespaltenem oberen Bogenende. Als Worttrenner dienen ungleichförmige Rauten. Glockeninschriften, die das Läuten der Glocke unmittelbar mit der Bitte um göttliche Gnadenerweise verbinden, sind häufig anzutreffen.5) Inschrift B ist vielleicht als Anrufung zu verstehen; mit der Noli-me-tangere-Gruppe steht sie wohl nicht in Verbindung. Inschrift C zitiert die im Johannes-Evangelium überlieferten Worte, mit denen sich der auferstandene Christus Maria aus Magdala zu erkennen gab.

Mit ihrem großformatigen, als Ritzzeichnung in den Glockenmantel angelegten Figurenschmuck ist die Glocke ein typisches Werk des 15. Jh., in dem diese Darstellungskunst ihren Höhe- und Endpunkt fand. Szenen nach dem Neuen Testament – die Kreuzigungsgruppe ausgenommen – sind aber eher die Ausnahme. Sie wurden in der Regel wohl nach malerischen oder grafischen Vorlagen ausgeführt.6) Ist das bei den anderen Figuren der Markröhlitzer Glocke auch nicht mehr nachweisbar, so scheint doch zumindest die Kreuzigungsgruppe von zeitgenössischen Einblattholzschnitten beeinflußt.7) Ob es sich bei den Hll. Sebastian und Wolfgang (?) um Kirchen- oder Glockenpatrone handelt, muß offen bleiben, da die vorreformatorischen Kirchenpatrone von Markröhlitz nicht bekannt sind.8)

Heinrich Bergner vermutet, es könne sich bei der Glocke um diejenige handeln, zu deren Weihe der Freyburger Stadtrat 1480 nach (Mark-)Röhlitz eingeladen worden war.9) Sie entstammt vielleicht derselben Werkstatt wie eine in demselben Jahr entstandene und 1771 umgegossene Glocke gleichen Namens aus Merseburg, die eine ganz ähnliche Inschrift trug und u. a. auch mit Heiligendarstellungen und Wappen verziert war.10) Die Glocke in Markröhlitz ist die meistverzierte mittelalterliche im Bearbeitungsgebiet.

Textkritischer Apparat

  1. Dvm] Als Kürzungszeichen ein waagerechter Strich. Vor dem Wort ein Ornament in Form einer dreizackigen Krone, deren mittlerer Zacke ein Blatt entwächst.
  2. sono] Das Schaft- s mit seiner rechtsseitigen Ausbuchtung des Schaftes erinnert eher an ein f und ist – wie das ganze Wort – nur im Kontext lesbar. Das erste o ist wegen eines Fehlers im Herstellungsprozeß nicht an dem vorgesehenen Platz, sondern auf dem folgenden Buchstaben gegossen worden, so daß dieser nicht mehr lesbar ist.
  3. benedic] Als Kürzungszeichen ein Quadrangel.
  4. omnia] Der obere Bereich des o nicht mit einem gebrochenen Bogen, sondern durch die zueinander abgeknickten und leicht versetzten Enden der beiden senkrechten Buchstabensegmente geschlossen. Beide Enden mit kurzen Zierstrichen besetzt. Als Kürzungszeichen ein waagerechter Strich.
  5. dona] Der letzte Buchstabe überhöht.
  6. anno] Der erste Buchstabe überhöht; liegendes o über dem n. Kein Kürzungszeichen. an BKD Prov. Sachsen 27.
  7. domini] Als Kürzungszeichen ein waagerechter Strich. dm BKD Prov. Sachsen 27.
  8. in] io BKD Prov. Sachsen 27.
  9. in die] Ohne Wortabstand.
  10. margarete] Als Kürzungszeichen ein Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Verloren sind die Glocken Nr. 16, 70, 87.
  2. Sämtliche Ritzzeichnungen bei Schilling abgebildet (Schilling 1988, S. 24, Abb. 27; S. 233, Abb. 467; S. 318, Abb. 592; S. 362, Abb. 647). Die Größen der Ritzzeichnungen nach Hübner 1968, S. 59.
  3. Io 20, 17.
  4. Schrägrechts gelegter, mehrfach verzweigter Ast.
  5. Vgl. Walter 1913, S. 167 f., 262 (Glocke von 1478).
  6. Hübner 1968, S. 11.
  7. Schulze 1964, S. 409 f.
  8. Nach Schulze 1964, S. 389 soll es sich i. d. R. bei den auf Glocken abgebildeten Heiligen um die „Hauptheiligen“ der Kirche handeln.
  9. BKD Prov. Sachsen 27, S. 155.
  10. DI 11 (Merseburg), Nr. 30.

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen 27, S. 155 (nur A unvollständig).
  2. Schulze 1964, S. 409 f., Abb. 29 f. (nur A ausschnittsweise).
  3. Hübner 1968, S. 59, Nr. 296; Taf. XXIV, Abb. 54 (nur A ausschnittsweise und C).
  4. Schilling 1988, S. 233, Abb. 467; S. 318, Abb. 592; S. 362, Abb. 647 (nur A ausschnittsweise und C).

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 51 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0005107.