Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)

Nr. 175 Burgwerben, Kirche 1585

Beschreibung

Gemaltes Altarretabel, bestehend aus einer Predella mit Darstellung des Abendmahls und einem Hauptbild mit Kreuzigung, aus einem beweglichen Flügelpaar und dahintergesetzten, bemalten Seitenhängen sowie aus einem schmaleren Aufsatz mit der Himmelfahrt Christi. Auf den Innenseiten der beweglichen Flügel die Anbetung der Hirten (links) und die Auferstehung Christi (rechts), auf den Seitenhängen die Opferung Isaaks (links) und das Jonas-Wunder (rechts) mit Bildbeischriften (D, E), die auf die entsprechenden Bibelstellen verweisen. Neben und auf dem Aufsatzgemälde die Statuetten der Evangelisten Markus und Lukas bzw. Johannes und Matthäus, zwischen letzteren ein Engelchen. Die Tafelbilder – außer denen auf Predella und Seitenhängen – in flache, mit Engels- und Löwenköpfchen, Rosetten und anderem Zierrat besetzte Rahmen eingesetzt. Auf dem Rahmen des Hauptbildes ein Gebälk; das Aufsatzgemälde mit Säulchen und verkröpftem Gebälk architektonisch gerahmt und wie das Hauptbild von gesägten und bemalten Seitenhängen eingefaßt. Auf den Gebälkstücken Bibelzitate als Bildbeischriften (A, F). Auf dem Kreuzigungsgemälde der Kreuztitulus (B) und auf der Fahne eines Soldaten eine antik-römische Formel (C). Auf den gesägten Seitenhängen beidseits des Hauptbildes je zwei Kartuschen in gemalter Rollwerkrahmung, in den unteren Bibelzitate (D, E).

Maße: H. (ohne Figuren): ca. 362 cm; B.: 294 cm; Bu.: 2,7–3,0 cm (A), ca. 3 cm (F), 0,7–1,0 cm (B, C), 1,5– 1,6 cm (D, E).

Schriftart(en): Fraktur (A, D, E, F), Kapitalis (B, C, D, E).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/4]

  1. A

    Er ist umb unserer missetat willen verwundet und umb unserer sünde willen zerschlagen, die strafe liegt / auf ihm auf daß wir friede hätten, und durch seine wunden sind wir geheilt, Isa. 53 v(ers)a) 5.1)

  2. B

    I(HESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)2)

  3. C

    S(ENATVS) · P(OPVLVS) · Q(VE) · R(OMANVS) · / 1585

  4. D

    · GENESIS · · XXII · // Durch den glauben opferte / Abraham den Isaac, da er versucht / ward, vnd dachte Gott kan wol von den / toden erredten Daher er auch im zum / fürbildt wirdt. ebr. ii.3)

  5. E

    · IONAE · · I · 4) // Gleich wie Jonasz war drey / tage vnd drey nacht In desz walfisches / buch. Also wird desz menschen Son drey / dage vnd drey nacht mitten in der erden / Sein. Matt. 12.5)

  6. F

    Du bist in die höhe gefahren und haszt die / gefängnisz gefangen psal. 686)

Übersetzung:

B Jesus von Nazareth, König der Juden.

C Senat und Volk von Rom. 1585.

Kommentar

Die Frakturgemeinen zeichnet eine schmale Proportionierung und Schmucklosigkeit aus. Alle Inschriften sind sehr regelmäßig ausgeführt.

Das guterhaltene Altarretabel entstand in der ersten Blütezeit protestantischer Altarkunst, als die bevorzugten protestantischen Bildthemen in einen relativ festen programmatischen Zusammenhang eingebunden worden waren. Die Darstellung und Anordnung von Abendmahl, Kreuzigung und Himmelfahrt, wie im vorliegenden Falle, und die Ergänzung dieser Bilderfolge durch typologische Szenen darf als geradezu typisch für die neuen protestantischen Retabel gelten. Sie greifen nur noch Bildthemen auf, die sich auf Leiden, Tod und Auferstehung Christi beziehen7) und bilden nur noch biblische Heilige ab, die das Leben und Wirken Christi bezeugen (Apostel, Evangelisten) oder als Vorläufer Jesu verstanden werden können (Moses, David). Bei geschlossenen Flügeln verweisen die typologischen Szenen der Zierwangen des Burgwerbener Retabels auf das Thema des Hauptbildes; die daruntergeschriebenen Zitate ersetzen hier das ergänzende neutestamentliche Bildpaar. Sind die Flügel aufgeschlagen, lassen sich die kreuzweise angeordneten neutestamentlichen Bilder, die die wichtigsten Heilstatsachen abbilden, sowohl von links nach rechts als auch von unten nach oben in biblisch-chronologischer Folge ablesen. Auch für dieses Altarretabel gilt, was Peter Poscharsky mit Blick auf die Gesamtheit protestantischer Altarkunst feststellte: „Das Bildprogramm ist christologisch-soteriologisch und geht ganz vom Ort und seinem Zweck, nämlich der Feier des Abendmahls, aus und stellt mit der Kreuzigung und Auferstehung das zentrale Wirken Christi (...) in den Mittelpunkt.“8) Die Initialen SPQR sind ein Zeichen römisch-republikanischen Staatsbewußtseins, durch das die Teilung der Regierungsgewalt zwischen dem Senat und dem gesamten römischen Volk dokumentiert werden sollte.9) Trotz der deutlich veränderten Machtverhältnisse wurden sie auch in der römischen Kaiserzeit als Zeichen römischer Staatsgewalt, z. B. auf Feldzeichen, beibehalten. Auf dem Kreuzigungsgemälde bezeichnet es die römischen Soldaten.

Der Aufbau des Retabels ist konservativ. Das schwenkbare, das Hauptbild gänzlich abdeckende Flügelpaar ist nach dem Vorbild der vorreformatorischen Altarretabel gefertigt. Vergleichbare Altaraufsätze finden sich aber, wenn auch selten, noch im frühen 17. Jh.10) Ältere Autoren sahen das Altarretabel in der 2. Hälfte des 16. Jh.11) oder gar erst um 1700 entstanden.12) Von Kalliefe wurde es 1909 der Cranach-Schule zugeschrieben.13) Er folgte dabei wohl einer zeittypischen populären Sichtweise, die alle besseren Werke der mitteldeutschen Renaissancemalerei für diese berühmte Werkstatt vereinnahmte. Der Entstehungsort des Retabels ist nach wie vor unbekannt.

Textkritischer Apparat

  1. vers] Kürzung durch Punkt.

Anmerkungen

  1. Jes 53,5.
  2. Nach Io 19,19.
  3. Paraphrase nach Hebr 11,17 und 11,19.
  4. Sic! Die Erzählung vom Aufenthalt des Jona im Bauche des Wales, das sogenannte Jonaswunder, steht im zweiten Kapitel des Buches Jona.
  5. Mt 12,40.
  6. Ps 68,19.
  7. RdK 1, 1937, Sp. 573–577; Keller 1939, S. 4, 12; Poscharsky 1998, S. 22; RGG 1, 1998, Sp. 335 f., 340.
  8. Poscharsky 1998, S. 22. Zu den protestantischen Altarretabeln vgl. a. TRE 2, 1978, S. 322 f.
  9. Lexikon der Antike 1986, S. 538.
  10. RdK 1, 1937, Sp. 568 f., 581; Poscharsky 1998, S. 30 (Anm. 12).
  11. Dehio 1999, S. 103 f.
  12. Köhler/Seyfried 1994, S. 18 wohl in Anlehnung an BKD Prov. Sachsen 3, S. 4 („Altar im Barokstil“).
  13. Kalliefe 1909, S. 66.

Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 175 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0017502.