Inschriftenkatalog: Landkreis Weissenfels
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 62: Weißenfels (Landkreis) (2005)
Nr. 23 Weißenfels, St. Mariae 2. Hälfte 14. Jh.
Beschreibung
Runde Hostiendose aus Silber, vergoldet, mit leicht gewölbtem Deckel, den eine aufgenietete, plastische Kreuzigungsgruppe mit Kreuztitulus, Sonne und Mond ziert. Das Deckelscharnier erneuert. Die Kreuzenden in Lilienform, die Kreuzoberfläche graviert. An der Wandung der Dose umlaufender gravierter Rankenfries mit phantastischen Blüten. Die gravierten Buchstaben des Kreuztitulus stehen erhaben auf einer eingetieften Zeile.
Maße: H.: ca. 7 cm; D.: 8,7 cm; Bu.: 0,35 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
i(hesus) n(azarenus) r(ex) i(udeorum)1)
Übersetzung:
Jesus von Nazareth, König der Juden.
Anmerkungen
- Nach Io 19, 19.
- Datierungen nach Katalog Magdeburg 2001, S. 228. Das Kruzifix dort allerdings in die Mitte des 15. Jh. gesetzt.
- BKD Prov. Sachsen 3, S. 76.
- Köhler, Inventar 1994, Nr. XVI.
- DI 7 (Naumburg 2), Nr. 178, 179.
- DI 9 (Naumburg 3), Nr. 355. Die nächste datierte Minuskelinschrift des Gebietes entstand 1382 (DI 33, Stadt Jena, Nr. 5).
- Die frühesten, „mit ausreichender Sicherheit datierbaren“ Minuskelinschriften im mitteldeutschen Raum treten 1340 in Fritzlar, 1342 in Göttingen und Hannoversch-Münden, 1348 in Fritzlar und 1349 in Erfurt auf (Neumüllers-Klauser 1986, S. 64–68).
Nachweise
- Lorenz 1903, S. 67 f.
- Katalog Magdeburg 2001, S. 228 (Nr. 42, 43).
Zitierhinweis:
DI 62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 23 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di062l001k0002303.
Kommentar
Die Entstehung und Datierung der qualitätvollen Pyxis und ihres Deckels mit der Kreuzigungsgruppe sind umstritten. Dose und Deckel sollen Mitte des 14. Jh. gefertigt worden sein, der verhaltene S-Schwung der Figuren und die Schüsselfalten der Gewänder Marias und Johannes’ und des Lendentuches Christi sprechen aber für eine Entstehung der Kreuzigungsgruppe in der zweiten Hälfte des 14. Jh.2) Da sich am Deckel aber keine Spuren finden, die mit Gewißheit auf eine nachträgliche Anbringung der Kreuzigungsgruppe schließen lassen, darf auch eine gleichzeitige Entstehung von Behältnis und Kreuzigungsgruppe angenommen werden. Zwei parallele Reihen älterer Arretierungslöcher, die sich unter den Assistenzfiguren, den Kreuzarmen und unter Mond und Sonne befinden, können einerseits von einer älteren Deckeldekoration, andererseits von wiederholter Neubefestigung derselben immer noch vorhandenen Figürchen stammen.
Unter Verkennung ihrer künstlerischen Qualität wurde die gravierte Dose bisher als neuzeitlich3) oder gar als Neuschöpfung des 19. Jh. angesehen.4) Zur Klärung der Datierungsfrage trägt die Schriftform leider nur wenig bei. Die ersten datierten Minuskelinschriften im Gebiet der mittleren Saale treten 1375/76 auf;5) eine andere ist nach stilistischen Merkmalen der Inschrift und des Inschriftträgers um 1370/80 angesetzt.6) Wenn auch die vorliegende schmucklose Inschrift nicht zu den frühesten Minuskelinschriften des mitteldeutschen Raumes gezählt werden darf,7) dann läßt sie sich zeitlich zumindest den erwähnten Inschriften zuordnen.