Inschriftenkatalog: Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 91: Hersfeld-Rotenburg (2015)

Nr. 179† Bad Hersfeld, Stiftskirche/Stiftsruine (1571)/1572

Beschreibung

Grabplatte des Abtes Michael Landgraf. Die Nachzeichnung zeigt die Platte mit Umschrift (A) zwischen Linien oder abgrenzendem Relief, im Feld ein Vollwappen, unter dem Wappen die Signatur (C); quer über der Mitte der Platte, „in medio vero lapidis“, soll sich gemäß Schlegelschem Textzitat eine Spruchweisheit (B) befunden haben.

Nach Schlegels Nachzeichnung und nachkorrigiertem Zitat.1)

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz; Forschungsbibliothek Gotha (Thomas G. Tempel (Repro)) [1/1]

  1. A

    ANNO D(OMI)NI M D SEPTVAGESIMO PRIMO 4 MENSIS / MAYa) OBYTa) R(EVERENDISSI)MVS IN CHR(IST)O P(ATE)R AC D(OMI)N(V)S D(OMI)N(VS) MICHAEL CONFIRMAT(VS) ABBAS / ECCLESIAE HERSFELDEN(SIS) PIETATIS AC STV=/DIOR(VM) PATRONVS I(N)CO(M)PARABILIS CVIVS A(N)I(M)A IN D(OMI)NO QVIESC[A]Tb).

  2. B

    MORS OMNIBVSc) COMMVNIS2)

  3. C

    1 . 5 . V(ALENTIN) H(EP) 7 . 2 .

Übersetzung:

(A) Im Jahre des Herrn 1571, am 4. Mai starb der hochwürdige Vater in Christus und Herr, Herr Michael, bestätigter Abt der Hersfelder Kirche, ein unvergleichlicher Förderer der Frömmigkeit und der Wissenschaften. Seine Seele ruhe (!) bei Gott.

(B) Der Tod ist allen gemeinsam.

Wappen:
Stift Hersfeld/Landgraf3)

Kommentar

Michael Landgraf, aus dem fuldischen und daher katholischen Rasdorf (Lkr. Fulda) gebürtig, entstammte wie sein Vorgänger Crato Melles einer bürgerlichen Familie und schlug die geistliche Laufbahn ein. Bevor er von Crato zum Koadjutor angenommen wurde, hatte Landgraf das Dekanat in Hersfeld und die Propsteien Petersberg (bei Hersfeld) und Kreuzberg (Philippsthal) erlangt. Für diesen Karriereweg scheinen sich anders als früher die adligen Herren nicht mehr interessiert zu haben. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Betätigungsmöglichkeiten in den hersfeldischen geistlichen Häusern, deren Eigenständigkeit von den Landgrafen erheblich beschnitten worden war.

Als neuer Abt von Hersfeld mußte Landgraf den hessischen Zugriff auf die Stadt und mehrere Ämter dulden, weil an eine Ablöse der Aufwandsentschädigung im Nachgang des Bauernkrieges nicht zu denken war. Das Stift war seit Melles stark protestantisch geprägt, und Landgraf sympathisierte durchaus mit reformatorischen Ideen. Sein Wirken nach außen konzentrierte er auf den sozialen Bereich, indem er den Schulbau von 1560 (Nr. 118/III) gestattete und wohl auch förderte, die Gründung des Gymnasiums 1570 betrieb und dieses gut fundierte und kurz vor seinem Tod noch das Hospital in Niederaula stiftete. Statt in die Sanierung der immer noch ruinösen Stiftskirche leitete er das Stiftsvermögen in dauerhafte nützliche Institutionen; es war so außerdem den Begehrlichkeiten der Landgrafen von Hessen entzogen.4) Das Totenlob der Platte und auch des Epitaphs (Nr. 180) hebt auf diese beiden Leistungen des Verstorbenen ab. Der Nachfolger Ludwig Landau (Nrr. 213 f.) vollendete das Werk der Stiftungen.

Die Signatur gehört dem 1570 beim Epitaph des Lucas von Trümbach in Wehrda (Nr. 172) im Hersfelder Raum erstmals bezeugten fuldischen Bildhauer Valentin Hep, der auch für den Stifter des Landgrafschen Epitaphs und somit auch seiner Grabplatte, Abt Ludwig Landau, vor allem aber für die Familie von Trümbach in Wehrda arbeitete.5)

Textkritischer Apparat

  1. Beide Male im Zitat nur II.
  2. Nicht wie in der Abschrift QVIESCIT. Hier liegt wohl nur eine Verschreibung vor, da in der Region und in den bearbeiteten Beständen des Deutschen Inschriftenunternehmens (DI) der Indikativ in den Fürbitteformeln nicht vorkommt. Alle Fälle gehören anderen Zusammenhängen an wie etwa IN CHRISTO SVAVITER QVIESCIT als bloße Ruheformel 1564 in Hannover, vgl. DI 36 (Stadt Hannover) Nr. 118.
  3. Statt dessen bei Schlegel OMNIA, anscheinend verlesen oder verschrieben. Grammatisch ist ein Dativ erforderlich, was auch durch den Zitatnachweis, vgl. Anm. 2, bestätigt wird.

Anmerkungen

  1. Die Buchstaben in Schlegels Nachzeichnung scheinen nur einen Teil des Originals abzubilden, da die Spruchweisheit (B) dort fehlt. Die Verteilung und andere Einzelheiten sind jedoch nicht auffällig oder ungewöhnlich; Kürzungen könnten Gesehenes wiedergeben; U und V wurden hier nicht normalisiert. Wie man bei der noch erhaltenen Grabplatte Ludwig Landaus (Nr. 213) sieht, stimmt die Verteilung der Inschrift auf die vier Leisten nicht zwingend.
  2. Diese Variante einer Spruchweisheit zur Gleichheit der Menschen vor dem Tod stammt aus des Erasmus von Rotterdam Adag. Chil. 3, 9, 12 (Opera omnia II, Leiden 1703, 923b); siehe auch Thesaurus proverbiorum medii aevi. Lexikon der Sprichwörter des romanischen und germanischen Mittelalters, begründet von S. Singer, hrsg. vom Kuratorium Singer der Schweizer Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 11. Berlin und New York 2001, 326 Nr. 47, vgl. zum Thema auch DI 71 (Trier II) Nr. 538 Anm. 16.
  3. Quadriert: 1/4. Stift Hersfeld; 2/3. Landgraf (Farben nach dem Epitaph: in Silber roter Schrägbalken, belegt mit 3 wolfsangelartigen schwarzen Winkeleisen und begleitet von 2 schwarzen Steinen; Helmzier: Mitra, belegt mit dem Hersfelder Kreuz, mit krönendem Federbusch).
  4. Vgl. Ziegler, Mitra und Krummstab 20 f.; „Landgraf, Michael“, in: Hessische Biografie <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/4404> (Stand: 22. 3. 2013, Bearb. Stefan Alles).
  5. Vgl. Einleitung Kap. 4.1. und 5.2.

Nachweise

  1. Schlegel, Abbatia, fol. 181r (Nachzeichnung), fol. 182r (Zitat) (A, B).
  2. Schlegel, Abbatia (Hs. Gießen) 407 (Zitat) (A, B).

Zitierhinweis:
DI 91, Hersfeld-Rotenburg, Nr. 179† (Sebastian Scholz und Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di091mz14k0017903.