Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 834 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche), Kreuzgang 1634

Beschreibung

Grabplatte des Öhringer Bürgermeisters Georg Hermann. Im Ostflügel des Kreuzgangs, an der Innenseite zwischen den beiden südlichen Fenstern aufgerichtet. Sandstein. In der oberen Hälfte Bibelspruch (B) mit zentriert darübergesetzter Bibelstellenangabe (A); darunter, etwas unterhalb der Mitte der Platte, ein reliefierter bekrönter Wappenschild, der oben und zu beiden Seiten von einem weiteren Bibelspruch (D) umgeben ist, darüber wiederum die zugehörige Bibelstellenangabe (C); im unteren Drittel des Steins die Grabschrift (E). An den Rändern bestoßen.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 199,5, B. 88, Bu. 2,6 (A), 3,8 (B), 2,6 (C), 3,5 cm (D, E).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel mit Frakturelementen (A, C, D, E), Fraktur (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Helmut Hartmann, Bechtheim [1/2]

  1. A

    Apocalÿp : · 6 · Cap : V · 9 · 10 · 11 ·

  2. B

    Vnd Jch sahe vnter dem Altar , die Seelen , dern / Die erwürget waren , vmb des wortts Gottes / willen , vnd vmb des Zeügnus willen das sie / Hatten , vnd sie Schrien mit grosser stim , vnd / Sprachen , Herr du heiliger , vnd warhafftiger wie=/lang richtestu , vnd Rechest Nicht vnser bluet an / Denen die auff erden wohnen , vnd Jhnen wurden / gegeben Einem Jeglichen ein weis Kleidt , vnd / ward zue Jhnen gesagt das sie Ruhen Noch / ein Kleine Zeit , bis Das vollent dar zue Kem=/en Jhre mit Knechte , vnd Brüeder , Die auch / Noch sollen Ertödet werden gleich Wie siea)1)

  3. C

    APocaLÿPb) : · 2 · V : 10 ·

  4. D

    Seÿ Getrew /c) Bis an Dan Todt , So /d) will ich dir / Die Kronle) des //f) Lebens Geben2) ·

  5. E

    Hierinnen Ruhet in Gott Der Ehrnueste , Vnd / wohlvorgeachte , Herr Georg herman der Zeit / Erwohlter Burgermeister , vnd Des Rahts / Alhie Zue Öringen , welcher Den 14 · Septem=/bris dis . 1634 . Jahrs Von den ,g) / Soldaten Jemmerlich Ermordet worden / Seines Alters . 62 . Iahr . 8 . monat · 2 . wochen / Vnd . 3 . tag Gott Der Almechtige verleihe / Jhme ein fröliche aufferstehung vmb / Jesuh) Christj Willen . Amen .

Datum: 24. September 1634 n. St.

Wappen:
Hermann3.

Kommentar

Die Ausführung der Inschriften ist nicht sonderlich regelmäßig: Zeilenhöhe, Buchstaben- und Wortabstände variieren, und auch die senkrechte Ausrichtung der Schäfte ist nicht durchweg gelungen. Auffälliger als die Fraktur, bei der auf den Wechsel von Schleifen-s und rundem s am Wortende, auf zwei Varianten des Schaft-s, auf gelegentliche Spaltung der nach rechts umgebogenen Oberschäfte sowie auf den kunstvoll verzierten V-Versal am Beginn der Inschrift besonders hinzuweisen ist, ist die Humanistische Minuskel mit ihren eingestreuten Frakturelementen (f und langes s mit Schwellschaft, e mit gebrochenem oberen Bogenabschnitt, Form des v und des Bogen-r). Neben dem einstöckigen a begegnet als Doppelform mehrfach die zweistöckige Variante. Eigenartig ist die Verwendung einzelner Kapitalisbuchstaben im Wortinnern in Inschrift (C). Die Grabplatte wurde nach Ausweis der Schriftformen beider Schriftarten, vor allem aber der völlig identischen Fraktur, von demselben Steinmetz gehauen, der 1631 die Grabplattenserie der Berlichingen in Neunstetten schuf 4.

Der Bürgermeister Hermann wurde das Opfer plündernder kaiserlicher Soldaten, die nach der Schlacht bei Nördlingen in den Tagen zwischen dem 14. und dem 20. September 1634 Öhringen heimsuchten. Laut Kirchenbuch starben in diesem Zeitraum 16 Personen in der Stadt, von denen mindesten fünf von feindlichen Soldaten erschossen wurden5. Durch die Auswahl des Bibelzitats aus der Offenbarung des Johannes für Hermanns Grabmal wurde der Bürgermeister gleichsam zu einem Märtyrer stilisiert, der für die Sache der Lutheraner sein Leben gelassen habe6.

Textkritischer Apparat

  1. Unter der Zeile zentriert ein Linienspiel aus doppelten Kontraschleifen.
  2. Eingestreute Kapitalisbuchstaben.
  3. Unterbrechung der Schriftzeile durch das Wappen, Fortführung der Inschrift in einer gewölbten Zeile über der Wappenkrone.
  4. Fortsetzung der Inschrift in der Zeile rechts neben dem Wappen.
  5. Sic!
  6. Unterbrechung der Inschrift durch das Wappen.
  7. Danach ist Platz für etwa neun Buchstaben freigelassen. Möglicherweise war daran gedacht, die Mörder Hermanns noch näher zu bezeichnen, was dann aber doch – vermutlich aus Furcht vor Repressalien – unterblieben ist?
  8. Letzte Zeile zentriert.

Anmerkungen

  1. Off 6,9–11.
  2. Off 2,10.
  3. Drei Blumen auf Dreiberg. Die Krone über dem Wappen ist hier mit Bezug auf Inschrift (D) als Krone des Lebens und natürlich nicht als heraldisches Prunkstück zu deuten.
  4. Nrr. 812, 813, 814, 815, 816; vgl. Einl. 78.
  5. Vgl. Heinrich Laidig, Öhringen im Dreißigjährigen Krieg, in: Öhringen. Stadt und Stift 144–154, hier: 147.
  6. Vgl. dazu auch Kleinehagenbrock, Grafschaft Hohenlohe 292f.

Nachweise

  1. Boger, Stiftskirche Öhringen 99 (nur erwähnt).
  2. Esenwein, Grabsteine, Nr. B1 (nur erwähnt).
  3. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 106.
  4. Kleinehagenbrock, Grafschaft Hohenlohe 292 (nur D).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 834 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0083403.