Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 154a St. Andreas 1630, 1634–1636, 1640–1643, 1648

Diese Katalognummer liegt nur in der Onlinefassung vor.

Beschreibung

Gewölbe und Wände der Jesuitengruft. Die Gruft wurde bei der Errichtung der Kirche St. Andreas1) für die Bestattung der dem Düsseldorfer Kollegium angehörenden Jesuiten2) angelegt und erstreckt sich quer zu den Kirchenschiffen unter dem vom Chor aus gezählten zweiten Joch des Langhauses von der Außenwand des westlichen bis zur Außenwand des östlichen Seitenschiffes.3) Der tonnengewölbte Gang4) ist ca. 3,25 m breit und ca. 16,30 m lang. Unter den Seitenschiffen zweigt jeweils in Richtung Norden im rechten Winkel ein kurzer Gang ab, der an der Stelle endet, an der oben in der Kirche die Seitenaltäre stehen. Die Gruft ist mithin u-förmig angelegt. Der Gang unter dem östlichen Seitenschiff ist durch den Einbau eines Heizungsschachtes mehr als zur Hälfte verbaut und teilweise zugeschüttet, so dass er nicht mehr begehbar ist. Das Ziegelgewölbe lagert an den Seiten auf vorstehend gemauerten, 60 cm hohen Fundamenten (Banketten) auf. Die Höhe des Gewölbescheitels beträgt 2,20 – 2,30 m. An mehreren Stellen wurde auf den Banketten und vor allem in den Nischen am Ende des Hauptgangs und des westlichen Gangs eine sehr große Anzahl von menschlichen Schädeln und größeren Knochen aufgestapelt. Diese könnten von einem ehemaligen Friedhof stammen, der im Innenhof des Jesuitenklosters lag, für den allerdings bislang keine Nachweise vorliegen. Ihre Anzahl übersteigt die Anzahl der in der Gruft nachweisbaren Beisetzungen um ein Mehrfaches.

Der ursprüngliche Zugang erfolgte vom westlichen Seitenschiff her über eine Treppe, deren Überreste in der Gruft noch zu erkennen sind.5) Die Anlage wurde erstmals Anfang der 1950er Jahre,6) dann noch einmal 1984 bei Arbeiten für den Einbau einer Heizung7) wiederentdeckt. Der damalige Einstieg wurde wieder geschlossen8) und 2016 wegen statischer Untersuchungen kurzfristig wieder geöffnet. Er befindet sich mittig zwischen den östlichen Mittelschiffpfeilern des genannten Joches und wurde so verschlossen, dass er künftig leichter geöffnet werden kann.9) Im Rahmen dieser Öffnung konnte eine knapp einstündige Inaugenscheinnahme10) vorgenommen werden.

Zumeist im unteren Bereich des Ziegelgewölbes auf allen Seiten, aber auch im Bereich der Nischen oder auf den Gewölberippen an den Anfängen der Seitengänge und zur früheren Treppe wurden in Schwarz – vermutlich mit Rußpigmenten – Sterbevermerke aufgetragen. Erkennbar sind insgesamt 39 Inschriften, von denen insbesondere im Bereich der östlichen Wand, an der es Aufschüttungen gibt, und in dem verbauten Gang einige nur noch bruchstückhaft erkennbar sind; zudem können dort noch weitere Inschriften verborgen sein. Die beiden ältesten Inschriften stammen aus dem Jahr 1630, die jüngsten aus den Jahren 1689 und 1690. Hinzu kommt eine Rötelinschrift aus dem Jahr 1742. Über einige Inschriften hinweg wurden mit weißer Kreide Namen und Jahreszahlen geschrieben, die von zwei Begehungen in den Jahren 1831 und 1903 zeugen, zu denen keine weiteren Quellen vorliegen.

Die ältesten Inschriften befinden sich an der östlichen Eck der Südseite, die weiteren Inschriften schließen sich an der Südseite fortlaufend in Richtung Westen an und werden dann rundum an den Wänden sukzessive hinzugefügt, bis der Raum um 1670 schließlich vollständig genutzt war. Danach wurden weitere jüngere Vermerke in die Lücken und über oder unter den älteren Vermerken eingefügt.

Im Zeitraum von 1630 bis 1653 wurden in der Gruft 13 Inschriften angebracht. Die Inschriften A-E, G und H sind auf zu diesem Zweck verputzte Flächen des ansonsten unverputzten Ziegelgewölbes geschrieben worden, F und L auf einer solchen Fläche im Bereich der Bankette. Bei A-C und E wurde die Fläche zusätzlich schwarz umrandet. Die übrigen wurden auf ebenfalls verputzte Stellen an Gewölberippen (I) oder Bögen (K) oder im Bereich der Nischen (J, M) angebracht. Bei einigen Inschriften (so sicher bei G und H) wurde der Text zunächst mit einem stumpfen Gegenstand in den feuchten Putz geschrieben und dann mit schwarzer Farbe nachgezogen.

Schriftart(en): Kapitalis (A-C, G, H, M; A und B mit einzelnen Minuskelbuchstaben), Mischminuskel mit Formen der humanistischen Minuskel und der Fraktur (D, E), humanistische Minuskel (F, I-L, M im Datum).11)

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Ulrike Spengler-Reffgen) [1/2]

  1. A

    G · + KNITa) / 16 · 30 · / 2 · Meÿb) ·c)

  2. B

    P(ATER) · + · I(OHANNES) · / MeSTOR[.] / 1630 · / 8 · SeP ·

  3. C

    P(ATER) · R. [….]d) / QVAD[…]e) / 1634 [….]f) / 20 […]g)

  4. D

    martinu[s]h) / mŭlleri) / 1635 den / 13j) martz

  5. E

    P(ater) gerard(us) / weierstras / Anok) 1635 / 7 desemberl)

  6. F

    P(ater) [……]vs [….] / Anno 1636 / den 2 Decemb(er)m)

  7. G

    IOHAN/NESn) MEY/ERo) 1636

  8. H

    1640 / ELIAS / RODAVERp) / q)

  9. I

    [– – –] A(nno) 1641 / 16 iuni[..]

  10. J

    P(ater) Ioanes / Flocker / 1642 / october / · 13 ·

  11. K

    P(ater) Gijsbertus / Curbeckr) / 1642 24 october

  12. L

    1643 M. Daniels)

  13. M

    den 19 sept(ember) / 1648 / P(ATER) HENRIC(US) / H[…]

Kommentar

Insgesamt, wenn auch in unterschiedlichem Maß, wurden die Inschriften sehr nachlässig ausgeführt. Da sie nicht öffentlich sichtbar waren, hatten sie keinem repräsentativen Zweck zu dienen. In den ältesten (A–C) und einigen wenigen etwas jüngeren Inschriften (G, H, M) wurden die Namen in Kapitalis geschrieben. Angegeben werden lediglich die Namen und der Todestag des Verstorbenen, in G, H, und L nur das Jahr. A und B, D und E sowie G und H könnten jeweils von derselben Hand ausgeführt worden sein.

Einige der Bestatteten sind in den gedruckt zugänglichen Quellen und der Literatur zum Düsseldorfer Jesuitenkolleg bzw. zur Geschichte der Jesuiten belegt.

Pater Johannes Mestorff (B) ist 1555 in der Nähe von Bonn geboren und 1578 in den Orden eingetreten.12) Von 1595 bis 1606 war er Rektor des Jesuitenkollegs in Heiligenstadt, danach ab November 1608 in dieser Funktion in Koblenz tätig, wo er maßgeblich die Bauarbeiten an der dortigen Kollegkirche vorantrieb. Sein Nachfolger ist kurz nach der Weihe der Kirche im September 1617 belegt.13) In Düsseldorf ist er zwischen 1624 und 1626 als Rektor nachgewiesen.14)

Pater Gerhard Weyerstrass (E) war im Jahr 1632 Präfekt des Düsseldorfer Jesuitengymnasiums und des Seminars.15)

Pater Gisbert Curbeck (K) stammte aus Zütphen (Provinz Gelderland, NL) und war 1641 bis 1642 Präfekt des Seminars, als er im 63. Lebensjahr verstarb.16)

Johannes Meyer (G), ein Laienbruder, in Österreich geboren, trat 35-jährig im Jahr 1622 in den Orden ein und war Steinmetz. Von 1623 bis 1628 war er als „director fabricae templi“ für den Bau der Kirche St. Michael in Aachen, der Kirche der dortigen Jesuiten (Grundsteinlegung 1618), zuständig. Nach deren Weihe im August 1628 wechselte er wohl nach Düsseldorf. Bislang nicht belegt, aber doch sehr wahrscheinlich ist, dass er am 1628 noch nicht vollendeten Bau der Düsseldorfer Andreaskirche beteiligt war. Hier verstarb er schließlich 1636.17)

Der neben ihm beigesetzte Laienbruder Elias Rotauer (H) stammte ebenfalls aus Österreich. 1582 geboren in St. Wolfgang, trat er 1615 in den Orden ein und hielt sich zunächst in Paderborn und Bamberg auf, bis er 1625 in das Düsseldorfer Jesuitenkolleg kam, um dort als Schreiner und wohl auch Bildhauer am Bau der Andreaskirche mitzuarbeiten. Nachdem er 1629 bis 1634 im Aachener Kolleg tätig war, ist er schließlich bis zu seinem Tod wieder in Düsseldorf gewesen. Braun zitiert folgenden Eintrag aus dem Nekrolog des Kollegs: „Varia pluribus in locis reliquit suae industriae monumenta.“18)

Ebenfalls in der Gruft beigesetzt wurde mit Martinus Müller (D) ein weiterer am Bau der Andreaskirche beteiligter Handwerker. Der Laienbruder Müller, 1574 in Ober-Gleen (heute Stadt Kirtorf, Vogelsbergkreis, Hessen) geboren, trat 1599 in den Orden ein. Er war wie Rotauer Schreiner, arbeitete aber seit 1632 in Hausdiensten, bis er im März 1635 verstarb.19)

Für weitere Nachweise sind die älteren Jahresberichte (Litterae annuae) heranzuziehen, in denen zu jedem Jahr die verstorbenen Mitglieder zusammengestellt worden sind. Die Durchsicht der für den vorliegenden Zeitraum relevanten Berichte konnte hier nicht geleistet werden, da sie in Rom im Archivum Romanum Societatis Iesu liegen.20)

Textkritischer Apparat

  1. Retrogrades N.
  2. eÿ in Minuskelbuchstaben auf Höhe der Majuskelbuchstaben ausgeführt und mit dünnerem Strich.
  3. Punkt auf Höhe der Oberlinie.
  4. Es folgen vier oder fünf nicht mehr lesbare Buchstaben, die – auch das ist nicht eindeutig zu sehen – durch einen kurzen späteren Eintrag gestört sind.
  5. Es folgen zwei oder drei nicht mehr lesbare Buchstaben.
  6. Es folgt hier vermutlich die Angabe des Monats.
  7. Es folgen noch weitere, nicht lesbare Buchstaben, die möglicherweise auch von einem späteren Eintrag stammen können.
  8. Von s ist ein Teil des oberen Bogens noch erhalten, der Rest verloren.
  9. u aus zwei Schäften mit rechtsschrägem Aufstrich, in einem Schwung durchgezogen.
  10. Die Lesung von 1 ist nicht ganz gesichert, da stark verblasst.
  11. Sic ohne erkennbares Kürzungszeichen für ein 2. n. Das A ähnelt einem gerundeten unzialen A, hier jedoch ausgeführt als großer, links offener Bogen, bei dem der untere Teil des rechten Schaftes als Abstrich die Verbindung zum Aufstrich zu n herstellt.
  12. Sic!
  13. Die Lesung des Monatsnamens ist nicht eindeutig gesichert.
  14. Das o etwas kleiner als Kreis auf der Zeilenmitte ausgeführt; beide N retrograd.
  15. Vor dem E wohl versehentlich ein Strich in den Putz eingetieft, der nicht mit Farbe gefüllt wurde.
  16. D spiegelverkehrt.
  17. Es folgt ein zweizeiliger, sehr verwischter Eintrag, der in der Mitte durch ein Malteserkreuz unterbrochen wird.
  18. Der Eintrag ist überlagert von einem in Weiß (mit Kreide ?) aufgetragenen Eintrag aus dem Jahr 1831.
  19. Das M ist größer als die Buchstaben des Familiennamens ausgeführt; das D als Majuskelbuchstabe in der Höhe der Minuskelbuchstaben.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum Bau der Andreaskirche in der Einleitung Kap. 2.1.3.
  2. Vgl. zur Geschichte des Düsseldorfer Jesuitenkollegs Brzosa, Geschichte, S. 277–308.
  3. Die Kirche ist nicht geostet, sondern der Chor ist nach Norden ausgerichtet.
  4. Die folgenden Angaben zu Maßen nach einer schriftlichen Mitteilung von Herrn Matthias Berg, Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege Düsseldorf, vom 24. Oktober 2016 und nach Unterlagen, die Herr Dipl.-Ing. Ralf Badura, Dorsten-Lembeck, der seinerzeit mit den Untersuchungen betraute Architekt, zur Verfügung gestellt hat. Beiden gilt für ihre Unterstützung und die Ermöglichung der Begehung mein herzlicher Dank.
  5. Im heutigen Bodenbelag des westlichen Seitenschiffes sind keine Spuren mehr zu finden.
  6. Vgl. Wolf, Mausoleum, S. 80 Anm. 25.
  7. Vgl. Stevens, Gruftgewölbe.
  8. Die Inschriften wurden 1984 nicht dokumentiert. Vgl. dazu ebd.
  9. Für den Einstieg, der für den Besucher nicht sichtbar ist, müssen zunächst einige Kirchenbänke zur Seite geräumt und eine Platte angehoben werden.
  10. Eine längere Begehung war aufgrund der Gegebenheiten wie Raumluft, Temperatur etc. nicht möglich.
  11. Die Einzelmaße der Inschriften, insbesondere die Buchstabenhöhen, konnten 2016 aufgrund der Kürze der Begehung nicht ermittelt werden.
  12. Vgl. Braun, Kirchenbauten, S. 34 Anm. 3.
  13. Vgl. zu Heiligenstadt Bernhard Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, Bd. 2,1, Freiburg 1913, S. 152f. u. S. 155 Anm. 3; zu Koblenz ebd., S. 29–31, bes. S. 31 Anm. 13, zu den Bauarbeiten und Mestorffs Anteil daran auch Braun, Kirchenbauten, S. 34–38.
  14. Dazu Duhr, Geschichte, Bd. 2,1, S. 84 Anm. 7; LAV NRW R, Düsseldorf, Jesuiten, U 56 von 1626 März 5 u. U 57 von 1626 März 10, sowie Pohle, Düsseldorf – Jesuiten, S. 40.
  15. Vgl. Kniffler, Jesuiten-Gymnasium, S. 19.
  16. Vgl. ebd.
  17. Vgl. Braun, Kirchenbauten, S. 107.
  18. Vgl. zu ihm ebd., S. 108 u. S. 202, das Zitat S. 108. Braun (ebd., S. 108) gibt als Todestag den 16. Juli 1639 an. Warum in der Gruft 1640 verzeichnet wurde, konnte bislang nicht geklärt werden. Rotauer ist als Schreiner und Bildhauer auch verzeichnet bei Pohle, Düsseldorf – Jesuiten, S. 33.
  19. Vgl. zu ihm Braun, Kirchenbauten, S. 202.
  20. Dazu Pohle, Düsseldorf – Jesuiten, S. 36.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 154a (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k00154a6.