Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 105† Bonn-Schwarzrheindorf, St. Maria und St. Clemens, Pfarrhaus 1598

Beschreibung

Zwei Glasfenster mit Heiligendarstellungen und Beischriften; aus dem Stift Gerresheim stammend. Glas, „in feiner Silbergelbmalerei“1). Das Fenster mit der Darstellung des Stiftsgründers Gerricus wird 1669 in einem Visitationsprotokoll erwähnt und befand sich im Obergeschoss des Stiftsgebäudes im damals als Kapitelsaal, heute als Pfarrsaal genutzten Raum; die zweite Scheibe wird in dem Protokoll nicht genannt. Beide Fenster wurden nach der Aufhebung des Stiftes durch eine Gerresheimer Stiftsdame nach Schwarzrheindorf verbracht. Nach ihrem Tode gelangten sie in das dortige Pfarrhaus, wo sie 18772) und noch 19053) bezeugt sind. Das Gerricus-Fenster mit der Beischrift A zeigte den Heiligen in prunkvollem Gewand mit phrygischer Mütze sowie einer Halskette, die er mit der Linken festhielt; die Rechte hielt er schützend über die im Hintergrund dargestellte Stadt Gerresheim. Auf dem zweiten Fenster war der hl. Hippolyt in Rittertracht mit Beischrift B dargestellt. In der Rechten trug er eine Fahne, auf der acht Kugeln zu erkennen waren, in der Linken hielt er einen neben ihm stehenden Schild mit Doppeladler. Im Hintergrund war ein kleines Haus mit vorbeifließendem Wasser (Gerricuspütz) zu erkennen.4) Der Verbleib der Scheiben konnte nicht geklärt werden.5)

Inschrift A nach LAV NRW R, Stift Gerresheim, Akten 98; B nach Kessel.

Maße: H. 27 cm; B. 18 cm. 6)

  1. A

    Hic est Geric(us)a) fundator dux Lotharingiaeb)a quo Gerico Gerritzheimc) nomen in usua(nn)od) 1598e)

  1. B

    Hippolitvs martir Gerricia tecta gvbernatqvi svmmvm nobis dignetvr flectere nvmena(nn)o 1598

Übersetzung:

Dieser hier ist der Gründer Gerricus, Herzog von Lotharingien. Von diesem Gerricus (ist) der Name Gerresheim im Gebrauch. Im Jahr 1598. (A)

Der Märtyrer Hippolyt lenkt die Gerresheimer Häuser. Er geruhe, den höchsten Gott uns zuzuwenden. Im Jahr 1598. (B)

Versmaß: Hexameter (A und B, jeweils Zeilen 1 und 2).

Kommentar

Die Scheibe mit der Darstellung des Stiftsgründers wird in dem Protokoll der Visitation von 1669 zum einen von einem der Stiftsvikare erwähnt, der bei der „in sala superiori curiae Abbatialis“ stattfindenden Befragung nach dem Gründer des Stiftes nicht nur den Namen nannte, sondern auch auf die im Fenster befindliche Darstellung des Gründers hinwies,7) und ist zum anderen an anderer Stelle im Protokoll mit dem Wortlaut der Inschrift aufgeführt.8) Bei diesem Raum handelte es sich um den im Obergeschoss des romanischen Stiftsgebäudes gelegenen Saal, in dem sich ursprünglich das Dormitorium befand9) und der auch in dem von Dresen publizierten Inventarverzeichnis des Jahres 1685 als großer Saal – von Dresen als Kapitelsaal bezeichnet – aufgeführt wird.10) Heute befindet sich dort der Pfarrsaal. Auch Redinghoven überliefert den Text von Inschrift A, allerdings ohne Quellenangabe. Die Scheibe mit der Darstellung des Kirchenpatrons, des hl. Hippolyt, dessen Gebeine durch Gerricus nach Gerresheim gelangt sein sollen,11) wird im Visitationsprotokoll nicht erwähnt.12) Sie wird erst nach der Überführung nach Schwarzrheindorf gemeinsam mit der Darstellung des Stiftsgründers genannt. Die Angaben zur Darstellung des hl. Hippolyt als Soldat mit Fahne und Schild entsprechen allerdings der typischen Darstellung13) und sind somit glaubwürdig. Die fehlende Erwähnung im Protokoll von 1669 findet ihre Erklärung vermutlich darin, dass die Gerricusdarstellung als Beleg für die Gründungstradition gedient hat.

Die Gründung des Stiftes Gerresheim lässt sich nicht eindeutig klären, doch gilt als sicher, dass es gegen Ende des 9. Jahrhunderts durch den fränkischen Edelherrn Gerricus/Gerrich auf seinem Eigengut gegründet wurde und dessen Tochter Reginbirg die erste Äbtissin der Neugründung wurde.14) Der Stiftsgründer wurde in Gerresheim, obwohl nie kanonisiert, als selig bzw. heilig verehrt. Den Titel dux Lotharingiae hat bereits Kessel 1877 als eine unzutreffende, erst im 16. Jahrhundert erstmals belegte Bezeichnung nachgewiesen.15)

Über die Gründe zur Anschaffung der beiden Glasfenster im Jahr 1598 liegen keine Angaben vor. Denkbar ist, dass die alten Scheiben bei der Plünderung der Stadt Gerresheim durch die Truppen des abgesetzten Kölner Erzbischofs Gebhard Truchsess von Waldburg 1586 zerstört worden waren.16) Vielleicht haben auch die ehemals Neusser Kanonissen, denen Herzog Wilhelm V. 1585 das Gerresheimer Stift zugewiesen hatte und von denen einige dauerhaft in Gerresheim blieben,17) den Saal ausstatten wollen.

Textkritischer Apparat

  1. GERRICVS Kessel, Dresen.
  2. Lotharingus Redinghoven, Kessel, Clemen.
  3. GERIKHEIM Kessel; GERISHEIM Clemen; Geritzheim Dresen.
  4. a(nn)o] fehlt Dresen.
  5. a(nn)o 1598] fehlt Redinghoven.

Anmerkungen

  1. Clemen, KDM Bonn, S. 364.
  2. Zu der Mitnahme durch die Stiftsdame und der Angabe zu 1877 Kessel, Seliger Gerrich, S. 140, bes. ebd., Anm. 3.
  3. Clemen, KDM Bonn, S. 364.
  4. Beschreibung nach Kessel, Seliger Gerrich, S. 142f.
  5. Ein herzlicher Dank gilt Prof. Friedrich Münch, Bonn-Schwarzrheindorf, für die freundliche Mitteilung, dass die Scheiben nicht mehr vorhanden sind und in den Unterlagen des Pfarrarchivs nicht erwähnt werden.
  6. Angaben nach Clemen, KDM Bonn, S. 364. Angaben zur Buchstabengröße und der Schriftart sind nicht möglich. Kessel und Clemen haben sie in Majuskeln wiedergegeben.
  7. LAV NRW R, Stift Gerresheim, Akten 98, fol. 13v.
  8. Ebd., fol. 35r.
  9. Merian, Stiftsgebäude, S. 187. Zur Baugeschichte der an die Kirche anschließenden Stiftsbauten Merian, Stiftsgebäude, sowie Kubach/Verbeek, Baukunst, Bd. 1, S. 319f.
  10. Dresen, Abteihaus, S. 5 (Kapitelssaal) u. 16 (großer Saal).
  11. Zur Verehrung Hippolyts vgl. Brzosa, Geschichte, S. 569–572.
  12. Dass sie in der Antwort des Vikars nicht begegnet, ist verständlich. Warum sie allerdings bei der späteren Verzeichnung der anderen Scheibe nicht genannt ist, bleibt unverständlich. Vielleicht befand sie sich zu dieser Zeit auch in einem anderen Raum.
  13. Vgl. dazu E[kkart] Sauser/F[riedrike] Werner, Art. Hippolyt (Pölt, Pilt) der Soldat, in: LCI 6, Sp. 540–542.
  14. Vgl. zur Gründung und Frühgeschichte des Gerresheimer Konvents Heppe, Düsseldorf-Gerresheim, S. 3f; Brzosa, Geschichte, S. 61–69. S. auch in der Einleitung Kap. 2.3.
  15. Zu seiner Verehrung vgl. Brzosa, Geschichte, S. 572–575; zu dux Lotharingiae vgl. Kessel, Seliger Gerrich, S. 59–62.
  16. Wisplinghoff, Mittelalter, S. 352; Buhlmann, Düsseldorf-Gerresheim – Stift Gerresheim, S. 114.
  17. Wisplinghoff, Mittelalter, S. 373f.; Buhlmann, Düsseldorf-Gerresheim – Stift Gerresheim, S. 114.

Nachweise

  1. LAV NRW R, Stift Gerresheim, Akten 98, fol. 35r (nur A).
  2. BSBM, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven), Bd. 18, fol. 466v (nur A).
  3. Kessel, Seliger Gerrich, S. 143.
  4. Clemen, KDM Bonn, S. 364.
  5. Dresen, Abteihaus, S. 5 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 105† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0010501.