Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 39 St. Lambertus 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Wandmalerei. Tempera auf Kalkputz. Im südlichen Chorumgang an der Wand zur Sakristei befindet sich das mehrfach übermalte und restaurierte Bild der Madonna mit Kind. In der Bildmitte thront vor einem roten Vorhang die Madonna als Himmelskönigin auf einer als Kirchenbank gestalteten Sitzgelegenheit, die auf einem grünen Untergrund steht. Über Sitz und Rückenlehne ist ein grünes Tuch gebreitet, auf dem Sitz liegt zusätzlich ein rotes Kissen mit Blumenmuster. Die Gottesmutter trägt ein rotes, mit goldenen Granatäpfeln (?) verziertes Gewand, um ihren Unterkörper ist ein blauer Mantel geschlagen. Auf ihrem Schoß sitzt rechts das in ein blaues, gemustertes und mit hellem Pelz besetztes Jäckchen gekleidete Kind, das in seiner Rechten einen Apfel hält und mit der Linken der Mutter einen Vogel reicht. Um die Gottesmutter gruppieren sich drei Engelpaare in weißen Gewändern mit grünen Flügeln: 1. in den beiden oberen Ecken des Gemäldes je ein Engel, der sich hinter der Ecke des Vorhangs aus einer Wolke nach vorne beugt und ein Spruchband mit den Anfangsworten des Gloria (A, B) hält; 2. über der Rückenlehne des Sitzes zu beiden Seiten des Hauptes der Madonna je ein Engel mit einem aufgeschlagenen Buch, der Engel zu ihrer Linken hält sein Buch dem Betrachter hin, darauf die an Inschrift B anschließenden Verse aus dem Gloria mit Neumen und dem Nomen sacrum (C); 3. hinter den beiden Armlehnen des Sitzes je ein Engel mit einem Musikinstrument. In der unteren linken Bildecke kniet der in kleinerem Maßstab dargestellte Stifter in Chorkleidung und mit einem Schal (vermutlich ein schlecht restaurierter Manipel) über der linken Schulter. Vor ihm schwebt eine Hostie (?), über seinem Haupt wölbt sich ein Spruchband mit der Anrufung der Muttergottes (D). Alle Inschriften sind in Schwarz auf weißem Grund ausgeführt, in A und B zwischen einfachen Linien; die Versalien in A, B und D in Rot bzw. das M bei Maria in Blau. Die Schrift in C und D ist teilweise stark verblasst.

Maße: H. ca. 250 cm; B. ca. 300 cm; 1) Bu. 2) 2 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B und D mit Versalien aus der gotischen Majuskel).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/5]

  1. A

    Gloria · [in ·] excelsis · [Deo]a)3) ·

  2. B

    Et in · terra · pax · hominibus4) ·

  3. C

    laudamus te / ben[edici]mus / t[e] // aderamusb) [te] / jesus [ch]r[iste]c)5)

  4. D

    Sancta · Maria · ora · pro · nobis ·

Übersetzung:

Ehre (sei) Gott in der Höhe. (A)

Und auf Erden Friede den Menschen. (B)

Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an, Jesus Christus. (C)

Heilige Maria, bitte für uns. (D)

Kommentar

Die paläographische Bewertung kann aufgrund der mehrfachen Übermalungen und Restaurie­rungen nur mit Einschränkungen vorgenommen werden. Im heutigen Zustand ist in A, B und D der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens bei doppelstöckigem a rund und als Zierstrich nach rechts ausgezogen, der Balken des e ist zu einem Zierstrich reduziert, die Fahne des r bildet ein Quadrangel mit angesetztem Zierstrich. Bei h und p sind der Bogen bzw. das Schaftende nach links unter die Grundlinie verlängert. Ober- und Unterlängen ragen nur geringfügig über das durch einfache Linien gekennzeichnete Mittelband hinaus. In D sind die Zierstriche stärker ausgeführt als in A und B. Die Schrift dieser Inschriften wirkt insgesamt deutlich schlanker als in Inschrift C, in der sich auch einstöckiges a findet. Vielleicht wurden die nicht sehr scharfe Ausführung der Brechungen der Schäfte und Bögen in C sowie der Verzicht auf Zierstriche bewusst als gestalterisches Element gewählt, um die Schrift im Stil der zeittypischen Buchschrift zu gestalten. In A, B und D dienen Quadrangel als Worttrenner und Rankenornamente zum Auffüllen der Schriftbänder.

Die Entstehung des Wandgemäldes wird nahezu übereinstimmend auf die Jahrzehnte nach 1450 datiert.6) Die Schriftmerkmale entsprechen diesen Angaben. Vermutlich 1634 bei der Explosion des Pulverturms beschädigt7) und danach verdeckt, wurde es 1869 mit weiteren Wandmalereien durch den Maler Prof. Heinrich Lauenstein freigelegt und restauriert,8) dann nochmals einige Jahre vor 1925 durch den „Düsseldorfer Maler Wessel sachkundig erneuert“,9) bis schließlich 1934 diese Übermalung abgewaschen und die Lauensteinsche Restaurierung wieder freigelegt sowie einige defekte Stellen beigemalt wurden.10) 1956 wurde erneut „eine Freilegung von Übermalungen“11) vorgenommen und 1972 bei einer neuerlichen Restaurierung durch die Fa. Roland Gassert „ältere Ölfarben entfernt“ und „Fehlstellen in Tempera farbig neutral ergänzt“.12) Von Clemen 1894 als „ein feines und bedeutendes Werk der Kölnischen Schule“13) zugerechnet, wird es in der Folge zumeist als „in der Nachfolge Stephan Lochners“14) stehend oder sich an die Lochner-Schule anschließend15) bewertet.16)

Der Name des Stifters konnte nicht ermittelt werden.

Textkritischer Apparat

  1. Auf den Abbildungen bei Clemen, KDM Düsseldorf, S. 45 Fig. 11, u. Clemen, Gotische Monumentalmalereien, Textbd., S. 325 Fig. 335, sind die hier ergänzten Wörter deutlich zu erkennen.
  2. Sic! Wohl falsch restauriert für adoramus.
  3. jesus [ch]r[iste]] Buchstabenbestand: jhsus [.]p[.] mit Kürzungsstrich (?). Von den letzten drei Buchstaben ist nur das p deutlich zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Die Angaben nach Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 34.
  2. Die Buchstabenhöhe von A, B und C konnte nicht vermessen werden, da die Inschriften zu hoch angebracht sind.
  3. Beginn des „Gloria“ im Ordo missae (nach Lc 2,14).
  4. Aus dem „Gloria“ im Ordo missae (nach Lc 2,14).
  5. Aus dem „Gloria“ im Ordo missae.
  6. „Nach 1450“ bei Peters, Ausstattung, S. 145; Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 34; „um 1450“ bei Nußbaum, St. Lambertus, S. 9, u. Richartz, Basilika, S. 23; die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts geben Karpa, Stifts- und Pfarrkirche, S. 23, und Clemen, KDM Düsseldorf, S. 43f. an; Strauven, Wandmalereien, S. 4, datiert auf die Zeitspanne von 1450 bis 1480 und Lepel, in: Clemen, Gotische Monumentalmalereien, Textbd., S. 326, auf das 6. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, während Aldenkirchen, Wandgemälde, S. 182f., unter Berufung auf eine vormals im Besitz des Notars Strauven befindliche, in dessen Nachlass nicht vorhandene Urkunde die Entstehung „zwischen 1440 und 1450“ angibt.
  7. Vgl. zur Explosion des Pulverturms und den Folgen für die Kirche und weitere Gebäude Kap. 2.1.1 der Einleitung.
  8. Strauven, Wandmalereien, S. 1; Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 34, ebd. auch die Angaben und Literaturverweise auf die weiteren aufgedeckten Malereien. Zu Lauenstein vgl. Thieme/Becker 22, S. 434.
  9. Krahe/Theissen, St. Lambertus, S. 74.
  10. Gemäß einer Rechnung vom 24. Dezember 1934 des Kath. Lehrlingsheimes St. Joseph, in: PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 449.
  11. Hans Kisky, Bericht über die Tätigkeit der Rheinischen Denkmalpflege 1953–1956, in: Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 21 (1957), S. 182–283; S. 206; vgl. Peters, Ausstattung, S. 145.
  12. Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 34.
  13. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 44.
  14. Nußbaum, St. Lambertus, S. 9.
  15. So z. B. bei Lepel, in: Clemen, Gotische Monumentalmalereien, Textbd., S. 326; Karpa, Stifts- und Pfarrkirche, S. 23, oder Richartz, Basilika, S. 23.
  16. Mit der Darstellung der thronenden Gottesmutter, dem Engelreigen, dem musizierende sowie zwei an den oberen Ecken den Vorhang raffende Engel angehören, dem Apfel in der Hand des Kindes, dem Vorhang im Hintergrund, dem vielleicht einen Garten andeutenden grünen Untergrund und dem üppig gebauschten blauen Mantel wurden zentrale Elemente aus Lochners Bild der „Maria im Rosenhag“ und diesem verwandten Bildern aufgegriffen. Vgl. dazu Schiller, Ikonographie, Bd. 4,2, S. 206–210.

Nachweise

  1. Strauven, Wandmalereien, [S. 4] (A, B).
  2. Aldenkirchen, Wandgemälde, S. 182 (A–C).
  3. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 44 (A, B, D) und S. 45, Fig. 11 (Abb.).
  4. Krahe/Theissen, St. Lambertus, S. 74 (D) und S. 73 (Abb.).
  5. Lepel, in: Clemen, Gotische Monumentalmalereien, Textbd., S. 326 (A, B, D) und S. 325, Fig. 335 (Abb.).
  6. Peters, Ausstattung, S. 145 (A, B, D) und S. 145, Abb. 104.
  7. Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 34 (A, B, D).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 39 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0003900.