Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 12† Hessisch Lichtenau-Fürstenhagen, Ev. Kirche 1468

Beschreibung

Glocke. Wurde 1917 zu Kriegszwecken abgegeben und war bei Kriegsende schon zerstört.1) Die Glocke war kleiner als die von Hans Kortrog für Fürstenhagen gegossene und wog ursprünglich 758 Pfund, der Klöppel 20 Pfund. Das Aussehen der Glocke und ihre Inschrift hat Wenzel überliefert. Er teilt mit, dass die Glocke schon 1886 umgegossen wurde. Inschrift in Gotischen Minuskeln am Hals zwischen zwei Kordelstegen umlaufend. Als Worttrenner werden ein Doppelkreis, den Wenzel als Brakteat bezeichnete, vier Tatzenkreuze und fünf Reliefs (Pilgerzeichen) verwendet, nämlich die Pilgerzeichen PZDB #114, #488, #923 sowie wahrscheinlich2) zwei aus Kassel.

Inschrift nach Wenzel.

  1. + anno + d(omi)ni // mo cccco · lxviiioa) // o + rex // glorie // veni + cum // pace

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1468. O König der Ehren, komme mit Frieden.

Kommentar

Der alte, oft benutzte Glockenspruch, der im Untersuchungsgebiet schon 1463 in Dudenrode belegt ist,3) spricht eher für eine Herstellung der Glocke im 15. Jahrhundert und damit gegen Siegel, der die Inschrift mit der Jahreszahl 1558 überliefert. Ihm könnte ein Lesefehler unterlaufen sein, wie es ja auch bei der Glockeninschrift von 1512 vorgekommen ist.4) Oder er geht auf dieselbe fehlerhafte Quelle zurück wie Friedrich, der aus einer jetzt nicht mehr auffindbaren Schulchronik das Jahr 1558 zitiert.

Obwohl Wenzel einen Umguss von 1886 kennt und diesen zweimal in seiner Glockenkunde präsentiert,5) er also das Original eigentlich nicht mehr gesehen haben kann, übermittelt er in Wort und Bild so viele stimmige Details, die er, wie den Ton „ais“, nicht aus dem Umguss bezogen haben kann, sodass ihm irgendwelche präzise und darum vertrauenswürdige Informationen vorgelegen haben müssen. Der Begriff UMGEGOSSEN auf der Glocke, schließt eine bloße Reparatur aus; außerdem gab es ja eine neue Glocke, die 1917 abgeliefert werden musste.

Nimmt man aber an, dass die Glocke 1468 gegossen wurde, so zwingt das zu der weiteren Annahme, dass sie für die Vorgängerkirche der 1489 errichteten Fürstenhagener Kirche bestimmt war und in die neue Kirche übernommen wurde.

Textkritischer Apparat

  1. MDLVIII Siegel.

Anmerkungen

  1. s. Friedrich, Glockenkunde 37f.
  2. Freundliche Mitteilung von Jörg Poettgen, Overath. Schon Wenzel hat die Reliefs benannt und beschrieben: 1. Kreis mit Engel, 2. Wilsnacker Pilgerzeichen (drei Hostien), d. i. PZDB #114, 3. Schweißtuch der Veronika, d. i. PZDB #488, 4. Bischof mit Mitra und Krummstab, 5. St. Michael, d. i. PZDB #923. Zum Pilgerzeichen mit dem Schweißtuch der Veronika s. Eckhardt, Wallfahrt 54.
  3. s. Kat.-Nr. 11. Im ausgehenden Mittelalter lässt sich eine Wiederaufnahme der Formel O REX GLORIE VENI CVM PACE aus frühgotischen Glocken beobachten, vgl. DI 91 (Hersfeld-Rotenburg) XXXIV.
  4. Er schreibt dom. statt dni und Rortrog statt Kortrog, vgl. Kat.-Nr. 29.
  5. Wenzel, Bd. 4, fol. 16v, Bd. 24, fol. 23v. Auf dem Umguss auf der Flanke umlaufend die Kopie der alten Inschrift in Kapitalis und darunter O KOENIG DER EHREN KOMM IN FRIEDEN / UMGEGOSSEN 1886 VON CARL FRIED. ULRICH IN APOLDA. Die Reproduktionen der umgegossenen Glocke geben zwei verschiedene Jahreszahlen an, nämlich MCCCCLVIII (1458, Bd. 4) und MCCCCLXVIII (1468, Bd. 24).

Nachweise

  1. Siegel 250, Anm. 2.
  2. Wenzel, Glockenkunde 4, fol. 15v; Glockenkunde 24, fol. 22v, 23r.
  3. Friedrich, Glockenkunde 37f.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 12† (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0001208.