Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 636 Kreuzgang, Westflügel, Westwand, 5. Joch vor 1672

Beschreibung

Inschriftentafel vom Epitaph für Johann Paul von Leoprechting, ehemals in der Domkirche im ersten Joch des südlichen Seitenschiffs zwischen dem St. Justinus- und dem St. Annen-Altar an der Wand1). Heute ist nur noch die Inschriftentafel aus schwarzem Schiefer mit einer 22-zeiligen zentrierten Inschrift (I) vorhanden. Die Buchstaben waren mit Gold gefasst und sind so eng eingehauen, dass häufig kein Wortabstand zu erkennen ist, die Schrifthöhe wechselt von Zeile zu Zeile. Die Tafel befindet sich heute im Westflügel des Kreuzgangs an der Wand. Die Umrahmung ist verloren, kann aber aufgrund der Abzeichnung in ABAdW, Grabsteinbuch beschrieben werden. Demnach war sie eingefügt über einem gekehlten Podest, flankiert von zwei korinthischen Säulen. Darüber ein Architrav, auf dessen vorspringenden Seitenteilen sich je ein größerer Wappenschild befand, in der Mitte nebeneinander zwei weitere kleinere Schilde. Alle vier Schilde trugen Wappenbeischriften (II). Oben in der Mitte als Bekrönung ein geflügelter Engelskopf über einem Rundmedaillon mit dem Vollwappen der Familie. Das Rundmedaillon ist beseitet von zwei Festons. Der Text der Inschrift wurde sicher zu Lebzeiten des Domherrn verfasst, da sowohl die Zahl seiner Amtsjahre als auch die Sterbedaten nachgetragen sind. Die Tafel ist an einigen Stellen gebessert, einige Buchstaben sind offensichtlich nachgearbeitet.

Wappenbeischriften nach ABAdW, Grabsteinbuch (II).

Maße: H. 92 cm, B. 65 cm, Bu. 2-3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Bildstelle der Stadt Regensburg (Peter Ferstl) [1/1]

  1. I.

    HEV! MORTEM CAECAM CVR FI(N)GIMVS? / QVAEa) TAM ILLVSTRAE DECVS VIDIT, ET INVDITb) TERRAE VTIQ(VE) COELO DEBITV(M), / ADM(ODVM) RE(VEREN)DVMc) ET PRAENOBILEM D(OMINVM) IOAN(N)EM PAVLVM A LEOPRECHTINGd) / DE ELNBACH, CATHEDRALIS ECCLESIAE RATISBONENSIS, / CANONICVM, ET SCHOLASTICVM: / QVO IN MVNERE VLTRA <---> AN(N)OS SACRA CANONICORVM / SVBSELLIA / NON FREQVENTAVIT, SED TRIVIT, / AEGRE MAGIS FERENS Ae) DIVINIS OFFICIIS ABSENTIAM QVAM / IPSAM AEGRITVDINEM. / ADEO VIGILEM REDIENS MODO Ae) NVPTIIS DOMINVS / FIDELEM IN OBSEQVYSf) SERVVM INVENIT, / VTIQ(VE) PRAECINCTVRVS SESE, VT IN BEATAE AETERNITATIS MENSA / PROMISSVMg) DISCVMBENTI REDHIBEATh) MINISTERIVM2). / RELIQVA VIRTVTVM ENCOMIA MODESTI CINERES TACERI / MALVNT, / NE, QVAM RATIS-BONA DIVITEM MERITIS ANIMAM / MENSE <NOVEMBRI>i) DIE <28> ANNO <1672>j) / AD FELICISSIMAE AETERNITATIS PORTVM TRANSMISIT, / VENTO VANITATIS ALIQVID IN VIA INCOMMODI PATIATVR. / SPECTATOR / BONIS SVSPIRYS FAVSTA VELA PROSEQVEREk)

  2. II. Wappenbeischriften:
    Hoheneckh3)  Leoprechting4)  Schlamerstorff5)  Königsfeld6) 

Übersetzung:

Ach, warum stellen wir den Tod als einen Blinden dar? Ihn, der eine so herrliche Zierde gesehen und sie, die doch dem Himmel verdankt worden war, der Erde geneidet hat: den sehr ehrwürdigen und sehr edlen Herrn Johann Paul von Leoprechting auf Ellenbach, an dieser, der Regensburger, Bischofskirche Kanonikus und Scholastikus. In diesem Amte hat er mehr als <...> Jahre lang die geweihten Bänke der Kanoniker nicht nur regelmäßig benützt, sondern (geradezu) abgewetzt, denn er litt unter der Abwesenheit von Gottesdiensten mehr als unter einer Krankheit selbst. So wachend fand ihn der Herr bei seiner Rückkehr von einer Hochzeit vor, als einen in der Erfüllung seiner Pflichten treuen Knecht, als er (der Herr) im Begriffe war, sich zu gürten, um ihm (dem Knecht), wenn er am Tische der seligen Ewigkeit Platz nehme, den verheißenen Dienst zu erweisen. Die übrigen Lobsprüche auf (seine) Tugenden will (seine) Asche in ihrer Bescheidenheit lieber verschweigen lassen, damit (seine) an Verdiensten reiche Seele, die Regensburg am 28. November des Jahres 1672 in den Hafen der allerseligsten Ewigkeit entlassen hat, nicht (noch) unterwegs vom (widrigen) Winde der Eitelkeit ein Ungemach erleide. Betrachter, geleite die glückhaften Segel mit guten Seufzern.

Datum: 1672 November 28.

 
Wappen7):
Leoprechting4).

Kommentar

Johann Paul von Leoprechting wurde im Jahr 1594 als Sohn des Elias von Leoprechting zu Oberellenbach (Gde. Mallersdorf-Pfaffenberg, Lkr. Straubing-Bogen/NB.) und dessen zweiter Ehefrau Walburga von Schlammersdorf geboren. Er erhielt am 22. Januar 1619 die Dompräbende und am 30. September 1622 das Kanonikat; am 8. April 1647 wurde er Scholasticus und 1668 Senior des Kapitels8). Während der Abwesenheit des Bischofs Franz Wilhelm von Wartenberg (s. Kat.-Nr. 618) war er 1650 einer der Verwalter des Bistums. Im Zusammenhang mit seinen historischen Forschungen entstand unter anderem das hier häufig zitierte Wappenbuch der Regensburger Bischöfe und Kanoniker9). Für die Karthäuserkirche St. Vitus in Karthaus-Prüll stiftete er ein Gemälde, über dem sein Wappen angebracht ist10). Seine heute verlorene Grabplatte befand sich in der Nähe des Epitaphs im südlichen Seitenschiff im Boden (s. Kat.-Nr. 637 †).

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstaben beim ersten Wort der Langzeilen und tragenden Worten vergrößert.
  2. Sic, Verschreibung für INVIDIT.
  3. Das E ist dem D eingeschrieben.
  4. Trema über dem O, vermutlich zur Kennzeichnung eines Hiatus oder einer Diärese.
  5. A mit accentus circumflexus.
  6. Y mit Trema.
  7. Das zweite S ist sehr klein auf der Zeile eingeschoben.
  8. Die linke Haste des A liegt auf dem unteren Balken des E auf. Evtl. nachträglich eingefügt?
  9. In halber Größe sehr flach eingehauen.
  10. Die Zahlen 28 und 1672 sehr flach eingehauen.
  11. AE zu O verbessert.

Anmerkungen

  1. Cranner 111; Ried, Collectio 17r; Freytag/Hecht 28f.
  2. Nach Lk 12, 36,37.
  3. OÖ 129.
  4. Bay 44
  5. ThüA 82.
  6. Bay 14.
  7. Hauptwappen in der Bekrönung, Ahnenwappen am Architrav von innen nach außen zu lesen.
  8. Leoprechting 140; Paricius, Nachricht 63; Mayer, Thesaurus III, 161; Prey, Bayrischen Adls Beschreibung XVII, fol. 386ff.; Bernclau, Episcopatus 289; Wurster, Geschichtsschreibung 148f.
  9. Zum Wappenbuch des Johann Paul von Leoprechting (Catalogus) vgl. Morsbach, Wappenbuch 80; Wurster, Geschichtsschreibung 148f. mit Werkverzeichnis.
  10. Kdm Regensburg II, 160.

Nachweise

  1. Archiv Alte Kapelle, sign 506; Bernclau, Episcopatus 289f.; Zirngibl, Epitaphia 22; ABAdW, Grabsteinbuch 84; Paricius, Nachricht 100f.; Cranner 111; Ried, Collectio 17r; Schuegraf, Dom II, 99f.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 636 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0063607.