Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 634 Kapitelhaus, Lapidarium, Nordwand, 2. Joch 1669

Beschreibung

Inschriftentafel vom Epitaph für Johann Kaspar Rudolf von Salis, ehemals in der Domkirche im südlichen Seitenschiff nach dem St. Annen-Altar an der Wand1). Heute ist lediglich noch die Inschriftentafel aus Schiefer vorhanden, die im Kapitelhaus an der Wand angebracht ist2). Auf der Tafel befindet sich eine 25-zeilige zentrierte Inschrift (I). Die Zeilen sind unterschiedlich lang; die Buchstaben von unterschiedlicher Größe waren, laut ABAdW, Grabsteinbuch, ehemals mit Gold gefasst. Die Umrahmung ist verloren, kann aber aufgrund der Abzeichnung in  ABAdW, Grabsteinbuch beschrieben werden2). Die Tafel war eingefügt über einem Podest, flankiert von zwei korinthischen Säulen, darüber ein Architrav mit einem Rechteckfeld in der Mitte. In diesem Feld befand sich eine Kartusche mit zwei aneinander gelehnten Wappenschilden mit Beischriften (II), die Seiten vorspringend und mit je einem Wappenschild ohne Beischriften belegt. Als Bekrönung ein Rundfeld mit dem Vollwappen unter einem geflügelten Engelskopf, von Akanthusblattwerk umgeben, zu beiden Seiten je ein großes Füllhorn. Die Inschriftentafel ist in relativ gutem Zustand.

Ergänzt nach Text Cranner (I), Wappenbeischriften nach Cranner (II).

Maße: H. 74 cm, B. 64 cm, Bu. 1,5-4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. I.

    SISTEa) VIATORa) / AVDIa) SENTENTIAM TVAM, / MORIERISa). / QVODa) ELOGIV(M) VTI CERTISSIMV(M) ET INEVITABILE / ITAa) TIBI HORA ET MOMENTVM EVENT(VS) FATALIS / IN DIES EXPECTANDVM. / HOCa) IPSVM REVERENDISSIMVS, NOBILISSIMA / PROSAPIA GENEROSVS, VIRTVTIBVS ILLVSTRIS / DOMINVSa) CASPARVSa) RVDOLPH(VS)a) / DE SALIS ETC(ETERA) / ECCLESIARVM CATHEDRALIVM RATISPONENSIS / ET CVRIENSIS CANONICVS, / NECNONa) / COLLEGIATAEa) ECCLESIAE S(ANCTORVM)b) IOANNIS BAPTISTAE ET / EVANGELISTAEa) IBIDEM RATISPONAE PRAEPOSITVS, / ALTAa) MENTE REVOLVENS, VEREc) CANONICE VIXIT, / TANDEMQVEa) ANIMAM CREATORI SVO / POSTa) SEPTVAGINTA AN(N)ORVM AETATIS DECVRSV(M), / VIRIBVS EXANTLATVS / INa) IPSO FESTO SANCTISSIMAE TRINITATIS, NIMIRV(M) DIE / [1]6 IVNIJ SVB HORA SECVNDA ILLVCENTIS DIEI AN(N)O SALVTIS 1668 / REDDIDIT, / CORPVS AVTEM PAVLVLVMd) AB HINC TVMVLARI / VOLVIT. / [CVIVS AN]IMAE BENE PRECARE PIE VIATOR

  2. II.
    Wappenbeischriften: 
    von Salis  von Metsch 

Übersetzung:

Bleib stehen, Wanderer, (und) höre dein Urteil: Du wirst sterben (müssen). Wie dieser Spruch ganz sicher und unausweichlich ist, so musst du die Stunde und den Augenblick des schicksalhaften Ereignisses von Tag zu Tag erwarten. Eben diesen Spruch im Grunde des Herzens bedenkend, hat der hochwürdigste, einem sehr edlen Geschlechte entstammende, seiner Tugend wegen berühmte Herr Kaspar Rudolf von Salis usw., Kanoniker an den Bischofskirchen zu Regensburg und Chur sowie Propst an der Kollegiatskirche St. Johann Baptist und St. Johann Evangelist, ebenfalls zu Regensburg, ein wahrhaft kanonisches Leben geführt und endlich, nach Verlauf von 70 Lebensjahren, an Kräften erschöpft, genau am Feste der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, also am 16. Juni, des Jahres 1668 gegen die zweite Stunde nach Sonnenaufgang die Seele ihrem Schöpfer zurückgegeben; den Leib aber hat er eine sehr kleine Strecke von hier bestatten lassen wollen. Bete in guter Gesinnung für seine Seele, frommer Wanderer!

Datum: 1668 bzw. 1669 Juni 163).

   
Wappen4):
Salis5).
Gräfingen6), Salis5), Metsch7), Hartman ab Hartmanis8)

Kommentar

Kaspar Rudolf von Salis wurde im Jahr 1599 in Taufers (Südtirol/Italien) als Sohn des Freiherrn Rudolf von Salis und der Anna von Metsch geboren. Nach seiner Ausbildung am Jesuitenkolleg in Ingolstadt war er in den Jahren 1621 bis 1626 am Collegium Germanicum in Rom. Danach trat er zunächst in den Kapuzinerorden ein, den er aber nach kurzer Zeit aus gesundheitlichen Gründen verließ. Sein Kanonikat am Dom, das er wohl über die Beziehungen seiner Cousine, der Äbtissin von Niedermünster, Anna Maria von Salis zu Kurfürst Maximilian erhielt, trat er am 9. April 1630 an; zudem war er Domherr in Chur (Graubünden/Schweiz)9). Im Jahre 1633 wurde er zum Assessor des Konsistoriums ernannt. Nach der Eroberung der Stadt durch Bernhard von Weimar im Jahre 1634 gehörte Rudolph von Salis neben den Domherren Kaspar von Hegnenberg (s. Kat.-Nr. 631) und Gottfried von Berliching zur Begleitung Bischof Alberts IV. von Törring, die zunächst auf engstem Raum im Wirtshaus zum Stern am Alten Kornmarkt zwei Monate gefangen gehalten wurde. Bischof Albert und die Domherren brachte man dann nach Würzburg und hielt sie dort bis Januar 1635 in der Feste gefangen. Im Jahre 1638 am 21. März wurde Kaspar Rudolf von Salis vom päpstlichen Legaten zum Propst von St. Johann ernannt. Wegen wiederholter Anfälle auf Grund seiner starken Trunksucht und des daraus resultierenden ungebührlichen Verhaltens musste er längere Zeit auf dem bischöflichen Schloss in Wörth (Lkr. Regensburg/Opf.) verbringen. Im Jahre 1640, nachdem er auf dem Reichstag das Kapitel öffentlich beleidigt und Geheimnisse ausgeplaudert hatte, verlor er alle seine Ämter. Bereits ein Jahr später setzte man ihn wieder ein. Nachdem er wiederholt rückfällig geworden war, verbot man ihm, an Gastmählern teilzunehmen. Ohne je wieder in ein normales Leben zurückzufinden, starb er schließlich am 16. Juni 166910). In der Nähe des Epitaphs befand sich im Boden seine heute nicht mehr vorhandene Grabplatte (s. Kat.-Nr. 633 †).

Textkritischer Apparat

  1. Vergrößerter Anfangsbuchstabe.
  2. SS als Pluralkürzung
  3. Zweites E mit accentus gravis.
  4. Das zweite V steht kleiner über dem Balken des ersten L.

Anmerkungen

  1. Cranner 110; Freytag/Hecht 42.
  2. Kdm Regensburg I, 198, Güntner, Pröpste 48.
  3. Die letzte Zahl der Jahresdatierung wird in der kopialen Überlieferung aufgrund der Form unterschiedlich gelesen. Cranner 110: 16. Juni 1668. Das Fest Trinitatis 1669 fiel auf den 16. Juni, im Jahr 1668 aber auf den 27. Mai; ABAdW, Grabsteinbuch 74: 14. Juni 1669.
  4. Hauptwappen in der Bekrönung, Wappen am Architrav: links (heraldisch rechts): Wappen der Großmutter väterlicherseits, Mitte: Elternwappen, rechts (heraldisch links): Großmutter mütterlicherseits
  5. Si1 204.
  6. Si2 39; Cranner 110 bezeichnet dieses Wappen bereits als weggebrochen.
  7. AnhA 40; SiSu 430.
  8. Geteilt, oben rechts ein Stern, links eine Mondsichel, unten vier Schrägbalken nach rechts; Cranner 110 bezeichnet dieses Wappen bereits als weggebrochen; BZAR, Wappenbuch der adeligen Stiftsfräulein zu Obermünster in Regensburg 1599-1698, fol. 6r.
  9. Leoprechting 142; Paricius, Nachricht 64; Bernclau, Episcopatus 361f.; Ries, Generalschematismus 6; Federhofer, Albert von Törring (BGBR 3) 73; seine Schwester Elisabeth war seit 1620 Stiftsdame in Obermünster und hier seit 1649 Fürstäbtissin, vgl. hierzu Salis-Soglio, General Hans Wolf von Salis und die Regensburger Salis 130ff; Klimstein, Kanonissenregel und Tracht der Stiftsdamen 18f. mit Abbildung der Stammtafel.
  10. Die Daten und Fakten sind zusammengefasst nach Mayer, Thesaurus IV, 237; Schuegraf, Dom I, 199f.; Steinhuber, Kollegium Germanikum 445; Salis-Soglio, General Hans Wolf von Salis 126-130; Schmidt Peter, Collegium Germanicum 293; Federhofer, Albert von Törring (1969) 73f., 88; Güntner, Pröpste 48.

Nachweise

  1. Archiv Alte Kapelle, sign 506; Zirngibl, Epitaphia 21; ABAdW, Grabsteinbuch 102; Bernclau, Episcopatus 361f.; Cranner 110; Ried, Collectio 16v.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 634 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0063401.