Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 619 Kreuzgang, Westflügel, Westwand, 4. Joch 1649

Beschreibung

Sockel des ehemals monumentalen Epitaphs für Bischof Albert IV. von Törring, der sich im Südchor in der Grabstätte des Bischofs Leo Tundorfer bestatten ließ. Der Sockel dieses Epitaphs, das 1838 im Zuge der Restaurierung aus dem Südchor des Doms entfernt wurde, ist heute an der Westwand im Domkreuzgang aufgerichtet1). Im querrechteckigen Feld, umgeben von einem gekehlten Rahmen, mit beidseitig angesetzten Halbkreisen die Schiefertafel mit 13-zeiliger Inschrift (I), deren Buchstaben mit Gold gefasst waren. Der linke Halbkreis ist ausgebrochen. Der obere Teil des Epitaphs ist zum größten Teil verloren, kann aber aufgrund der Abzeichnung in ABAdW, Grabsteinbuch beschrieben werden2). Demnach befand sich über dem Sockel ein zweigeteiltes Relieffeld, flankiert von zwei korinthischen Säulen. Im unteren Teil die Darstellung des vor dem gekreuzigten Christus knienden Bischofs im vollen Ornat, die Mitra neben sich, den Bischofsstab über die Schulter gelegt. Über dem Kreuzbalken der Titulus (II), zu Füßen des Kreuzes ein Totenschädel mit gekreuzten Knochen. Im Hintergrund vier Arkadenbögen. Im oberen Teil die heute noch vorhandene Grablegung Christi3). Dargestellt sind Joseph und Nikodemus, die den Leib Christi in den Sarkophag legen, im Hintergrund Maria und Maria Magdalena mit drei weiteren Personen. Über dem Architrav ein weiteres Rechteckfeld mit einer zweizeiligen Inschrift (III), flankiert von zwei geflügelten Engelsköpfen. Bekrönt wird das Epitaph von einem gesprengten Giebel, in dem sich in einer runden Kartusche das Vollwappen befindet. Pedum und Mitra auf einem geflügelten Engelskopf. Zu beiden Seiten vor dem Sprenggiebel auf einem ornamentierten Sockel eine auf Kugeln ruhende Pyramide.

Überlieferung nach Text ABAdW, Grabsteinbuch (II), Überlieferung nach Text Cranner (III).

Maße: H. 88 cm, B. 150 cm (Sockel), H. 32,5 cm, B. 82 cm, Bu. 2 cm (Inschriftentafel).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Bildstelle der Stadt Regensburg (Peter Ferstl) [1/1]

  1. I.

    VIATOR, QVICVNQVE ES HODIE, / SISTE, AC PERPENDE, QVANTV(M) IMPERIV(M) IN OMNES / [MORS TEN]EAT, SEV SVM(M)I SINT, SEV INFIMI. ECCE R(EVERENDISSI)M(VS) ET ILL(VSTRISSI)m(VS)a) PRINCEPS, / [ALBERTVS I]V. EP(ISCOPV)S RATISBON(ENSIS) CVM VARIOS INTER FORTVNAE CASVS ECCL(ESI)I=/[AM SVAM AERE] ALIENO LIBERARE, AEDIFICYSb) RESTAVRARE, AC CENSIB(VS) AMPLI=/[FICARE STVDVIS]SET; BASILICA(M) HANC, ARIS, IMAGINIB(VS), ET OPERE TESTVDINEO E MAR=/[MORE, ARGENT]O, AVRO, EXORNASSETc); ATQVE INTEREA VERI OVIV(M) PASTORIS, FIDEI / [CATHOL(ICAE) PROPA]GATORIS, ET IVSTITIAE PROPVGNATORIS MVNERE FVNCTVS ESSET: / [ANNO AET(ATIS) <L]XXII>, REGIM(INIS) <XXXVI> MAGNO FVTVRAE REMVNERATIONIS DESIDERIO, INE=/[VITABILE] MORTIS IVGVM SVBIENS, ANIMA(M) DEO REDDIDIT, CORPORE, AD D(IVI) AN=/DREaed) ALTARE, INe) TERRA RELICTO. ABI, ET, QVAS HODIE VEL CRAS / AB ALYSb) PETES, PRECES FVNDE. OBYTb) DIE <XII April(is)>f) / ANNO M<DCXLIX.>g)

  2. II.

    INRI

  3. III.

    Quisquis fata timens numerosos appetis annos,audi atque exemplum Principis huius habe.Cum christo vixit, cum christo occumbit, et inquit: o quam cum christo fata subire bonum est.

Übersetzung:

Wanderer, wer immer du heute sein mögest, bleibe stehen und bedenke, wie groß die Herrschaft ist, die der Tod über alle (Menschen), mögen sie ganz oben oder ganz unten stehen, verfügt! Siehe, der hochwürdigste und durchlauchteste Fürst Albert IV., Bischof von Regensburg, hat, nachdem er sich unter den Wechselfällen des Glückes bemüht hatte, seine Kirche von Schulden zu befreien, in ihrer Baulichkeit wieder herzustellen und um (neue) Steuern zu bereichern, diesen Dom mit Altären, Bildern, Schildpatt-Arbeiten, Marmor, Silber und Gold prächtig ausgestattet hatte und dabei das Amt eines wahren Hirten seiner Schafe, eines Verteidigers des katholischen Glaubens und eines Vorkämpfers der Gerechtigkeit ausgeübt hatte, im 72. Jahre seines Lebens, dem 36. seiner Regierung, in starker Sehnsucht nach der künftigen Belohnung das unvermeidliche Joch des Todes auf sich genommen: Den Leib hat er beim Altar des Hl. Andreas in der Erde zurückgelassen, die Seele hat er Gott zurückgegeben. (Nun) gehe deines Weges und sprich die Gebete, die du heute oder morgen von anderen erbitten wirst! – Er starb am 12. April des Jahres 1649. (I) Wer auch immer du sein magst – wenn du aus Furcht vor dem Schicksal (dem Tod) (noch) viele Jahre (zu leben) begehrst, dann höre und nimm (dir) an diesem Fürsten ein Beispiel: er hat mit Christus gelebt, stirbt mit Christus und spricht: O wie gut ist es, seinem Schicksal (dem Tode) mit Christus zu begegnen! (III)

Versmaß: Epigramm aus zwei Distichen. (III)

Datum: 1649 April 12.

Wappen:
Bischofswappen Albert IV. von Törring4).

Kommentar

Albert wurde am 26. Oktober 1578 als Sohn des Salzburgischen Geheimrates Adam von Törring zu Stein und Pertenstein und der Lucia von Greifensee in Stein an der Traun (Stadt Traunreut, Lkr. Traunstein/OB.) als jüngster von neun Söhnen geboren. Er wurde früh für den geistlichen Stand bestimmt und verbrachte seine Gymnasialjahre in Ingolstadt und Würzburg und studierte dann an den Universitäten in Bologna, Siena, Perugia und Padua. Im Jahre 1592 erhielt er erst vierzehnjährig die Anwartschaft auf eine Domherrenstelle in Salzburg. Nach Erhalt der Praebende in Regensburg 1594 wurde er Domizellar, 1602 Domherr und im Jahr 1609 Domscholaster5). Im Mai 1610 empfing er in der Minoritenkirche die Priesterweihe. Am 22. Oktober 1613 wählte ihn das Domkapitel einstimmig zum neuen Bischof als Nachfolger Wolfgang II. von Hausen (1600-1613). Die feierliche Konsekration durch den Salzburger Erzbischof Mark Sittich von Hohenems fand dann im April 1614 im Regensburger Dom statt. In seinen ersten Regierungsjahren versuchte der Bischof, wie sein Vorgänger das Bistum nach den Vorgaben des Konzils von Trient zu reformieren. Dazu gehörte die Umgestaltung und Ausschmückung der Kathedrale, die offensichtlich in hohem Maße auch dem Repräsentationsbedürfnis des Kirchenfürsten diente6). Auch der Wiederaufbau der bischöflichen Residenz, des durch einen Blitzschlag getroffenen und ausgebrannten Schlosses Wörth, nahm er unverzüglich in Angriff und erbaute zudem die Schlosskapelle St. Martin7).

Neben den umfangreichen baulichen Tätigkeiten des Kirchenfürsten prägten die erste Hälfte seiner langen Regentschaft nicht nur Schwierigkeiten mit dem protestantischen Rat der Stadt, wo es galt, bischöfliche Rechte zurückzuerobern, sondern auch Missstände in den verschiedenen Klöstern und Stiften. Letztere Problematik ging der Bischof so zögerlich an, dass schließlich der Kaiser persönlich intervenierte. Auch in der Bistumsverwaltung tat sich für den Oberhirten ein weiteres schwieriges Arbeitsfeld auf. Große Teile des durch die Reformation verlorenen Gebietes der Diözese wurden im 17. Jahrhundert rekatholisiert, eine Entwicklung, die Bischof Albert förderte und unterstützte. Dabei kam es zu erheblichen Differenzen über Hoheitsrechte mit den von Kurfürst Maximilian nach Amberg berufenen Jesuiten. Diese Probleme fanden erst in den Amberger Rezessen aus den Jahren 1629-30 ein vorläufiges, aber für den Regensburger Oberhirten nicht sehr befriedigendes Ende. Auseinandersetzungen mit dem Domkapitel, Besetzung durch schwedische Truppen, Währungsverfall im ohnehin stark verschuldeten Bistum stellten zudem unüberwindliche Schwierigkeiten dar. Nachdem Tillys Heer 1631 geschlagen wurde, fielen die Schweden auch in Regensburg ein. Die Lösegeldforderungen konnten nicht voll erfüllt werden, sodass Albert von Törring im März des Jahres 1634 nach Würzburg abgeführt und in der Feste Marienberg bis zum Januar 1635 gefangen gehalten wurde.

Aber auch nach der Beendigung der Gefangenschaft sah sich der Bischof Anfeindungen seiner eigenen Mitarbeiter und massivst der Gegnerschaft des Kurfürsten Maximilian ausgesetzt, der ihn sogar zur Abdankung drängte. Er musste schließlich den Vetter des Kurfürsten, Friedrich Wilhelm von Wartenberg als Koadjutor akzeptieren. Trotz all dieser Anfeindungen – auch von den Regensburger Jesuiten – versuchte der Bischof die durch das Konzil von Trient geforderten Frömmigkeitsforderungen wie Wallfahrten, Reliquien- und Heiligenverehrung und Einsetzung von Bruderschaften durchzusetzen. Seinem Tatendrang wurden aber vor allem durch die absolut desolate finanzielle Lage des Bistums Grenzen gesetzt. Seit dem Jahr 1648 konnte der durch Krankheit gezeichnete Kirchenfürst seine Amtsgeschäfte kaum mehr wahrnehmen. Er starb im Alter von 71 Jahren8).

Trotz der schier unüberwindlichen Probleme nicht nur durch die langen Kriegsjahre zählt Albert IV. von Törring wohl zu den herausragendsten Persönlichkeiten in der Reihe der Regensburger Bischöfe. Während seiner Regentschaft fanden in Regensburg zahlreiche Ereignisse statt, bei denen sich die höchsten Würdenträger des Reiches versammelten. So wurde beim großen Reichstag von 1630 die Familie des Kirchenfürsten vom Kaiser in den Grafenstand erhoben. Im Dom zu Regensburg fanden unter anderem die feierliche Krönung der Königin Eleonora, der zweiten Gemahlin Kaiser Ferdinands II., zur Kaiserin und 1636 die Wahl und Krönung Ferdinands III. zum Römischen König statt. Prunkvolle Einzüge und Huldigungen der Kaiser und der Spitzen des Römischen Reiches rückten Stadt und Kirche in den Mittelpunkt des Römischen Reiches Deutscher Nation9).

Textkritischer Apparat

  1. Der Buchstabe m ist hochgestellt.
  2. Y mit Trema.
  3. A mit accentus circumflexus.
  4. Die Buchstaben ae sind hochgestellt.
  5. Abhier tragen die I keine Punkte mehr.
  6. Dieses Wort in Humanistischer Minuskel, vermutlich wurde die Datierung nachgetragen.
  7. Die Worttrenner sind kleine Dreiecke auf der Zeile, die beiden letzten sind Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Ried, Collectio 33r und Schuegraf Dom I, 201 (zum ursprünglichen Bestattungsort); Kdm Regensburg I, 192; Freytag/Hecht 49f.; Hausberger, Grablegen 376f.
  2. ABAdW, Grabsteinbuch 109.
  3. Heute im südlichen Nebenchor im Südteil des Polygonschlusses; für diesen Hinweis bedanken wir uns bei Angelika Wellnhofer M.A.; Hubel/Schuller, Dom, Fotodokumentation 731 (Abb. 2471).
  4. SiBi 129f.
  5. Bernclau, Episcopatus 421: praeb. 22. Juni 1594; Capitular 4. Nov. 1602, Scholastikus 12. Juli 1609, Epus 1613, Can. in Salzburg; zu weiteren Ämtern im Domkapitel Salzburg s. Thaler, Das Salzburger Domkapitel 567ff.
  6. Vgl. Loers, Barockisierung 229ff.
  7. Morsbach, Schloss Wörth an der Donau 11ff.; Kdm Bezirksamt Regensburg 192ff.
  8. Die ausführlichste Darstellung des Episkopats Alberts IV. bietet Federhofer, Albert von Törring, Fürstbischof 7-122; ders., Albert von Törring, Bischof 257-267; ders., Bischof und Dom 189-200; Hausberger, Geschichte I, 332-336; ders., Die Bischöfe seit dem Jahrhundert der Glaubensspaltung 714; Gatz, Bischöfe 3, 517f.; Becker, Wege auf den Bischofsthron 413f.; vgl. auch Schuegraf, Dom I, 197-201; Thaler, Das Salzburger Domkapitel 567ff.
  9. Die großen Festveranstaltungen, bei denen Albert von Törring beteiligt war, sind in chronologischer Reihenfolge ausführlich bearbeitet in: Möseneder (Hg.), Feste in Regensburg, Regensburg 1986.

Nachweise

  1. Archiv Alte Kapelle, sign 506; Bernclau, Episcopatus 79; Zirngibl, Epitaphia 5f.; Cranner 60f.; Ried, Collectio 7r, 32r, v; ABAdW, Grabsteinbuch 109; Kdm Regensburg I, 192 (Inschrift I); Federhofer, Albert von Törring, Fürstbischof 118.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 619 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0061909.