Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 562 Domkirche, Mittelschiff, 4. Joch 1598 (1611)

Beschreibung

Monumentales Denkmal für den Bischof und Kardinal Philipp Wilhelm von Bayern aus rotem Marmor und Metall, ehemals im Mittelschiff in medio ecclesie im zweiten Joch des Langhauses, um 1960 nach Westen zurückversetzt ins vierte Joch1).

Auf einem rotmarmornen Sockel steht das Kenotaph, ebenfalls aus rotem Marmor, darauf kniet in Metallguss vollplastisch die betende Gestalt des Bischofs im Kardinalsgewand vor einem monumentalen Kruzifix. Das Kreuz steht auf einem Volutensockel mit vorgeblendetem Totenschädel und ist aus Holz, der Corpus aus Metall. Die nahezu lebensgroße Christusfigur ist eine genaue Kopie des Kreuzes von Giovanni da Bologna in der Münchner Michaelskirche2). Die Figur des Kardinals und das von zwei Putti gehaltene reich gezierte Wappen stammen wohl von Hans Krumper, dem Münchner Hofbaumeister und Bildhauer, wobei diese Zuschreibung nicht vollständig geklärt ist. Die beiden Putti hielten auch die Insignien des Kardinals, Kreuzstab und Krummstab, die aber verloren sind. Das Denkmal ist eine Stiftung des Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian I., eines Bruder des Kardinals, und entstand in den Jahren 1606 bis 1611 in der Werkstatt des Münchner Bildhauers Hans Krumper. In diesem Jahr wurde das Denkmal im Dom nicht wie vorgesehen im Hauptchor, sondern auf Initiative des Domkapitels in der Mitte des Hauptschiffes aufgestellt3).

Die beiden Längsseiten der Tumba und die östliche Breitseite sind mit Inschriften versehen, an der vierten Seite gegen Westen ist das von zwei Putti flankierte metallene Wappen angebracht. Die Inschrift (I) auf der östlichen Stirnseite ist 15-zeilig in einem hochrechteckigen Feld eingehauen. An der südlichen Längsseite in einem querrechteckigen Feld mit halbkreisförmigen seitlichen Abschlüssen beginnt 11-zeilig die Inschrift II, die dann an der nördlichen Längsseite (Inschrift III) analog 11-zeilig weitergeführt und beendet wird. Die Zeilenlängen an den beiden Längsseiten folgen der Form der Inschriftenfelder, die jeweils flankiert sind von hochrechteckigen Leerfeldern. Über dem Längsbalken des Kreuzes ein Schriftband mit dem nach Osten gewandten Titulus (Inschrift IV). Der Zustand des Denkmals ist gut.

Maße: L. 320 cm, B. 145 cm, H. 156 cm (Tumba), H. 60 cm, B. 74 cm, Bu. 2 cm (Inschriftenfeld I), H. 59 cm, B. 138 cm, Bu. 2,5 cm (Inschriftenfelder II und III).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. I.

    PHILIPPO GVIL(IELMO) V(ENERABILI) F(RATRI) COM(ITI) PAL(ATINO) RHENI, BOIORV(M) / DVCI ECCL(ESIAE) RATISB(ONENSIS) ANTIST(ITI) ROM(ANAE) CARD(INALI) PRIN=/CIPI INCO(M)PARABILI, ANTE DIE(M) MALA TABE CO(N)=/FECTO, ET, EHEV, REB(VS) HVMAN(IS) EREPTO, IN SV(M)=/MA FORTVNA, IN AEVI FLORE, IN INCREME(N)=/TO HONORV(M); MAGNO PARENTV(M), MAGNO F(RATRVM)a), / S(ORORVM)Q(VE)b) LVCTV ILLACRVMA(N)TE FVNERI PR(OPR)IA; INGE=/MISCENTIB(VS) EXTERIS, MOESTIS O(MN)IB(VS). IRATIS OR=/BI SVP(ER)IS, Q(VI) IN HOC PRI(N)CIPE OSTE(N)DERE, QVANTV(M) / BONV(M) DARE POSSE(N)T TERRIS, QVA(N)T(VM) DARE(N)T CAELIS. / DESIDERATISSIMO FRATRI / MAXIMILIANVS PRINCEPS / RERVM IN BOIA(RIA) POTENS / F(ACIENDVM) C(VRAVIT) / DECESSIT XII CAL(ENDAS) IVN(II) AN(NO) MDXCIIX AET(ATIS) XXII.

  2. II.

    VIATOR, QVID ROGAS, QVIS FVERIM? QVI / SIM, MAGIS ROGA. EHEV, MAGNA VMBRA MAGNI / PRINCIPIS HIC IN TENEBRIS AGO, ET IN PVRPVRA CI=/NERESCO MISER SCIBAM HOC OLIM, FVTVRVM TAM CITO / NESCIBAM, SVBITVM FATA PROPERAVIT NVMEN MEA. VENI IN HA(N)C / VITAM, IDEO SOLVM, VT EXIREM. TV QVID SPERES? AH, VANI SV=/MVS, ET DVM NON SVMVS, ET DVM SVMVS: VITA AD MOR=/TEM ITER EST. ET QVID HORRESCIS? NECESSE EST MO=/RI, ET, EHEV, NECESSE EST MORI FVTVRI INCERTIS! VIATOR, ABI ET REDI POST PAVLLVLVM / CRAS VOLES HODIE VENIES.

  3. III.

    ET ADHVC HIC ES VIATOR? IAM IN=/SEQVITVR, VT TE PREHENDAT PALLID(VS) LICTOR / IBIS, HEV, IBIS AD VERENDAM SEDEM; VBI IVDEX / TERRET, VBI OMNES TREMVNT, MVLTI ACCVSANT, NE=/MO DEFENDIT ET IBIS VLTRA. QVO? EHEV, QVO? AH, MI=/SER, QVID QVAERIS? SPERARE POTES, TIMERE POTES, PRO=/VT VIVERE POTES, SCIRE NON POTES. ET HORAM ET / SENTENTIAM NVMEN OCCVLIT VT TV VIDEAS / ABI ET VIDE ANTE QVAM SVPREMVM OCVLI CA=/LIGENT, ET COECVS, EHEV, AETER=/NVM ERRES, QVOD ERRARIS.

  4. IV.

    ∙ I ∙ N ∙ R ∙ I ∙

Übersetzung:

Philipp Wilhelm, dem ehrwürdigen Bruder, Pfalzgrafen bei Rhein, Herzog von Bayern, Bischof von Regensburg und Kardinal der römischen Kirche, dem unvergleichlichen Fürsten, der vor der Zeit von unheilbarer Schwindsucht bezwungen und, ach, mitten im Glück, in der Blüte seines Lebens, in einer steilen Ämterlaufbahn zum tiefen Leidwesen seiner Eltern, seiner Brüder und seiner Schwestern, während die eigene (Familie) über seinen Tod weinte, Außenstehende darüber seufzten, alle traurig waren und die Oberen auf Erden zornig, da sie an diesem Fürsten gezeigt hatten, wie viel Gutes sie den Ländern geben könnten und wie viel sie dem Himmel gaben, der Menschenwelt entrissen worden ist, - ihm, seinem schmerzlich vermissten Bruder, hat Bayerns Herrscher Maximilian (dieses Denkmal) errichten lassen. – Er ist an den zwölften Kalenden des Juni des Jahres 1598 im Alter von 22 Jahren verschieden. (I)

Wanderer, was fragst du, wer ich (einst) gewesen bin? Frage er, wer ich (jetzt) bin! Ach, als der große Schatten eines großen Fürsten hause ich hier in der Finsternis und modere im Purpur. Ich Armer! Wohl wusste ich, dass dies dereinst geschehen werde; dass es aber so bald geschehen werde, wusste ich nicht: Plötzlich hat die Gottheit mein Geschick sich überstürzen lassen. (So) bin ich (denn) nur dazu in dieses Leben gekommen, dass ich es (gleich) wieder verlasse. Du (aber) – was sollst du erhoffen? Ach, nichts sind wir, solange wir sind, und wenn wir nicht (mehr) sind, sind wir auch nichts. Das Leben ist eine Reise in den Tod. Was schauderst du? Man muss (eben) sterben, und, ach, man muss sterben, ohne über die Zukunft Gewissheit erlangt zu haben. (Nun) gehe fort, Wanderer, und kehre nach einer kurzen Frist zurück! Morgen wirst du (kommen) wollen, (aber schon) heute wirst du kommen. (II)

Ja, bist du denn immer noch hier, Wanderer? Gleich ist es soweit, dass dich der bleiche Bote packt. Gehen, ach, gehen wirst du an den schaurigen Ort, an dem der Richter Schrecken verbreitet, alle zittern, viele verklagen, niemand verteidigt; und (dann) wirst du noch weiter gehen: Wohin? Ach, wohin? Ach, du Armer, was fragst du? Hoffen kannst du, fürchten kannst du, je nach dem, wie du leben kannst, (doch) wissen kannst du nicht: Die Stunde und das Urteil hält die Gottheit verborgen. Damit du (aber) siehst, gehe fort und sieh, ehe deine Augen endgültig erlöschen und du, weil du im Irrtum befangen warst, in Ewigkeit blind irren musst! (III)

Datum: 1598 Mai 214).

Wappen:
Bischofswappen Philipp Wilhelm5).

Kommentar

Philipp Wilhelm wurde am 22. September 1576 als zweiter Sohn des Herzogs Wilhelm V. von Bayern und seiner Gemahlin Renata von Lothringen in München geboren. Kaum dreijährig wurde er als Nachfolger des 1579 verstorbenen David Kölderer von Burgstall (s. Kat.-Nr. 545) als Bischof von Regensburg bestimmt. Die Gründe für diese Wahl des Domkapitels lagen auf der Hand, da man zum einen gegen den bereits fest etablierten reichsstädtischen Protestantismus mit dem wittelsbachischen Haus einen starken Rückhalt gewinnen wollte; zum anderen erhoffte man sich die Sanierung der vom Vorgänger hinterlassenen maroden finanziellen Verhältnisse, da Herzog Wilhelm für seinen unmündigen Sohn nur 3000 Gulden jährlich beanspruchte. 1580 erteilte Papst Gregor XIII. dem Postulationsakt die Konfirmation. Der junge Prinz wurde durch jesuitische Erzieher und an den Universitäten in Ingolstadt, Siena und Bologna sorgfältig auf sein zukünftiges Amt vorbereitet6). Am 14. November 1584 trat er in den geistlichen Stand ein und erhielt die prima tonsura7). Von 1580 bis 1582 wurde das Bistum durch den Nuntius in Oberdeutschland, Feliciano Ninguarda, geleitet. Ab 1582 übernahm der böhmische Baron und spätere Erzbischof Sbinko Berka (s. Kat.-Nr. 557) die Administration. Da aber Herzog Wilhelm über die Jesuiten, die erstmalig 1586 nach Regensburg kamen, immer mehr Einfluss auf die Bistumsadministration zu gewinnen versuchte, stellte der böhmische Baron resigniert sein Amt zur Verfügung. Die Streitigkeiten zwischen dem Domkapitel und der Hochstiftsverwaltung sollte nun der ehemalige Zögling des Collegium Germanicum Dr. Jakob Müller (s. Kat.-Nr. 561) schlichten und damit auch das ehemals gute Verhältnis zwischen Herzog und Domkapitel wiederherstellen. Jakob Müller wurde Bistumsverweser und ab 1593 Dompropst und setzte sich sehr für die tridentinische Reform ein.

Im Jahre 1596 zog sich Herzog Wilhelm V. von allen Regierungsgeschäften und damit auch von der Verwaltung des Hochstifts zurück. Er suchte beim Papst um Altersdispens für seinen Sohn nach, sodass dieser die Leitung des Bistums übernehmen konnte. Papst Clemens VIII. erhob den jungen Fürsten am 18. Dezember 1596 zum Kardinal. Noch nicht ganz 22-jährig erlag der hochbegabte Fürstbischof am 21. Mai 1598 in seinem herzoglichen Schloss in Dachau der Schwindsucht8). Er wurde im Münchner Liebfrauendom bestattet. Im Regensburger Dom ist sein Herz beigesetzt9).

Textkritischer Apparat

  1. Dieses Wort ist gekürzt: FF.
  2. Dieses Wort ist gekürzt: SSQ.

Anmerkungen

  1. Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 85: Das Denkmal sollte eigentlich im Hauptchor errichtet werden, nach der Weigerung des Domkapitels wurde es dann 1611 im Langhaus aufgestellt; Niedermayer 80; Walderdorff, Regensburg 155; Kdm Regensburg I, 120ff.; Freytag/Hecht 12, 36; Zahn, Dom 64 (Abb. 19); Hausberger, Grablegen 376; Mayerhofer, Bischofsgrabmäler 390f.; Dehio, Regensburg und die Oberpfalz 459; Morsbach, Kunst in Regensburg 88; Fuchs/Wellnhofer, Der Dom im Spätmittelalter und in der Barockzeit 384f., vgl. Einführung 29; Hubel/Schuller, Dom, Fotodokumentation 739ff. (Abb. 2490-2494).
  2. Zum Kruzifix des Giovanni da Bologna vgl. Diemer, Herzog Philipp Wilhelm, Kardinal-Bischof von Regensburg 135f.
  3. Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 85; Appl, Philipp von Bayern 419; Fuchs Friedrich, Der Dom St. Peter 231f.; Diemer, Hans Krumper 284ff. (mit älterer Literatur zur kunsthistorischen Diskussion); dies., Hubert Gerhard und Carlo di Cesare del Palagio I, 384f.
  4. Der tatsächliche Todestag war der 18. Mai.
  5. Bi 131.
  6. Pölnitz, Die Matrikel der Universität Ingolstadt I, Sp. 1162; Immatrikulation im WS 1585/86 gemeinsam mit seinen Brüdern Maximilian und Ferdinand; zu Siena und Bologna s. Becker, Bildungskarrieren im Süden 301ff.; ders., Wege auf den Bischofsthron 412; er wurde mit weiteren Kanonikaten in Passau, Salzburg, Würzburg und Mainz ausgestattet, vgl. Krick, Domstift Passau 69; Thaler, Das Salzburger Domkapitel 151f.
  7. Appl, Philipp von Bayern 419.
  8. Die Daten und Fakten sind zusammengefasst nach Hausberger, Geschichte I, 324-329; Gatz, Bischöfe 2, 534f.; Becker, Wege auf den Bischofsthron 412; ausführliche neue Biographie: Appl, Philipp von Bayern (1576-1598), 395-477.
  9. Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 85; Morsbach, Kunst in Regensburg 95.

Nachweise

  1. Bernclau, Episcopatus 70-72; Zirngibl, Epitaphia 4f.; ABAdW, Grabsteinbuch 55; Paricius, Nachricht 95f.; Cranner 58f.; Ried, Collectio 6r, v; Schuegraf, Dom II, 49 (Inschrift I); Sammlung Resch 303 (Inschrift I; mit Abzeichnung); Kdm Regensburg I, 120ff. (Inschrift I; Tafel XV); Mayerhofer, Bischofsgrabmäler 390f.; Wischermann, Princeps ad maxima natus 95-97.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 562 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0056200.