Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 561 Domkirche, Südchor, Südseite 1597

Beschreibung

Wappengrabplatte für Jakob Müller aus rotem Marmor, im Boden eingelassen außerhalb dem Gitter beym St. Andreas Altar1). Die Platte wird durch einen erhabenen ornamentierten Rand begrenzt. Das vertiefte Feld ist zweigeteilt: oben die zwölfzeilige Inschrift, darunter das Vollwappen mit Mitra, Stab und Propsthut. Der Stein ist in sehr schlechtem Zustand, die Inschrift kaum mehr lesbar.

Ergänzt nach Text Cranner.

Maße: H. 239 cm, B. 120 cm, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission (Julia Knorr) [1/1]

  1. D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) / A[NNO DOMINI MDX]CVII / CALEND[AS DECEMBRIS OBIIT REVERENDISSIMVS] D(OMI)N(V)S / IACOBVS MYLLERIVS S(ACRO)S(ANCTAE) THEOL(OGIAE) / D(OCTOR) PRO[TONOTARIVS APOSTOLICVS] PRAE/POSITVS PRI[MVS INFVL]ATVS / HVIVS ECCLESIAE [ARCHI]/PRESBYTER N[EC NON] CAPEL/LANVS IMPERIAL(IS) VICARIVS GE=/NE[RA]LIS ET CONSILIARIVS / [INTIMVS DVCIS B]AVARIAE [ETC(ETERA) / CVIVS ANI]MA DEO VIVAT

Übersetzung:

Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen. Im Jahre des Herrn 1597 an den Kalenden des Dezember starb der hochwürdigste Herr Jakob Müller, Doktor der hochheiligen Theologie, päpstlicher Protonotarius, erster infulierter Propst dieser Kirche, Archipresbyter und kaiserlicher Kaplan, Generalvikar und geheimer Rat des Herzogs von Baiern etc.. Seine Seele möge leben bei Gott.

Datum: 1597 Dezember 1.

Wappen:
Müller2).

Kommentar

Jakob wurde 1550 in Kißlegg (Lkr. Ravensburg/B.-W.) als Sohn des Konrad Müller und der Helena Küblin geboren. Er studierte von 1571 bis 1578 am Collegium Germanicum in Rom. Im Jahre 1578 ging er als Doktor der Theologie in sein Heimatbistum Konstanz zurück3). Hier erhielt er die Dompredigerstelle, die er sieben Jahre innehatte, und ein Kanonikat am Domstift. Der Bischof von Konstanz, Kardinal Hohenems, ernannte ihn zum Visitator der zu dieser Zeit 1200 Pfarreien umfassenden Diözese. Seine Bemühungen, sowohl Pfarreien als auch Klöster und den gesamten Klerus nach den Bestimmungen des Konzils von Trient zu reformieren, endeten in unsäglichen Anfeindungen von Seiten des Klerus. Anfang März 1585 enthob man ihn schließlich aller Ämter und inhaftierte ihn. Er appellierte an den Heiligen Stuhl und erhielt seine Freiheit wieder. Daraufhin begab er sich zu seinem Freund und Gönner, dem päpstlichen Nuntius Philipp Sega nach Prag4).

Gegen heftigen Widerstand des Domkapitels und auf Fürsprache Philipp Segas wurde Jakob Müller 1587 als Nachfolger von Zbinko Berka (s. Kat.-Nr. 557) zum Bistumsadministrator bestellt, der für den minderjährigen Bischof Philipp Wilhelm (s. Kat.-Nr. 562), den Sohn Herzog Wilhelms von Bayern, die Amtsgeschäfte führte. In dieser Zeit benötigte man dringend die Unterstützung des Wittelsbachischen Hauses gegen die übermächtigen Protestanten. So amtierte Jakob Müller als herzoglicher Hofrat und fand am 22. Dezember 1592 seine Aufnahme in das Regensburger Domkapitel; am 15. Januar 1593 wurde er als Generalvikar und Administrator bestellt und bestätigt; am 6. Oktober 1593 wurde er zum ersten Propst ernannt, dem Papst Clemens VIII. im Jahre 1594 erlaubte, den Stab und die Inful zu tragen, dieses Privileg galt auch für seine Nachfolger. 1594 wurde er zum kaiserlichen Kaplan ernannt5). Jakob Müller setzte sich auch in der Regensburger Diözese energisch für die tridentinische Reform ein und verfasste die im Jahre 1588 in Ingolstadt gedruckte Schrift Constitutiones et decreta omnibus ecclesiarum rectoribus ac presbyteris per dioecesim Ratisbonensem observanda.

Um die Verwahrlosung und den elenden Zustand der Kirchen zu verbessern, schrieb er 1591 in deutscher und lateinischer Sprache den Ornatus ecclesiasticus h. e. Compendium rerum quibus quaevis rite decenterque compositae ecclesiae ac redimiridebent, omnibus ecclesiarum praelatis et rectoribus per totam dioecesim Ratisbonensem necessariu, eine Anleitung für die Ausstattung der Kirchen im Sinne der Reform6). Zudem führte er den Römischen Katechismus ein7). Mit Unterstützung Herzog Wilhelms gelang es ihm, die Widerstände des Domkapitels gegen die Errichtung eines Jesuitenkollegs in Regensburg zu brechen. Mit päpstlicher Erlaubnis erreichten die Jesuiten im Jahre 1588 Regensburg und bezogen ein Jahr später feierlich das aufgelassene Stift St. Paul8). Jakob Müller wirkte aber nicht nur in Regensburg, sondern versuchte durch zahllose Visitationen in der gesamten Diözese die Kirche zu erneuern. Der Domherr starb im Alter von 47 Jahren nach fünfjähriger Tätigkeit im Bistum am Schlagfluss (Schlaganfall).

Anmerkungen

  1. Cranner 70: Der Neffe des Domherrn, Georg Müller, Kanoniker der Alten Kapelle, ließ ihm dieses Denkmal setzen (zu Georg Müller s. Schmid, Alte Kapelle 143); Freytag/Hecht 31; Kdm Regensburg I, 124.
  2. Si2 83; Leoprechting 133.
  3. Zur Biographie: Seiler, Miller Jakob 521f.; Steinhuber, Kollegium Germanikum 308-314; Schmidt, Collegium Germanicum 276; Hausberger, Die kirchlichen Träger der katholischen Reform in Bayern 117; Weigle, Die Matrikel der Deutschen Nation in Siena 68, Nr. 745: er war im Jahr 1580 in Siena als Doktor der Theologie und Prediger aus Konstanz eingeschrieben.
  4. Hausberger, Geschichte I, 326f.; ders., Philipp Wilhelm, Herzog von Bayern 535; Ries, Generalschematismus 105 nennt ihn zudem als Dompropst in Konstanz und Domherrn in Breslau.
  5. Leoprechting 133; Paricius, Nachricht 27, 59; Mayer, Thesaurus III, 137-140; Bernclau, Episcopatus 311; Cranner 70; Seiler, Miller Jakob 521f.; Appl, Philipp von Bayern 413.
  6. Diese Schrift bildete neben den Instructiones des Mailänder Erzbischofs Carlo Borromeo die wichtigste Anleitung zur Barockisierung der mittelalterlichen Kirchen nach den Vorgaben des Konzils von Trient, vgl. hierzu Thümmel, Der Ornatus ecclesiasticus (mit ausführlicher Biographie 71-75).
  7. Grötschel, „Die Grewel“ 153, 166.
  8. Gumpelzhaimer, Regensburgs Geschichte 150f.

Nachweise

  1. Zirngibl, Epitaphia 16; Bernclau, Episcopatus 311; Cranner 70; Ried, Collectio 14v; Thümmel, Der Ornatus ecclesiasticus 75.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 561 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0056102.