Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 290 Stadthagen, St. Martini 1580

Beschreibung

Epitaph für den Bürgermeister Jobst Lüdersen. Stein. Das Epitaph ist außen an der Westseite des Turms nördlich des heutigen Haupteingangs aufgestellt. Es zeigt im Hauptgeschoss in einer Rundbogennische den Verstorbenen, seine Ehefrau und zwei Söhne kniend unter einem Kruzifix mit dem Titulus A. Ferner ist in der Mitte ein Wickelkind dargestellt. Vom Mund des Stifters geht ein Schriftband mit der Inschrift B aus. Auf dem Gebälkfries die Inschrift C. Zu beiden Seiten der Nische je eine allegorische Figur, links Spes mit einer Fußfessel und Kugel, rechts Patientia mit einem Lamm zu ihren Füßen. Die Figuren werden durch die Beischriften D und E bezeichnet. Auf den Postamenten je ein Wappen. Das Obergeschoss in Form einer Ädikula mit rundem Giebelabschluss. In der Rundbogennische eine Darstellung des auferstehenden Christus. Zu beiden Seiten der Nische links Fides mit einem Kreuz und der Beischrift F sowie rechts Caritas mit einem Kind und der Beischrift G. In den vier Bogenzwickeln im Hauptgeschoss und im Obergeschoss die Evangelistensymbole mit den Beischriften H1–H4 auf Schriftbändern. Im Giebel Gottvater mit der Weltkugel. Im Sockelgeschoss auf einer querrechteckigen Tafel die Inschrift I. Die Meistersignatur J befindet sich im unteren Bereich der Nische des Hauptgeschosses zwischen den Knienden, oberhalb der Signatur das Steinmetzzeichen M34. Das Epitaph ist stark verwittert mit erheblichem Textverlust. Die Inschriften A, B, F, G und H erhaben in vertiefter Zeile, D, E und I erhaben ausgehauen, C erhaben wohl in vertieftem Feld, J eingehauen.

Inschrift I ergänzt nach Fotografie von Mittendorf.

Maße: H.: 253,5 cm; B.: 142 cm; Bu.: 2 cm (A, J), 3 cm (B–G), 2,5 cm (H), 2,2–2,7 cm (I).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D–H, J), schrägliegende Kapitalis mit Versalien (C), schrägliegende Kapitalis (I).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/3]

  1. A

    [I](ESVS) N(AZARENVS) · R(EX) I(VDEORVM)1)

  2. B

    SPES NO/S[T]RA · CH[RIS]TVS2)

  3. C

    [ - - - ] IOD[O - - - ]a) / [24] MAII AETATIS SVAE AN(N)O 59 PIE DE[FVNCT - - - ]

  4. D

    S[P]ES

  5. E

    [ . . . . . . . . ]Ab)

  6. F

    [F]IDES

  7. G

    CHARITAS

  8. H1

    MATT[E](VS)

  9. H2

    MARC(V)[S]

  10. H3

    [L]VCAS

  11. H4

    [ - - - ]c)

  12. I

    M[ - - - ]S[ - - - ] CONIVGIS OSSA SVI / N[ - - - ]S OPTAT HABERE, VIROSd) / VS[ - - - S] C[ . N]SVLISe) OFFICIVM. / [ - - - VRA] COELICA REGNA, FIDE.

  13. J

    15 A(REND) R(OBIN) 80

Übersetzung:

Christus unsere Hoffnung (B).

[…] verstarb fromm am 24. Mai, im 59. Lebensjahr/im Alter von 59 Jahren […] (C)

Hoffnung. (D)

Geduld. (E)

Glaube. (F)

Liebe. (G)

[…] die Gebeine ihres Gatten […] wünscht zu haben, Männer […] die Aufgabe des Bürgermeisters […] durch den Glauben das Himmelreich. (I)

Versmaß: Reste von elegischen Distichen? (I)3)

Wappen:
Lüdersen,4) Hoya?5)

Kommentar

Die eng spationierte schrägliegende Kapitalis weist die für Arend Robin6) (s. Einleitung Kap. 8.4) typischen Buchstabenformen auf: spitzovales O mit Schattenachse, R mit kleinem Bogen und geschwungener Cauda, P mit weit herabreichendem Bogen, der rechte Schrägschaft des V als Haarstrich.

Die Familie Lüdersen zählte zu Stadthagens städtischer Oberschicht. Der Kaufmann Jobst Lüdersen erlangte dort 1555 das Bürgerrecht.7) Ihm gehörte das Haus Obernstraße 8 (s. Nr. 245). Seine auf dem Epitaph ebenfalls dargestellte Ehefrau hieß Margarete.8) Zwei Söhne, Claus und Johann, lassen sich durch archivalische Quellen nachweisen,9) hinzu kommt das auf dem Epitaph dargestellte, offenbar im Säuglingsalter verstorbene Kind. Jobst Lüdersen ist für die Jahre 1560 bis 1565 als Bürgermeister von Stadthagen bezeugt.10) 1560 wurde er von dem Bremer Bürger Johann Erthmann mit einer Vikarie in Bremen belehnt.11) Lüdersen starb am 24. Mai 1577.12) Das Epitaph für ihn und seine Familie entstand drei Jahre danach.13)

Textkritischer Apparat

  1. Nach Burchard ist die Jahreszahl 1577 zu ergänzen.
  2. Zu ergänzen zu [PATIENTI]A.
  3. Ursprünglich wohl eine gekürzte Form von IOHANNES.
  4. ROS etwas kleiner über der Zeile.
  5. C[ . N]SVLIS] zu ergänzen zu C[ON]SVLIS.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Zu der Devise Spes mea Christus (nach I Tim 1,1) vgl. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 309.
  3. Da es sich bei allen vier Versen um Pentameterschlüsse handelt, ist zu vermuten, dass jeweils ein Hexameter und ein Pentameter in einer Zeile standen. Da die Kapitalis recht eng spationiert ist, reicht dafür der Platz.
  4. Wappen Lüdersen (zwei gestümmelte Äste nebeneinander, daraus jeweils zwei Eichenblätter hervorwachsend, die Stengel der beiden mittleren Eichenblätter sich überkreuzend).
  5. Wappen Hoya? (gespalten: 1. Bärentatze, 2. Balken); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 72 u. Bd. 2, Tafel 173.
  6. Der Ansicht Bruno Langes, der das Zeichen oberhalb der Signatur AR als K auffasst und von einem von Arend Robin verschiedenen Bildhauer ausgeht, dem er ferner das Epitaph für Albert Ludeking in der Mindener Simeoniskirche zuschreibt, kann nicht gefolgt werden (Lange, Bildhauerkunst des Kreises Minden, S. 35).
  7. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 47,11.
  8. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 331,23 (Eintrag im Register der Lebendigen der Bruderschaft „Unserer Lieben Frau“) u. 371,6 (Liste der Braueramtsberechtigten). Weiland (Trauungen, S. 3) gibt als ihren Nachnamen „Vogelsang“ an; dies steht allerdings in einem gewissen Widerspruch zu dem Wappen auf dem Epitaph und dem Kaminsturz Nr. 233, das Spießen zufolge als Wappen Hoya zu identifizieren ist; u. U. liegt allerdings ein Irrtum Spießens vor. Denkbar wäre, dass die Ehefrau Jobst Lüdersens aus einer illegitimen Nachkommenschaft der Grafen von Hoya stammte. Möglicherweise muss man für Jobst Lüdersen mehrere Ehen annehmen.
  9. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 333,9 (Eintrag in der Liste der Altarbruderschaft St. Mariae et Annae) u. 244,34.
  10. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 481,27f. (1560), S. 333,9 (1563) u. S. 453,4 (1565). Weiland nennt bereits das Jahr 1558 (Weiland, Trauungen, S. 3). Vgl. Steinicke, Hausinschriften, S. 20.
  11. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 481,25–28.
  12. Burchard zufolge lautete die in den 1920er-Jahren offenbar noch lesbare Jahreszahl auf dem Epitaph 1577 (Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 333, Anm. 1).
  13. Zu dem Epitaph und seinem Standort Tebbe, Epitaphien, S. 247; vgl. dies., Epitaphien aus dem Weserraum, S. 38.

Nachweise

  1. Fotografie von Reinhold Mittendorf, StA Stadthagen, Nachlass Wehling, Kasten IV.
  2. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 60, 62 (D–G, J).
  3. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 333, Anm. 1 (nur Sterbedatum).
  4. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 192 (J).
  5. Tebbe, Epitaphien, Nr. 144, S. 246f. (J).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 290 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0029006.