Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 217 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1567

Beschreibung

Gedenkstein für Petrus Pistorius und Johann Grisendyck (Griesendeich). Der querrechteckige Stein ist an der westlichen Außenwand der Kirche rechts des Eingangs eingemauert. Er zeigt ein von Beschlagwerk gerahmtes, querrechteckiges, vertieftes Feld, auf dem die heute teilweise verwitterte Inschrift erhaben ausgeführt ist.

Maße: H.: 60 cm; B.: 73,5 cm; Bu.: 2,5 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. PETRVS PISTORIVS OBIJT 1566 / MVSICVS EXTRVCTA PRAESTANSa) / REQVIESCIT IN VRNA / AH DVLCES TENVIS SVSTVLIT / VNDA SONOS / Mb) IOHAN GRIS[E](N)DYC[K]c) OBIJT 1567 / QVI FINXIT STATVAS PVLCHRAS / SVA EATAd) SVPREMA / SIC CL[AV]SIT LAVT[ . ]e) EST VI/TA SALVSQ(VE) FIDE

Übersetzung:

Petrus Pistorius starb 1566.

Ein hervorragender Musiker ruht im angelegten Grab. Ach, welch süße Töne hat die sachte Welle hinweggenommen.

Meister Johann Grisendyck starb 1567.

Er, der schöne Statuen erschuf, hat so seine letzte Bestimmung vollendet. Das Leben und das Heil sind rühmlich durch den Glauben.

Versmaß: Zwei elegische Distichen (Z. 2f. u. 5f.).

Kommentar

Die Gestaltung der Schrift erlaubt eine Zuweisung an den Bildhauer Arend Robin (s. Einleitung Kap. 8.4.). Die Tafel ist das früheste erhaltene Werk Robins im Landkreis Schaumburg. Die schrägliegende Kapitalis weist eher schmale Buchstaben auf. Charakteristisch sind insbesondere das spitzovale O mit Schattenachse, ferner die 5 mit hoch ansetzendem Bogen und die 7, deren Schrägschaft nach rechts durchgebogen ist. Der Rechtsschrägschaft des X ist geschwungen. Die Schrägschäfte an V und A sind keilförmig verbreitert. Der obere Bogen des B und der Bogen des R enden über der Mittellinie, etwas größer fällt der Bogen des P aus.1) Die ypsilonförmige Buchstabenfolge IJ in OBIJT ist in der vorliegenden Inschrift genauso gestaltet wie in der Grabplatte für Sieverdt von Steinberg in der Klosterkirche St. Hadrian und Dionysius in Lamspringe und in dem mit dem Monogramm AR signierten Grabdenkmal für Heinrich Heinemeier in der St. Nicolai-Kirche in Alfeld aus dem Jahr 1568.2) Ausgeprägte Sporen z. B. am Deckbalken des T, an den Balken des E, am Balken des L sowie an den Bogenenden des S.

Die Tafel ist sowohl hinsichtlich ihrer künstlerischen Gestaltung als auch ihres Textaufbaus genau so gestaltet wie die mit AR signierte Gedenktafel für Sergius und Wobbeke Sassenberg an der Kirche in Meinsen (Nr. 236).

Zu dem Musiker Petrus Pistorius (Becker) sind keine weiteren Quellenzeugnisse nachweisbar. Prinz mutmaßt, dass Pistorius Organist der Hofkapelle in Bückeburg war.3) Aus den Jahren 1555 und 1566 (nach Pistorius’ Tod) sind zwei Schreiben erhalten, in denen die Anstellung eines Organisten thematisiert wird. Das erste Schreiben datiert vom 25. März 1555 und wurde vom kurkölnischen Rat Heinrich Hemmermann an Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg gerichtet. Darin ist neben dem Erwerb einer Orgel auch von der Anstellung eines Organisten die Rede, der für seine Dienste mit Kost, Kleidung und jährlich 20 Talern entlohnt werden sollte.4)

Der Tischler und Bildschnitzer Johann Grisendyck (Griesendeich) war in Minden ansässig, wo er 1558 als Besitzer eines Hauses in der Hohen Straße nachgewiesen ist.5) Der Name seiner Ehefrau ist nicht bekannt, jedoch hatte er mindestens vier Kinder, darunter Georg Griesendeich, der von 1583 bis 1592 Amtmann in Rodenberg war.6)

Am 17. November 1561 erhielt Johann Grisendyck den Auftrag, für Graf Otto IV. die neue Hofstube in Bückeburg mit pannelen, bencken, disschen, thriszoren unnd aller notdurft zuzerichten.7) Aus diesem Auftrag, für dessen Ausführung er Kost, Bier, 28 Taler und ein halbes Fuder Roggen erhielt, geht hervor, dass er neben den in der Inschrift erwähnten Bildhauer- auch Tischlerarbeiten ausführte. Bei seinen Arbeiten gingen ihm zwei Gesellen zur Hand.8) Grisendyck arbeitete bis 1564 am Bückeburger Schloss.9)

Textkritischer Apparat

  1. PRAESTANS] praesens Prinz.
  2. M] aufzulösen als M(AGISTER) oder M(EISTER).
  3. GRIS[E](N)DYC[K]] GRISTDYCK NLA BU, F 2 Nr. 3647.
  4. EATA] statt FATA.
  5. LAVT[ . ]] levita Prinz, gegen das Versmaß; Lücke in NLA BU, F 2 Nr. 3647; vermutlich LAVTA.

Anmerkungen

  1. Zu den Charakteristika der Schrift Arend Robins vgl. in der Einleitung Kap. 8.4.
  2. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 153 u. 178.
  3. Prinz, Grabdenkmäler, S. 55. Tebbe bezeichnet ihn als Prediger (Tebbe, Epitaphien, S. 211), ohne dass klar wird, welcher Quelle sie diese Angabe entnimmt.
  4. Prinz, Grabdenkmäler, S. 56.
  5. Prinz, Grabdenkmäler, S. 56f.
  6. Prinz, Grabdenkmäler, S. 57f. Georg Griesendeich wurde 1592 als Amtmann von Rodenberg abgesetzt, weil ihm Unterschlagung vorgeworfen wurde. Er war verheiratet mit Margarethe Alferding, einer Tochter der Metta von Minden. Letztere wurde der Hexerei an Anton von Wietersheims erster Ehefrau Agnes Sass (Nr. 310) bezichtigt. Die Verwerfungen zwischen Georg Griesendeich und Anton von Wietersheim, zu denen der Vorfall geführt hatte, waren möglicherweise der Grund für Griesendeichs Absetzung als Amtmann (zu den Vorgängen s. Prinz, Grabdenkmäler, S. 57–60).
  7. Zit. n. Prinz, Grabdenkmäler, S. 57; vgl. Borggrefe, Residenz Bückeburg, S. 26.
  8. Prinz, Grabdenkmäler, S. 57.
  9. Albrecht, Landesherrliche Baumaßnahmen, S. 167.

Nachweise

  1. NLA BU, F 2 Nr. 3647, fol. 8r.
  2. Prinz, Grabdenkmäler, Nr. 32, S. 55.
  3. Tebbe, Epitaphien, S. 211 (ohne die Verse).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 217 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0021704.