Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 15† Schaumburg 1392

Beschreibung

Zwei Tafeln. Stein. Bei den Objekten handelt es sich um Kopien, die im Zuge der Restaurierung der Schaumburg Anfang des 20. Jahrhunderts angefertigt wurden. Die stark verwitterten Originale wurden nach der Restaurierung „an einer Seite des Bergfrieds“ aufbewahrt.1) Ihr Verbleib ist unklar, ebenso wie der Verbleib eines in einem Beitrag von K. J. Carlowitz aus dem Jahr 1952 erwähnten Gipsabgusses des Steins mit der Inschrift I. Die Zusammengehörigkeit der beiden Tafeln ergibt sich aus deren gleichartiger Gestaltung. Die Originale könnten möglicherweise vom Schloss Bückeburg gestammt haben. Friedrich Wilhelm Bierling zufolge waren die Verse der Inschrift I am Eingang der Bückeburg angebracht.2)

Die Kopien sind über der Tordurchfahrt zum engeren Burgbezirk eingemauert: in der Mitte ein Wappenstein (ohne Inschrift) mit dem holstein-schaumburgischen Wappen, zu beiden Seiten die Tafeln mit den jeweils erhaben in vertiefter Zeile ausgeführten Inschriften I (linker Stein) und II (rechter Stein). Der Wappenstein gehörte ursprünglich möglicherweise zu einem anderen Bauzusammenhang. Die Inschriften werden nach den Kopien ediert.3)

Inschriften nach den Kopien.

Maße: H.: ca. 25 cm; B.: ca. 50 cm; Bu.: ca. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

  1. I

    An(ni)s no(n)g(en)tis c(en)te(n)is / ter qoq(ue) denis post / chr(i)s(tvm)a) natv(m) · scove(n)/bvrg te(n)et · initiatv(m) ·

  2. II

    Anno · d(omi)ni · mccc · / xcii · opvs otto(n)is · comitis · d(e) · schow(en)/borch · atque · holste(n) ·

Übersetzung:

1030 Jahre nach Christi Geburt nahm Schaumburg seinen Anfang. (I)

Im Jahr des Herrn 1392, ein Werk des Grafen Otto von Schaumburg und Holstein. (II)

Versmaß: Leoninische Hexameter, prosodisch z. T. fehlerhaft (I).

Kommentar

Der Text von Inschrift I ist so ähnlich auch als historischer Merkvers in Hermanns von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium überliefert.4) Demnach bezieht sie sich auf den Ursprung der Grafschaft Schaumburg,5) nicht auf die Errichtung der Schaumburg.6) Eine Tafel mit der in Metallbuchstaben ausgeführten Inschrift I befand sich bis ins 17. Jahrhundert auf der Schaumburg (s. Nr. 16). Es wäre freilich eher ungewöhnlich, wenn ein und dieselbe Inschrift auf der Schaumburg zweimal vorhanden gewesen wäre, daher muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Originale der vorliegenden Inschriftentafeln ursprünglich anderswo angebracht waren. Da sich Inschrift I nicht, wie verschiedentlich angenommen, auf die Schaumburg bezieht, ist sie auch gut an einer anderen Burg vorstellbar. Aufgrund der Angabe bei Bierling (s. o.) kann eine bückeburgische Provenienz vermutet werden. Hermann von Lerbeck gibt an, dass Graf Otto I. (reg. 1366–1404) die Bückeburg mit einer Mauer umgab;7) darauf ließe sich opvs otto(n)is in Inschrift II beziehen; die Standortangabe von Bierling (in introitu arcis Bückeburgicae)8) stünde damit im Einklang.

Das in der Inschrift I erwähnte legendarische Gründungsjahr 1030 ist so in Hermanns von Lerbeck Chronik der Grafen von Schaumburg überliefert,9) einem Werk, das kurz nach 1400 entstanden und Otto I. gewidmet ist,10) den Inschriften also zeitlich wie sachlich nahesteht. Hermanns von Lerbeck Nachricht, wonach 1030 der erste Schaumburger durch Kaiser Konrad II. belehnt worden sei, beruht allerdings auf einem Irrtum. Der erste bekannte Schaumburger war Adolf I., dem 1110/1111 durch Lothar von Süpplingenburg die Grafschaft Nordelbingen übertragen wurde.11)

Textkritischer Apparat

  1. Befund xps.

Anmerkungen

  1. Wehrhahn, Schloß Schaumburg, S. 196.
  2. Bierling, De familia comitum Holsato-Schaumburgicorum, S. 6.
  3. K. J. Carlowitz gibt die Inschrift I nach einer Transkription des originalen Steins wieder, die ein Lehrer namens Wagenführer am Beginn des 20. Jahrhunderts angefertigt hatte. Die Kopie stimmt damit sowie mit der Überlieferung bei Bierling überein, so dass sie als eine zuverlässige kopiale Überlieferung gelten kann.
  4. Hermann von Lerbeck, Catalogus episcoporum Mindensium, in: Mindener Geschichtsquellen, Bd. 1, ed. Löffler, S. 44 (mit der Variante centenis millenis statt nongentis centenis; denselben Text bietet die Jüngere Bischofschronik des Heinrich Tribbe (Mindener Geschichtsquellen, Bd. 1, ed. Löffler, S. 131), die früher Hermann von Lerbeck zugeschrieben wurde). In Meiboms Edition von Hermanns von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium (noch unter dem Titel Chronicon Mindense Incerti Auctoris) steht centenis nongentis (Hermann von Lerbeck, Chronicon comitum Schavvenburgensium ed. Meibom 1620, S. 106). Meiboms Edition beruht auf zwei Handschriften des 15. und 17. Jahrhunderts, während Löffler nach der ältesten Handschrift vom Ende des 14. Jahrhunderts ediert, die allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde (Dieter Brosius, Der „Catalogus episcoporum Mindensium“ und die „Cronica comitum de Schowenburg“ des Hermann von Lerbeck, in: Hans Patze (Hg.), Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 31), Sigmaringen 1987, S. 427–445, dort S. 430; vgl. Mindener Geschichtsquellen, Bd. 1, ed. Löffler, Einleitung S. XV-XVII). Es handelt sich an diesen Textstellen nicht um die Wiedergabe einer Inschrift.
  5. Vgl. auch Chytraeus, Saxonia, Teil 1, Buch 2, S. 66; Spangenberg, Chronicon, S. 13; Bierling, De familia comitum Holsato-Schaumburgicorum, S. 6; Winkelmann, Beschreibung der Fürstenthümer Hessen und Hersfeld, S. 335.
  6. So offenbar erstmals Piderit, Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 187, Anm. 35; vgl. Wippermann, Beschreibung des Bukki-Gaues, S. 299; Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 104; Wehrhahn, Schloß Schaumburg, S. 196. Dies liegt vermutlich daran, dass in der Jüngeren Bischofschronik die Hexameter im Zusammenhang mit der Ursprungslegende des Namens „Schaumburg“ überliefert sind: Demnach sei der Ausspruch Scowe istud aedificium („Schau dieses Bauwerk an“) für die Schaumburg namengebend gewesen (Mindener Geschichtsquellen, Bd. 1, ed. Löffler, S. 130f.). – Die Schaumburg wird in der heutigen Forschung in die Zeit um 1100 datiert. Urkundlich ist sie erstmals 1119 belegt (Heine, Schaumburger Land – Burgenland, S. 91; vgl. Kruppa, Überlegungen zu der Herkunft, S. 125).
  7. Hermann von Lerbeck, Chronicon Comitum Schavvenburgensium ed. Meibom 1620, S. 41; Hermann von Lerbeck, Cronica comecie Holtsacie ed. Hohlt, S. 110; vgl. dazu Prinz, Bückeburger Schloß, S. 31; Heine, Schaumburger Land – Burgenland, S. 39 (der allerdings annimmt, dass Otto I. die Mauer bereits 1374 errichten ließ); vgl. ders., Die mittelalterlichen Burgen, S. 104.
  8. Bierling, De familia comitum Holsato-Schaumburgicorum, S. 6.
  9. Hermann von Lerbeck, Chronicon Comitum Schavvenburgensium ed. Meibom 1620, S. 7; Hermann von Lerbeck, Cronica comecie Holtsacie ed. Hohlt, S. 6.
  10. Brosius, Der „Catalogus episcoporum Mindensium“ (s. oben, Anm. 4), S. 430.
  11. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 8–11; Kruppa, Überlegungen zu der Herkunft, S. 119f., 122.

Nachweise

  1. Bierling, De familia comitum Holsato-Schaumburgicorum, S. 6 (A).
  2. Carlowitz, Spangenberg, ohne Seitenzählung (A).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 15† (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0001500.