Die Inschriften des Landkreises Schaumburg

3. Standorte der Inschriften

Die Inschriften des Landkreises Schaumburg verteilen sich auf sechs Städte, vier Klöster und Stifte, ein Dutzend Burgen und Rittergüter sowie nur 34 Dörfer.45)

3.1 Städte

Die mit Abstand größte Zahl an Inschriften ist für Stadthagen überliefert: Die 165 Inschriften und Jahreszahlen machen mehr als ein Fünftel des gesamten Inschriftenbestands des Landkreises Schaumburg aus. Sie reichen bis in die Erbauungszeit der St. Martini-Kirche zurück (Nr. 4 u. A1 1). Der reiche Inschriftenbestand ist zum einen sicherlich darauf zurückzuführen, dass Stadthagen bis 1607 Residenzstadt der Grafschaft Schaumburg und auch danach noch Grablege des Herrscherhauses war.46) Zum anderen hatte der in den 1220er-Jahren gegründete und 1344 mit lippischem Stadtrecht ausgestattete Ort ein gewachsenes Bürgertum, das vor allem in Hausinschriften greifbar wird. Hinzu kommt, dass für Stadthagen mit 56 Inschriften eine im Verhältnis deutlich reichere kopiale Inschriftenüberlieferung vorliegt als für den übrigen Landkreis. Auf das Schloss selbst entfällt nur eine geringe Zahl von Katalogartikeln, weil das Interieur des jetzt als Finanzamt genutzten Gebäudes in den 1920er-Jahren zu weiten Teilen nach Bückeburg verbracht wurde, ebenso der Schlossbrunnen (Nr. 168). Verblieben sind die von dem Bildhauer Arend Robin geschaffenen Prunkkamine (Nr. 266, 267 u. 427). 64 Inschriftenträger aus der Zeit vor 1650 sind für die St. Martini-Kirche und das angebaute Mausoleum des Fürsten Ernst von Holstein-Schaumburg nachzuweisen, darunter 36 Denkmäler des Totengedächtnisses, insbesondere eine Reihe von Wandepitaphien. Sechs Grabdenkmäler sind außen an der Kirche aufgerichtet. Die meisten der Grabplatten, die Ende des 19. Jahrhunderts noch im Kirchenfußboden lagen,47) dürften verloren gegangen sein, ebenso die Grabsteine auf dem umgebenden Martini-Kirchhof.48) Die zentralen Kirchenausstattungsstücke der St. Martini-Kirche (Altar, Kanzel, Taufbecken) stammen aus der Zeit vor 1650; hinzu kommen vier Glocken (ursprünglich fünf). Von sieben nachweisbaren inschriftentragenden vasa sacra sind noch vier Kelche und eine Patene vorhanden.

Sehr viel magerer ist die Inschriftenüberlieferung für die reformierte Kirche, die zu dem 1486 gegründeten Franziskanerkloster gehörte (dazu Nr. 47). Als nach der Reformation die letzten Franziskaner das Kloster verließen, baten sie darum, die liturgischen Geräte nach Halberstadt mitnehmen zu dürfen, wo sich ihre Spur verliert. Weitere Kirchenausstattung ging im Dreißigjährigen Krieg verloren. Die Klostergebäude, von 1610 bis 1621 Sitz des von Graf Ernst gegründeten Gymnasium illustre, verfielen während des 17. Jahrhunderts. Seit 1732 dient die Kirche der reformierten Gemeinde als Gotteshaus. 1798 wurde das Langhaus der Kirche abgebrochen und der Chorbogen mit dem Abbruchmaterial zugemauert.49) Hier finden sich ebenso wie in der Wegepflasterung einige wenige Grabplattenfragmente (Nr. 166). Die nur noch aus dem Chor bestehende Kirche beherbergt abgesehen von zwei Weihwasserbecken (Nr. 47 u. 62) und einem Schlussstein (Nr. 63) sechs Grabplatten, eine weitere ist kopial überliefert. Noch dürftiger ist die Inschriftenüberlieferung für die ehemals in Stadthagen vorhandenen Kapellen, von denen nur noch die Johanniskapelle steht.

Fast ein Drittel des Stadthäger Inschriftenbestands machen die Fachwerkbauten aus, auch wenn dies dem Stadtbild nicht auf den ersten Blick anzusehen ist, da viele Häuser verputzt bzw. verkleidet oder durch Neubauten ersetzt sind. Die umfangreiche Überlieferung verdankt sich vor allem der Tatsache, dass bereits 1859, recht früh also, ein Inschriftensammler namens A. Conze zahlrei-[Druckseite 17]che Stadthäger Hausinschriften dokumentiert hat.50) Einige wenige Fachwerkbauteile aus Stadthagen sind davon abgesehen im Museum Bückeburg bewahrt worden. Über die Hälfte der rund 50 bekannten Stadthäger Fachwerkinschriften ist jedoch verloren.

Stadthagen wurde als Residenzstadt 1607 durch Bückeburg abgelöst. Der dortige Inschriftenbestand hat einen völlig anderen Charakter als der Stadthagens. Fachwerkinschriften fehlen hier fast gänzlich, vermutlich in erster Linie, weil Bückeburg nicht in gleichem Maße eine stadtbürgerliche Tradition vorweisen konnte wie die deutlich größeren Städte Stadthagen und Rinteln. Der Ort hatte zwar 1365 von Graf Adolf VII. Weichbildrecht nach dem Vorbild des Stadthäger Stadtrechts erhalten, blieb jedoch bis 1609 Flecken.51) Davon abgesehen fehlt eine kopiale Überlieferung. Die rund hundert Inschriften der Stadt Bückeburg verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf die Jetenburger Kirche, die Stadtkirche und das Schloss. Einige wenige andere Standorte wie das Museum fallen demgegenüber nicht ins Gewicht. Das erst 1923 eingemeindete Dorf Jetenburg war bis 1615 Kirchort für die Bevölkerung Bückeburgs, nachdem die Bückeburger Marienkirche 1541 einem Brand zum Opfer gefallen und nicht wieder aufgebaut worden war.52) Die Kirche in Jetenburg, auf die 34 Inschriften entfallen, wurde 1570 an Stelle eines romanischen Vorgängerbaus neu errichtet (Nr. 225), aus dem nur wenige Objekte erhalten blieben. Bis zur Einweihung der Stadtkirche 1615 war die Jetenburger Kirche Begräbnisort für die Einwohner Bückeburgs, insbesondere für die – zumeist bürgerlichen – Funktionsträger des Amts Bückeburg, ab 1607 aber auch für die Hofbediensteten. Drei Grabplatten für einen Barbier, einen Kammerdiener und einen Schneider sind für die Jetenburger Kirche nachweisbar (Nr. 437, 568 u. 615).

Aus der Stadtkirche haben sich Grabplatten aus den Jahren ab 1621 erhalten. Sie bedeckten bis 1895 den Kirchenboden53) und sind jetzt außen an den Kirchenwänden aufgestellt. Hier ist der Adel stärker vertreten als bei den Grabdenkmälern der Jetenburger Kirche. Für die höherrangigen Funktionsträger der Residenz und ihre Familienangehörigen war offenbar die durch Graf Ernst errichtete und sehr viel repräsentativere Stadtkirche54) der bevorzugte Begräbnisort. Hier finden sich Grabplatten für den Hofprediger Johannes Michelbach (Nr. 539), den Statthalter Dietrich vom Brinck (Nr. 557) und seine Ehefrau (Nr. 625), den Drosten Johann Hilmar von Haxthausen (Nr. 556), den Geheimrat Ahasver Luther von Amelunxen (Nr. 582), die Ehefrau des Hofstallmeisters Wilhelm von Fronhorst (Nr. 602) oder die Kinder des Geheimrats und Landdrosten Statius von Münchhausen (Nr. 601 u. 605). Insgesamt ist festzuhalten, dass der Bestand von 40 für Bückeburg überlieferten Denkmälern des Totengedächtnisses in starkem Maße durch die Residenzfunktion der Stadt geprägt ist.

Der Charakter Bückeburgs als Residenzstadt schlägt sich auch sonst im Stadtbild nieder, allerdings nicht so sehr in der Inschriftenüberlieferung, da Graf Ernst an den meisten der von ihm errichteten Gebäude wie dem Rentamt, der Kammerkasse, der Kanzlei oder der Lateinschule keine Inschriften anbringen ließ. Eine Ausnahme bildet die 1615 geweihte Stadtkirche, die zu den ersten und bedeutendsten nachreformatorischen Kirchenbauten in Norddeutschland gehört.55) Ähnlich wie ihr Pendant in Wolfenbüttel, die von Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel errichtete Kirche Beatae Mariae Virginis, ist die Bückeburger Stadtkirche eine Residenzkirche und somit Ort landesherrlicher Prachtentfaltung. Dies manifestiert sich im Kircheninneren vor allem in der Kanzel, der Orgel und dem Taufbecken (Nr. 480482). Für all diese Ausstattungsstücke beauftragte der Graf namhafte Künstler. Weniger Aufwand wurde für die Glocken betrieben: Sie wurden alle aus anderen Orten übernommen. Vorhanden ist nur noch die Uhrschlagglocke von 1369.56)

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Einen vielfältigen Inschriftenbestand birgt schließlich das Bückeburger Schloss. Besonders hervorzuheben ist die durch Graf Ernst in manieristischem Sinne umgestaltete Schlosskapelle (Nr. 452454). Einen Großteil des Inschriftenbestands machen Porträtgemälde aus; hinzu kommen verschiedenste Einzelobjekte wie beispielsweise die von Daniel Frese gemalte Landkarte der Grafschaft Holstein-Pinneberg (Nr. 323), ein Geschützmodell (Nr. 354), Bildteppiche des flämischen Teppichwirkers Jost II. van Herseele (Nr. 459) oder eine Hellebarde (Nr. 446). Oft ist nicht zu entscheiden, in welchem Schloss der Grafen von Holstein-Schaumburg sich diese Gegenstände vor 1650 befanden, da das Schloss Bückeburg im Lauf des 20. Jahrhunderts gewissermaßen zum Auffangbecken für das in jahrhundertelanger Sammeltätigkeit zusammengetragene Inventar der übrigen aufgegebenen Schlösser etwa in Stadthagen oder der Arensburg wurde. Eine Schwierigkeit für die Erfassung ergibt sich ferner daraus, dass nicht immer zweifelsfrei zu klären ist, ob ein Objekt vor 1650 bereits vorhanden war oder ob es in späteren Jahrhunderten im Kunst- und Antiquitätenhandel angekauft wurde.

Die dritte bedeutende Stadt auf dem Gebiet des Landkreises Schaumburg ist Rinteln. Die Stadt an der Weser fungierte zwar nie als Residenz und auch nicht als Sitz eines Amts, hatte aber durch ihre Lage eine wichtige Funktion für Handel und Verkehr. Eine als Alt-Rinteln bezeichnete Siedlung entstand zunächst am rechten Weserufer. Von der Kirche des wüst gefallenen Dorfs ist jedoch nichts erhalten.57) 1238 ist erstmals die am südlichen Weserufer durch Graf Adolf IV. von Holstein-Schaumburg gegründete Stadt Rinteln bezeugt, die 1239 Lippstädter Stadtrecht erhielt.58) Bald nach der Gründung wurde auch die dem heiligen Nikolaus geweihte Hauptkirche errichtet, die den wichtigsten Inschriftenstandort innerhalb der Stadt darstellt. Von den 93 für Rinteln nachgewiesenen Inschriften und Jahreszahlen entfallen 33 auf die Nikolaikirche. Etwa zur Hälfte handelt es sich hierbei um Denkmäler des Totengedächtnisses: zehn Grabplatten und weitere Fragmente sowie sechs Epitaphien. Die Kirchenausstattung entstammt zu weiten Teilen der Renaissance; 1580 war der Chorraum neu eingewölbt worden, wie eine Jahreszahl am Schlussstein dokumentiert (Nr. 288). Das Taufbecken (Nr. 297) ist auf 1582 datiert, die Altarmensa auf 1583 (Nr. 300). Bereits 1581 hatte die Knochenhauerzunft einen Wandleuchter gestiftet (Nr. 293). Rund drei Jahrzehnte später entstanden die Kanzel sowie die aufwändig bemalte Emporenbrüstung (Nr. 502 u. 503), außerdem die Orgel (Nr. 519). An vasa sacra sind aus der Zeit vor 1650 lediglich drei Kelche vorhanden (Nr. 107, 125 u. 325). Möglicherweise fielen Teile des Kirchenschatzes den Plünderungen des Dreißigjährigen Kriegs zum Opfer.59) Glocken haben sich aus dem Bearbeitungszeitraum überhaupt nicht erhalten.

Sehr viel dürftiger ist die Inschriftenüberlieferung für das Jakobskloster, von dem nur noch die Kirche steht. Das Benediktinerinnenkloster war Anfang des 13. Jahrhunderts als Zisterzienserinnenkloster in Bischoperode bei Stadthagen gegründet und bereits um 1230 nach Rinteln verlegt worden. Wohl 1517 trat es der Bursfelder Reform bei. Vom Neubau der Klausurgebäude in den Jahren 1518 bis 1525 zeugen zwei Bauinschriften (Nr. 104 u. 114). Nach der Einführung der Reformation 1559 wurde das Kloster 1563 aufgehoben; Grund waren vor allem finanzielle Schwierigkeiten. In den Klostergebäuden war ab 1621 die Universität Rinteln untergebracht. Ein Versuch, das Kloster nach dem Restitutionsedikt 1629 wiederzubeleben, endete 1634. Seit 1656 wird die Kirche, von deren vorreformatorischer Ausstattung nichts erhalten geblieben ist, von der reformierten Gemeinde in Rinteln genutzt.60) Die vorhandenen Grabdenkmäler stammen alle aus der Zeit nach 1650. Die Klostergebäude wurden 1875 abgebrochen,61) so dass auch keine direkten inschriftlichen Zeugnisse der Rintelner Universität mehr vorhanden sind – vorausgesetzt, dass es welche gab. Die im Jahr 1621 nach Rinteln verlegte Universität hat bemerkenswert wenige Spuren [Druckseite 19] in der Inschriftenüberlieferung hinterlassen. Einige wenige Grabdenkmäler aus der Zeit vor 1650 erinnern an Universitätsangehörige oder deren Familienmitglieder, so die Grabplatte für den Medizinprofessor Johannes Ravius (Nr. 517), die Grabplatte und das Epitaph für den Theologieprofessor Josua Stegmann (Nr. 580 u. 589), die Grabplatte für die Ehefrau des Professors der Rechte David Pestel (Nr. 597), die Grabplatte für den Theologieprofessor Anton Mensching (Nr. 606) und das Epitaph für den aus Riga stammenden Studenten Bruno Samsonius (Nr. 630; Fragmente der Gruftplatte unter Nr. 629).

Rintelns Bedeutung für die Inschriftenüberlieferung im Landkreis Schaumburg liegt vor allem in seinem verhältnismäßig gut bewahrten Fachwerk-Baubestand. 34 Hausinschriften ließen sich nachweisen, von denen 26 erhalten sind. Im Gegensatz zu Stadthagen sind auch frühe Fachwerkinschriften aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten. Allerdings gibt es eine kopiale Überlieferung erst sehr viel später und deutlich spärlicher als für Stadthagen. Neben den Ackerbürgerhäusern prägen das Rintelner Stadtbild mehrere Adelshöfe, insbesondere in der Ritterstraße. Inschriften aus der Zeit vor 1650 finden sich am Münchhausen-Hof (Nr. 197, 213 u. 369), dessen sogenanntes Archivhäuschen sicherlich als ein Juwel der Weserrenaissance-Architektur bezeichnet werden kann, sowie am Zerssen-Hof (Nr. 529). Hinzu kommt die Eulenburg, der ehemalige Stadthof des Stifts Möllenbeck (Nr. 340), der jetzt das Museum „Die Eulenburg. Universitäts- und Stadtmuseum Rinteln“ beherbergt. Zu dessen Beständen mit Rintelner Provenienz gehören ein Nachtwächterhorn und ein Richtschwert (Nr. 576 u. 656).

Die übrigen Städte des Landkreises Schaumburg sind für die Inschriftenüberlieferung von deutlich geringerer Bedeutung. Obernkirchen wurde 1615 durch Graf Ernst von Holstein-Schaumburg zur Stadt erhoben. Sieht man vom Stift ab (dazu unten im Abschnitt 3.2), verteilen sich auf das Stadtgebiet und das „Museum für Bergbau und Stadtgeschichte“ zwölf Inschriften. Darunter sind einige Inschriften auf Objekten, die aus dem in den Bückebergen gebrochenen Obernkirchener Sandstein gefertigt sind, sowie fünf Hausinschriften an Fachwerkgebäuden. Vieles dürfte den wiederholten Bränden (1450, 1503, 1554, 1665, 1711) zum Opfer gefallen sein.62) Ein Stadtbrand im Jahr 1859 ist auch der Grund für das Fehlen von Inschriften in Rodenberg, das wie Obernkirchen 1615 Stadtrecht erhielt. Die Überreste des Schlosses tragen keine Inschriften. Die jetzt noch vorhandenen Inschriften befinden sich alle in der Kirche des bis 1834 eigenständigen Pfarrdorfs Grove,63) darunter das älteste Altarretabel im vorliegenden Bestand (Nr. 36). Sachsenhagen schließlich, ursprünglich eine Gründung der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, wurde 1650 durch Landgräfin Amalie Elisabeth zur Stadt erhoben, zählt aber bis heute zu den kleinsten Städten Niedersachsens. Eine gewisse Bedeutung als Residenzstadt erlangte Sachsenhagen in den Jahren 1595 bis 1601 (s. oben Kap. 2). In der Inschriftenüberlieferung hat sich die Residenzfunktion der Stadt jedoch kaum niedergeschlagen. Die jetzt noch vorhandenen Gebäudeteile des Schlosses tragen keine Inschriften mehr; eine ehemals über der Turmtür angebrachte Inschrift ist kopial überliefert (Nr. 417). Erhalten haben sich zwei von Graf Ernst in Auftrag gegebene Wandbrunnenbecken, die zu einem einzigen Brunnenbecken zusammengesetzt wurden (Nr. 416), sowie eine Glocke, die vermutlich von der Schlosskapelle stammt (Nr. 362). Drei Fachwerkinschriften an Bürgerhäusern sind in der Stadt vorhanden, zwei davon sind nach dem großen Brand des Jahres 161964) entstanden. Die evangelische Kirche in Sachsenhagen wurde erst im dritten Viertel des 17. Jahrhunderts errichtet. Aus der Zeit vor 1650 findet sich dort lediglich eine einzelne Grabplatte (Nr. 593).

Rechnet man die für die genannten sechs Städte überlieferten Inschriften und Jahreszahlen zusammen, zeigt sich, dass sie etwas mehr als die Hälfte des Inschriftenbestands des Landkreises Schaumburg ausmachen.

3.2 Stifte

Neben den Städten sind die beiden Stifte Möllenbeck mit 42 Inschriften und Obernkirchen mit 43 Inschriften die wichtigsten Inschriftenstandorte innerhalb des Landkreises. Das südlich der Weser gelegene Stift Möllenbeck wurde vor 896 als Kanonissenstift gegründet. Als Stifter gelten die Edelfrau Hildburg und der Priester Folkart.65) Vermutlich ist es Hildburg, die auf dem Fragment einer figürlichen Tumbendeckplatte aus dem 12. Jahrhundert dargestellt ist. In ihren Händen hält sie ein Buch mit der Aufschrift [M]OLENBECH (Nr. 1). Hierbei handelt es sich um die älteste überlieferte Inschrift im Landkreis Schaumburg. Auf den Gründungsakt des Stifts wird erneut in einer Inschrift des Jahres 1479 am Eingang der Stiftskirche verwiesen (Nr. 44). Sie entstand im Zuge des Neubaus der Klosteranlage. Das Stift Möllenbeck war nach einer Zeit des Niedergangs im Jahr 1441 den Augustinerchorherren aus Böddeken im Bistum Paderborn übergeben worden. Sie gehörten der Windesheimer Reformkongregation an und führten das Stift Möllenbeck zu einer neuen Blüte. Der heute noch vorhandene Gebäudebestand zeugt von dieser Phase (Nr. 48, 53, 79, 8183 u. A1 8). Das Stift blieb auch nach der Reformation als nunmehr evangelisch-lutherisches Augustinerchorherrenstift erhalten. Unter dem Prior Hermann Wening (1563–1580) wurde mit Förderung des Landesherrn im Stift eine Lateinschule eingerichtet,66) die bis zum Jahr 1631 existierte (vgl. dazu Nr. 393). In dieser Zeit erhielt eine ganze Reihe von Innenräumen eine neue Ausmalung mit zum Teil umfangreichen Inschriftenprogrammen, von denen die meisten in den letzten Jahren nach und nach freigelegt und restauriert werden konnten. Im Lauf des Dreißigjährigen Kriegs erlebte das Stift seinen Niedergang. 1649 wurde es in eine Domäne umgewandelt,67) die Kirche wird seit 1673 (mit Unterbrechungen) von der reformierten Gemeinde genutzt.68) Nichts mehr vorhanden ist von den beweglichen Ausstattungsstücken des Stifts und der Stiftskirche. Sie wurden in napoleonischer Zeit verkauft, ebenso wie die Grabplatten, die als Baumaterial wiederverwendet wurden. Einzelne Spolien ließen sich im nahegelegenen Krankenhagen ausfindig machen (Nr. 43, 129 u. 651). Einige der spätgotischen Glasfenster erwarb der hessische Landgraf für seine ab 1793 errichtete Löwenburg im Park Wilhelmshöhe in Kassel (Nr. 84). Eine Bronzetafel zum Gedenken an die Mindener Bischöfe Adolf und Anton wurde ins Schloss Bückeburg in Sicherheit gebracht (Nr. 489). Die Klosteranlage dient jetzt als Jugendfreizeitheim.

Eine sehr viel stärkere Kontinuität besteht für das Stift Obernkirchen. Einer legendenhaften Gründungsgeschichte zufolge soll es ins frühe 9. Jahrhundert zurückreichen. Gesichert ist das Gründungsjahr 1167, in dem das Stift Obernkirchen durch Bischof Werner von Minden als Augustinerchorfrauenstift eingerichtet wurde.69) Die ältesten Inschriftenzeugnisse stammen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Stiftskirche als dreischiffige gotische Hallenkirche neu erbaut wurde (Nr. 8, 11 u. 13). Zu erneuten Baumaßnahmen vor allem an den Stiftsgebäuden kam es während der Amtszeit der Priorin Helena von Bennigsen (1492–1526), die sich der Klosterreform verpflichtet fühlte.70) Neben verschiedenen Bauinschriften (Nr. 93, 115 u. 132) zeugt von ihrem Wirken auch die Predella des von ihr in Auftrag gegebenen Hochaltars in der Stiftskirche (Nr. 116) und einige Möbelstücke, die jedoch nur teilweise Inschriften tragen (vgl. dazu Nr. 99). Das Stift Obernkirchen diente den Grafen von Holstein-Schaumburg im Spätmittelalter als bevorzugte Grablege.71) Erhalten geblieben ist die Deckplatte der Tumba für Graf Johann IV. aus dem Jahr 1527 (Nr. 133). Auch andere Adelsfamilien sicherten sich das Recht, ihre Angehörigen im Stift Obernkirchen bestatten zu dürfen, etwa die Familien vom Haus (Nr. 21), von Münchhausen72) oder im 17. Jahrhundert die Familie von Ditfurth (Nr. 564). Daneben wählten weitere Adelsfamilien das Stift Obernkirchen als Bestattungsort: Es finden sich Grabplatten für Angehörige der Familien von Zerssen, [Druckseite 21] Post, von Reden und von Rössing (Nr. 156, 163, 164 u. 541). Nach der Einführung der Reformation in der Grafschaft Schaumburg drang Graf Otto IV. darauf, auch im Stift Obernkirchen die neue lutherische Kirchenordnung in Kraft zu setzen. Er stieß auf erheblichen Widerstand insbesondere des Propstes Johann Kostken (Nr. 205); auch nach dessen Tod am 31. Dezember 1564 blieben die Konventualinnen zunächst unbeugsam, wählten einen neuen Propst und wandten sich an den Kaiser und das Reichskammergericht um Hilfe. Erst 1572 fügte sich der Konvent dem Landesherrn. Im Jahr 1603 erhielt das Stift eine neue Ordnung, die die Zahl der Stiftsdamen auf zehn begrenzte; das Stift war dem schaumburgischen Adel vorbehalten. 1629 kam es wie in den anderen Stiften und Klöstern der Grafschaft Schaumburg zu Rekatholisierungsversuchen, die jedoch 1633 endeten. Auch nachdem das Stift Obernkirchen 1647 unter hessische Herrschaft gelangte, bestand es als adliges Damenstift fort. Mit einer kurzen Unterbrechung von 1810 bis 1814 blieb es bis in die Gegenwart evangelisches Damenstift; der Adelsvorbehalt fiel 1962 weg.73)

3.3 Burgen und Rittergüter

Knapp ein Zehntel des Inschriftenbestands im Landkreis Schaumburg entfällt auf Burgen und Rittergüter. Wenn an erster Stelle hier die Schaumburg genannt wird, beruht dies auf ihrer Bedeutung als namengebende Burg für das Grafengeschlecht. Der Baubestand, mit dem sich die Schaumburg heute präsentiert, ist das Ergebnis umfassender Wiederaufbauarbeiten vom Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem das damals regierende Fürstenpaar die Schaumburg von Kaiser Wilhelm II. 1907 zur Silberhochzeit als Geschenk erhalten hatte. Im Zuge der Neugestaltung wurden auch die meisten Wappen- und Inschriftensteine nach altem Vorbild neu gemeißelt.74) Unweit der Schaumburg liegt an einem Wesergebirgspass die Arensburg, die ins 14. Jahrhundert zurückreicht, in ihrer jetzigen Form aber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde. Fürst Georg-Wilhelm zu Schaumburg-Lippe und seine Ehefrau Ida von Waldeck-Pyrmont bauten die Arensburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Sommersitz aus und statteten sie reich mit Kunstgegenständen, insbesondere Gemälden aus.75) Diese befinden sich jetzt im Schloss Bückeburg. Hierbei lässt sich nicht immer klären, ob die Gemälde bereits vorher im Familienbesitz waren oder im 19. Jahrhundert aus dem Kunsthandel erworben wurden. Vermutlich ebenfalls im 19. Jahrhundert gelangten eine steinerne Wange und eine Grabplatte auf die Arensburg, in deren Innenhof sie sich bis heute befinden (Nr. 34 u. 343). Bis vor kurzem waren außerdem Glasfenster mit Malereien aus dem 16. Jahrhundert in der seit einer Reihe von Jahren leer stehenden Arensburg eingebaut (Nr. 122, 260, u. 353). Einige davon konnten vom Museum Eulenburg in Rinteln erworben werden. Zu den gräflichen Burganlagen ist ferner das Schloss Lauenau zu zählen, das neben dem Fragment eines Wappensteins zwei Fachwerkinschriften beherbergt (Nr. 220 u. A1 37). Das Schloss Sachsenhagen wurde bereits oben im Kapitel über die Städte behandelt.

Von größerer Bedeutung als Inschriftenstandorte sind die Rittergüter des niederen Landadels, insbesondere in Apelern, Lauenau und Hülsede, ferner die Güter Brummershop, Dankersen, Echtringhausen, Remeringhausen und Wormsthal, die sich alle in Privatbesitz befinden. Dem Repräsentationsbedürfnis des Landadels dienten vielfach Wappensteine außen an den Gebäuden und Kaminstürze in den Wohnräumen. Hervorzuheben sind die Kaminstürze aus der Zeit der Renaissance auf dem Gut Hammerstein in Apelern, die antikes Spruchgut aus dem Bereich der Landwirtschaft aufgreifen (Nr. 335 u. 337; vgl. Nr. 336). Sie wurden im Auftrag des schaumburgischen Kanzlers Anton von Wietersheim vermutlich von dem Steinmetzen Johann Robin angefertigt. Derselbe Steinmetz war auch am Wasserschloss Hülsede, auf dem Gut Wormsthal und am Münchhausenschloss in Apelern tätig. Letzteres beherbergt als Besonderheit neun Grabplatten für Angehörige der Familie von Münchhausen. Dieses Ensemble von Grabdenkmälern verdankt sich der Sammeltätigkeit des früheren Besitzers Börries von Münchhausen d. Ä. († 1931). Die zum Teil [Druckseite 22] stark verwitterten Stücke, die sich am oder im 1915 erbauten Mausoleum im Schlosspark befinden, stammen zum Teil aus der Kirche von Apelern, zum Teil aus dem Stift Obernkirchen.76) Die hier erstmals publizierten Inschriften erlauben trotz ihrer Lückenhaftigkeit Ergänzungen und Korrekturen zu den von Gebhard von Lenthe und Hans Mahrenholtz erarbeiteten Stammtafeln der Familie von Münchhausen.

3.4 Dörfer

Gut ein Fünftel der Inschriften des Landkreises Schaumburg verteilt sich auf 34 Dörfer. Es sind dies hauptsächlich diejenigen Dörfer, die bereits im Mittelalter als Kirchorte existierten.77) Die meisten Inschriften in den Dörfern finden sich – abgesehen von den im vorhergehenden Kapitel behandelten Rittergütern – in den Kirchen, die vielfach im Kern noch den mittelalterlichen Baubestand aufweisen. Einige der Kirchen wurden im 19. oder frühen 20. Jahrhundert durch Neubauten ersetzt, so in Altenhagen (Neubau in Hagenburg), Hohnhorst, Lauenau, Meerbeck, Meinsen, Steinbergen und Vehlen. Häufig wurden Ausstattungsstücke aus dem abgebrochenen Vorgängerbau in die neue Kirche übernommen. Die Bandbreite der Inschriftenträger in den Dorfkirchen reicht von Glocken und vasa sacra über Kanzeln, Altäre und Taufbecken hin zu Emporen und Wand- und Deckenmalereien. Ein besonders herausragendes Beispiel einer Deckenmalerei mit reichem zweisprachigen Inschriftenprogramm enthält die Kirche in Hülsede, die in den 1570er-Jahren in reformatorischem Sinne umgestaltet wurde (Nr. 275; vgl. Nr. 249 u. 250). Rund 30 Denkmäler des Totengedächtnisses sind für die Dorfkirchen überliefert; sie erinnern zumeist entweder an Angehörige der in den jeweiligen Dörfern ansässigen Adelsfamilien oder an die Pfarrer bzw. Pastoren. Schwerpunkte der Inschriftenüberlieferung liegen im bereits erwähnten Hülsede mit 13 Inschriften, in der ehemaligen Archidiakonatskirche in Apelern mit elf Inschriften, in Deckbergen mit 15 Inschriften und in dem im Stiftsbezirk Loccum gelegenen Wiedensahl mit 13 Inschriften. In Wiedensahl entfällt allerdings ein großer Teil der aus der Zeit vor 1650 stammenden Inschriften auf bäuerliche Fachwerkhäuser. Im Landkreis Schaumburg ließ sich eine verhältnismäßig große Zahl an beschrifteten Luchtbalken aus den Dielen der Hallenhäuser ausfindig machen, neben Wiedensahl auch in Helpsen, Lauenhagen, Meinsen, Scheie und Volksdorf.78)

Zitationshinweis:

DI 104, Landkreis Schaumburg, Standorte der Inschriften (Katharina Kagerer), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020e008.

  1. Bad Nenndorf wurde erst im Jahr 2000 zur Stadt erhoben und wird im Folgenden nicht zu den Städten gerechnet. In Städte eingemeindete Dörfer (z. B. Deckbergen, Hohenrode, Probsthagen) werden als Dörfer gezählt. »
  2. Die St. Martini-Kirche diente von 1554 bis 1918 als Grablege der Grafen von Holstein-Schaumburg bzw. Schaumburg-Lippe, von 1625 an in der unter dem Mausoleum gelegenen Gruft, die jedoch nicht zugänglich ist. Über Inschriften auf den dort befindlichen Särgen aus der Zeit vor 1650 ist nichts bekannt. Die Särge für Otto IV. und für Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg wurden anlässlich ihrer Umbettung in die Gruft laut einer Rechnung mit gemalten Inschriften versehen (Suermann, Mausoleum, S. 141); diese Särge sind jedoch laut einem Belegungsplan der Fürstlichen Hofkammer (abgedruckt bei Bei der Wieden, Schaumburg-Lippische Genealogie, S. 79f.) nicht mehr vorhanden. »
  3. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 64. »
  4. Aus Archivalien des Stadtarchivs Stadthagen geht hervor, dass bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Grabsteine vom Martini-Kirchhof und vom Friedhof vor dem Westerntor als Baumaterial verkauft wurden (vgl. Nr. 514, 527 u. 538). »
  5. Dieter Brosius, Das Ende des Franziskanerklosters in Stadthagen, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 20 (1969), Nr. 2, ohne Seitenzählung; Jobst, Franziskanerkloster, S. 77–82. »
  6. Conze, Haussprüche; vgl. dazu und zu weiteren Arbeiten zu den Stadthäger Hausinschriften unten Kap. 5»
  7. Bruckhaus, Bückeburg, S. 3; Keyser, Niedersächsisches Städtebuch, S. 78. »
  8. Keyser, Niedersächsisches Städtebuch, S. 78; vgl. Bruckhaus, Bückeburg, S. 4. »
  9. Albrecht, Bückeburger Stadtkirche, S. 159. Bei der damaligen Renovierung wurden nur die gut erhaltenen Grabplatten bewahrt. »
  10. Zur Baugeschichte vgl. Nr. 474»
  11. Vgl. dazu Bruckhaus, Bückeburg, S. 3–16 u. 188–192. Zur Stadtkirche Albrecht, Bückeburger Stadtkirche. »
  12. Nr. 12, 51 u. 97 sowie unten Kap. 9 s. v. Bückeburg; vgl. Albrecht, Bückeburger Stadtkirche, S. 166–171. »
  13. 1862 wurden bei Planierungsarbeiten u. a. „unleserliche Grabsteine ausgegraben“ (Gärtner, Siedlungskontinuität, S. 80), die aber damals vermutlich nicht geborgen wurden. »
  14. Vogtherr, Städtegründer, S. 334f. »
  15. Rinteln wurde 1644 ausgeplündert (Maack, Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 69). »
  16. Jarck, Rinteln, S. 1321–1323; vgl. Steinwascher, Die frühe Geschichte des Klosters Rinteln; ders., Zur Geschichte des Klosters St. Jakobi. »
  17. Schormann, Academia Ernestina, S. 301. »
  18. Keyser, Niedersächsisches Städtebuch, S. 260f. »
  19. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 99f. »
  20. Vgl. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 101. »
  21. Brosius, Möllenbeck, S. 1060. »
  22. Dazu Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 127–132; Husmeier, Graf Otto IV., S. 213f. »
  23. Brosius, Möllenbeck, S. 1061. »
  24. Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 179. »
  25. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 1–16. »
  26. Sie bezeichnete sich als priorissa moderna (Brosius, Obernkirchen, S. 1110). »
  27. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 37f. mit Anm. 49. »
  28. Brosius, Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 113f. »
  29. Brosius, Obernkirchen, S. 1110f.; ders., Stift Obernkirchen 1167–1565, S. 149–183. »
  30. Dazu Wehrhahn, Schloß Schaumburg. »
  31. Vgl. Stefan Meyer, Georg Wilhelm Fürst zu Schaumburg-Lippe (1784–1860). Absolutistischer Monarch und Großunternehmer an der Schwelle zum Industriezeitalter (Schaumburger Studien 65), Bielefeld 2007, S. 140. »
  32. Ursprünglich hatte Börries von Münchhausen sogar elf Grabplatten hier versammelt, von denen zwei aber wieder zurück nach Obernkirchen gebracht wurden. »
  33. Eine Karte der Pfarreien bei Petke, Ausbildung des Pfarreiwesens, S. 215. »
  34. Dazu unten Kap. 6.3. Auf diese Inschriften hat mich Ulrich von Damaros (Rinteln) aufmerksam gemacht. »