Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 539 Bückeburg, Stadtkirche 1625

Beschreibung

Grabplatte für Johannes Michelbach. Stein. Die hochrechteckige Grabplatte ist außen an der Südseite der Kirche als erste Platte von Westen angebracht. Um die Platte läuft Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile um. In den vier Ecken des Innenfelds in rechteckigen, zur Mitte hin abgeschrägten, vertieften Feldern vier Vollwappen. Zwischen den beiden oberen Wappen in einem querrechteckigen Schriftfeld die Fortsetzung der Inschrift A erhaben in vertieftem Feld. Im ebenfalls vertieften Innenfeld die erhaben ausgehauene Inschrift B, in der zentrale Begriffe durch einen größeren Schriftgrad hervorgehoben sind.

Maße: H.: 227 cm; B.: 142 cm; Bu.: 5,7 cm (A Umschrift), 4,8 cm (A Fortsetzung), 4,3–6,4 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. A

    ANNO CHRIS[TI M] DC XXV DENa) [ . ]b) / (DECEM)BRISc) IST DER WEILANT ERWURDIGER UND HOCHGELART[ER] / M(AGISTER) IOHANNES MICHELBACH [C(OMITIS)] · H(OLSATIAE) · S(CHAUMBURGIAE) · / HOFPREDIGER UND SUPERINTENDENS IN GODT SEHLIG ENTSCHLAFFEN // IM LXVId) IAHR / SEINES ALTERS

  2. B

    2 . TIM . 4 / ICH WERDE SCHON AUFGEOPFERT / UNDT DIE ZEIT MEINES ABSCHIEDES / IST FURHANDEN, / ICH HAB EIN GUTEN KAMPF GEKEMPFET / ICH HAB DEN LAUFF VOLLENDET / ICH HAB GLAUBEN GEHALTEN / HINFORDT IST MIR BEIGELEGT DIE / KRONE DER GERECHTIGKEIT / WELCHE MIR AN IENNEM TAG / DER GERECHTE RICHTER / GEBEN WIRT, NICHT MIR ABER / ALLEIN, SONDER AUCH ALLEN / DIE SEINE ERSCHEINUNG LIEB / HABEN .1)

Wappen:
Michelbach2)Holtzapfel4)
Taube3)?5)

Kommentar

Flach erhabene, gleichmäßig gearbeitete Kapitalis mit deutlichem Wechsel zwischen Haar- und Schattenstrichen. Strichsporen. Ligaturen werden zahlreich verwendet. Rundes U. Die Cauda des R ist gerade und endet auf der Grundlinie; der untere Schrägbalken des K hingegen ist sowohl am Wortanfang als auch im Wortinneren geschwungen und unter die Grundlinie verlängert. Beim G in der kapitalen Grundform läuft das untere Bogenende in die Cauda aus. Die Ausführung der Schrift entspricht, abgesehen von der Vielzahl der Ligaturen, derjenigen auf den Grabplatten für Gese Ianes, Janna Schulen und Elisabeth Juliane von Mengersheim (vgl. Nr. 532 u. Einleitung Kap. 8.4.). Das I in ICH am Beginn von Inschrift B ist mit dem Versal J in JANNA auf der Grabplatte Nr. 540 vergleichbar: Der Deckbalken ist nach links unten umgebogen, der Schaft geschwungen. Einen ähnlich barock anmutenden Duktus hat der epsilonförmige Versal E in ERWURDIGER (Inschrift A).

Johannes Michelbach wurde am 3. Mai 1559 geboren als Sohn des Magisters Johannes Michelbach, Pfarrer in Rauschenberg (Lkr. Marburg-Biedenkopf, Hessen), und der Catharina Taube. Er besuchte von 1572 an das Pädagogium in Marburg und anschließend die dortige Universität, an der er auch den Magistergrad erwarb.6) Anschließend war er als Lehrer tätig. Seine erste Predigerstelle erhielt Johannes Michelbach in Marburg. 1585 wurde er Nachfolger seines Vaters auf der Pfarrstelle in Rauschenberg.7) Im selben Jahr heiratete er Magdalena Holtzapfel (Nr. 619). Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor.8) Die Tochter Eleonore heiratete später Michelbachs Bückeburger Amtsnachfolger Johannes Prange (Nr. 559).9)

Michelbachs Tätigkeit als Prediger in Rauschenberg setzte nach zwanzig Jahren die Einführung des reformierten Bekenntnisses im marburgischen Teil der Landgrafschaft Hessen ein Ende. Er wurde 1605 von Graf Ernst von Holstein-Schaumburg zum Hofprediger und Superintendenten bestimmt, 1615 auch zum Prediger an der Bückeburger Stadtkirche,10) zu deren Einweihung er die Predigt hielt.11) Michelbach war neben Johann Jakob Bernhardi (Nr. 484) auch maßgeblich an der Erarbeitung einer neuen Schaumburgischen Kirchenordnung beteiligt, die Graf Ernst im Jahr 1614 erließ (vgl. Nr. 528). Zu Ernsts Begräbnis im Jahr 1622 hielt Michelbach zwei Leichenpredigten, die unter dem Titel Exequiae Ernestinae gedruckt wurden. Ferner veröffentlichte er eine aus 88 Predigten bestehende Außlegung vber das Buch der Richter, die noch 1678 nachgedruckt wurde.12)

Michelbach starb am 1. Dezember 1625 und wurde am 5. Dezember in der Bückeburger Stadtkirche bestattet.13) Zu Michelbachs Begräbnis predigte Johannes Prange über das 4. Kapitel des zweiten Timotheus-Briefs, aus dem das Zitat in Inschrift B stammt; um diesen Predigttext hatte Michelbach zu Lebzeiten ausdrücklich gebeten.14)

Textkritischer Apparat

  1. DEN] DIE Michel.
  2. Der Leichenpredigt zufolge starb er am 1. Dezember (Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. D IVv).
  3. Befund: XBRIS.
  4. LXVI] LXVII Michel.

Anmerkungen

  1. 2 Ti 4,6–8.
  2. Wappen Michelbach (Hausmarke H29, heraldisch rechts oben begleitet von einer Rose).
  3. Wappen Taube (rechtsgewendete Taube auf einem Ast sitzend).
  4. Wappen Holtzapfel (Baum) (Wappenzuordnung nach Michel).
  5. Wappen ? (Rübe?).
  6. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. C IIIr; vgl. Matrikel Marburg, Teil 3, S. 7.
  7. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. C IIIv–C IVr.
  8. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. D Ir.
  9. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 410, Anm. 2 mit näheren Angaben auch zu den weiteren Kindern Michelbachs.
  10. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. D Iv–D IIv.
  11. Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 410, Anm. 2.
  12. Bei der Wieden, Ein norddeutscher Renaissancefürst, S. 82.
  13. Leipzig 1612 (VD17, 23:324640W); Ndr.: VD17, 23:273091P.
  14. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, Titelblatt und fol. D IVv.
  15. Leichenpredigt für Johannes Michelbach, fol. C1v.

Nachweise

  1. Michel, Grabsteine, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 9 (1958), Nr. 9, ohne Seitenzählung, Grabstein 1.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 539 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0053902.