Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 388 Lauenau, Gut Schwedesdorf um 1600

Beschreibung

Brüstungsplatte, möglicherweise ursprünglich ein Kaminsturz.1) Stein. Der Stein ist an der Südwestseite des Seitenflügels des Gutshauses an der Brüstung des Treppenpodestes vor der Eingangstür eingemauert. Er zeigt eine von Beschlagwerk gerahmte querovale Kartusche. Darin erhaben in vertieftem Feld unmittelbar untereinander die beiden Inschriften; die erste Zeile ist jeweils in größerer Buchstabenhöhe ausgeführt. Am Ende der Inschrift B ein Blütenornament.

Oberhalb der Eingangstür am Fachwerkaufbau hölzerne Brüstungsplatten mit Inschriften aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.2)

Maße: H.: 60 cm; B.: 204 cm; Bu.: 6–8 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. A

    GEWALT GELT, VNDT GVNST; /BRICHT OFFT RECHT TREVW VNDT KVNST3)

  2. B

    QVAE MVTARI NON POSSVNT / AEQVO ANIMO SVNT FERENDAa)4)

Übersetzung:

Was man nicht ändern kann, muss man mit Gleichmut ertragen. (B)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Die Buchstabenformen der eng spationierten schrägliegenden Kapitalis mit schmaler Strichstärke weisen auf den Stadthäger Bildhauer Werner Bartermann (Nr. 412 u. Einleitung Kap. 8.4). Charakteristisch sind insbesondere K und R: Der untere Schrägbalken des K und die Cauda des R sind geschwungen, die obere Wölbung ist in der vorliegenden Inschrift immer eigenwillig abgeknickt und spitz ausgezogen (vgl. Nr. 375, 374, 385, 412). S mit langgestrecktem Mittelteil. B mit weit nach rechts gezogenem unteren Bogen. Der Mittelbalken des E ist keilförmig verbreitert. Das untere Bogenende des C ist leicht einwärts gebogen. Die Cauda des G ist unten gegabelt. Der Balken des L und der untere Balken des E in GEWALT, ebenso der untere Balken des E in TREVW ist geschwungen und unter der Grundlinie nach rechts ausgezogen (vgl. Nr. 411). Beim N in GVNST und beim zweiten N in NON Verlängerung des Schrägschaftes unter die Grundlinie (vgl. Nr. 411). Typisch für diesen Steinmetzen sind auch die Rosetten innerhalb des Beschlagwerks links und rechts der Inschrift (vgl. Nr. 366, 375 u. 412).

Textkritischer Apparat

  1. FERENDA] anscheinend korrigiert aus TERENDA.

Anmerkungen

  1. Aussparungen an den unteren Ecken machen es wahrscheinlich, dass es sich ursprünglich um einen Kaminsturz handelte; die Maße sprechen nicht dagegen. Möglicherweise wurde der Kaminsturz aus dem Haupthaus entfernt, als dort Kamine aus dem Münchhausenhof in Hess. Oldendorf (Lkr. Hameln-Pyrmont) eingebaut wurden.
  2. Links: SUSCIPERE ET FINIRE („Beginnen und beenden“). Rechts: NUNQUAM RETRORSUM („Niemals rückwärts“).
  3. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 1 s. v. „Gewalt“, Nr. 30: Gewalt, gelt, Bitt vnd gunst schwecht Ehr, Recht vnd Kunst.
  4. Ein wörtliches Vorbild dieses Sprichworts ließ sich nicht nachweisen. Der Spruch ferenda esse fortiter quae mutari non possunt findet sich im Index einer Euripides-Ausgabe des Kaspar Stiblinus aus dem Jahr 1562 (Evripides Poeta Tragicoru[m] princeps, in Latinum sermonem conuersus: adiecto eregionè textu Graeco, Basel 1562); verwiesen wird auf Ion, V. 1260, wo es allerdings nur heißt, dass man das Schicksal ertragen müsse. Vgl. Terenz, Adelphoe, V. 737f. (IV,7, V. 19f.): Auf die Frage des Demea, ob Micio mit der Entwicklung zufrieden sei, antwortet dieser, dass er es dann nicht sei, wenn er etwas an den Ereignissen ändern könne. Da er aber nichts ändern könne, ertrage er es mit Gleichmut. (DEMEA: Ceterum / placet tibi factum, Micio? MICIO: Non, si queam / mutare. nunc quom non queo, aequo animo fero.). Bei Wander ist als deutsches Sprichwort nachgewiesen: „Was man nicht ändern kann, nehme man geduldig an.“ (Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 1 s. v. „ändern“, Nr. 10, Sp. 78).

Nachweise

  1. Parisius, Das vormalige Amt Lauenau, 1911, S. 172.
  2. Stölting/von Münchhausen, Rittergüter, S. 206.
  3. Hesse, Heimatkundliche Wahrzeichen, S. 159, Nr. 419.
  4. B. Bei der Wieden, Außenwelt und Anschauungen Ludolf von Münchhausens, S. 173 (B).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 388 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0038808.