Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 366 Obernkirchen, Stift 1597 o. später

Beschreibung

Fragment der Grabplatte für Anna von Bischofshausen. Stein. Das Fragment, das zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sommer 2009 im Innenhof des Stifts aufgerichtet war, bildet den oberen rechten Teil einer Grabplatte. Inschrift A lief erhaben in vertiefter Zeile um die Platte um; sie wird in der oberen rechten Ecke durch eine im Relief gearbeitete Rosette unterbrochen. Im Innenfeld oben in einem vertieften Medaillon ein Vollwappen, darunter die eingehauene Beischrift B. Unterhalb des Wappens in einem vertieften Feld die erhaben ausgeführte Inschrift C2, die sich anhand der Textvorlage rekonstruierten lässt. Das Schriftfeld war mit einer Überschrift versehen, von der am Bruchrand noch die eingehauene Inschrift C1 zu sehen ist.

Inschrift C2 ergänzt nach der Textvorlage.

Maße: H.: 133,5 cm; B.: 56 cm; Bu.: 5,5 cm (A), 3 cm (B), 4 cm (C1), 5 cm (C2).

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    [ - - - ]EN · 13 · DECEMB(RIS) / ZWISCHEN · 3 · VND · 4 · VHRE IST · DE EDLE VND VIELTHVGENT[ - - - ]

  2. B

    · V(ON) · MANDELSLO

  3. C1

    [ - - - ]9 ·a)

  4. C2

    [IN MEIM ELEND WAR] DIS MEIN TROST[ICH SPRACH ER LEBT] DER MICH ERLOST[AVFF DEN ICH IN DER N]OT VERTRAWT[WIRD MICH WIDER MI]T · MEINER HAVT[VMBGEBEN DAS ICH] AVS DER ERD[VOM TOD WIDER E]RWECKET WERD[IN MEINEM FLEISCH WE]RD ICH GOT SEH(N)[IST GEWISLICH WAR VND] WIRT GESCHEH(N)1)

Versmaß: Deutsche Reimverse (C2).

Wappen:
Mandelsloh2)

Kommentar

Eng spationierte schrägliegende Kapitalis mit Bogen- und Linksschrägenverstärkung sowie dreieckigen Sporen. Zahlreiche Ligaturen. Der Mittelbalken des E ist keilförmig verbreitert. Auffällig sind die geschwungenen R-Cauden, bei denen man nahezu von einer Bogenschwellung sprechen kann. Sie sind einwärts gekrümmt und unter die Grundlinie verlängert. Analog dazu ist der untere Schrägbalken des K gestaltet. S mit langgestrecktem Mittelteil. B mit weit nach rechts gezogenem unterem Bogen. Die Cauda des G ist unten gegabelt. Das untere Bogenende des C ist leicht einwärts gebogen. Am linken Schaft des M in MEIN (Inschrift C2, Z. 1) setzt am oberen Schaftende ein geschwungenes Zierhäkchen an. In 13 schaftförmige 1 und runde 3, bei der Angabe der Todesstunde spitze 3. Die Buchstabenformen weisen auf die Werkstatt des Stadthäger Bildhauers Werner Bartermann (vgl. das Taufbecken in Hohnhorst aus dem Jahr 1601, Nr. 412 u. Einleitung Kap. 8.4). Die Grabplatte für Anna von Bischofshausen weist dieselben Buchstabenformen auf wie diejenige für ihren Ehemann Börries d. J. von Münchhausen (Nr. 411). Auch in ihrer sonstigen äußeren und inhaltlichen Gestaltung (Formular von Inschrift A, Gedicht im Innenfeld, Rosetten in den Ecken) stimmen die beiden Grabplatten überein. Möglicherweise wurde die Grabplatte für die bereits 1597 verstorbene Anna von Bischofshausen erst 1601 zusammen mit der für ihren Ehemann angefertigt.

Das Gedicht in Inschrift C stammt aus Martin Luthers Vorrede zu seiner Sammlung von Begräbnisliedern aus dem Jahr 1542. Er nimmt darin Inhalte aus Hiob 19,25f. (Aber ich weis das mein Erlöser lebet / vnd er wird mich hernach aus der Erden auffwecken. Vnd werde darnach mit dieser meiner Haut vmbgeben werden / vnd werde in meinem Fleisch Gott sehen.) auf. Luther empfiehlt in dem erwähnten Vorwort eine Reihe verschiedener Bibelzitate zur Verwendung in Grabinschriften und bezieht dabei Versparaphrasen ein. Die von ihm im Anschluss abgedruckten Gedichte sollen beispielhaft die Möglichkeit der Versifizierung aufzeigen; in der Gedichtform sieht Luther den Vorzug, dass die Sprüche deste leichter behalten und deste lieber gelesen würden.3)

Anna von Bischofshausen war die Tochter des Ernst von Bischofshausen und der Dorothea von Mandelsloh. Sie war mit Börries d. J. von Münchhausen verheiratet. Nach ihrem Tod am 13. Dezember 1597 auf Gut Brummershop wurde sie in Obernkirchen begraben.4) Da das Grabplattenfragment der Grabplatte für den Ehemann der Verstorbenen gleicht, lässt es sich aufgrund des Sterbedatums und des Wappens als Grabplatte für Anna von Bischofshausen identifizieren.

Textkritischer Apparat

  1. Vermutlich zu ergänzen zu [HIOB AM 1]9 o. ä.

Anmerkungen

  1. Luther, Vorrede zu den Begräbnisliedern (WA 35 (1923), S. 482); vgl. den Kommentar.
  2. Wappen Mandelsloh (umwundenes Jagdhorn); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 85 u. Bd. 2, Tafel 206.
  3. Luther, Vorrede zu den Begräbnisliedern (WA 35 (1923), S. 481).
  4. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 145, S. 78. Bei Rudolf von Buttlar-Elberberg, Stammbuch der Althessischen Ritterschaft, Wolfhagen 1888 s. v. von Bischoffshausen, Tafel I, ist 1601 als Todesjahr angegeben.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 366 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0036602.