Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 349 Stadthagen, Alte Lateinschule, Am Kirchhof 5 1594

Beschreibung

Wappenstein. Der hochrechteckige Stein ist an der Westseite des Gebäudes links neben der Tordurchfahrt auf Höhe des ersten Obergeschosses eingemauert. Er zeigt ein Vollwappen, darunter auf einer Beschlagwerkkartusche die erhaben in vertieftem Feld ausgeführte Inschrift.

Maße: H.: ca. 90 cm; B.: ca. 60 cm; Bu.: ca. 4 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. ILLVSTRI HEROI AC PRINCIPI, DOMINO OTTONI / COMITI IN HOLSTEIN SCHAVMBVRGK ET / STERNEBERGK, DOMINO IN GEHMEN : AC SENA=/TVI HVIVS OPPIDI : QVOD IS SCHOLAM HANC / INCREDIBILI PIETATE EGREGIJS REDITIBVS LOCV=/PLETARIT, HIC VERÒ ORNARIT HOC AEDIFICIO À / FVNDAME(N)TIS EXCITATO, PROVISORES MEMO=/RIAE ET GRATITVDINIS ERGÔ HOC MONVMENTVM / POSVERVNT, CALENDIS AVGVSTI1) / ANNO CHRISTI M D XC IIIIa)

Übersetzung:

Dem erlauchten Helden und Fürsten, Herrn Otto Graf von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herrn zu Gemen, und dem Stadtrat dieser Stadt, haben die Schulaufseher zum Andenken und aus Dankbarkeit am 1. August im Jahr Christi 1594 diese Gedenktafel setzen lassen, weil ersterer diese Schule in unglaublicher Güte mit außerordentlichen Einkünften reich gemacht hat, letzterer hingegen sie mit diesem Gebäude, das von den Grundmauern aufgeführt wurde, ausgestattet hat.

Wappen:
Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen2)

Kommentar

Gleichmäßig gestaltete schrägliegende Kapitalis mit deutlicher Linksschrägen- und Bogenverstärkung. Das O und die Null sind spitzoval mit Schattenachse. Beim R kleiner oberer Bogen und geschwungene Cauda. Der Schaft des L ist oben gegabelt. Der Rechtsschrägschaft des X ist geschwungen. Scharrierung der Buchstabenoberfläche (vgl. Nr. 337 u. 350). Das Stück gehört zu einer Gruppe von Werken, die aufgrund ihrer Buchstabenformen derselben Werkstatt zugeordnet werden können (vgl. Einleitung Kap. 8.4); vermutlich sind sie Johann Robin zuzuschreiben.

Die Lateinschule ist in Stadthagen bereits seit dem 14. Jahrhundert bezeugt.3) 1565 wurde der vorherige Fachwerkbau durch ein wohl von dem Baumeister Jakob Kölling (Nr. 225) errichtetes Steingebäude ersetzt.4) Die Baukosten beliefen sich auf 3100 Mark.5) 1571 erließ Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg eine neue Schulordnung, durch die die Schule in die Trägerschaft des städtischen Rats überging. Zur Finanzierung der Schule steuerte der Landesherr Einkünfte aus seinen Meierhöfen bei.6) Weitere, in der Inschrift nicht erwähnte Stiftungen kamen von dem Drosten Hermann von Mengersen (Nr. 329) und aus dem Nachlass des Obernkirchener Propstes Johannes Kostken (Nr. 205). Für die Verwaltung der Schule wurden vier provisores eingesetzt: Dieses Gremium bestand aus dem Bürgermeister, einem Ratsherrn, dem Kanzler des Grafen und einem weiteren Rat aus dem Adel. Ihr Aufgabenbereich ist durch die erwähnte Schulordnung geregelt. Neben der Finanz- und Personalverwaltung der Schule konnten sie zusammen mit den Pastoren auch Einfluss auf die Lehrinhalte nehmen und Visitationen durchführen.7) Die Gedenktafel für Graf Otto IV. ließen die provisores im Jahr 1594 an der Schule anbringen; ihre Herstellung verursachte Kosten in Höhe von 4 Talern.8)

Textkritischer Apparat

  1. M D XC IIII] M D als neulateinische Zahlzeichen; M D XCIV Hauber, Dolle, Röhling; M D XC III Kdm.

Anmerkungen

  1. 1. August.
  2. Wappen Grafen von Holstein-Schaumburg und Sternberg, Herren zu Gemen (Herzschild Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt, diese in der Mitte mit einem Schildchen belegt (Holstein-Schaumburg); quadriert: 1. u. 4. Stern (Sternberg), 2. u. 3. Balken mit drei Pfählen belegt (Gemen)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 35 u. Tafel 39.
  3. Prinz, Stadthagener Lateinschule, S. 49f.
  4. Albrecht, Landesherrliche Baumaßnahmen, S. 179.
  5. Prinz, Stadthagener Lateinschule, S. 50f. mit Anm. 9.
  6. Röhling, Stadthagens Lateinschule, Gymnasium und Universität, S. 80; vgl. Jobst, Gymnasium illustre, S. 68.
  7. Röhling, Stadthagens Lateinschule, Gymnasium und Universität, S. 81f.
  8. Röhling, Stadthagens Lateinschule, Gymnasium und Universität, S. 89.

Nachweise

  1. Hauber, Primitiae Schauenburgicae, S. 296.
  2. Dolle, Bibliotheca Historiae Schauenburgicae, S. 317.
  3. Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 388.
  4. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 86.
  5. Röhling, Stadthagens Lateinschule, Gymnasium und Universität, S. 90.
  6. Steinicke, Hausinschriften, Nr. 18, S. 43.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 349 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0034908.