Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 267 Stadthagen, Schloss um 1576

Beschreibung

Kamin. Stein. Der Kamin „Triumph der Fortuna“ oder „Vier Jahreszeiten“ befindet sich heute in einem kleineren, als Büro genutzten Raum des Schlossgebäudes. Im 19. Jahrhundert befand er sich (bei anderer Raumaufteilung) im Speisesaal des Westflügels, in dem auch die Bildteppiche Nr. 459 hingen.1)

Der Kaminsturz liegt auf Konsolen auf, die von Hermenpilastern auf Postamenten getragen werden. Der Sturz zeigt einen vertieften Fries. Am linken und rechten Rand je ein Putto, links mit einer Blumenvase auf dem Kopf, rechts mit einem blattlosen Ast über der Schulter. Die Darstellungen sind überschrieben mit den Inschriften A (links) und D (rechts). Auf dem Relief des Frieses von links nach rechts eine Geigerin und eine weibliche Figur mit Rechen und Garbe, rechts oberhalb ihres Kopfes ein Schriftband mit der Inschrift B. Dann ein von einem Pferd gezogener offener Wagen. Auf dem Pferderücken sitzt ein Putto. Auf dem Kutschbock ein Stundenglas und ein Totenschädel, darüber in einer Rollwerkkartusche die Inschrift E. Das vordere Wagenrad ist als Uhr gestaltet, auf dem Radkranz die Inschriften F. Zwischen den Wagenrädern ist am Wagen die Inschrift G angebracht. Auf dem hinteren Teil des Wagens sitzt die seifenblasende Fortuna. Nach dem Wagen folgt eine weibliche Figur mit einem Fruchtkorb auf dem Kopf und einem Krug in der Hand; links von ihrem Kopf ein Schriftband mit der Inschrift C. Ganz rechts der gekrönte Janus mit Stab und Schlüssel, zu seinen Füßen zwei Gefäße mit Flammen.

Im Giebel des Kamins ein Vollwappen mit zwei bewaffneten Kriegern als Schildhaltern, die in die Helmdecken eingehüllt sind. Auf dem geschwungenen Rahmen die Inschrift H. An den Giebel lehnen sich von außen zwei allegorische Figuren, links Prudentia mit einem Buch auf den Knien und einer Fackel über der Schulter, auf dem aufgeschlagenen Buch die dem Betrachter zugewandte Inschrift I. Rechts Justitia mit Waage und Schwert. Auf dem Schwert die Inschrift J. In der Zwiebelspitzenbekrönung Caritas mit zwei Kindern, die ihr Garben und Weintrauben reichen. Die Inschriften A, D und I erhaben ausgehauen, B, C, G und H erhaben in vertiefter Zeile, E erhaben in vertieftem Feld, F und J eingehauen. Der Kamin ist steinfarben gefasst.

Maße: H.: 90 cm (Sturz); B.: 290 cm; Bu.: ca. 4 cm (A, D), ca. 3 cm (B, C, E), ca. 2 cm (F), ca. 2,5–3 cm (G), ca. 5 cm (H), ca. 2,5 cm (I, J).

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis (A–E), Kapitalis (G, I, J), Kapitalis mit Versal (H).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/2]

  1. A

    VER

  2. B

    AESTAS

  3. C

    AVTVMNVS

  4. D

    HIEMS

  5. E

    A(N)TE FOCVM SI FRIGVS / ERIT SI MESSIS IN VMBRAa)2)

  6. F

    1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / 10 / 11 / 12

  7. G

    VIRTVS / POST FVNERA CRESCIT3)

  8. H

    VONb) GOTTES GNADE(N)c) · ELISABETH VRSVLA · GEBOR(NE) HERTZOGIN(N) / · ZV BRAVN//SWIG VND / LVNENBVRG · GRAVI(N) ZV HOLST(AIN) SCHAWMB(VRG) · VN(D) STERENB(ARG) FRAW ZV GEM(EN)

  9. I

    COG/NITI/O

  10. J

    IVSTITIA

Übersetzung:

Frühling. (A)

Sommer. (B)

Herbst. (C)

Winter. (D)

Vor den Herd, wenn es kalt ist und wenn die Ernte eingefahren ist. (E)

Die Tugend wächst nach dem Tod. (G)

Erkenntnis. (I)

Gerechtigkeit. (J)

Versmaß: Hexameter (E), zweite Hälfte eines Hexameters (G).

Wappen:
Braunschweig-Lüneburg4)

Kommentar

Sowohl die senkrecht stehende als auch die schrägliegende Kapitalis weisen typische Merkmale der Buchstabenformen Arend Robins (vgl. Einleitung Kap. 8.4) auf. Ferner ist in Inschrift H der untere Balken des Z geschwungen, in Inschrift D und H Halbnodus am Schaft des I und teilweise am Mittelbalken des H. Der Schrägschaft der 7 in Inschrift F ist im Gegensatz zur sonst bei Robin üblichen Praxis nicht durchgebogen.

Der Kamin ist nicht signiert, lässt sich aber aufgrund seiner auffälligen stilistischen Ähnlichkeit zu dem Kamin von 1576 (Nr. 266) und aufgrund der Schriftmerkmale ebenfalls dem Bildhauer Arend Robin zuschreiben.5) Die Stücke wurden vermutlich in engem Zusammenhang zueinander geschaffen. Während der Kamin von 1576 Namen und Wappen Ottos IV. zeigt, wird der hier beschriebene Kamin inschriftlich und über die Wappendarstellung seiner Frau Elisabeth Ursula zugeordnet.

Der Kamin thematisiert den wechselnden Lauf der Zeiten und die Vergänglichkeit. Inschrift G scheint in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass allein die Virtus nicht der Vergänglichkeit und der Wandelbarkeit der Fortuna unterworfen ist.6) Die Personifikationen der Prudentia und der Justitia auf der Bekrönung bilden ein Pendant zu Fides und Spes auf dem anderen Kamin.7)

Textkritischer Apparat

  1. A kleiner und hochgestellt auf dem Rand der Kartusche ausgehauen.
  2. N retrograd.
  3. Erstes N retrograd.

Anmerkungen

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 49 u. Tafel 5.
  2. Vergil, eclogae 5,70.
  3. Vgl. ähnlich Walther, Proverbia, Nr. 44318a: Virtus post funera vivit.
  4. Wappen Braunschweig-Lüneburg (quadriert, 1. zwei Leoparden übereinander (Braunschweig), 2. Löwe auf mit Herzen bestreutem Grund (Lüneburg), 3. bekrönter Löwe (Everstein), 4. Löwe in gestücktem Bord (Homburg)); vgl. Veddeler, Landessymbole, S. 85.
  5. Vgl. Soenke, Triumph des Manierismus, S. 50–54; Kreft/Soenke, Weserrenaissance, S. 34.
  6. Unklar bleibt der Erklärungsversuch von Borggrefe/von Büren (Schloss Stadthagen, S. 21f.): „Die Inschrift ‚VIRTUS POST FUNERA CRESCIT‘ (Tugend verbessert sich nach dem Tod) offenbart christliche Skepsis gegenüber der Natur, die im Triumph der launischen Fortuna deutlich wird.“
  7. Dass Klugheit und Gerechtigkeit, die man am ehesten als Herrschertugenden verstehen würde, nicht auf dem Kamin mit dem Wappen Ottos, sondern auf dem seiner Ehefrau zugeordneten Kamin dargestellt sind, verwundert.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 49f. u. Tafel 5 (A, C–E, G).
  2. Kreft/Soenke, Weserrenaissance, Abb. 85.
  3. Soenke, Triumph des Manierismus, S. 53 (G).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 267 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0026704.