Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 253 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1575

Beschreibung

Epitaph für Melchior Steven. Stein. Das Epitaph ist innen über der Südtür angebracht. In einer konkaven Rundbogennische kniet der erhaben im Relief dargestellte Verstorbene auf einem Kissen unter einem Kruzifix mit einem in pseudohebräischen Buchstaben1) ausgeführten Titulus. Am Fuß des Kreuzes die Künstlersignatur A (M31). Als Umschrift um die Rundbogennische Inschrift B. In den Bogenzwickeln links der Adler des Johannes, rechts der Engel des Matthäus, jeweils bezeichnet durch die Inschriften C und D, die auf Schriftbändern angebracht sind. Zu beiden Seiten der Nische je eine Karyatide, die linke auf ihrem Postament mit Inschrift E, die rechte ebenfalls auf ihrem Postament mit Inschrift F bezeichnet. Auf dem Sockel zwischen zwei schildtragenden Löwen die Inschrift G. In der Nische des Obergeschosses eine Darstellung des auferstandenen Christus, links davon der Markuslöwe, rechts der Stier des Lukas mit den darunter angebrachten Beischriften H und I. Seitlich auf den rahmenden Voluten zwei weibliche Figuren, links Fides, rechts Caritas, die durch die Beischriften J und K auf dem oberen Nischengesims bezeichnet sind. An den Voluten Inschrift L, die mehrfach durch die in die Schriftzeile hineinreichende Kleidung der allegorischen Figuren unterbrochen wird. Im rundbogigen Abschluss ein Putto mit Totenkopf und Stundenglas. Die Inschriften C, D, H und I erhaben ausgehauen, A eingehauen, B, E, F, J, K und L erhaben in vertiefter Zeile, G erhaben in vertieftem Feld.

Maße: H.: ca. 240 cm; B.: ca. 120 cm; Bu.: ca. 2 cm (A, C, D, J, K), ca. 2,5 cm (H, I), ca. 3 cm (E, F), ca. 3,5 cm (G), ca. 4 cm (B, L).

Schriftart(en): Kapitalis (A–D, L), schrägliegende Kapitalis (E–K).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/1]

  1. A

    A(REND) R(OBIN)

  2. B

    MISERERE MEI DEVS // SECVNDVM MAGNAM // MISERICORDIAM TVAM2)

  3. C

    IOANN//ES

  4. D

    MA//THEV//S

  5. E

    SPES

  6. F

    PACIENCIA

  7. G

    PROH DOLOR ENERVI SE(N)IOa) TV(M) MORTE SOLVTVS / MELCHIOR HAC STEVEN CONTVMVLATVS HVMO / HVIVS AD EXEQVIAS OPVS HAC SAXVMQ(VE) DECORV(M) / EXSTRVCTVM HV(N)C REFERV(N)T QVAE MO(N)VMENTA VIDES / AD PLACIDAM MORTEM REM PERTVLIT I(N)DEb) RESVRGETc) / QVONDAM CVM SANCTIS OM(N)IBVS ILLE DEI ·

  8. H

    S(ANCTVS) MARCVS

  9. I

    S(ANCTVS) LVCAS

  10. J

    FIDES

  11. K

    CHARITAS

  12. L

    EGO SVM RESVR//RECTIO ET VITA3)

Übersetzung:

Erbarme Dich meiner, Gott, nach deiner großen Barmherzigkeit. (B)

Hoffnung. (E)

Geduld. (F)

Oh wehe, Melchior Steven, der durch den Tod schließlich vom kräftezehrenden Alter erlöst wurde, liegt in dieser Erde begraben. Zu seinem Begräbnis wurde hier ein kunstvolles steinernes Bildwerk errichtet. Das Denkmal, das du siehst, gibt sein Aussehen wieder. Er stand sein Leben durch bis zu einem friedlichen Tod. Einst wird er von dort mit allen Heiligen Gottes auferstehen. (G)

Glaube. (J)

Liebe. (K)

Ich bin die Auferstehung und das Leben. (L)

Versmaß: Elegische Distichen (G).

Wappen:
Steven,4) ?5)

Kommentar

Sowohl die senkrecht stehende als auch die schrägliegende Kapitalis weisen typische Merkmale der Buchstabenformen Arend Robins auf (vgl. Einleitung Kap. 8.4); ferner ist das X mit geschwungenem Rechtsschrägschaft zu erwähnen. Die sehr eng spationierte schrägliegende Kapitalis mit extremer Bogenverstärkung und sehr breiten Schattenstrichen gehört noch zur frühen Form von Robins Kapitalis, wie sie beispielsweise auf dem Epitaph für Rudolf Vogt in Minden aus dem Jahr 1565 und dem Epitaph für Heinrich Heinemeier von 1568 auftritt.6)

Melchior Steven, für den in der Jetenburger Kirche auch eine Grabplatte erhalten ist (Nr. 252), stammte aus Recklinghausen.7) Er wird erstmals 1527 als Diener des Grafen Jobst I. urkundlich greifbar. Zusammen mit seiner Ehefrau Greteke bewohnte er in Bückeburg ein zwischen dem Burggraben und dem Haus eines gewissen Gerd Köke gelegenes Haus, das durch Graf Jobst I. 1530 von allen Abgaben und Lasten befreit wurde. In diesem Zusammenhang wird Melchior Steven als Stallknecht des Grafen bezeichnet. 1538 erhielt Steven von den Grafen Anton und Erich von Holstein-Schaumburg Landbesitz im Umkreis von Bückeburg zum Geschenk. Seit spätestens 1544 bis zu seinem Tod 1575 bekleidete er in Bückeburg das Amt des Vogts.8) Auch Melchior Stevens Sohn Adolf Steven (zu ihm Nr. 296; vgl. Nr. 272 u. 295) trat später in den Dienst der Grafen von Holstein-Schaumburg.

Textkritischer Apparat

  1. SE(N)IO] setorum Prinz, Tebbe.
  2. E kleiner in der Mitte der Zeile.
  3. T unterhalb der Zeile.

Anmerkungen

  1. Für wertvolle Hilfe danke ich Martin Arneth (München).
  2. Ps 50,3.
  3. Io 11,25.
  4. Wappen Steven (Fisch).
  5. Wappen ? (Baum).
  6. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 89 u. DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 178.
  7. NLA BU, Orig. 1, H 97 Nr. 1a (nach Findbuch).
  8. Prinz, Grabdenkmäler, S. 18f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 38f. (B, E, F, L) – Prinz, Grabdenkmäler, Nr. 7, S. 17f. (A–G, L).
  2. Tebbe, Epitaphien, Nr. 75, S. 214 (A–G, L).
  3. Tebbe, Sprechende Steine, S. 218, Anm. 5 u. S. 219 mit Anm. 7 (A–G, L).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 253 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0025300.