Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 215 Schledehausen (Lkr. Osnabrück), ev. Kirche St. Laurentius 2. D. 16. Jh.

Beschreibung

Zwei Beischlagwangen. Stein. Die Stücke stammen vom Landsbergschen Hof in der Obernstraße 44 in Stadthagen. In den 1950er-Jahren waren sie dort noch an der Hofeinfahrt aufgestellt.1) Sie gelangten in der Folgezeit auf die Schelenburg (Lkr. Osnabrück)2) und sind jetzt in der Turmhalle der evangelischen Laurentiuskirche in Schledehausen (Lkr. Osnabrück) aufgestellt. Am Landsbergschen Hof in Stadthagen befinden sich seit 2009 Abgüsse der Originale.3) Auf der einen Wange in Reliefdarstellung Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis, zu ihren Füßen ein Gerippe. Auf dem unteren Drittel der Wange ist die Inschrift I erhaben ausgehauen. Die zweite Wange zeigt im Relief den auferstandenen Christus, in der linken Hand das Vexillum, die Rechte segnend erhoben; zu seinen Füßen ein Gerippe. Auf dem unteren Drittel ist die Inschrift II erhaben ausgehauen. Kleeblätter als Worttrenner. Rechts des Unterschenkels Christi ein Graffito aus jüngerer Zeit.4)

Maße: H.: 285 cm (I), 285,5 cm (II); B.: 71,4 cm; Bu.: 6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/3]

  1. I

    GELICHa) · WIE · WIR · IN / ADA[M] ALLE · STERBEN · / ALSO · W[E]RDEN · WIR · / [IN] CHR[I . . . ]b) ALLE / [L]EBENDICH · GEM[AC]/HT · W[E[RD[E]N 1 [E]P(ISTVLA AD) / COR(INTHIOS) · 155)

  2. II

    CHRISTVS · IST · VMB · / VNSER · SVNDE · WIL/LEN · DAHEN · GEGE/BEN · VNND · VMB [·] / VNSER · GERECHTIG/KEIT · WILLEN · AVF/ERWECKET · AD · RO·[(MANO)]Sc)6)

Kommentar

Die Beischlagwangen stammen aus der Werkstatt des Mindener Bildhauers Jasper Robin (s. Einleitung Kap. 8.3.). Sie zeigen die für Robin typischen Buchstabenformen, insbesondere das L mit keilförmig verbreitertem und leicht rechtsschräg gestelltem Balken. V mit keilförmig verbreiterten Schrägschäften. Die drei Balken des E sind gleich lang. Das eingerollte G und das offene unziale D sind spiegelbildlich gestaltet. Spitzovales O mit Schattenachse. Eine ganz ähnliche Kapitalis mit ausgeprägten Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (hier eine Ausbuchtung am Balken des H in CHRISTVS, einige der N retrograd) ist auf Robins Wappenstein im Schloss Petershagen (Kreis Minden-Lübbeke, Nordrhein-Westfalen) anzutreffen, der zwischen 1544 und 1547 entstanden ist.7) Vergleichbar ist hinsichtlich des epigraphischen Befunds auch die Grabtumba des Grafen Jobst II. von Hoya und seiner Frau Anna von Gleichen in der Nienburger St. Martinskirche (1545) und der auf 1552 datierte Tugendbrunnen (Nr. 168), so dass man die Beischlagwangen zeitlich ähnlich einordnen kann.8)

Die Darstellung des Sündenfalls folgt einem 1509 entstandenen Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä.9) Dort fehlt allerdings das auf dem Boden liegende Gerippe, das in dieser Form jedoch auch auf einer ebenfalls von Jasper Robin stammenden Beischlagwange in Minden10) und auf einer auf 1550 datierten Beischlagwange am ehemaligen Haus Fischpfortenstraße 20 in Hameln11) zu sehen ist. Eine Erklärung für die Darstellung des Todes auf beiden Wangen liefern die zugehörigen Inschriften: So wie der Mensch durch den Sündenfall dem Tod verfällt, so wird er durch Christus davon erlöst.12)

Textkritischer Apparat

  1. GELICH] SELIG André.
  2. CHR[I . . . ]] zu ergänzen zu CHRISTO.
  3. RO[(MANO)]S] fehlt [Wehling].

Anmerkungen

  1. André, Beischlagwangen, S. 151. Die damalige Anbringung zeigen Fotografien in Munk, Reihe Archivbilder. Stadthagen, S. 29. Der Landsbergsche Hof war damals im Besitz der Familie von Schele ([Wehling], Stadthagens alte Bauten, 1926, H. 10).
  2. Kreft/Soenke, Weserrenaissance, S. 317.
  3. http://www.weserrenaissance-stadthagen.de/Zusatzinfo_landsbergscher_hof.html, zuletzt benutzt am 16.6.2016.
  4. WI./RR.
  5. Vgl. 1 Ko 15,22.
  6. Rö 4,25.
  7. Kreft/Soenke, Weserrenaissance, S. 306; vgl. Abb. 34.
  8. Kreft/Soenke (Weserrenaissance, S. 306) und Jürgens (in: Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 355, S. 185) datieren auf um 1540.
  9. Z. B. Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. A 5391 (https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/547904, zuletzt benutzt am 11.11.2021).
  10. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 73.
  11. DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 51; Abb. bei Kreft/Soenke, Weserrenaissance, S. 282, Abb. 226.
  12. Derartige symbolische Darstellungen des Todes sind im Kontext des Sündenfalls selten (vgl. DI 46 (Stadt Minden), Nr. 73); vgl. immerhin einen Kupferstich des Barthel Beham aus dem Jahr 1543, auf dem ein Skelett den Stamm des Apfelbaums bildet (http://kk.haum-bs.de/?id=h-s-beham-ab3-0006, zuletzt benutzt am 25.1.2017).

Nachweise

  1. [Wehling], Stadthagens alte Bauten, 1926, H. 10 (B).
  2. Ein Besuch auf dem Landsbergschen Hofe in Stadthagen, in: Blätter für schaumburg-lippische Heimatkunde 1927, H. 10, ohne Seitenzählung (A lückenhaft, B).
  3. André, Beischlagwangen, S. 151 (teilweise).
  4. Kreft/Soenke, Weserrenaissance, Abb. 21 u. 22.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 215 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0021500.