Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 188 Stadthagen, St. Martini 1559 o. später

Beschreibung

Epitaph für Christoph von Münchhausen. Stein. Das hochrechteckige Epitaph ist in der Turmhalle angebracht, darüber ein Totenschild für den Verstorbenen (Nr. 189). Die Stücke befanden sich ehemals im Chorraum.1) Das Epitaph, das einen geschwungenen oberen Abschluss aufweist, zeigt den Verstorbenen in Rüstung kniend unter einem Kruzifix mit dem Titulus A, unter seinen Knien sein Helm, hinter ihm sein Schwert, über ihm ein verschlungenes Schriftband mit der Inschrift B. Zu beiden Seiten der Darstellung je vier Wappen mit den Beischriften C auf einzelnen Schriftbändern. Die Inschriften A–C sind erhaben ausgehauen. Am unteren Rand der Platte erhaben in vertiefter Zeile die Inschrift D. Alle Inschriften mit Ausnahme des Kreuztitulus vor einem blau gefassten Hintergrund. Ursprünglich war das Epitaph vollständig farbig gefasst.2) Als Worttrenner Dreiblätter und Hochpunkte.

Maße: H.: 226 cm; B.: 122 cm; Bu.: 2,5 cm (A), 3,2–5,2 cm (B), 4,2 cm (C), 7,2 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (B, C), gotische Minuskel mit Versalien (D).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)3)

  2. B

    O · DV · LAM GODES · // DAT · // DER ·a) // WAELT · SVNDE · DRECH · ERBARMME · DI · OVER · // VNSb)4) ·

  3. C

    DER · MANCHH(VSEN)c)  DER FRESEN 
    DER · SMISIN ·  VAN · WARPENd) 
    DER · KETLERe) ·  DER · PENTER 
    DER WESTVAL  DER · HOLTTORPEENf) 

  4. D

    · Cristoffer · Va(n) · Monchhvsen ·

Wappen:
Münchhausen5)Frese I9)
Korff gen. Schmising6)Warpe10)
Ketteler7)Pennte11)
Westphalen8)Holtorpe12)

Kommentar

Die gotische Minuskel wie die Kapitalis weisen weitgehend die für die Werkstatt des Jasper Robin typischen Charakteristika auf (vgl. Einleitung Kap. 8.3.); allerdings ist der keilförmig verbreiterte Balken des L nicht schräggestellt. Das D als offenes D. Am Beginn von ERBARMME epsilonförmiges E. Die Kapitalis gleicht derjenigen auf dem Totenschild für Christoph von Münchhausen (Nr. 189). Wahrscheinlich wurden beide Stücke gemeinsam angefertigt. Vergleichbar mit dem Epitaph ist dasjenige für Hans von Münchhausen im Kloster Loccum aus dem Jahr 1547.

Christoph von Münchhausen war der Sohn des Everd von Münchhausen und der Engel von Frese.13) Die Eltern des Everd von Münchhausen waren Ludolf von Münchhausen und Sophie von Korff gen. Schmising.14) Engel Frese war die Tochter des Wilken Frese und der Engel von Warpe.15)

Aus dem Besitz seines Vaters erhielt Christoph von Münchhausen einen Hof in Minden, das Gut Lohe in der Grafschaft Hoya sowie zusammen mit seinen Brüdern das Haus Grohnde (Lkr. Hameln-Pyrmont).16) Durch seine erste Ehe mit Margarethe von Oppen, die 1541 gestiftet wurde, wurde er Herr auf Steglitz (Berlin). Das Paar hatte fünf Kinder, darunter Brand von Münchhausen (Nr. 363).17) Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau 154718) heiratete Christoph von Münchhausen Margarethe von Gadow (Ehestiftung 1551) und wurde Herr auf Bechlin (Neuruppin, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg). Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor.19) Christoph von Münchhausen und Margarethe von Gadow stifteten am 9. Juli 1557 50 Rheinische Gulden an die St. Martini-Kirche, deren Erlös einem „Prediger des reinen Evangeliums“20) zugutekommen sollte, woraus zu schließen ist, dass es bereits damals deutliche reformatorische Bestrebungen in Stadthagen gab.

Christoph von Münchhausen starb von Lenthe/Mahrenholtz zufolge am 8. August 1559 in Uchte (Lkr. Nienburg/Weser); das auf dem Totenschild (Nr. 189) genannte Datum (17. August) interpretieren sie als Begräbnisdatum.21) Zur Datierung des Epitaphs führt Karin Tebbe an, dass die Form der Oberkante des Steins, der in zwei Voluten geschwungen ist, auf Stichvorlagen des Hans Vredemann des Vries zurückgehe, die erst 1563/65 verbreitet in Umlauf gerieten. Möglicherweise ist das Epitaph daher erst einige Jahre nach Christoph von Münchhausens Tod entstanden.22)

Textkritischer Apparat

  1. Die Reihenfolge der Wörter DAT und DER folgt an dieser Stelle nicht dem Verlauf des verschlungenen Schriftbands, sondern einer Leserichtung von links nach rechts.
  2. V auf den Kopf gestellt.
  3. MANCHH(VSEN)] MINNCH(AUSEN) Kdm.
  4. WARPEN] IVARPEN Kdm.
  5. KETLER] KETZER Kdm.
  6. HOLTTORPEEN] Der rechte Schaft des N ist nicht mehr erkennbar.

Anmerkungen

  1. Dassel, Beschreibung der St. Martini Kirche, S. 12; vgl. Tebbe, Epitaphien, S. 245.
  2. Ende des 19. Jahrhunderts war die Farbfassung noch vorhanden (Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 64).
  3. Io 19,19.
  4. Liturgischer Text nach Joh 1,29.
  5. Wappen Münchhausen (Mönch); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2,1, S. 274 u. Tafel 325.
  6. Wappen Korff gen. Schmising (Lilie); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 34 u. Tafel 87.
  7. Wappen Ketteler (Kesselhaken); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 30 u. Tafel 73.
  8. Wappen Westphalen (Balken, darüber Turnierkragen mit fünf Lätzen); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 130 u. Bd. 2, Tafel 331.
  9. Wappen Frese I (Helm mit drei Kugeln belegt und drei Straußenfedern besteckt); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  10. Wappen Warpe (Lanzenspitze); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 128 u. Bd. 2, Tafel 328.
  11. Wappen Pennte (geteilt, auf der Teilungslinie liegender Balken, darüber ein Stern); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 98 u. Bd. 2, Tafel 242.
  12. Wappen Holtorpe (achtmal geständert); vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 73 u. Bd. 2, Tafel 175.
  13. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 127, S. 70 sowie Nr. 95, S. 48f. Zu seinem Bruder Johann vgl. Nr. 170.
  14. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 63, S. 38. Die Anordnung der Wappen der Urgroßmütter ist unkonventionell: Von Lenthe/Mahrenholtz (ebd. mit Anm. 6) geben an, dass Sophie von Korff die Tochter des Everd von Korff und der Frederun Ketteler war. Erst an vierter, unterster Stelle ist das Wappen der Urgroßmutter der väterlichen Linie abgebildet, einer Frau von Westphalen. Die Angabe, dass Ludolf von Münchhausen der Sohn einer Frau von Westphalen war, entnehmen von Lenthe/Mahrenholtz den Ahnenwappen auf einem Epitaph in Nienburg/Weser (von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 43, S. 31 mit Anm. 7).
  15. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 95, S. 49. Auch die Wappen der Urgroßmütter auf der Seite der mütterlichen Linie sind so angeordnet, dass erst die Mutter der Engel von Warpe genannt wird, dann die Mutter des Wilken Frese (vgl. http://www.myheritage.de/names/johann_von%20holtorp, http://www.geni.com/people/Engel-Elisabeth-von-Frese/6000000008299634637, zuletzt benutzt am 6.11.2015).
  16. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 127, S. 70; vgl. Treuer, Gründliche Geschlechts-Historie, S. 133.
  17. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 127, S. 70f. u. Nr. 203–206a, S. 97–99.
  18. Ihre Grabplatte befindet sich in der Stiftskirche Fischbeck (Lkr. Hameln-Pyrmont), dazu Wehking/Wulf, Inschriften des Stifts Fischbeck, S. 59f.
  19. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 127, S. 70f. u. Nr. 206b u. 206c, S. 99.
  20. Doebner, Urkunden-Regesten von Stadthagen, Nr. 429.
  21. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, Nr. 127, S. 70. Margarethe von Gadow lebte noch 1572 als Witwe auf Bechlin (ebd.).
  22. Tebbe, Epitaphien, Kat. Nr. 141, S. 245.

Nachweise

  1. Treuer, Gründliche Geschlechts-Historie, S. 133 (B–D, normalisiert).
  2. Von Münchhausen, Geschlechts-Historie, Abbildungsteil, ohne Seitenzählung.
  3. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 64 (A, B).
  4. Von Münchhausen, Arbeiten zur Familiengeschichte, Bd. 4, Abb. 33.
  5. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 188 (B).
  6. Tebbe, Epitaphien, Nr. 141, S. 245 (nach Kdm.) u. Abb. 34 (B, D).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 188 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0018808.