Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 141 Privatbesitz 1531

Beschreibung

Tumba, vermutlich für Graf Jobst I. von Holstein-Schaumburg. Stein. Vorhanden sind nur noch die Seitenwände: zwei querrechteckige Teile mit je vier Wappenfeldern nebeneinander (Langseiten) und zwei querrechteckige Teile mit je zwei Wappenfeldern nebeneinander (Schmalseiten). Die vier aus dem Stift Möllenbeck stammenden Teile wurden in napoleonischer Zeit verkauft.1) Die Seitenwände zeigen von Pilastern abgetrennte Blendarkaden mit jeweils einem Wappenschild, der von einem Putto gehalten wird. In den Zwickeln Putten und Ornamente. Die Rahmung des Steins, der Inschrift B trägt, ist kunstvoller gestaltet als die übrigen; sie stellt den Sündenfall dar: vor dem mittleren Pilaster der Stamm eines Apfelbaums, um den sich eine Schlange windet; in der Baumkrone Äpfel und männliche und weibliche Halbfiguren. Die Wappenbeischriften A, B, C und D befinden sich unterhalb des jeweiligen Wappenschilds; zum Teil werden die Beischriften vom Wappenschild überdeckt oder unterbrochen. Die Inschriften A und B befinden sich an den Schmalseiten, die Inschriften C und D an den Langseiten. Inschrift E auf einem Wappenschild, der auf dem Pilaster zwischen den Wappen Lüneburg und Wewelinghoven aufruht. Alle Inschriften sind erhaben gearbeitet. Die beiden Langseiten sind nachträglich sandfarben gefasst.

Maße: H.: 64,5 cm (Schmalseiten), 67 cm (Langseiten); B.: 92 cm (Schmalseiten), 200 cm (Langseiten); Bu.: 4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. A

    STALBERC // BRO[C]H

  2. B

    HONSTEN // LVNE[ . ]BORC

  3. C

    BRV[ . . ]WICH // HORN // LVNENBORC // WEVELIN(C)HOF

  4. D

    BRV(NS)WICH // DEPHOLT // HEIGE // MANSVE[LT]

  5. E

    I(ASPER) R(OBIN)

Wappen:
Stolberg,2) Broich3)
Honstein,4) Lüneburg5)
Braunschweig,6) Horn,7) Lüneburg,8) Wewelinghoven9)
Braunschweig,10) Diepholz,11) Hoya,12) Mansfeld13)
Jasper Robin14)

Kommentar

Die Buchstaben weisen die für den Steinmetzen Jasper Robin charakteristischen Formen auf (vgl. Einleitung Kap. 8.3.), insbesondere das L mit keilförmig verbreitertem Balken, der leicht rechtsschräg nach oben gestellt ist. Die Schrägschäfte des V sind keilförmig nach oben verbreitert. Offenes D. Spitzovales O mit Schattenachse, weit offenes C, eingerolltes G. Die (kurzen) Balken des E sind annähernd gleich lang. Beim A nach links überstehender Deckbalken. In Inschrift E am Schaft des I eine Ausbuchtung. Die Pilaster ähneln denen auf der Tumbenplatte bzw. dem Epitaph für die wenige Jahre zuvor verstorbenen Eltern Jobsts I., Johann IV. von Holstein-Schaumburg (Nr. 133) und Cordula von Gemen (Nr. 137).15) Vergleichbar ist insbesondere die Tumba für Graf Jobst II. von Hoya und seine Frau Anna von Gleichen in der Martinskirche in Nienburg/Weser (beide 1545 verstorben).16)

Die Wappen auf den vorliegenden Objekten legen nahe, dass es sich bei dem Verstorbenen um Graf Jobst I. von Holstein-Schaumburg handelte, der 1531 verstarb und „auf dem hohen Chor“17) der Stiftskirche Möllenbeck beigesetzt wurde. Es fehlen die Wappen für Holstein-Schaumburg und für Gemen, die ursprünglich wohl auf der Deckplatte der Tumba angebracht waren.18)

Jobst I. wurde 1483 geboren. Er regierte von 1527 bis 1531, nachdem ihm sein Vater bereits 1512 die Herrschaft über Gemen übertragen hatte. 1506 heiratete er Maria von Nassau-Dillenburg (1491–1547), eine Tochter des Grafen Johann V. und der Elisabeth von Hessen. Das Paar hatte zwölf Kinder, von denen die folgenden das Erwachsenenalter erreichten: Heinrich, Adolf XIII. (zu ihm Nr. 157), Johann (vgl. Nr. 154), Cordula, Otto IV. (zu ihm Nr. 284), Anton, Erzbischof von Köln, Elisabeth, Wilhelm, Jobst II., Begründer der Gemener Linie, Erich und Ernst.19)

Anmerkungen

  1. Heutger, Stift Möllenbeck, 11962, S. 64f.
  2. Wappen Stolberg (schreitender Hirsch); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 2, S. 61 u. Tafel 99.
  3. Wappen Broich (Schild).
  4. Wappen Honstein (zwölffach geschacht); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 4, S. 46f. u. Tafeln 36–37.
  5. Wappen Lüneburg (Löwe auf mit Herzen bestreutem Grund); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 27 u. Tafel 47.
  6. Wappen Braunschweig (zwei Leoparden übereinander); vgl. Veddeler, Leopardenwappen, S. 23–45 sowie Veddeler, Landessymbole, S. 85.
  7. Wappen Horn (drei Hifthörner 2:1); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 3A, S. 111f. u. Tafel 140.
  8. Wappen Lüneburg (wie oben Anm. 5).
  9. Wappen Wewelinghoven (zwei Balken); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 1, S. 69 u. Tafel 91.
  10. Wappen Braunschweig (wie oben Anm. 6).
  11. Wappen Diepholz (geteilt: 1. Löwe, 2. Adler); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 1, S. 28 u. Tafel 50.
  12. Wappen Hoya (zwei abgewendete Bärentatzen, aufgerichtet und unten zusammengewachsen); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 116 u. Tafel 117.
  13. Wappen Mansfeld (quadriert: 1. u. 4. siebenmal geteilt (Querfurt); 2. u. 3. senkrecht gerautet (Mansfeld)); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 3A, S. 152f. u. Tafel 180–182; hier abweichend: linksgewendet; 1. und 4. fünfmal geteilt.
  14. Wappen Jasper Robin (drei Schildchen, 2:1; Initialen IR).
  15. Heutger, Stift Möllenbeck, 11962, S. 64f.
  16. Abbildung bei Karrenbrock, St. Martin zu Nienburg, S. 101.
  17. Paulus, Geschichte des Möllenbecker Klosters, S. 97, Anm. c.
  18. Die Ur-Ur-Großeltern Jobsts I. von Holstein-Schaumburg waren auf der väterlichen Seite: Otto I. (nach 1340–1404) und Mechthild von Lüneburg, Erich I. von Hoya und Anna von Diepholz, Heinrich VII. von Honstein und Agnes von Braunschweig-Wolfenbüttel, Heinrich von Stolberg und Elisabeth von Mansfeld. Auf der mütterlichen Seite vermutlich: Heinrich III. von Gemen und Catharina von Bronckhorst, Wilhelm von Horn und Johanna von Loon und Heinsberg, Friedrich II. von Wewelinghoven und Irmgard von Broich, Johann von Alfter und Maria von der Mark-Arenberg. Die Ahnenprobe geht nicht ganz auf. Es fehlen einige der Vorfahren der Cordula von Gemen (vgl. auch die Ahnenprobe auf dem Epitaph von Otto IV., Nr. 284). Die Wappen von Braunschweig und von Lüneburg hingegen tauchen jeweils zweimal auf.
  19. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 132–143.

Nachweise

  1. Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 79.
  2. Tebbe, Epitaphien, S. 218 (E).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 141 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0014105.