Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 137 Stadthagen, ref. Kirche (ehem. Franziskanerkloster) 1528

Beschreibung

Epitaph für Cordula von Gemen, Gräfin von Holstein-Schaumburg und Sternberg. Stein. Die hochrechteckige Platte ist innen an der Südseite der Kirche in die Wand eingemauert. Sie zeigt die Verstorbene auf einem Podest stehend, die Hände zum Gebet zusammengelegt. Zu beiden Seiten mehrere aufeinandergesetzte, mit Rankenwerk verzierte Säulen, die oben einen mit Girlanden geschmückten Rundbogen tragen. In den Zwickeln zwei schildtragende Putten. Zu den Füßen der Verstorbenen beiderseits des Podestes ebenso zwei Putten als Schildträger. Die erhaben in vertiefter Zeile ausgeführte Inschrift läuft einzeilig um den Stein um. Die Inschrift an der unteren Schmalseite wird durch den Bodenbelag halb verdeckt; die Edition erfolgt hierfür nach Kdm. Vierpässe als Worttrenner.

Inschrift ergänzt nach Kdm.

Maße: H.: 255,5 cm; B.: 147,5 cm; Bu.: 8,5–9,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · M · ccccc · xxviij · des / · sondages · Jvbilate1) · ist · de · walgebar(n)e · vn(n) · edle · fraw · card[ula]a) / [· gebar(n)eb) · va(n) · geme(n) · grewi(n) · toc) · holste(n)] / · schawe(n)borchd) · vn(n) · ster(n)berge · in · got · v(er)storue(n) · de(r)e) · sele(n) · got · gnade

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1528 am Sonntag Jubilate ist die wohlgeborene und edle Frau Cordula, geborene von Gemen, Gräfin von Holstein, Schaumburg und Sternberg, in Gott verstorben. Gott sei ihrer Seele gnädig.

Wappen:
Gemen2)Wewelinghoven4)
Horn3)Mark5)

Kommentar

Die Buchstaben gleichen denjenigen auf der Tumbenplatte für Graf Johann IV. von Holstein-Schaumburg, den Ehemann der Cordula von Gemen (Nr. 133). Die Schriftmerkmale und die Gestaltung des Innenfelds,6) besonders auch die Säulen mit Ranken als Verzierungen, weisen auf die Bildhauerwerkstatt des Jasper Robin (s. Einleitung Kap. 8.3.). Die Putten als Schildhalter ähneln denjenigen auf der Grabtumba für Jobst I. von Holstein-Schaumburg, den Sohn Johanns IV. und Cordulas (Nr. 141).

Cordula von Gemen war eine Tochter Heinrichs IV. von Gemen und der Anna von Wewelinghoven. Nachdem ihr erster Ehemann Goswin Stecke um 1475 gestorben war, wurde am 26. August 1476 ein Heiratsvertrag für ihre zweite Ehe mit Graf Johann IV. von Schaumburg ausgehandelt, die noch vor 1478 geschlossen wurde. Aus dieser Verbindung stammte ihr Sohn Jobst. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1492 erbte Cordula zusammen mit ihrer Schwester Katharina, die in das Haus Bentheim eingeheiratet hatte, die Gemener Besitzungen. Die Schwestern einigten sich in einem geheimen Vertrag über das Erbe; Cordula erhielt die Ansprüche auf die Herrschaft Gemen und das Vest Recklinghausen, die damit an Graf Johann IV. fielen. Darüber hinaus übernahm er von seinem Schwiegervater das Amt des Drosten der Grafschaft Zütphen in den Niederlanden.7)

Cordula von Gemen, die schon zu Lebzeiten den Wunsch geäußert hatte, in der Kirche des Franziskanerklosters in Stadthagen beigesetzt zu werden, fand nach ihrem Tod am 3. Mai 1528 dort ihre letzte Ruhestätte.8) Spangenberg berichtet, dass die Gräfin zu Stadthagen ins Barfuesser Closter fuerß grosse Altar begraben worden daselbst noch ein Stein in die Mauren gesetzt auff welchen ihr Bildtnuß und gantzer Leib gehawen.9) Bei diesem Stein handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um das vorliegende Epitaph.

Textkritischer Apparat

  1. card[ula]] cordula Kdm., [Wehling].
  2. gebar(n)e] Befund am Original nicht eindeutig zu verifizieren.
  3. to] in Kdm., [Wehling], Stadthagens alte Bauten, Wehling, Franziskanerkirche. Abweichend von der Zeichnung und der Lesung in Kdm. lässt sich anhand der noch sichtbaren Buchstabenbestandteile erkennen, dass der zweite Buchstaben ein o sein muss.
  4. schawe(n)borch] beim o weist der senkrechte Teil des gebrochenen rechten Bogens unten eine Brechung nach rechts (wie bei einem Schaft) auf; vermutlich Haufehler.
  5. r-Haken als Punkt über dem e.

Anmerkungen

  1. 3. Mai.
  2. Wappen Gemen (Balken, belegt mit drei Pfählen); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 1, S. 48 u. Tafel 106.
  3. Wappen Horn (drei Hifthörner 2:1); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 3A, S. 111f. u. Tafel 140.
  4. Wappen Wewelinghoven (zwei Balken); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 1, S. 69 u. Tafel 91.
  5. Wappen Mark (in drei Reihen geschachter Balken); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 1, S. 254 u. Tafel 304. Das Wappen ist an dieser Stelle überraschend, da die Großmutter der Cordula von Gemen der Familie von Alfter entstammt haben soll (Leenen, Herrschaft Gemen, S. 62).
  6. Lange, Bildhauerkunst des Kreises Minden, S. 32f.
  7. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 129; Wolf, Die Grafen von Schaumburg und die Herrschaft Gemen, S. 240f.; Husmeier, Graf Otto IV., S. 38f. Zütphen blieb den Schaumburgern allerdings nur bis 1505 (Husmeier, ebd., S. 40).
  8. Tebbe, Epitaphien, S. 242; vgl. Bentrup, Kirchen in Schaumburg, S. 197.
  9. Spangenberg, Chronicon, S. 251.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 79f. u. Abb. 143 u. 143a (Zeichnung).
  2. [Wehling], Stadthagens alte Bauten, 1926, H. 7, ohne Seitenzählung.
  3. Wehling, Franziskanerkirche, in: Die Heimat 4 (1933), Nr. 10, ohne Seitenzählung.
  4. Leenen, Herrschaft Gemen, S. 55 (mit Abb.).
  5. Tebbe, Epitaphien, Nr. 135, S. 241 u. Abb. 114.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 137 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0013701.