Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 133 Obernkirchen, Stiftskirche St. Marien 1527

Beschreibung

Deckplatte der Tumba für Graf Johann IV. von Holstein-Schaumburg. Stein. Die hochrechteckige Platte befindet sich heute innen an der Südwand der Turmhalle. Sie zeigt den Verstorbenen in Rüstung, die Hände zum Gebet zusammengelegt. In seiner Armbeuge lehnt sein Schwert, sein Dolch ist am Waffengurt befestigt. Er steht auf einem von Ornamenten getragenen Podest zwischen reich geschmückten Säulen, an deren oberen und unteren Enden insgesamt vier Wappenschilde dargestellt sind. Über dem Kopf des Verstorbenen verschlungene Ornamente, unter anderem zwei Vogelköpfe mit langen Hälsen, die einander zugewandt die Form einer heraldischen Lilie annehmen. Eine ähnliche Figur findet sich im Unterbau des Podestes. Zu Füßen des Verstorbenen dessen Helm und ein kleiner Hund. Die erhaben in vertiefter Zeile gearbeitete Inschrift A mit nach außen ausgerichteten Buchstaben verläuft auf dem abgeschrägten Rahmen der Platte. Sie beginnt in der oberen, rechten Ecke und läuft dann über links, unten und rechts fort. Die Worttrenner haben die Form von Vierpässen. Auf dem inneren, die Schriftzeile begrenzenden Rand an der Kopfseite der Platte die ebenfalls nach außen gerichteten, eingehauenen Buchstaben der Inschrift B.

Maße: H.: 291 cm; B.: 151 cm; Bu.: 9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Inga Finck) [1/3]

  1. A

    · Anno · d(omi)ni · M · ccccc · xxvija) · / su(n)nauendes · vor · Ambrosij1) · starf · de · edel · v(n)n · wolgebore(n) · herr · Jo/han · Grave · tho · holste(n) · tho · / schomborch · tho(m) · sternb(er)ge · vn(n) · here · to · ghemen · dem · god · gnade

  2. B

    INb) W

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1527 am Sonnabend vor dem Tag des Ambrosius starb der edle und wohlgeborene Herr Johann, Graf von Holstein, Schaumburg und Sternberg, Herr zu Gemen, dem Gott gnädig sei. (A)

Wappen:
Holstein-Schaumburg2)Honstein4)
Hoya3)Stolberg5)

Kommentar

Die gleichmäßig gearbeitete gotische Minuskel weist die typischen Schriftmerkmale der Werkstatt Jasper Robins auf: Kastenförmiges a, Bogen-r in Form eines Kurzschafts mit senkrecht darübergesetztem Quadrangel, rundes Schluss-s ohne Brechungen. Der Versal A in Anno in der Grundform des pseudounzialen A ist reich verziert: geschwungener linker Schrägschaft mit Schwellungen; geschwungener, am linken Ende nach oben umgebogener Deckbalken (vgl. Einleitung Kap. 8.3.). Das eingerollte G in Grave ist typisch für die Kapitalis Jasper Robins. Die Buchstaben der gotischen Minuskel sind auf der vorliegenden Tumbendeckplatte reich verziert: Die Oberlängen sind in der Regel gegabelt. h in herr mit gegabelter und beidseitig eingerollter Unterlänge. Der untere Bogen des g ist umgebogen und eingerollt, am Schaft setzt oben ein ebenfalls eingerolltes Zierhäkchen an. Der erste Schaft des m läuft unten in einen Zierhaken aus. In gleicher Weise ist die Schrift auf dem Epitaph für Johanns Ehefrau Cordula von Gemen gestaltet (Nr. 137). Der Werkstatt Jasper Robins lässt sich die vorliegende Tumbenplatte auch aufgrund stilkritischer Merkmale (Gestaltung der Säulen, Armbeuge der Rüstung) zuordnen; allerdings muss die Deutung der Initialen B offen bleiben.

Graf Johann IV. von Holstein-Schaumburg wurde um 1450 geboren und war von 1498 bis 1526 Mitregent seines Bruders Anton. In dieser Rolle wurden ihm 1498 die Ämter Bückeburg und Stadthagen übertragen. Nach Antons Tod 1526 übte Johann IV. die Herrschaft etwa ein Jahr lang allein aus. Johann IV. erlangte durch die Heirat mit Cordula von Gemen (um 1476/78) die Herrschaft Gemen.6)

Johann IV. wurde wie sein Bruder Anton im Stift Obernkirchen begraben. Im Stift hatten die Grafen von Holstein-Schaumburg bereits im 14. Jahrhundert eine Grablege, zunächst im Kreuzgang, später in einem Gewölbe unter dem Chor.7) Die Tumba für Graf Johann, die die Platte ursprünglich bedeckte, befand sich ebenfalls im Chor der Kirche.8) Die Beisetzung Johanns IV. beschreibt Spangenberg in seinem Chronicon der Schaumburger Grafen: Johann IV. sei von Rodenberg, wo er gestorben war, nach Obernkirchen überführt und dort in das Newe steinern Grab / welches er zuvor dahinn auff dem Chor machen und erheben lassen / begraben worden.9) Spangenberg kritisiert allerdings den Aufwand für die zweitägigen Begräbnisfeierlichkeiten: dabey woll 335. Priester / Pfaffen, Münche und Vicarien gewesen / zuforderst der Weihe Bischoff von Minden / der Abt von Locken [= Loccum] / vnd andere Abte / vnd geschahe ein groß Opfer / mit vielem geprenge / wie dazumahl in der Bapstischen Finsterniß / vnd zweiuel an der Verstorbenen Seligkeit / vnd dem schendtlichen Aberglauben vom Fegefeur gewonheit war vnd noch bey vnser Zeit mit grosser hefftigkeit wieder herfür gesucht / behaubt vnnd den Leuten wieder eingebildet werden will.10)

Textkritischer Apparat

  1. xxvij] xxiiii Kdm., Tebbe.
  2. N retrograd.

Anmerkungen

  1. 30. März.
  2. Wappen Holstein-Schaumburg (Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 32 u. Tafel 38.
  3. Wappen Hoya (zwei abgewendete Bärentatzen, aufgerichtet und unten zusammengewachsen); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 116 u. Tafel 117.
  4. Wappen Honstein (zwölffach geschacht); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 4, S. 46f. u. Tafeln 36–37.
  5. Wappen Stolberg (schreitender Hirsch); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 2, S. 61 u. Tafel 99; hier abweichend: steigender Hirsch.
  6. Tebbe, Epitaphien, S. 223f. unter Verweis auf Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, S. 117–119 und Wiegmann, Heimatkunde, S. 228f. Zu Cordula von Gemen vgl. Nr. 137.
  7. NLA BU, Dep. 2 III A Nr. 1.
  8. Tebbe, Epitaphien, S. 223.
  9. Spangenberg, Chronicon, S. 250.
  10. Spangenberg, Chronicon, S. 252f.

Nachweise

  1. Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 87 u. Tafel 111,1.
  2. Mahrenholtz, Grabsteine, Nr. 14, S. 124 u. Abb. S. 125.
  3. Tebbe, Epitaphien, Nr. 97, S. 223 u. Abb. 109.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 133 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0013303.