Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 171† Simmern, Evangelische Stephanskirche 1659

Beschreibung

Grabdenkmal für die Kinder des pfalz-simmernschen Landschreibers Lorenz Beck. Das bereits vor 1857 verschwundene Grabdenkmal befand sich im Schiff der Kirche, war mit mehreren Inschriften versehen und wies im unteren Teil ein zwischen die Inschriften (D) und (E) gesetztes Relief mit dem Opfer Kains und Abels1) auf.

Nach Wickenburg.

  1. A

    1 Cor 15 Ich Sterbe Täglich2)

  2. B

    An diesem ohrt Liegen begraben Laurentii Beckii I(uris) U(triusque) L(icentiati) Fürstl(ich) Pfaltz-Simmerischen Raths und Landschreibers allhier und Anna Elisabethae dessen haußfrau 3 Kinder und erwartendt fröliche aufferstehung

  3. C
    gebohren  gestorben 
    d(en) 10. Juli 1655 Louisa Bernhardina  30. Jan(uarii) 1658 
    14. Junÿ 1657 Philippus David  d(en) 31. Aug(usti) 1657 
    23. Sept(embris) 1658. Joh(ann) Friderich  20. Jan(uarii) 1659 
  4. D

    Psalm.a) Gehorsam ist besser dan Opffer3)

  5. E

    Sacrum pingue dabo nec macrum sacrificabo

Übersetzung:

Ich werde ein fettes Opfer geben und kein mageres opfern.

Versmaß: Hexameter, leoninisch gereimt (E).

Kommentar

Lorenz Beck4) heiratete am 19. Februar 1643 in Trarbach die 1622 geborene Anna Elisabetha, Tochter des Propsteiverwalters zu Enkirch Philipp Daniel Metzler und der Anna Siegbert von der Schleiden. 1643 fungierte er als pfalz-simmernscher Rat und Truchsess zu Kirchberg. Bei der Beerdigung seiner 1693 verstorbenen Frau nennt er sich gewesener hochfürstlicher badischer Regierungsrat zu Trarbach. Aus der Ehe stammten sechs Söhne und fünf Töchter, von denen jeweils zwei die Mutter überlebten.

Die Verwendung des in der Bibel thematisch anklingenden5) Spruches (E) zur Illustrierung der Szene mit Kain und Abel zeugt von einer erstaunlich guten literarischen Bildung des fürstlichen Beamten. Der Hexameter ist nämlich als die Opferszene begleitende Inschrift erstmals in der Kirche St. Maria Novella in Florenz belegt und wird dem 1494 ebendort verstorbenen Humanisten Angelo A. Poliziano zugeschrieben6), der ihn (in Form eines „unechten“ Palindroms) äußerst kunstvoll konstruiert hat: Vorwärts gelesen gibt er die Worte Abels wieder, jedoch wortweise rückwärts gelesen, entsteht ein Pentameter mit den das Gegenteil besagenden Worten Kains, der damit den Ausspruch zum Distichon ergänzt7).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. „Infra stant duo homines, procul Cainum & Abelem repraesentantes & quidem iuxta altare, quorum alter ovem, alter vero fruges sacrificat, cum hoc lemmate…“, so Andreae.
  2. 1 Kor 15,31.
  3. 1 Sam 15,22.
  4. Freundliche Hinweise von Peter Schößler, Schreiben vom 19. März 2009.
  5. Er bezieht sich aber auf die alttestamentarische Vorstellung, dass „alles Fett des Herrn“ sei; vgl. etwa Lev 3,16 u.ö. und wird auch bei der Szene verwendet, wonach Kain lediglich von den Früchten des Feldes opferte, Abel dagegen von den Erstlingen seiner Herde „und von ihrem Fette“; vgl. Gen 4,4.
  6. Vgl. zu ihm Rodewald 35.
  7. Freundlicher Hinweis meines Kollegen PD Dr. Michael Oberweis mit Verweis auf Poliziano, Epigrammata Latina 103.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 312.
  2. Andreae, Simmera Palatina 22.
  3. Rodewald, Grüfte und Inschriften 35f.
  4. Wagner, Simmern 156.
  5. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 994.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 171† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0017105.