Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 88 Osterode, St. Aegidien 1586

Beschreibung

Grabplatte für Herzogin Dorothea von Sachsen-Lauenburg. Stein. Aufgestellt an der Nordostwand des Chors, rechts von der ihres Mannes Herzog Wolfgang (Nr. 109). Die Verstorbene ist in einer Nische im Hochrelief mit leichter Drehung nach links dargestellt. Sie ist bekleidet mit einer Haube, einer doppelten Halskrause und einem langen, unten ausgestellten Gewand mit Puffärmeln. An einer Halskette hängt ein Kreuz. Der Bogen der Nische wird getragen von unten spitz zulaufenden, konsolenartigen Pilastern; über dem Schlussstein ein Eheallianzwappen. Das Innere des Rundbogens ist mit Beschlagwerk verziert. In den Ecken der Grabplatte vier Wappen, die zusammen das Wappen von Sachsen-Lauenburg bilden. Die Inschrift umlaufend, erhaben in vertiefter Zeile, oben und unten eingefasst von Bogenfriesen; in den Ecken und an der oberen Schmalseite unterbrochen von den fünf Wappen. An einigen Stellen kleinere Abplatzungen ohne Textverlust.

Die Grabplatte bedeckte das vor dem Altar situierte Grab der Herzogin.1) Sie wurde im Jahr 1880 aufgenommen und in der Folge zusammen mit der ihres Mannes in einem profilierten Steinrahmen an der nordöstlichen Chorwand aufgestellt. Die bis dahin von einem Dielenboden geschützte Platte war seitdem aufsteigender Feuchtigkeit ausgesetzt. Von der um 1927/28 festzustellenden schwarzen Bemalung der Platte, die diese an die beiden aus schwarzem Stein gefertigten Platten der Herzöge Wolfgang und Philipp d. J. (Nr. 109, 117) angleichen sollte, sind fleckenartige Verfärbungen zurückgeblieben.2) Bei einer Restaurierung im Jahr 1974 wurde sie am gleichen Ort auf einem Betonsockel einzeln wieder aufgestellt.3) Die Dielenabdeckung war zuvor mindestens zweimal, wahrscheinlich 1727/284) und am 24. März 1819,5) zu einer Untersuchung der Grabplatten im Chor aufgenommen worden.

Maße: H.: 231 cm; B.: 113 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Versal-V.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/8]

  1. VON GOTTESa) GNADEN // DOROTHEA GEBORNb) / ZV SACHSSEN ENGERN VND WESTPHALENc) HERTZOGIN ZV BRVNSWICH VND LVNEBVRCH / IST ANNO 1586 DEN 5 APRILIS VMB IId) / VHR VOR MITTAG ZVM HERTZBERG IN GOT DEM HERN SELICHLICH ENTSCHLAFFEN

Wappen:
Braunschweig/Sachsen6)
Sachsen-Lauenburg7)

Kommentar

Die Schaft-, Balken- und Bogenenden der Buchstaben sind mit dreieckigen Sporen versehen, die an den Balkenenden schräg abgeschnitten sind. Die Bögen von C und G sind weit ausgezogen, ebenso die geschwungene Cauda des R. An der oberen Schmalseite Schmuckformen an einzelnen Buchstaben: An den Schrägschäften des N und dem oberen Balken des E weit ausgezogene, am Ende eingerollte Zierhäkchen, die teilweise bis in den benachbarten Buchstaben reichen; in VON umgreift die Schlaufe am N den Bogen des vorhergehenden O. Unten gespaltene Schaft-1 mit Quadrangel am oberen Ende; rechtsgewendete 5 mit gebrochenem Balken und nach innen geknicktem Deckbalken; der eingerollte Bogen der 6 ist relativ klein.

Die Grabplatte weist Ähnlichkeiten in der Gestaltung mit denjenigen für die 1595 gestorbene Anna von Schenk und ihren Mann Ernst von Honrodt (gest. 1594) in Veltheim (Lkr. Wolfenbüttel) auf. Dies gilt – neben der Schrift mit ihren Besonderheiten – für die Figur der Verstorbenen, für die mit Beschlagwerk verzierten Bögen und die seitlichen Kämpfer.8)

Dorothea (1543–1586), älteste Tochter von Herzog Franz I. von Sachsen-Lauenburg (1510–1581), heiratete im Dezember 1570 Herzog Wolfgang von Braunschweig-Grubenhagen (1531–1595). Am 9. April 1586 wurde sie in der Aegidienkirche bestattet.9)

Textkritischer Apparat

  1. GOTTES] GOTES Steinmann (1885), vermutlich Abschreibe- oder Druckfehler.
  2. GEBORN] geb. Herz. Halliday, Steinmann (1866), geb. Herzogin Max.
  3. WESTPHALEN] Das zweite E eingestellt in das L.
  4. II] 11 Halliday, Max, Steinmann (1866), Mithoff. – Die übrigen Varianten der Lesung von Halliday und bei den von diesem mit kleinen Abweichungen abschreibenden Autoren (Max, Steinmann [1866]) beschränken sich auf Normalisierungen und hinzugefügte Interpunktionszeichen; sie werden nicht dokumentiert.

Anmerkungen

  1. Die ursprüngliche Lage der Grabplatte wird seit dem späten 19. Jahrhundert durch eine kleine, in den Holzboden des Altarraums eingelassene Messingtafel markiert.
  2. Zur Aufstellung 1881 vgl. Steinmann, Grabstätten (1885), S. 175. Den Zustand um 1927/28 dokumentiert ein Foto der „Staatlichen Bildstelle Berlin“ im NLD Hannover (IFDN KB 136/E3); wegen der schwarzen Bemalung mit der Materialbezeichnung „Schieferstein“; auch: https://www.bildindex.de/document/obj20687523?medium=mi08557g05 (27.04.2017); dort noch ein weiteres Foto (mi08557g04). Zur Datierung des erstgenannten Fotos vgl. die Einleitung, Kap. 5.
  3. Martin Granzin, Die Grabmäler wurden restauriert, in: Göttinger Tageblatt vom 16./17.02.1974.
  4. Der Zweck war die Anfertigung von Abzeichnungen, auf deren Grundlage Nikolaus Seeländer Platten stach, was vermutlich zwischen 1727 und 1729 geschah; Kupferstichplatten, S. 77 (Liste 1729d, Nr. 58); Kat. Nr. K 899, S. 347; eine Abbildung nur auf der beiliegenden CD (cup. 4056).
  5. Halliday, House of Guelph, S. 408 (Bericht des Superintendenten J. F. H. Effler, Pastor an St. Jacobi).
  6. Wappen Braunschweig/Sachsen (gespalten, rechts zwei Löwen übereinander [Braunschweig], links neunmal geteilt, von Rautenkranz schräglinks überlegt [Sachsen]). Zu Braunschweig vgl. Rüggeberg, Die welfischen Wappen zwischen 1582 und 1640, S. 213, zu Sachsen die folgende Anm.
  7. Wappen Sachsen-Lauenburg, verteilt auf vier Wappenschilde in den Ecken der Platte: 1. u. 4. (neunmal geteilt, von Rautenkranz schräglinks überlegt [Sachsen]); 2. (Adler mit ausgebreiteten Flügeln, nach links blickend [Westfalen; eigentlich Pfalzgrafschaft Sachsen]), 3. (drei Seeblätter, 2:1 [Engern; eigentlich Grafschaft Brehna]). Der Großvater von Herzogin Dorothea, Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg (1470–1543), hatte die von seinen Vorgängern nach dem Aussterben der askanischen Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg im Jahr 1422 in das Wappen von Sachsen-Lauenburg aufgenommenen Wappen der Pfalzgrafschaft Sachsen (Feld 2) und der Grafschaft Brehna (Feld 3) zu Wappen der Anspruchstitel auf Westfalen und Engern umgewidmet; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 3, S. 18f. u. Tafel 27, Nr. 1 u. 2.
  8. Vgl. Kdm. Kreis Braunschweig, S. 212f. (Abb. 87 u. 86); die Edition der Inschriften des Landkreises Wolfenbüttel wird z. Zt. durch Christine Wulf vorbereitet. Die Platte für Ernst von Honrodt zeigt zahlreiche eingestellte Buchstaben, für die die vorliegende nur ein Beispiel (vgl. Anm. c) aufweist.
  9. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 382–384. Zimmermann, Haus Braunschweig-Grubenhagen, S. 62.

Nachweise

  1. Kupferstichplatten (cup. 4056 auf CD); Abzüge: GWLB Hannover Ms. XXIII, 38b, Bl. 58; Ms. XXIII, 452, Bl. 1 u. 4.
  2. Halliday, House of Guelph, S. 411.
  3. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 384 (nach Halliday).
  4. Steinmann, Grabstätten (1866), S. 354 (nach Halliday).
  5. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 169 (nach Abzug von Kupferstichplatten).
  6. Steinmann, Grabstätten (1885), S. 171 (nach Mithoff).
  7. Mende, Das monumentale Osterode, Tafel 7, vor S. 535.
  8. Mühlefeld, Osteroder Kirchen von innen, S. 17.

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 88 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0008808.