Die Inschriften des Altkreises Osterode

5. Die Überlieferung der Inschriften

Von den 221 Inschriftenträgern des Katalogs sind 138 ganz oder teilweise erhalten, 83 sind kopial überliefert, wovon sich drei in unzugänglichen Lagern befinden (Nr. 71, 169, 206) und eines hinter einer Verkleidung (Nr. 90); zwei Objekte konnten nicht gefunden werden (Nr. 191 [II], 217), ihr Verlust ist aber unsicher. Der Anteil kopial überlieferter Inschriften ist mit etwa 38 Prozent für einen Landkreis relativ hoch; in den Nachbarlandkreisen Göttingen und Northeim liegt er um 28 bzw. 32 Prozent, im Landkreis Hildesheim sogar nur bei gut 18 Prozent.59) Zwar fehlt es, wie dort, auch im Altkreis Osterode an einer umfassenden kopialen Überlieferung, wie sie in größeren Städten häufiger zu finden ist; für Walkenried liegt jedoch eine umfangreichere kopiale Überlieferung vor. Daneben gibt es verstreute Überlieferungen für einzelne Standorte.

Wie in allen südniedersächsischen Landkreisen sind Aufzeichnungen heranzuziehen, die der aus Hardegsen stammende Johannes Letzner (1531–1613) in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts anfertigte. Letzner war von 1553 bis 1610 Pastor in mehreren Orten der heutigen Landkreise Göttingen und Northeim. Anschließend lebte er bis zu seinem Tod 1613 in Strodthagen (Lkr. Northeim).60) Neben der 1596 gedruckten „Dasselischen und Einbeckischen Chronica“ sind von ihm Inschriften überliefert in der Klösterchronik, dem dritten Teil seiner „Braunschweig-Lüneburgischen Chronik“, die in der SUB Göttingen in zwei Abschriften des späten 17. Jahrhunderts vorliegt. Letzner galt lange als notorisch unzuverlässig, was z. B. für seine Angaben zur Genealogie von Adelsfamilien im Mittelalter zweifellos zutreffend ist. Anders ist es bei Berichten über zu Letzners Lebzeiten noch existierende Objekte.61) Dennoch ist jede seiner Nachrichten mit Vorsicht zu benutzen; Inschriften wurden von ihm zudem, wie Beispiele belegen, sprachlich und in der Schreibweise modernisiert.62)

Zum Kloster Walkenried hat Letzner eine eigene Chronik verfasst, die in zwei Versionen (von 1594/95 und 1598) vorliegt. Die spätere hat der Walkenrieder Heimathistoriker Fritz Reinboth ediert,63) der dem Verfasser auch einen Film der maßgeblichen Handschrift der Leibniz-Bibliothek in Hannover (GWLB) zur Verfügung gestellt hat, anhand dessen die Transkription der bei Letzner überlieferten Inschriften überprüft und in einigen Fällen korrigiert werden konnte.64) Letzners wichtigster Gewährsmann war der Pastor, Schulrektor und spätere Prior Heinrich Eckstorm, der selbst 1617 eine ausführliche Klosterchronik – in lateinischer Sprache – veröffentlichte.65) Die Übereinstimmungen zwischen beiden Werken gehen darauf zurück, dass Letzner bei einem Besuch in Walkenried im Frühjahr 1594 von den dortigen Amtsträgern unterrichtet wurde. Eckstorm und der Chronist Cyriakus Spangenberg (1528–1604) lieferten zudem Korrekturen, die Letzner einarbeitete.66) Die Sammlungen und Ausarbeitungen des hannoverschen Archivars Johann Heinrich Hoffmann zu Walkenried aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts – Hoffmann war selbst Schüler im Kloster gewesen – sind 1943 im Staatsarchiv in Hannover verbrannt; nur einige Zeichnungen daraus wurden seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlicht. Das Werk von Johann Georg Leuckfeld (1668–1726), Pastor in Gröningen, der über zahlreiche Klöster Chroniken verfasst hat, darunter 1705 auch eine über Walkenried,67) beruht weitgehend auf Eckstorm und der Arbeit Hoffmanns. Die älteren Inschriften werden überwiegend von allen drei Autoren überliefert. Abweichungen in der Schreibweise kommen [Druckseite 24] dabei vor, die bei den im Original erhaltenen Inschriften in der vorliegenden Edition im Allgemeinen nicht dokumentiert werden. In einzelnen Fällen konnte auch der vom Bearbeiter des einschlägigen Kunstdenkmäler-Inventars, Karl Steinacker (1872–1944), dokumentierte Zustand als Überlieferung herangezogen werden.68) Dasselbe gilt für die Beiträge einiger im späten 19. Jahrhundert arbeitender Forscher (Mülverstedt, Zimmermann).69)

Für Osterode liegt die älteste Überlieferung mit den Schriften des Stadtsekretärs und späteren Bürgermeisters Heinrich Wendt vor. Seine Geschichte der Stadt wurde gedruckt,70) während die in vielen Punkten mit der Stadtgeschichte übereinstimmenden Aufzeichnungen über die Geschichte der Kirchen Osterodes von 1663 nur als Manuskript erhalten sind.71) Beide enthalten Abschriften von Inschriften. Auf eigener Beobachtung, teilweise aber auch auf Wendts Aufzeichnungen beruhen die Beschreibungen der Kirchen und der in ihnen befindlichen Denkmale, die der Syndikus und spätere Stadtgerichtsdirektor Georg August Meywerth und A. C. F. Spangenberg 1808 (mit einem Nachtrag von 1810) im „Neuen Hannoverschen Magazin“ veröffentlicht haben.72) Bis ins 20. Jahrhundert weitgehend unbeachtet geblieben sind die Kupferstiche der fürstlichen Grabdenkmale in der Aegidienkirche, die der Stecher Nicolaus Seeländer (1682–1744) angefertigt hat.73) Seeländer, der seit 1716 in Hannover angestellt war, um Illustrationen zu den historischen Werken von Gottlieb Wilhelm Leibniz zu liefern, fertigte zwischen 1727 und 1729 Stiche der Grabplatten und des Epitaphs Nr. 72 an.74) Zuvor hatte er die Grabplatten abgezeichnet, wofür deren hölzerne Abdeckung aufgenommen werden musste. Seeländer arbeitete genau, wenn ihm auch im Einzelnen kleinere Fehler unterliefen.75) Die Inschriften der Grabplatten wurden noch einmal von dem schottischen Arzt Andrew Halliday (1782–1839) überliefert, der 1817 eine Umfrage nach den Grabstätten der Welfen initiiert hatte. Für die ihm zugelieferte Lesung des Lokalgeistlichen wurde die Abdeckung erneut aufgenommen.76) In der Mitte des 20. Jahrhunderts hat der Osteroder Heimatschriftsteller Hans Erich Giebel Aufzeichnungen über städtische Inschriften angefertigt, die auch unter seinem Pseudonym „Medardus Bremeneck“ veröffentlicht sind.77)

Für die Johanniskirche liegen im Niedersächsischen Landesdenkmalamt in Hannover Fotos vor, die in den Jahren vor dem Anfang 1927 erfolgten Abbruch angefertigt wurden. Offenbar gab die Versetzung einiger Objekte aus St. Johannis an andere Standorte dann den Anstoß für eine Fotokampagne in den drei noch bestehenden Osteroder Kirchen. Die qualitätsvollen Aufnahmen der von 1885 bis 1943 existierenden „Staatlichen Bildstelle Berlin“ liegen heute ebenfalls im Landesdenkmalamt, wo sie mit „um 1900–1930?“ beschriftet sind.78) Da sie offenkundig zusammen und sehr bald nach der Umsetzung der Objekte (vgl. Nr. 157) entstanden sind, kommen für die Fotokampagne aber in erster Linie die Jahre 1927/28 infrage.

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Der genannte A. C. F. Spangenberg hat 1810 auch zur Geschichte von Herzberg Notizen veröffentlicht, die Inschriften enthalten.79) Aus der fürstlichen Gruft in der Bartholomäuskirche hat zudem Halliday Inschriften überliefert.80) Weiterhin zu nennen sind Aufzeichnungen, die ein Teilnehmer an der Öffnung der Grüfte der Bartholomäuskirche 1840 angefertigt hat und aus denen später mehrfach zitiert wurde.81)

Hinweise auf einzelne Inschriften in den übrigen Ortschaften finden sich verstreut in der Heimatliteratur.

Zitationshinweis:

DI 105, Altkreis Osterode, Einleitung, 5. Die Überlieferung der Inschriften (Jörg H. Lampe), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021e003.

  1. Vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), S. 16. DI 96 (Lkr. Northeim), S. 28. DI 88 (Lkr. Hildesheim), S. 22»
  2. Zu Letzner vgl. Hans Klinge, Johannes Letzner. Ein Niedersächsischer Chronist des 16. Jahrhunderts, Diss. Göttingen 1950/51. Ralf Kirstan, Die Welt des Johannes Letzner. Ein lutherischer Landpfarrer und Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts, Göttingen 2015 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Bd. 278). »
  3. Ein Beispiel ist die wiederentdeckte Wandmalerei in Derental aus dem Jahr 1577, die Letzners Bericht weitgehend entspricht; vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 83»
  4. Vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 7, 40, 64, 108»
  5. Zitiert als Letzner, Walkenrieder Chronik (vgl. das Literaturverzeichnis). »
  6. Zitiert als Letzner, Chronica (vgl. das Literaturverzeichnis). »
  7. Eckstorm, Chronicon Walkenredense (vgl. das Literaturverzeichnis). »
  8. Vgl. die Einleitung in Letzner, Walkenrieder Chronik, S. 7–12. »
  9. Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses (1705). »
  10. Kdm. Kreis Blankenburg (1922). »
  11. Mülverstedt, Walkenrieder Grabsteine. Zimmermann, Zu den Grabdenkmälern. »
  12. Wendt, Geschichte (1988). »
  13. Wendt, Kirchen- und Schul-Acta (1663). »
  14. M[eywerth]/S[pangenberg], Beschreibung (1808). [Spangenberg], Nachtrag (1810). »
  15. Abzüge der Kupferstichplatten lagen in der Sammlung des waldeckischen Regierungspräsidenten und Sammlers Burchard Christian von Spilcker (1770–1838) vor, die unter dem Namen „Spilcker’s Collectaneen“ in der Bibliothek des Historischen Vereins für Niedersachsen lag und die 1943 im hannoverschen Staatsarchiv verbrannt ist; die Abzüge wurden benutzt von Mithoff: vgl. z. B. Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 168, Anm. 2. Weitere, aber wohl nie zitierte Abzüge liegen vor in: GWLB Hannover Ms. XXIII, 38b; Ms. XXVIII, 433. »
  16. Vgl. Kupferstichplatten, bes. S. 17–22. Die angenommene Entstehungszeit ergibt sich daraus, dass die Kupferstichplatten der Osteroder Grabdenkmale auf der 1729 von Seeländer selbst erstellten Liste 1729d (Nr. 51–60) erscheinen, nicht aber auf dem Werkverzeichnis von 1727; vgl. ebd., S. 77 mit S. 58–63. »
  17. Kupferstichplatten, K 893–902, S. 345–347; die Osteroder Kupferstichplatten sind nur teilweise im Druck abgebildet: ebd., Abb. 86–90, S. 446–450, die übrigen nur auf der dem Buch beiliegenden CD. »
  18. Halliday, House of Guelph, S. 407–417. »
  19. Hans Erich Giebel, Osteroder Hausinschriften, in: Unter dem Harze Nr. 197 u. 198, 1954. Bremeneck (Giebel), Sösewasser (1967). »
  20. Die Fotos sind bei „Foto Marburg“ (https://www.bildindex.de) einsehbar; dort zumeist mit dem Zusatz „1900–1940?“ versehen. »
  21. [Spangenberg], Kurze Geschichte (1810). »
  22. Halliday, House of Guelph (1821), S. 397–401. »
  23. Vgl. Meister, Herzberg (1853), Anhang A, S. 70–76. Kleinschmidt, Chronik (1894), S. 41f. Gottlieb, Fürstengruft (1911). »