Inschriftenkatalog: Altkreis Osterode

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 105: Osterode (2019)

Nr. 66 Osterode, St. Aegidien 1569

Beschreibung

Grabplatte für Herzogin Margarete von Pommern. Stein. Aufgestellt an der Nordwand des Chors, rechts von der ihres Mannes Herzog Ernst (Nr. 63). Die Verstorbene ist unter einem Rundbogen mit rollwerkgeschmückten Zierkonsolen im Hochrelief dargestellt. In den Zwickeln allegorische Frauenfiguren in antikischem Gewand, links Fides (Glaube) mit den Gesetzestafeln in der rechten und einem Kreuz in der linken Hand, rechts Spes (Hoffnung) mit einer Taube auf der rechten und einem Anker in der linken Hand.1) Die Verstorbene ist dargestellt in einem langen Kleid mit zwei doppelt bzw. dreifach umgelegten Ketten; die Hände, in denen sie Handschuhe hält, sind vor der Brust zusammengelegt, auf dem Kopf trägt sie ein Haarnetz. Die Inschrift umlaufend, erhaben in vertiefter Zeile, die Worttrenner sind rautenförmig. Die Kürzungsstriche auf der Leiste sind durch Beschädigung und Wiederauffüllen des äußeren Randes fast alle verloren. Unten rechts ein Vollwappen.

Die Grabplatte bedeckte das vor dem Altar situierte Grab der Herzogin.2) Sie wurde 1880 aufgenommen und im Folgejahr zusammen mit der ihres Mannes in einem profilierten Steinrahmen an der nördlichen Chorwand aufgestellt. Die bis dahin von einem Dielenboden geschützte Platte war seitdem aufsteigender Feuchtigkeit ausgesetzt. Von der um 1927/28 dokumentierten schwarzen Bemalung der Platte, die diese an die beiden aus schwarzem Stein gefertigten Platten der Herzöge Wolfgang und Philipp (Nr. 109, 117) angleichen sollte, sind fleckenartige Verfärbungen des Steins zurückgeblieben.3) Bei einer Restaurierung im Jahr 1974 wurde sie am selben Platz auf einem Betonsockel einzeln wieder aufgestellt.4) Die Dielenabdeckung war zuvor mindestens zweimal, wahrscheinlich 1727/285) und am 24. März 1819,6) zu einer Untersuchung der Grabplatten im Chor aufgenommen worden.

Maße: H.: 221 cm; B.: 113 cm; Bu.: 5,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit schräggelegter Jahreszahl.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Jörg H. Lampe) [1/3]

  1. D(OMI)NAa) · MARGARETA · ER(N)ESTI · / DVCIS · BRVN(SVICENSIS) · ET · LVN(EBVRGENSIS) · CONI(V)NXb) · PAVLO · PLVS · CO(M)PLETIS · [2] · AN(N)I/S · VIDVITATIS · POST · MOR/TE(M) · MARITI · HIC · SEPVLTA · IACET · OBIIT · 24 · IV(N)IIc) · A(NN)O 1569d)

Übersetzung:

Frau Margarete, Ehefrau des Herzogs Ernst von Braunschweig und Lüneburg, liegt hier begraben, nachdem sie nach dem Tod ihres Gatten etwas mehr als zwei Witwenjahre vollendet hatte. Sie starb am 24. Juni im Jahr 1569.

Wappen:
Pommern7)

Kommentar

Die Buchstaben sind mit schmaler Strichstärke ausgeführt; bei S findet sich eine Bogenverstärkung im Mittelteil, die Bogenenden sind gespalten. Die Cauda des R ist geschwungen, die senkrechte Cauda des G knickt im rechten Winkel nach links ab. Die unteren Balken von L und E sind verlängert und spornartig nach oben gezogen, der Mittelbalken des E ist verkürzt. Der Mittelbalken des H ist nach oben ausgebuchtet. C ist weit offen, das obere Bogenende ist etwas verlängert und gespalten. Die 5 besteht nur aus Bogen und Balken, der geschlossene Bogenteil der 9 ist sehr klein. Schrift und Ziffern entsprechen denjenigen auf der Grabplatte für Herzog Ernst; sie sind dort allerdings schrägliegend.

Die Platte ist auch sonst als Gegenstück zu der des Mannes der Verstorbenen (Nr. 63) gearbeitet. Die Gesichtszüge der Herzogin sind möglicherweise einer Federzeichnung von Lucas Cranach aus dem Jahr 1545 nachgebildet.8)

Margarete von Pommern (1518–1569), Tochter von Herzog Georg (1493–1531) und Amalia von der Pfalz (1490–1525), hatte 1547 Herzog Ernst von Braunschweig-Grubenhagen (1518–1567) geheiratet; die Heimführung fand erst 1549 statt.9) Als Anerkennung für die Leistung und Treue ihres Mannes gewährte König Philipp II. von Spanien ihr 1569 die Auszahlung von dessen ausstehenden Pensionsgeldern.10) Ein bei Rehtmeier abgedrucktes Grabgedicht feiert die Verstorbene als Mutter des Landes.11)

Textkritischer Apparat

  1. D(OMI)NA] DOMINA Wendt; ANNA Halliday, Steinmann (1866); Anna Max (nach Halliday); DNA Mithoff, Steinmann (1885).
  2. CONI(V)NX] Befund: korrigierter Haufehler; über dem I ein nach unten ausgebuchteter Kürzungsstrich. Der Fehler wird in allen älteren Lesungen stillschweigend zu CONIVX korrigiert, auch bei Kupferstichplatten.
  3. IV(N)II] IVII Mithoff (mit Angabe des Kürzungsstrichs); Jul. Halliday, Max; Juli Steinmann (1866); JUNI Steinmann (1885). Die weiteren Varianten bei Halliday und den ihn (mit jeweils kleinen Abweichungen) abschreibenden Autoren beschränken sich auf Normalisierungen, stillschweigende Auflösung der Kürzungen und eine hinzugefügte Interpunktion; sie werden im Folgenden nicht dokumentiert.
  4. POST … 1569] in der Edition von Wendt nach Mithoff ergänzt, fehlt in der Handschrift.

Anmerkungen

  1. So bereits Ralf-Gunnar Werlich, Denkmale der Greifen, in: Pommern 2002, S. 18–27, hier S. 20. – Vgl. LCI, Bd. 1, Sp. 119 (Anker); Bd. 2, Sp. 31–34 (Fides); Bd. 4, Sp. 241f. (Taube).
  2. Die ursprüngliche Lage der Grabplatte wird seit dem späten 19. Jahrhundert durch eine kleine, in den Holzboden eingelassene Messingtafel markiert.
  3. Zur Aufstellung der Platten 1881 vgl. Steinmann, Grabstätten (1885), S. 175. Den Zustand um 1927/28 dokumentiert ein Foto der „Staatlichen Bildstelle Berlin“ in der Fotokartei des NLD Hannover; wegen der schwarzen Bemalung mit der Materialbezeichnung „Schieferstein“; auch: https://www.bildindex.de/document/obj20687521?medium=mi08557f14 (27.04.2017); dort noch zwei weitere Fotos (mi08557f13, mi08557g02). Zur Datierung des erstgenannten Fotos vgl. die Einleitung, Kap. 5.
  4. Martin Granzin, Die Grabmäler wurden restauriert, in: Göttinger Tageblatt vom 16./17.02.1974.
  5. Der Zweck war die Anfertigung von Abzeichnungen, auf deren Grundlage Nikolaus Seeländer Platten stach, was vermutlich zwischen 1727 und 1729 geschah; Kupferstichplatten, S. 77 (Liste 1729d, Nr. 56); Kat. Nr. K 896, S. 346; Abb. 87, S. 447 (cup. 4055).
  6. Halliday, House of Guelph, S. 408 (Bericht des Superintendenten J. F. H. Effler, Pastor an St. Jacobi).
  7. Wappen Pommern (zweimal gespalten und zweimal geteilt; 1. Greif [Kaschuben], 2. Greif [Pommern], 3. Greif [Stettin], 4. aufgerichteter Fischgreif [Herrschaft Usedom], 5. geteilt: oben wachsender Löwe, unten Stufengiebel [Rügen], 6. Greif [Wenden], 7. wachsender Greif über geschachtem Feld [Wolgast], 8. zwei Stangen im Andreaskreuz, von vier Rosen bewinkelt [Gützkow], 9. Greif [Barth]). Herzog Bogislaw X. von Pommern ließ durch Kaiser Maximilian um 1500 das pommersche Wappen durch die Vereinigung der Wappen einzelner Landesteile und mehrerer Teillinien vermehren; von den verschieden tingierten Greifen führte er fünf im Wappen; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 74–76 u. Tafel 75–84. Das Wappen ist linksgewendet. Ralf-Gunnar Werlich wertet die aus Courtoisie erfolgte Wendung des Wappens irrtümlich als Vertauschung; Werlich, Denkmale der Greifen (wie Anm. 1), S. 20f.
  8. Vgl. Hellmuth Bethe, Die Bildnisse des pommerschen Herzogshauses, in: Baltische Studien, N.F. 39, 1937, S. 71–99, hier S. 88.
  9. Zimmermann, Haus Braunschweig-Grubenhagen, S. 57. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 365–369. Vgl. bereits Letzner, Dasselische Chronik, III. Buch, Bl. 97v–98r.
  10. Vgl. Mittendorff, Verbindung, bes. S. 257–259.
  11. Rehtmeier, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Thl. I, S. 574.

Nachweise

  1. Kupferstichplatten, Abb. 88, S. 448 (cup. 4055); Abzüge in: GWLB Hannover Ms. XXIII, 38b, Bl. 56; Ms. XXIII, 413, Bl. 3 u. 4.
  2. Wendt, Geschichte, S. 165 (Bl. 219).
  3. Halliday, House of Guelph, S. 410.
  4. Max, Grubenhagen, Bd. 1, S. 368 (nach Halliday).
  5. Steinmann, Grabstätten (1866), S. 354 (nach Halliday).
  6. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 168 (nach Abzug von Kupferstichplatten).
  7. Steinmann, Grabstätten (1885), S. 170 (nach Mithoff).
  8. Mühlefeld, Osteroder Kirchen von innen, S. 17 (Übersetzung).

Zitierhinweis:
DI 105, Osterode, Nr. 66 (Jörg H. Lampe), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di105g021k0006602.