Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 194† Schuhstr. (Heiliggeist-Bauerschaft 58) 1626

Beschreibung

Torbogen und Schwellbalken. Das an der Nordseite der Schuhstraße auf dem Grundstück Heiliggeist-Bauerschaft 58 stehende Fachwerkhaus wurde um 1900 abgebrochen.1) Drei damals aufgenommene Fotografien zeigen eine Teilansicht der Fassade: das Deelentor mit Oberlicht bis zur Obergeschoßschwelle. Der Torbogen lag in einer flachen Rechtecknische mit gestücktem Rundstab in reicher Profilierung. Die Bogenöffnung rahmte ein breites Schmuckband mit einem Diamantquader im Scheitel, in den Zwickelfeldern rankenartiges Beschlagwerk. Die beiden äußeren der drei breiten Ständerhölzer des zweiteiligen Deelenoberlichts trugen oben die Jahreszahl A, darunter in allen drei Ständern in je einem eingetieften Oval einen Wappenschild. Im mittleren Schild ein stilisierter Halbschuh, in den beiden äußeren Schilden in der Art von Hausmarken angeordnete Initialen (B, C). Darüber an der Schwelle des Obergeschosses Reste eines Gebets (D). Alle Inschriften waren erhaben geschnitzt. Aus dem Gebäude, das vermutlich an der Ecke zum Freien Hof stand,2) ist auch ein 1626 datierter Sturzstein mit den gleichen Wappenschilden erhalten (vgl. Nr. 192).

Inschriften nach Fotografie.

Schriftart(en): Kapitalis.

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- u. Baukultur in Westfalen [1/1]

  1. A

    16 // 26

  2. B

    Fha)

  3. C

    ANB

  4. D

    O GODT DIES HAVS IOREb)[.....]FVR WASSERF[.......] GROSSER G[ – – – ]

Kommentar

Der fragmentarische Text an der Schwelle des Obergeschosses (D) ist nicht mehr zu rekonstruieren. Die Bruchstücke lassen jedoch erkennen, daß Gott um Schutz des Hauses vor Naturgewalten wie Überschwemmungen und anderen Gefahren gebeten wurde.3)

Der Standort des Fachwerkhauses in der Schuhstraße, die schon um 1660 nach den dort ansässigen Handwerkern „Schustergasse“ und noch im frühen 19. Jahrhundert „Schusterstraße“ genannt wurde, sowie das Handwerkszeichen im Wappenschild ermöglichen die Identifizierung des Bauherrn. Es handelt sich um Friedrich Halle, Sohn des Johann Halle, der 1619 für sich und seine aus Glandorff bei Osnabrück stammende Ehefrau Anneke Büllers das Lemgoer Bürgerrecht erwarb.4) Vater und Sohn gehören zu den frühestnachweisbaren Mitgliedern der Familie Halle, die sich im 17. Jahrhundert im Lemgoer Schuhmacherhandwerk etablierte. Einige Familienmitglieder gelangten über die Schuhmacherzunft zu städtischen Ehrenämtern.5) Über Friedrich Halle ist nichts weiter bekannt. Die aufwendige Gestaltung des Deeleneingangs mit vielgestaltigem Schnitzwerk spricht aber für einen wohlsituierten Besitzer, der sich 1626, während des Dreißigjährigen Krieges, eine solche Fassade leisten konnte.

Textkritischer Apparat

  1. Kapitalis- und Minuskelbuchstabe sind gekreuzt.
  2. Der dritte Buchstabe kann als R oder B gelesen werden. Die naheliegende Lesung TORE ist problematisch, da der Balken des T fehlte.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 926f.
  2. BKD Lemgo, S. 926, ausgehend von der alten Bauerschaftsnummer (Heiliggeist-Bauerschaft 58), die auch Dewitz in seiner 1880 datierten Zeichnung angibt.
  3. Vgl. z. B. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 399, Nr. 72 oder Süvern, Torbögen, S. 22, Hausinschrift Horn, Nordstr. 4, datiert 1613: ACH GOT MIN HER! / BEWAR MI VOR BUWEN MER. / VOR FÜR UND WATERSNODT. / UND VOR EINEN BOSEN SCHNELLEN DODT.
  4. Bürgerbuch, Nr. 2212 u. 2218.
  5. Dazu: Uta Halle, „Hereyn wer Stiffl und Schuh bedarff“ Die Lemgoer Schuhmacherfamilie Halle im 17. Jahrhundert. In: Biographieforschung und Stadtgeschichte. Lemgo in der Spätphase der Hexenverfolgung, hg. v. Gisela Wilbertz u. Jürgen Scheffler, Bielefeld 2000 (Studien zur Regionalgeschichte Bd. 13; Beiträge zur Geschichte der Stadt Lemgo Bd. 5), S. 347–388, bes. S. 350–352 zur Herkunft des Friedrich Halle.

Nachweise

  1. Fotografie, um 1900, WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo).
  2. Dewitz, Zeichnung, dat. 15. Oktober 1880, LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 97,1 (A, B, C).
  3. Druckgraph. Reproduktion einer Zeichnung von R. Charton, redigiert v. Otto Stiehl. In: Die Holzarchitektur Deutschlands vom XIV. bis XVIII. Jahrhundert, hg. v. Cuno u. Carl Schäfer, Berlin 1883, Taf. 51 (in Details ungenau).
  4. BKD Lemgo, S. 926 (A–C) mit Abb. 1129.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 194† (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0019400.