Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 183 Freier Hof 16 1620

Beschreibung

Kaminsturz. Gelblicher Sandstein, hellgrau gefaßt. Das Fragment eines steinernen Kamingewändes war bei der Inschriftenaufnahme an der Rückseite des Hauses Freier Hof 16 eingemauert. Die querrechteckige Platte besitzt nurmehr unten Reste eines Abschlußprofils. Die Kaminfront wird durch vier Triglyphen in drei Felder gegliedert, der breitere Mittelteil enthält eine querovale Rollwerkkartusche mit vorgewölbtem Schriftfeld, welches den dreizeiligen Wahlspruch A trägt, auf leicht eingetieftem Grund erhaben ausgeführt. Unten ist links und rechts der Inschriftkartusche die Jahreszahl B eingehauen. Die beiden Seitenfelder zeigen Vollwappen mit jeweils darunter eingehauener Beischrift (C links, D rechts).

Maße: H. 50 cm; B. 230 cm; Bu. 4 cm (A), 5,5 cm (B), 3,5 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A

    NON ODIIS BONORVM PREMOR / INVIDIAM MALORVM NON / PERTIMESCO ·

  2. B

    MDa) // CXX ·

  3. C

    FRA(N)TZ FLORKE

  4. D

    ANNA DREGERS

Übersetzung:

Mich bedrücken nicht die Feindseligkeiten der Guten, den Neid der Schlechten fürchte ich nicht. (A)

Wappen:
Flörke1)Dreger2)

Kommentar

Die Inschrift A in leicht rechtsgeneigter Kapitalis mit keilförmig verbreiterten Schaft-, Balken- und Bogenenden, M mit kurzem Mittelteil, R teilweise mit geschwungener Cauda. Bei der Jahreszahl B Ansätze zur Sporenbildung.

Möglicherweise stammt der 1620 datierte, relativ aufwendige Kaminsturz aus dem Haus Papenstr. 2/4, welches im 16. und 17. Jahrhundert der Lemgoer Kaufmannsfamilie Flörke gehörte. Der große Steinbau, damals eines der größten privaten Wohnhäuser der Stadt, wurde 1913 abgerissen.3) Bauherr dieses um 1560 errichteten Hauses war der Bürgermeister Florin (IV.) Flörke († 1581/82), der Vater des am Kaminstein genannten Franz Flörke († 1579/85). Sie gehörten zur älteren Linie der Flörke-Familie in Lemgo.4) Die Ehefrau des Franz Flörke, Anna Dreger, Tochter des Bielefelder Bürgermeisters Meinulf Dreger, führte seit dem 20. April 1585 gemeinsam mit zwei anderen Witwen wegen Verleumdung als „Zaubersche“ einen mehrjährigen Prozeß gegen den Lemgoer Zieglermeister Wilhelm Klodt (vgl. Nr. 78).5) Auffallend ist die späte Entstehung des Kaminsturzes mindestens 35 Jahre nach dem Tod Franz Flörkes, wenn man die Jahreszahl B auf den Zeitpunkt der Anfertigung bezieht. Die Witwe Anna Dreger ist zwar noch 1608 und 1613 archivalisch nachweisbar, ihr Todesjahr aber nicht bekannt. Es ist jedoch auch nicht auszuschließen, daß die Jahreszahl B nachträglich eingehauen wurde und der Kaminsturz mit den anderen Inschriften zu einem früheren Zeitpunkt entstand. Der Schriftvergleich ermöglicht keine differenziertere Datierung der Kapitalis-Inschriften.6) Franz Flörke und Anna Dreger hatten zwei Kinder, Engelbert und Heinrich.7)

Textkritischer Apparat

  1. Neulateinische Zahlzeichen.

Anmerkungen

  1. Wappen Flörke (zwei gekreuzte Geweihstangen?). Vgl. Nr. 112, Anm. 8.
  2. Wappen Dreger (Balken mit drei Weintrauben belegt).
  3. Zur Provenienz: Stiewe, Bürger, S. 109. Zum Haus: BKD Lemgo, S. 898–900. Zeitgenössische Quellen bezeichnen den Standort des Hauses in der Papenstraße als am Schweinemarkte (ebd., S. 43).
  4. Zu den Personen: Sta Lemgo, Plögersche Sammlung (Flörke), u. Roland Linde, Leutnant Franz Hermann Flörke und seine Familie. Ahnenstolz und Traditionsbrüche in einer Lemgoer Bürgermeisterfamilie. In: Biographieforschung und Stadtgeschichte. Lemgo in der Spätphase der Hexenverfolgung, hg. v. Gisela Wilbertz u. Jürgen Scheffler, Bielefeld 2000 (Studien zur Regionalgeschichte Bd. 13; Beiträge zur Geschichte der Stadt Lemgo Bd. 5), S. 185–215, hier S. 191f. u. S. 188 (Stammtafel der Familie Flörke in Lemgo).
  5. Sta Lemgo, Nachlaß Hoppe, Nr. 8, S. 2 u. passim (Transkription von A 3675), sowie Plögersche Sammlung (Dreyer).
  6. Die in den BKD Lemgo, S. 710, geäußerte Vermutung, außer dem Datum seien auch die Wappenbeischriften nachgetragen, überzeugt nicht, da es keine plausible Begründung für die nachträgliche Beschriftung der bereits vorhandenen Wappen gibt, wenn einer der Ehepartner bereits seit langem verstorben ist.
  7. Vgl. zur weiteren Familiengeschichte Linde (wie Anm. 4), S. 192–194.

Nachweise

  1. BKD Lemgo, S. 710 mit Abb. 821.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 183 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0018307.