Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 181 St. Nikolai 1617

Beschreibung

Epitaph des Raban von Kerssenbrock und der Elisabeth von Donop. Holz, farbig gefaßt, und vier Ölgemälde. Originalfassung bei der Restaurierung 1964/65 freigelegt und ergänzt.1) Das Epitaph hängt an der Südwand im südlichen Joch des Querschiffs. Eine vollplastische zweigeschossige Architekturrahmung mit Beschlagwerk- und Rollwerkornamentik, Engels- und Tierköpfen sowie Obelisken umgibt die Ölgemälde. Freistehende korinthische Säulen trennen das Hauptbild von zwei Seitenflügeln und tragen ein Gebälk, über dem sich ein gleichartig gerahmter Giebelaufsatz erhebt. Das Gemälde im Mittelteil zeigt eine figurenreiche Kreuzigung, flankiert von Gemälden der Verstorbenen und ihrer Kinder auf den Seitenflügeln, links der Ehemann mit zwei Söhnen, rechts die Ehefrau mit zwei Töchtern. Am Rahmen darüber je ein Vollwappen. Im Aufsatz über dem Mittelteil ein Gemälde der Auferstehung Christi, links davon die freistehende Figur der Caritas, oben als Bekrönung Fides, die Figur der Spes auf der rechten Seite ist verloren. Der Unterhang des Epitaphs trägt in ovalem, von Rollwerk eingefaßtem Feld einen in Gold auf Schwarz gemalten Setzungsvermerk, darunter Pflanzenornament.

Maße: H. 670 cm; B. 450 cm;2) Bu. 2,3–2,7 cm.

Schriftart(en): Humanistische Minuskel mit einzelnen Frakturmerkmalen und Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/2]

  1. IN TEST[I]MONIVM FILIALIS AMORIS , / felicem [et debit]ama) recordationem Nobilissimi et maxi=/me strenui viri Rabani a Kärsenbrock , haereditarÿ in Barndorff , / Wirborn nec non possessoris in Helbra , qui · 19 Octob(ris) A(nn)o Chr(ist)i 1615 / aetatis suae 45 . immature quidem , attamen pie et placide / non sine multorum luctu , obyt , Itemq(ue) Nobilissimae et pudicissi(m)ae / matronae Elisabethae a Donop quae 24 . Ianu(arii) A(nn)o saluat(oris) n(ost)ri 1611 . / in Christo pie obdormiuit , parentum suorum dilectissimorum , filÿ / relicti Franciscus Christophorüs et Philippus fratres germani / a Kärsenbrock , hoc monumentum posuerunt . Anno . 1617 .

Übersetzung:

Zum Zeugnis kindlicher Liebe, zur beglückenden und schuldigen Erinnerung an den hochedlen und besonders tüchtigen Mann Raban von Kerssenbrock, Erbgesessenen in Barntrup, Wierborn sowie Grundbesitzer in Helbra, der am 19. Oktober im Jahr Christi 1615 seines Alters 45 (Jahre) zwar vorzeitig, aber trotzdem fromm und sanft, nicht ohne Trauer vieler, gestorben ist. Ebenso der hochedlen und hochehrbaren Dame Elisabeth von Donop, die am 24. Januar im Jahr unseres Erlösers 1611 fromm in Christus entschlafen ist, ihren sehr geliebten Eltern, haben die hinterlassenen Söhne, die leiblichen Brüder Franz Christoph und Philipp von Kerssenbrock, dieses Denkmal gesetzt im Jahr 1617.

Wappen:
Kerssenbrock3)Donop4)

Kommentar

Die Inschrift ist in einer leicht rechtsgeneigten Schrift ausgeführt, die überwiegend Formen der humanistischen Minuskel zeigt, aber auch andere, eher der Fraktur zugehörige Elemente wie e mit eingerolltem Bogen, h mit unter der Zeile nach links ausgezogenem Bogen und weit unter die Zeile reichendes geschwungenes f und Schaft-s. Auch die Kapitalisbuchstaben sind stark verschnörkelt. Damit unterscheidet sich die gemalte Schrift deutlich von den in Stein gehauenen humanistischen Minuskeln der Lemgoer Epitaphien.

Raban von Kerssenbrock war ein Sohn Franz d. J. von Kerssenbrock und der Anna von Canstein (vgl. Nr. 87). Die in der Inschrift genannten Güter, unter denen sich auch das von seiner Mutter erbaute Schloß Barntrup befand, erhielt er im Jahr 1606 durch Erbvertrag.5) Für das 1617 in der Nikolaikirche errichtete Epitaph sind Rechnungen erhalten, die Nikolaus Baumann als Maler einer Tafel ausweisen.6) Der aus Magdeburg stammende Baumann war bereits um den Jahreswechsel 1613/14 nach Brake berufen worden, um den Kupferstich mit der Apotheose des am 17. Dezember verstorbenen Simon VI. anzufertigen.7) Ob er sämtliche Gemälde des Kerssenbrock-Epitaphs anfertigte, geht aus der Rechnung nicht klar hervor. Neben Baumann wurde der Schreiner Meister Nolte entlohnt, der eine Tafel für das Epitaph angefertigt hatte, sowie Georg Meißner, der ein Eisengitter angefertigt hatte. Sicher ist, daß das Epitaph auswärts gefertigt und nach Lemgo gebracht wurde. Vermutlich entstand es in Magdeburg, da es bis in Einzelheiten des hölzernen Rahmens Übereinstimmungen mit dem Epitaph des 1611 verstorbenen Heinrich von der Asseburg im dortigen Dom aufweist, dessen Rahmen dem in Magdeburg tätigen Bildhauer Sebastian Ertle aus Überlingen zugeschrieben wird.8) Auch die Darstellung der Familie im linken und rechten Außenfeld der beiden Epitaphien ähnelt sich. Es ist zu vermuten, daß Baumann und Ertle als in Magdeburg ansässige Künstler öfter zusammenarbeiteten.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach Fotografie von 1936 im WAfD Münster.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 225. Einzelberichte 1962–66, S. 350.
  2. Maße des Epitaphs nach BKD Lemgo, S. 225.
  3. Wappen Kerssenbrock vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 29 u. Tafel 73.
  4. Wappen Donop vgl. ebd., Bd. 1, S. 41 u. Tafel 100.
  5. Stöwer, Kerssenbrock, S. 173.
  6. Rechnung gedr. bei Stöwer, Denkmäler, S. 82.
  7. Vgl. dazu Gaul, Schloß Brake, S. 95f.
  8. Günther Deneke, Magdeburger Renaissancebildhauer. In: Monatshefte für Kunstwissenschaft 6, 1913, S. 99-110, 145–159, 205–212, hier S. 152f.

Nachweise

  1. Fotografie, dat. 1936, WAfD Münster.
  2. Zeiß, Zeichnung, dat. 1880, LLB Detmold, Lippe-Bildsammlung, 4 L 34.
  3. Dreves, Geschichte, S. 336.
  4. Stöwer, Denkmäler, S. 82.
  5. BKD Lemgo, S. 225.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 181 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0018105.