Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 177 Rathaus, Saalbau 1612

Beschreibung

Kamin. Rötlicher Sandstein. Ursprünglicher Standort in der Deele des Hauses Mittelstraße 36 (vgl. a. Nr. 139), seit 1974 im Besitz der Stadt Lemgo und seit 1979 im Südkeller unter dem Rathaus-Saalbau an der Südwand des westlichen Kellerschiffs eingebaut.1) Kamingewände mit Reliefschmuck und Fassung von 1978. Der architektonisch gegliederte Sturz ruht mit geschweiften Volutenkonsolen auf freistehenden ionischen Säulen vor ornamentierten Wandvorlagen. Die Stützglieder zieren Beschlagwerk, Akanthus, Blattzweige, Diamantquader sowie Löwenköpfe vorne an den Konsolen. Die Kaminfront ist zwischen umlaufendem Deckgesims und unterem Abschlußprofil am Sturz durch Triglyphen in drei Felder unterteilt, im breiteren Mittelfeld eine Rollwerktafel mit zwei Wahlsprüchen (A, C), einem Datum (B) und einer Mahnung (D). Die Inschriften sind optisch nicht voneinander abgehoben. In den Seitenfeldern Vollwappen, darüber jeweils Initialen (E, F). Sämtliche Inschriften sind erhaben in eingetieftem Feld ausgeführt und in Gold auf Schwarz (A–E) und auf Rot (F) gefaßt.

Maße: H. 276 cm, 70 cm (Sturz); B. 267 cm (Sturz); Bu. 5 cm (A–D), 4 cm (E), 3 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/2]

  1. A

    LAVS DEO SEMPER 2)

  2. B

    ANNO 1612 . 9 . OCTOB(RIS)

  3. C

    SI DEVS PRO NOBIS QVIS CONTRA NOS 3)

  4. D

    BET HOFF AVF GODT :IN ALLER NOTH . /SEI STIL VNDT TRAW :HAB ACHT VNDT SCHAW /GROS WVNDER WIRSTV SEHEN . /CHRIST WVNDEN ROTHHELFEN VNS AVS NOTH

  5. E

    C(ONRAD) // P(LETTE)

  6. F

    A(NNA) V(ON) // D(ER) W(IPPER)

Übersetzung:

Lob (sei) Gott in Ewigkeit. (A)

Wenn Gott für uns ist, wer (kann dann) gegen uns (sein)? (C)

Versmaß: Deutscher Reimvers (D).

Wappen:
Plette4)Wippermann5)

Kommentar

Die schrägliegende Kapitalis kennzeichnen A mit dünn ausgezogenem linken Schrägschaft, gerades M mit kurzem Mittelteil und R mit geschwungener, dünn ausgezogener Cauda. An den Schaft-, Balken- und Bogenenden Sporen.

Das aufwendig gestaltete Kamingewände wird Georg Crosmann zugeschrieben.6) Die Wappen und Initialen beziehen sich auf die seit 1599 verheirateten Eheleute Conrad Plette und Anna von der Wipper, Tochter von Christian Wippermann und Beate Spanmann.7) Conrad Plette, der sich am 26. Mai 1596 an der Universität Marburg immatrikulierte,8) war seit 1603 Mitglied im Lemgoer Kaufmannsamt und seit 1609 auch Ratsangehöriger. Von 1611 bis zu seinem Tod am 4. Juni 1617 bekleidete er das Bürgermeisteramt. Der Ehe mit Anna von der Wipper entstammten vier Kinder: Heinrich, Christian, Cordt und Beata.9) Das Todesjahr der am 7. März 1628 noch lebenden Witwe ist unbekannt. Der Kamin bietet mit seiner inschriftlichen Datierung auf das Jahr 1612 einen wichtigen Fixpunkt in der Baugeschichte des Hauses Mittelstr. 36 (Nr. 139).10)

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 541 u. 813. Einzelberichte 1977–79, S. 539.
  2. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 172.
  3. Rm 8,31, als Devise vgl. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 297.
  4. Wappen Plette (Hausmarke in Form einer PL-Ligatur mit nach links in der Schaftmitte angesetztem C).
  5. Wappen Wippermann (mit achtstrahligem Stern belegter Balken, begleitet von 3 Stechringen, 2:1).
  6. BKD Lemgo, S. 813.
  7. Christian Wippermann, Sohn des Lemgoer Bürgermeisters Ernst Wippermann, ist nicht identisch mit dem gleichnamigen Erbauer des Hauses Kramerstr. 5, sondern war Bürger in Minden, 1577 Ratsmitglied sowie Vorsteher und Diakon von St. Martini. Zur Person: Schepper, Wippermann, S. 216f., u. Brenker/Meyer, Stammtafeln, S. 223.
  8. Matrikel Marburg, Teil 3, S. 101.
  9. Zu den Personen: Sta Lemgo, Plögersche Sammlung (Wippermann, Plette); Matrikel des Kaufmannsamtes, Nr. 706, u. Bürgerbuch, Nr. 2093, 3067, 3115, 3205, 3273, 3338.
  10. Kaspar, Bauen, S. 318–324.

Nachweise

  1. BKD Lemgo, S. 813 mit Abb. 622, S. 543.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 177 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0017706.