Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 165 Ballhaus, Markt 3 1608

Beschreibung

Inschrifttafel. Heller Sandstein. Die Tafel ist seit 1976/77 an der östlichen, zur Diebesgasse gewandten Traufenseite des großen Steinhauses außen zwischen dem dritten und vierten Kellerfenster von Norden in ca. 150 cm Höhe eingemauert. Sie stammt von der Marktfassade des Gebäudes. Dort war sie zuletzt an der Front der zweiarmigen Freitreppe von 1785/86 angebracht.1) Der querrechteckige Stein ist als schlichte Beschlagwerktafel mit einem protestantischen Wahlspruch in lateinischer Sprache (A), seiner niederdeutschen Übersetzung (B) und einem Datum (C) gestaltet. Bei der Restaurierung 1976/77 wurden einige verwitterte Stellen der in eingetieftem Schriftfeld erhaben ausgeführten Inschriften nachgearbeitet und diese insgesamt in Gold auf Braun gefaßt.2)

Maße: H. 36 cm; B. 88 cm; Bu. 4–4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, C), Fraktur (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/2]

  1. A

    SI DEVS PRO NOBISa) QVIS CONTRA / NOS · 3)

  2. B

    Is gott mit vns woll / kan wedder vns · 3)

  3. C

    ANNO . 1608

Übersetzung:

Ist Gott mit uns, wer kann gegen uns (sein)? (A)

Kommentar

Die Kapitalisbuchstaben teilweise schrägliegend, besonders ausgeprägte Sporenbildung bei S, E und T, Q und R mit geschwungener Cauda bis unter die Grundlinie, B mit einander nicht berührenden Bögen. Die Fraktur enthält ein g mit großem oberen Bogen, der untere Bogen horizontal auf der Grundlinie; linker Schaft des w mit geschwungener Oberlänge; k an den Schaftenden oben und unten waagerecht umgebrochen, der verkürzte untere Schrägbalken waagerecht, der obere Schrägbalken verbindet den Schaft und das obere, umgebrochene Schaftende. Die kreisförmige O ist sehr viel kleiner als die anderen Ziffern. Zwischen den Inschriften als Satztrenner Rosetten.

In den Jahren 1608/09 erfolgte der Umbau des im Kern älteren, spätmittelalterlichen Gebäudes zum städtischen Tanzhaus.4) Diese Maßnahme erfolgte ohne Einwilligung des Landesherrn während der sogenannten Lemgoer Revolte, als sich die Bürgerschaft dem Versuch des Grafen Simon VI. widersetzte, in Lemgo das kalvinistisch-reformierte Bekenntnis einzuführen (vgl. Nr. 172).5) Vor diesem Hintergrund ist die Wahl der Bibelstelle aus dem Römerbrief 8,31 hier als Bekenntnis zum Luthertum und selbstbewußte Kampfansage der protestantischen Bürgerschaft gegen den Landesherrn zu werten.

Textkritischer Apparat

  1. Das erste und zweite sowie das dritte und vierte Wort ohne Spatium dazwischen.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 578f. Zur Lage, Baugestalt und Geschichte des Gebäudes vgl. a. Nr. 39.
  2. Zustand vor und nach der Restaurierung: Fotografie, dat. 1976, WAfD Münster; BKD Lemgo, Abb. 661 (1977).
  3. Rm 8,31. Deutsche Version auch: Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 5, Sp. 1371, Nr. 2844. Als Devise: Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 297.
  4. Dazu BKD Lemgo, S. 560f. u. S. 571–576.
  5. Zur sogenannten Lemgoer Revolte (1600/1605–1617): Hoppe in BKD Lemgo, S. 26. P. Kurt Scheulen, Kirchengemeinden in Lippe vom 17. bis 20. Jahrhundert. In: 800 Jahre Lemgo. Aspekte der Stadtgeschichte, hg. v. Peter Johanek u. Herbert Stöver, Lemgo 1990 (Beiträge zur Geschichte der Stadt 2), S. 295–297. Kat. Confessio, Nr. 23, 42 u. 43.

Nachweise

  1. Werner-Max Schaefer, Hausinschriften und Haussprüche. Allgemeine und analytische Untersuchungen zur deutschen Inschriftenkunde. In: Hessische Blätter für Volkskunde 19, 1920, S. 23f.
  2. Sauerländer, Alte Hausinschriften.
  3. Sauerländer, Hausinschriften, S. 31.
  4. Rädeker, Häuser, S. 71.
  5. BKD Lemgo, S. 579f. mit Abb. 661.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 165 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006K0016509.