Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 143 Mittelstr. 88 2. H. 16. Jh.

Beschreibung

Rähmbalken. Dreigeschossiges giebelständiges Fachwerkhaus. Das Gebäude ist durch Umbauten zwischen 1897 und 1968 stark verändert, 1996/97 zuletzt restauriert.1) Die Straßenfront ist vollständig mit Zinkplatten verkleidet. Der rückseitige Giebel ist schmucklos bis auf den Rähmbalken direkt unterhalb des Krüppelwalms. Dieser trägt ein Gebet, in eingetieftem Schriftfeld erhaben geschnitzt, in Blau auf Grau gefaßt. Der wenig augenfällige Anbringungsort der Inschrift an der Hofseite läßt vermuten, daß der Balken bei der größeren Umgestaltung 1897 von der Fassade hierher versetzt wurde. Hierfür spricht auch, daß das Balkenende beschnitten ist. Dabei ging vermutlich auch das Baudatum verloren, das sich auf dem Balken befunden haben soll.2)

Maße: Bu. ca. 12 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/7]

  1. SALM . 54 : HELP MI GOT DORCH DINEN NAHMEN VNDE SCHAFFEMI RECHTa) DORCHb) DINE GEWALT GOT HOREc) MIN GEBETVERNIM DE REDE MINES MVNDE[S]d) 3)

Übersetzung:

Psalm 54: Hilf mir Gott durch deinen Namen und schaffe mir Recht durch deine Macht. Gott, höre mein Gebet, vernimm die Rede meines Mundes.

Kommentar

Es gibt Indizien für eine partielle Überarbeitung und Ergänzung der Inschrift, deren gesamtes Ausmaß nur die eingehende technische Untersuchung des Originals klären könnte.4) Trotz eingeschränkter Beurteilungsmöglichkeit des Originals können folgende Buchstabenformen als kennzeichnend für die Schrift gelten: A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken, H mit gebrochenem Mittelbalken, M mit kurzem Mittelteil, R mit gebogener Cauda, die den Bogen nicht berührt, oder mit gerader Cauda, die entweder am Schaft oder weiter außen am Bogen ansetzt, unziales G neben eingerolltem G. Durch uneinheitliche Formgebung und geringe Wortabstände wirkt das zum rechten Balkenende zunehmend gedrängte Schriftbild insgesamt unruhig. Der Schriftbefund erlaubt nur eine weiter gefaßte Datierung in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts entsprechend der bauhistorischen Einschätzung des Fachwerkhauses.5)

Textkritischer Apparat

  1. VNDE SCHAFFE MI RECHT fehlt BKD Lemgo.
  2. So BKD Lemgo wohl nach dem originalen Befund. Durch falsche Restaurierung heute DURCH.
  3. Heute HÖRE, falsche Restaurierung.
  4. Von den Buchstaben D und E ist nur noch der untere Ansatz zu erkennen. Offenbar ist der Balken hier beschnitten.

Anmerkungen

  1. BKD Lemgo, S. 869, und freundliche Auskunft des heutigen Eigentümers.
  2. BKD Lemgo, S. 869.
  3. Ps 54,3f. in einer niederdeutschen Version der Bibel, z. B. sog. Bugenhagen-Bibel (Lübeck 1533): Help my Gott dorch dynen namen / Vnde schaffe my recht dorch dyne gewalt. Godt ho(e)re myn gebedt / Vornim de rede mynes mundes.
  4. Einige Buchstaben der erhaben geschnitzten Inschrift sind entweder durch die Fassung oder durch gemalte Ergänzungen von Fehlstellen verändert oder entstellt wie z. B. das verschränkte W. Interpunktion ist bis auf Punkt und Doppelpunkt bei der Bibelstellenangabe heute am Original nicht feststellbar; für zusätzliche Punkte auf Zeilenmitte, wie sie die BKD Lemgo zwischen einigen Satzteilen angeben, fehlt der Platz.
  5. BKD Lemgo, S. 869. Kaspar, Fachwerkbauten, S. 145. Kaspar, Bauen, S. 197 u. 343f., vermutet eine Aufstockung um ein zusätzliches Obergeschoß und einen neuen Giebel in Fachwerk im späten 16. Jahrhundert.

Nachweise

  1. BKD Lemgo, S. 869.

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 143 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0014309.