Inschriftenkatalog: Stadt Lemgo

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 59: Lemgo (2004)

Nr. 136 St. Nikolai um 1600

Beschreibung

Kanzel. Holz, geschnitzt und farbig gefaßt, mit fünf Gemälden am Aufgang. Farbige Fassung von 1922, letzte Restaurierung 1973.1) Die im Mittelschiff am südwestlichen Vierungspfeiler stehende Kanzel ist mit einem durch ein Portal geschlossenen Treppenaufgang versehen. Der sechsseitige Kanzelkorb ruht auf einer von Akanthusblättern umschlossenen Stütze mit profiliertem Sockel. Die Brüstung des Kanzelkorbes gliedern freistehende korinthische Ecksäulen, die fünf von einer Ädikula umgebene Bildfelder mit Flachreliefs rahmen. Diese zeigen die Kreuzigung, die Eherne Schlange sowie die Darstellungen von drei Propheten. Eine undatierte Fotografie eines älteren Zustandes läßt zwei der Beischriften erkennen, die jedoch nicht zum originalen Befund gehören können, da sie einen der Propheten als Paulus bezeichnen.2) Ebenfalls eine spätere Zutat war offensichtlich eine unten mehrseitig um den Kanzelkorb verlaufende Inschrift, deren Anfang auf derselben Fotografie lesbar ist.3) Beide Inschriften blieben bei der letzten Restaurierung als nicht zum Originalbefund gehörend unberücksichtigt. Die Ädikulasockel tragen einzelne Wappenschilde, deren Schildbilder verloren sind, die Sockelfelder des Kanzelkorbes füllt Rollwerk. Oben um den Rand des Kanzelkorbs verläuft in den durch die Säulen getrennten Feldern eine Inschrift (A, erbauliche Sentenz).

Die südliche Treppenbrüstung ist außen mit Groteskenmalerei verziert und die nördliche durch Pilaster in vier Bildfelder unterteilt, deren Tafelgemälde die vier Evangelisten mit ihren Symbolen darstellen, von unten nach oben Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.4) Auf dem Fries über den Bildfeldern die Inschrift B (Glaubensaussage). Das Portal flankieren freistehende korinthische Säulen, den geschweiften Giebel bekrönt ein Kruzifix mit dem eingeschnitzten Titulus C auf einem Schriftband. Im Giebelfeld ein Medaillon mit Christus-Monogramm (D). Bis 1970 standen als Freifiguren Maria und Johannes Ev. auf den Portalsäulen.5) In die Tür ist ein Gemälde eingesetzt, das Christus als Schmerzensmann zeigt.

Die Inschriften der Kanzel sind mit Ausnahme des erhaben geschnitzten Monogramms (D) gemalt und haben durch verschiedene Restaurierungen ihren ursprünglichen Schriftcharakter verloren, so daß über die ursprüngliche Ausführung keine Aussagen mehr gemacht werden können.

Maße: Bu. 2,5 cm (A), 5,5 cm (B), 1,1 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C), Fraktur (B).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/14]

  1. A

    DE GELOVE KVMBT // VON DER PREDIGT // DAT PREDIGEN ABER IST // DORCH DAS WORT GODES 6)

  2. B

    Das Evangelium von Christo ist eine Krafta) Gottes , die da Selig machet alle , die daranb) glaubenc) . Röm . 1d) 7)

  3. C

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM) 8)

  4. D

    · (CHRISTUS) e) ·

Kommentar

Über die Herstellung der Kanzel ist nichts bekannt. Sie kann daher lediglich aus stilistischen Gründen auf die Zeit um 1600 datiert werden.

Textkritischer Apparat

  1. Krafft älterer Zustand auf Fotografie, WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo). Inwieweit diese ältere Fassung dem Original tatsächlich näherstand als die heutige, läßt sich nicht beurteilen.
  2. dran älterer Zustand.
  3. gleuben älterer Zustand.
  4. Die Angabe der Bibelstelle befand sich im älteren Zustand vor der Inschrift.
  5. XP ineinandergestellt.

Anmerkungen

  1. Einzelberichte 1967–73, S. 558. BKD Lemgo, S. 213. An der Deckplatte des Ständers befindet sich die Signatur des mit der Erneuerung der Fassung betrauten Malers: Martin Gotta Hannover Kirchenmaler. Darauf bezieht sich wohl das Datum A. D. 1922 an der Südseite des Kanzelaufgangs.
  2. WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo). Zu erkennen sind die Inschriften: ESAIAS // S . PAULUS.
  3. ROM 10 DIES.
  4. Die vier Tafelbilder zeigen Spuren nachträglicher Veränderungen. Die drei an der Schräge der Brüstung befindlichen Bilder (Markus, Lukas, Johannes) weisen das gleiche schmale Hochformat nach Art eines Parallelogramms auf. Auf der Bildfläche der untersten Brüstungstafel (Matthäus), einem Hochrechteck von gleicher Höhe wie die anderen, zeichnet sich eine frühere Rahmung der Evangelistendarstellung in einer schmaleren und niedrigeren Rundbogenöffnung ab. Diese ähnelt derjenigen des Schmerzensmannes an der Kanzeltür. Die Namen der Evangelisten sind mit Bleistift in Versalien jeweils auf hellen Bildflächen angebracht: MATTA/US, MAR/CUS, [..]HANNES; die entsprechende Inschrift im Lukas-Bild ist nur verwischt erkennbar. Diese Vermerke sind wahrscheinlich erst nach 1650 ausgeführt worden.
  5. Die Figur des Johannes wurde nach einem Diebstahl der Marienfigur im Jahr 1970 abgenommen; vgl. BKD Lemgo, S. 213.
  6. Rö 10,17.
  7. Rö 1,16.
  8. Nach Io 19,19.

Nachweise

  1. Fotografie, undat., WAfD Münster (Foto Ohle Lemgo).
  2. BKD Lemgo, S. 213 mit Abb. 174 u. 175 (A).

Zitierhinweis:
DI 59, Lemgo, Nr. 136 (Hans Fuhrmann, Kristine Weber, Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di059d006k0013606.